Menschen, die geerbt haben oder anderweitig zu mehr Geld gekommen sind, als sie selbst benötigen, sind mit Themen konfrontiert, die über die Geldanlage weit hinausgehen. Große Ideen wechseln sich ab mit ebenso großer Ratlosigkeit. In dieser Situation geht das Buch Besser spenden! die wichtigsten Fragen an: Was bedeutet es für mich persönlich, in Zeiten globaler Krisen besser gestellt zu sein als die meisten Menschen? Wo möchte ich und wo kann ich etwas bewirken? Und wie stelle ich das an, ohne von den Wünschen anderer aufgefressen zu werden?
Wer nicht nur auf Spendenaufrufe reagieren, sondern gezielt, strategisch und nachhaltig spenden will, braucht eine sinnvolle Planung, gleichviel, ob es sich um große oder eher überschaubare Beträge handelt. Besser spenden! ist der erste deutschsprachige Ratgeber in Buchform für Menschen, die sich mit Geld oder freiwilligem Einsatz engagieren wollen, und der einzige aus der Sicht einer Spenderin.
Ise Bosch, selbst Erbin, spendet seit vielen Jahren für die weltweite Durchsetzung der Menschenrechte. Sie hat das Erbinnen-Netzwerk Pecunia e. V. und filia. die frauenstiftung mitgegründet und ist Geschäftsführerin von Dreilinden gGmbH. Sie ist Trägerin des Deutschen Stifterpreises.
Alle Arbeitsblätter können im DIN-A4-Format aus dem Internet
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Überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe 2021
1. Ausgabe 2007 bei C.H. Beck, München
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2021
Alle Rechte vorbehalten
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Satz: Amélie Putzar, Hamburg
Herstellung: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
ISBN Print: 978-3-451-39023-4
ISBN E-Book (E-Pub): 978-3-451-82339-8
VORWORT zur Neuausgabe von Oda Heister
VORWORT zur Ausgabe von 2007 von Dr. Marita Haibach
EINLEITUNG Spenden, die zu Ihnen passen
KAPITEL 1 Warum spenden?
Die persönliche Motivation
Transformative Philanthropie
Denken Sie philanthropisch?
Blatt 1: Philanthropisches Stereotyp
KAPITEL 2 Spenden in Deutschland
Spenden in Krisenzeiten
Zum Beispiel: Corona-Krise
Der Spendenmarkt
Spenden vs. öffentliche Förderung
Wie demokratisch ist das Spendenwesen?
Die Kirchensteuer
Spenden, stiften, zustiften?
Spenden an gemeinnützige Organisationen, die sich politisch einmischen
KAPITEL 3 Was ist Ihnen wichtig?
Was gemeinnützige Einrichtungen für die Gesellschaft bedeuten
Ihr bisheriges Spendenverhalten
Blatt 2: Wofür haben Sie bisher gespendet?
Blatt 3: Analyse Ihrer bisherigen Spenden
Werte und Ideale
Blatt 4: Was ist Ihnen wichtig und warum?
Blatt 5: Was sind Ihre persönlichen Werte?
Mögliche Förderinteressen
Blatt 6: Finden Sie Ihre Förderinteressen
Blatt 7: Werte und Interessengebiete in Beziehung zueinander
Wie könnten wirksame Maßnahmen aussehen?
Blatt 8: Analyse eines Problems und möglicher Lösungen
Zum Beispiel: Rechte Gewalt unter Jugendlichen in Deutschland
Blatt 9: Ich stelle mir vor: Das Problem ist gelöst
Blatt 10: Wenn ich eine Million Euro hätte …
KAPITEL 4 Ihre Vision
Was ist ein Leitbild?
Blatt 11: Formulieren Sie Ihr Leitbild
KAPITEL 5 Was, wen und wie wollen Sie fördern?
Individuell passende Förderthemen
Zum Beispiel: Klimawandel
Spenden – aber an wen?
Blatt 12: Zu welchen Förderthemen wollen Sie tätig werden?
Arbeitsstrategien für den sozialen Wandel
Ihre Einbindung als Fördernde/r
Informationen sammeln und beurteilen
Fünf Spendentypen
Spendenentscheidungen fällen
Blatt 13: Evaluation: Passen Sie und die von Ihnen geförderte Organisation zusammen?
KAPITEL 6 Wie viel wollen Sie spenden?
«Gefühlter Reichtum»
Steuerliche Absetzbarkeit als Richtschnur
Blatt 14: Wie viel möchten Sie spenden?
Der Umgang mit dem Vermögen
Blatt 15: Vom Vermögen spenden
Praktische Tipps zur Entscheidungsfindung
Blatt 16: Wie viel spenden Sie wem? ‒ Erster Überblicksplan
Per Testament spenden
Blatt 17: Hochrechnung Ihrer Spenden über die Jahre hinweg
KAPITEL 7 Der Spendenplan
Erstellen eines individuellen Spendenplans
Blatt 18: Der persönliche Spendenplan
Beispiel-Spendenpläne
Der Spendenplan «light»
Blatt 19: Vereinfachter Spendenplan
Mehrjährige Spenden
Blatt 20: Mehrjahres-Spendenplan
Für später: Auswertung
Blatt 21: Evaluation Ihrer wichtigsten Spenden
Blatt 22: Selbst-Evaluation
KAPITEL 8 Persönliches Engagement durch Spenden
Ehrenamtliche oder freiwillige Mitarbeit
Individuelle Fähigkeiten und Erfahrungen
Blatt 23: Welche besonderen Fähigkeiten und persönlichen Ressourcen können Sie einbringen?
Muss ich das jetzt immer tun? Freiwillige Mitarbeit beenden
Strategisch spenden
Gremienarbeit
Zinsfreie Darlehen an Projekte
Blatt 24: Fragen vor der Darlehensvergabe
KAPITEL 9 Eine große Spende vorbereiten
Beim Einstieg den Ausstieg planen
Prüfung der Organisation
Blatt 25: Einen Projektbesuch vorbereiten
Anonym spenden
KAPITEL 10 Fundraising, Prominenten-Engagement und Unternehmensspenden
Begeisterung vermitteln
Philanthropisches Engagement als öffentlich bekannte Persönlichkeit
Unternehmensspenden anregen
KAPITEL 11 Beratung und Unterstützung für Fördernde
«Die Sache mit den Nullen»
Steuerberatung
Finanzberatung
Assistenz
Wie umgehen mit moralischem Druck?
Beziehungen zu Geförderten
Rücksprache und Rückhalt
Wertorientierte Geldanlage
PRAKTISCHER ANHANG
Beispiele für Anschreiben
Informationsquellen für Spendeninteressierte
Materialien zum Herunterladen
von Oda Heister, Mitglied des Führungsteams von Ashoka Deutschland
Es gibt unzählige Ratgeber dazu, wie man sein Geld am besten investiert. Doch wie bringt man es am besten für einen guten Zweck an die Arbeit? Wer sich mit wirkungsvollem, strategischem, werteorientiertem, nachhaltigem, eben besserem Spenden beschäftigt, erkennt schnell, wie erschreckend komplex dieses Thema ist.
Da ist es kein Wunder, dass viele Menschen, die ich treffe, trotz hohem Interesse und dem Willen, sich philanthropisch zu engagieren, schnell wieder aufgeben – oder gar nicht erst anfangen. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist zu groß, die Hürde, viel Zeit investieren zu müssen, zu hoch. Zwar gibt es viele Vergleichsportale, die mir helfen, das billigste Depot und die beste Versicherung zu finden. Aber wenn ich spenden will, muss ich mich durch einen Dschungel von Angeboten und Projekten, von Beratungsstellen und Webseiten kämpfen.
Ich erlebe auch das andere Extrem: Gestandene Unternehmerinnen, die beim Spenden nicht dieselbe Sorgfalt, denselben Unternehmergeist einsetzen wie bei ihrem Tagesgeschäft. Sie vertrauen ihren Bekannten oder der Werbebeilage in der Zeitung, weil die Bilder so erschütternd sind – ohne sich die Frage zu stellen, ob das Geld «gut» gespendet ist.
Uns allen ist bewusst, dass wir hier weiterkommen müssen. Von der Lösung der großen sozialen, ökologischen und politischen Herausforderungen hängt zu viel ab. Wir wissen, dass wir dafür gute Ideen und für diese Ideen einen guten Mix an verschiedenen Finanzierungen brauchen. Während der Staat in Deutschland mit Sicherheit die erste Wahl ist, um ausgewiesene Lösungen nachhaltig durch Regelfinanzierung zu sichern, ist die Finanzierung von Innovationen, das Testen und Ausprobieren sowie das Neue-Wege-gehen schon immer Sache guter Philanthropie gewesen.
Ise Bosch ist der lebendige Beweis hierfür: Als eine der Pionierinnen in diesem Bereich hat sie angefangen, für LGBT-Rechte und -Projekte zu spenden, auf partizipative Art, und dies zu einer Zeit, als die Regierung weit davon entfernt war, hierfür Geld auszugeben. Ohne ihr Engagement und das vieler anderer progressiver philanthropisch denkender Menschen wären wir in diesem Feld niemals so weit, wie wir heute sind.
Belege dafür, dass kluges Spenden sehr viel bewegen kann, habe ich in den letzten fünfzehn Jahren als Partnerin bei Ashoka erlebt, einer Organisation, die weltweit Sozialunternehmerinnen und -unternehmer (Ashoka Fellows) bei der Skalierung ihrer systemverändernden Innovationen unterstützt. Nur als Beispiel: Über siebzig Mitglieder des Ashoka Support Netzwerks in Deutschland unterstützen unsere Ashoka Fellows mit einer fünfstelligen Spende jährlich, aber setzen gleichzeitig ihr Wissen, ihre Expertise und ihre Netzwerke ein, um diesen Innovationen das Wachstum zu erleichtern. Sie schalten eben nicht ihren Kopf aus, weil spenden so leicht ist – im Gegenteil, sie schalten ihren Kopf ein, denn es kann lebenswichtig sein, ob man 100, 1000 oder 1 Million Kinder erreicht.
Weitere Beispiele konnte ich im letzten Jahr in einem Dialog mit dem Arbeitstitel «Neues Geben» sammeln, in dem ich die große Ehre hatte, mit einer Gruppe von Vermögenden und Menschen mit Expertise, unter anderem auch Ise Bosch, der Frage auf den Grund zu gehen: Was kann man tun, um zum Stiften und Spenden zu motivieren? Wir haben mit vielen Menschen gesprochen: erfolgreichen Managerinnen an der Spitze von Konzernen, Erben, Mitgliedern von Familien- und Startup-Unternehmen.
Und immer, immer wieder kamen wir auf die Hürden zu sprechen, die Ise Bosch mit ihrem Buch anspricht: Wie fange ich eigentlich an? Was ist mir wichtig? Welche Fragen muss ich mir stellen, um gut zu spenden? Wem möchte ich vertrauen, mit wem könnte ich es zusammen tun? Wie kann ich trotz wenig Zeit viel bewegen?
Es gibt so viele kluge Köpfen in Deutschland, die sich mit ihrem Geld für eine bessere Welt einsetzen möchten. Daher könnte ich mir keinen besseren Zeitpunkt für die Neuauflage dieses Buches denken, das all denen den Einsteig erleichtern kann.
Und allen, die sich auf den Weg machen, kann ich nur zurufen: Es lohnt sich! Nichts macht optimistischer und beflügelt mehr als die Arbeit mit Changemakern. Wir müssen niemanden mit Eckbüros, Firmenwagen und Incentive-Events locken, um die Sinnhaftigkeit der Arbeit deutlich zu machen. Wenn es etwas gibt, um das man uns in der «klassischen» Wirtschaft beneidet, dann das. Die Fülle an innovativen Lösungen, die Kreativität, der Teamgeist und die Can-do-Mentalität zeigen jeden Tag aufs Neue, dass es möglich ist: Wir haben das Wissen, wir haben das Geld und wir haben die Menschen, um die Welt besser zu machen.
von Dr. Marita Haibach, Expertin für Fundraising und Philanthropie
Mit dem neuen Jahrtausend hat ein neues Zeitalter begonnen. Die wachsende Bedeutung von privatem Engagement in Gestalt von Spenden (in unterschiedlichsten Formen), Stiften und Corporate Social ResponsibilityAktivitäten ist Ausdruck einer immer aktiver werdenden Zivilgesellschaft. Das Konzept der Bürger/innengesellschaft gewinnt zunehmend an Konturen: Neben Fundraising, Sponsoring und bürgerschaftlichem Engagement gehören auch Begriffe wie Zivilgesellschaft, Corporate Social Responsibility, Stiftungen und andere mehr mittlerweile zum Alltagsvokabular. Auch wenn von einer «selbstverständlichen Philanthropie», wie sie in den USA existiert, in Deutschland noch längst nicht die Rede sein kann, so sind dennoch Anzeichen für eine positive Neubewertung von privatem Engagement festzustellen. Dieses wird nicht länger vorwiegend als private Tugend gepflegt.
Viele Menschen entdecken nun auch bei uns, dass Spenden Freude machen und ihrem Leben Sinn verleihen kann, und dass sie damit auch gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen können. Bislang rangierten das Helfen und «Impulsspenden» an der Spitze der Spendenpräferenz-Skala. Dies zeigt die hohe Spendenbereitschaft bei Katastrophen, sofern diese via Medienberichterstattung in das Blickfeld der Menschen gerückt werden. Besonders dann, wenn auch Menschen aus unserem Kulturkreis (mit-)betroffen sind, ist die Hilfsbereitschaft riesig. Ein Beispiel dafür ist die Tsunami-Katastrophe des Jahres 2004, als die geleisteten Spenden in Deutschland eine noch nie da gewesene Rekordhöhe in einer einzelnen Spendenkampagne erreichten.
Dennoch klaffen das Gesamtvolumen der Philanthropie und das Förderpotenzial bislang weit auseinander. Der Umfang und somit auch der gesellschaftliche Einfluss des privaten Gebens in Deutschland ist geringer als in den USA. Alleine das Volumen der Spenden von Einzelpersonen liegt dort über dreißigmal höher, obwohl die Bevölkerungszahl der USA lediglich dreimal so groß ist wie die der Bundesrepublik.
Wird das Goldene Zeitalter der Philanthropie, dessen Beginn die Zeitschrift «The Economist» nicht nur in den USA, sondern auch in Europa prognostizierte, wirklich eintreten? Die Kombination von wachsendem Vermögen und einer alternden Bevölkerung, so heißt es, führe zu mehr Spenden von den Lebenden und mehr Legaten zugunsten gemeinnütziger Organisationen von den Toten. Es ist ein historisches Novum, dass immer mehr Menschen mehr Geld besitzen, als sie ihren Nachkommen hinterlassen wollen.
Das Wachsen der Freude am Spenden und damit des Spendenvolumens wird hierzulande bislang dadurch gebremst, dass die meisten Spendenden nicht planvoll und gezielt spenden, sondern sich vom Zufall leiten lassen. Nur wenige Spender und Spenderinnen stellen sich die Frage: Was will und kann ich mit meinen Spenden bewirken? Bei «Zufallsspenden» sinkt das Maß an persönlicher Befriedigung, das Spendende daraus beziehen, im Laufe der Zeit, zumal viele sich eher in Form von Kleinspenden an eine ständig zunehmende Zahl von Gruppen engagieren. Ein ganz wesentlicher Faktor, um das eigene philanthropische Engagement als spannend und bereichernd zu erleben, ist das Abrücken von Impulsspenden und die Konzentration auf diejenigen Bereiche und Einrichtungen, die den eigenen Wertvorstellungen entsprechen.
Es kommt hinzu, dass sich Bedürftigkeit und Bedürfnisse heutzutage in einer verwirrenden Vielfalt unterschiedlicher Problembereiche und gemeinnütziger Organisationen zeigen, die oft sogar in Konkurrenz zueinander stehen. Wer spenden will, hat die Qual der Wahl. Neben glaubwürdigen Menschen, die das Fundraising übernehmen und sich treuhänderisch gegenüber «ihren» Fördernden verhalten, sind mündige Spendende gefragt, die selbst die Initiative ergreifen, um hinter die Kulissen zu schauen. Sie engagieren sich beispielsweise in der von ihnen unterstützten Organisation auf ehrenamtlicher Basis persönlich oder machen sich gelegentlich die Mühe, sich durch persönliche Kontakte oder Anforderung von konkreten Informationen, wie dem Jahresbericht, selbst über die Arbeit ein Bild zu machen.
Ise Boschs Buch ist ein Meilenstein auf dem Weg zu mündigem und selbstbewusstem Spenden und damit zugleich zur Steigerung des Spendenvolumens im deutschsprachigen Raum. Die Sicht der Spendenden kommt bislang in den Veröffentlichungen über Philanthropie, bürgerschaftliches Engagement und Fundraising zu kurz. Basierend auf ihren eigenen Erfahrungen als Spenderin und Stifterin sowie im Umgang mit zahlreichen anderen vermögenden Spendenden hat Ise Bosch dieses Arbeitsbuch entwickelt, das praktische Unterstützung dabei bietet, einen persönlichen Spendenplan zu erstellen. Das Buch belegt in anschaulicher Weise: Wachsende Freude am Spenden ist planbar und erreichbar.
Kopenhagen, im Jahr 2009, ein Zimmer im Konferenzhotel. Meine Freundin Julie Dorf und ich saßen im Schneidersitz auf dem großen Bett. Zwischen uns ein paar Blatt Papier. Wir waren beide hier, um die «Outgames»-Menschenrechtskonferenz zu besuchen. Sie eine US-Amerikanerin, Gründerin der vielleicht ersten Organisation überhaupt, die sich gänzlich den internationalen Menschenrechten von sexuellen Minoritäten verschrieben hatte. Sie hatte fast zwanzig Jahre Erfahrung in der Leitung, war bestens vernetzt in der kleinen, regen Szene von NGOs in diesem Bereich. Gegenüber ich, eine Deutsche mit dem Wunsch, sich international zu engagieren. Zwei Jahrzehnte zuvor hatte ich begonnen, mit geerbtem Geld gemeinnützige Arbeit zu unterstützen. Nun hatte ich erneut geerbt, eine gemeinnützige GmbH gegründet, «Dreilinden» sollte sie heißen, und stand mitten im Programm-Aufbau. Was genau sollte es sein? Sollte es meiner beruflichen Leidenschaft dienen, der Musik? In diesem Bereich wird überall Geld gebraucht, und die Resultate sind häufig mit großem Genuss verbunden. Oder sollte es meine politische Leidenschaft sein, die Menschenrechte von geschlechtlichen Randgruppen? Oder sollte ich mich doch lieber nach dem richten, was ich als Deutsche persönlich als besonders unangenehm und beleidigend empfand und empfinde, das Erstarken der Neonazi-Szene?
Wir hatten nur begrenzt Zeit im dichtgedrängten Konferenzprogramm und so legten wir gleich los mit unserem Brainstorming. Breiteten auf der Decke zwischen uns seitenweise Notizen aus, um einmal die volle Palette der Möglichkeiten vor Augen zu haben. Und dann strichen wir das meiste wieder durch. Musik – raus. Theater – raus. Das können andere auch. Die Menschenrechte sexueller Minoritäten international – behalten! Das machte sonst fast keiner, dort war viel aufzubauen. Und Antirassismus in Deutschland – dann hätten wir zwei Schwerpunkte? Meine Freundin argumentierte: besser ganz auf ein Thema fokussieren. Ich beharrte auf den beiden, Antirassismus und LGBT-Menschenrechte (die Arbeit profitiert bis heute von den Synergien zwischen den beiden Feldern). Aber mit welcher Strategie, mehr politisch oder eher kulturell? Mit welchem Zeithorizont? Viele kleine Förderungen oder wenige große? Und so weiter… Nach gut zwei Stunden hielt ich den Entwurf eines Mission Statement meiner «Dreilinden gGmbh» in der Hand. Mit Bleistift auf Papier, mit vielen offenen Punkten – aber es war zumindest geklärt, welche meine Fragen waren und bei welchen Themen ich mich in Zukunft engagieren wollte.
Sie finden hier keine Liste von «1000 legalen Spendentricks für Vermögende». Sie finden überhaupt wenig zum Thema «Steuern». Was Sie hier finden können, sind Mittel und Wege, sich mit persönlichem Vermögen im wahrsten Sinn des Wortes gemein-nützig zu engagieren. Denn wer mit großen Spenden wirksam für andere «etwas Gutes tun» will, übernimmt eine Aufgabe von häufig unterschätzter Komplexität. Was sind die «richtigen» Zwecke, wo die richtigen Organisationen, wie hoch die richtigen Beträge? Je genauer man hinsieht, desto komplizierter scheint das Unterfangen. Außerdem tragen sich Menschen, die das Bedürfnis haben, ihr Vermögen mit der Gesellschaft zu teilen, oder die Verpflichtung verspüren, etwas zurückzugeben, manchmal auch mit diffusen Gefühlen von Schuld. Schuldgefühle sind aber selten hilfreich, wenn es darum geht, aktiv zu werden. Sie können dermaßen blockieren, dass es häufig beim vagen und wieder verdrängten Wunsch bleibt, mit dem Geld die Welt zu verbessern.
Das Stiften und Spenden wurde in der Vergangenheit häufig als nice to have, als nicht essentiell wahrgenommen. Artikel 14,2 GG ist ein allgemein beliebter Passus des deutschen Grundgesetzes – der Gebrauch von Eigentum soll immer auch dem Gemeinwohl dienen. Schön und gut, aber auf welche Weise und in welchem Maße? Gesehen wird weniger die Verpflichtung als die Freiwilligkeit, sich zu engagieren. Im täglichen Leben von Menschen und Familien mit verfügbarem Vermögen finden sich meist vermeintlich gute Gründe, sich nicht in dem Maß zu engagieren, wie es ihnen eigentlich möglich wäre.
Die Ausgangslage des Spendens und Stiftens ändert sich derzeit grundlegend. Gut oder weniger gut situiert zu sein, spielt nun eine große Rolle für Wohnen, Berufsmöglichkeiten, Chancen der Kinder, Alter, Gesundheit. Als zweite große Wirtschaftskrise dieses Jahrhunderts produziert die Corona-Krise Verlierer und vor allem Verliererinnen, die sich ernsthafte finanzielle Sorgen machen müssen. Wer «es besser hat» als andere, steht nun sehr viel mehr Menschen gegenüber, deren wirtschaftliche Lage sich möglicherweise sehr lange nicht von dieser Krise erholen wird.
Auch die mittel- und langfristigen Folgen der Klima-Krise stellen vorausdenkende Menschen vor die Herausforderung zu handeln, und zwar jetzt. Vieles kann nur die öffentliche Hand tun, vieles kann (oder könnte) die Wirtschaft am besten – aber beides wird wohl nur geschehen, wenn die Zivilgesellschaft es einfordert. Und gerade jene unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die hier aktiv werden können, finanzieren sich durch Spenden und große private Förderungen.
Spenden ist freiwillig. Dennoch sehe ich inzwischen deutlich: Wer kann, wird jetzt und in Zukunft mehr geben müssen, um mit den wachsenden Herausforderungen Schritt zu halten. Die gegenwärtige weltweite Wirtschaftskrise wegen der Corona-Pandemie erschwert für sehr viele Vermögende die Finanzplanung, aber das kann kein Grund sein, sich dem gesellschaftlichen Engagement zu entziehen. Eine ehrliche langfristige Finanzplanung ist angesagt – nicht nur mit Blick auf die persönlichen Bedarfe und die der eigenen Familie.
Nein, Spenden ist kein nice to have mehr. Noch überzeugt der deutsche Spendenmarkt nicht durch große Tatkraft. Das mag viele Gründe haben. Ein Hemmnis versucht dieses Buch zu beheben: Menschen mit verfügbarem Vermögen, die gewillt sind, mehr zu tun, brauchen dabei offensichtlich Impulse, Ideen und Support. Sie benötigen für sich persönlich einen Plan, in welchem Bereich sie sich engagieren und wie sie das konkret umsetzen wollen. Was will ich fördern, welche Spendensummen sind für mich realistisch, und wie tue ich das auf eine Weise, die zu mir passt? – in all diesen Fragen bietet Besser spenden! Unterstützung an.
Das vorliegende Buch richtet sich an Menschen, die «es besser haben»: Menschen mit einem freien, nicht unternehmerisch gebundenen Vermögen oder mit einem hohen Einkommen, das ihnen gestattet, mittlere und große Summen zu spenden. Außerdem richtet es sich an öffentlich bekannte Personen, die sich mit ihrem Namen und Gesicht für soziale Zwecke, für eine bessere Welt einsetzen wollen. Dieser Leitfaden spricht Menschen an, die entweder selbst über ihr Vermögen (oder über Teile davon) verfügen können, oder die Mitglieder vermögender Familien sind. Der Spielraum derer, die ein Unternehmen besitzen, kann dagegen eingeschränkt sein. Denn auch ihr privates Vermögen ist häufig auf das Unternehmen bezogen, beispielsweise um die auf ihre Anteile anfallenden Steuern zahlen zu können. So sehen sich viele, die direkt einem Unternehmen verbunden sind, schon dadurch sozial engagiert, dass sie das Unternehmen langfristig sichern, sowie durch die CSR, die Corporate Social Responsibility des Unternehmens. Trotzdem lohnt für viele Unternehmerinnen und Unternehmer die Überlegung, ob sie zusätzlich auch privat fördernd tätig werden möchten. Denn auch wenn unternehmerisches Engagement viel mit Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung zu tun hat – die soziale Wirkung bleibt begrenzt auf das eigene Unternehmen und sein Umfeld.
Die erste Ausgabe von Besser spenden! entstand im Zeitraum 2004 bis 2007. Nach rund fünfzehn Jahren war nun einiges auf Stand zu bringen. Der Kern des Buches – die Grundgedanken, die Motivation, die Arbeitsblätter – hat Bestand und ist nur leicht überarbeitet worden.
Die Bedeutung, sich nach Kräften zu engagieren, ist allerdings seither gestiegen. Es ist nicht nur die Klima- und die Corona-Krise, es ist auch die immer stärkere Wahrnehmung, dass Einkommen, Privilegien und Vermögen in Deutschland zu ungleich verteilt sind. Wenn Wohnungen für jüngere Menschen, gerade junge Familien, in vielen Städten unerschwinglich werden, wenn die Chance, sozial aufzusteigen, mehr oder weniger davon abhängt, ob man einen privilegierten Hintergrund hat, dann wer