Mathilda Grace
KOPF ODER ZAHL
Band 1
EINE FRAGE DER LIEBE
Die Las Vegas-Trilogie
Eine Frage der Liebe
1. Auflage, März 2019
Impressum
©2018 Mathilda Grace
Am Chursbusch 12, 44879 Bochum
Text: Mathilda Grace 2016
Fotos: fva2105, PDPics; Pixabay
Coverdesign: Mathilda Grace
Korrektorat: Laura Iacoviello
Web: www.mathilda-grace.de
Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.
Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden. Diese Geschichte spielt in einem fiktiven Casino in Las Vegas.
Liebesroman
Liebe Leserin, Lieber Leser,
ohne deine Unterstützung und Wertschätzung meiner Arbeit könnte ich nicht in meinem Traumberuf arbeiten.
Mit deinem Kauf dieses E-Books schaffst du die Grundlage für viele weitere Geschichten aus meiner Feder, die dir in Zukunft hoffentlich wundervolle Lesestunden bescheren werden.
Dankeschön.
Liebe Grüße
Mathilda Grace
Auf der Flucht vor seinem brutalen Exfreund und wild entschlossen selbigem eins auszuwischen, betritt Hendrik Jones das Kopf oder Zahl, ein neues Luxuscasino in Las Vegas. Er ist nur aus einem Grund hier, um zu spielen, zu verlieren und seinen Ex dadurch in den Ruin zu treiben. In seiner Aufregung vertauscht Hendrik beim Einchecken allerdings die Kreditkarten und als er seinen Fehler bemerkt, ist es zu spät. Vollkommen abgebrannt landet er im Büro von Taylor James, einem der drei Besitzer des Casinos, der ihm einen unglaublichen Deal anbietet, um seine Schulden zu begleichen.
Prolog
Las Vegas, die Stadt der Träume.
Oder der Albträume, das war Auslegungssache.
Für Hendrik Jones war das glitzernde Vegas die Stadt der Möglichkeiten. Eine Zuflucht für all die verlorenen Seelen, wie er eine war, und vor allem der Ort, an dem er Rache nehmen würde für die Schmerzen und das Leid, das Richard ihm zugefügt hatte. Ja, er würde sich rächen und er würde es bis zur letzten Sekunde genießen.
Wahrscheinlich würde er anschließend ins Gefängnis wandern, aber das wäre es wert. Es würde sogar den letzten aller möglichen Schritte wert sein, solange es ihm nur gelang, das zu tun, warum er in diese Stadt der Gewinner und Verlierer gekommen war.
Nur sollte er vorher besser aus dieser brütenden Hitze raus, sonst lief er Gefahr an einem Hitzschlag zu sterben, bevor er seine Chance auf Rache bekam.
Er wusste, dass das, was er vorhatte, ein Verbrechen war. Er wusste ebenfalls, dass es besser und vor allem klüger gewesen wäre, zur Polizei zu gehen und offiziell Anzeige zu erstatten. Er hatte genug Beweise für seine Behauptungen auf seinem Körper. Ein paar davon waren noch so frisch, dass sie ihm bei jedem Schritt Schmerzen verursachten.
Richard hatte nie sein Gesicht verletzt, nicht mal im Affekt. Sein Exfreund war zwar ein Schläger, aber kein Dummkopf. Er hatte penibel darauf geachtet nur dorthin zu schlagen, wo man es nicht sehen konnte. Kleidung verbarg viel. Zu viel vielleicht. Am Ende hatte Hendrik es einfach nicht mehr ausgehalten. Er war ohnehin schon zu lange geblieben. Aus Liebe.
Zumindest in den ersten Jahren. Irgendwann war aus der Liebe Angst geworden und am Ende Resignation.
Mit den ständigen Schlägen hätte er vielleicht weiter leben können. Aber nicht mit der Vergewaltigung.
Dass Richard diese unsichtbare Grenze überschritten hatte, würde Hendrik ihm nie verzeihen. Und er würde niemals zu ihm zurückkehren. Jetzt nicht mehr.
Hendrik blieb im Schatten einer blinkenden Werbung für ein neues Casino stehen und nahm sich die Zeit, eine Wasserflasche aus seinem alten Rucksack zu holen und etwas zu trinken. Obwohl die Sonne bereits tief stand, hatte die Hitze des Tages bisher nicht viel von ihrer Kraft eingebüßt und er brauchte dringend Abkühlung. Eine Dusche wäre ihm zwar lieber gewesen, aber wenn er es wagte, sich in den Brunnen auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu werfen, würde er die Nacht garantiert in einer Gefängniszelle verbringen.
Keine sonderlich erhebende Vorstellung. Außerdem bestand dann die Gefahr, dass man Richard, der überall als sein offizieller Notfallkontakt eingetragen war, über seine Verhaftung informierte und das wollte Hendrik in jedem Fall vermeiden.
Im Augenblick wollte er nur eines: besagten Exfreund um sein sauer verdientes Geld bringen, und zwar bis auf den letzten Cent. Das war in seinen Augen das Mindeste für die Prügel, die er über so viele Jahre immer wieder hatte einstecken müssen.
Wie es weitergehen sollte, nachdem er getan hatte, warum er hergekommen war, darüber hatte Hendrik noch nicht genauer nachgedacht. Er würde untertauchen müssen, ein neues Leben anfangen. Sich irgendwo einen Job suchen. Möglichst weit von Los Angeles entfernt. Er würde schon irgendwie durchkommen.
Er hatte die vergangenen acht Jahre überlebt und war am Ende aus eigener Kraft vor Richard geflohen. Sich ein neues Leben aufzubauen, würde dagegen ein Kinderspiel sein.
Hendriks Blick fiel erneut auf die Anzeigetafel. Kopf oder Zahl, das neue Luxuscasino am Strip. Ursprünglich hatte er ins Caesars Palace gehen wollen. Jeder Spieler, der etwas auf sich hielt, ging dorthin, hatte er irgendwo mal gelesen. Aber im Grunde war ihm das Casino egal. Spielen konnte man in dieser Stadt schließlich überall. Das grelle Licht der Anzeigetafel fing an ihn zu blenden und Hendrik wandte den Blick ab, um seine Augen stattdessen den Strip entlangwandern zu lassen. In ein paar Stunden würde man hier von Millionen Lichtern förmlich erschlagen werden und irgendwo an dieser mit Leuten komplett überfüllten Straße lag seine Zukunft.
Irgendwie jedenfalls. Hendrik sah ein letztes Mal auf die Anzeigetafel. Warum eigentlich nicht, entschied er mit einem knappen Nicken und setzte sich gemächlich in Bewegung. Ein Casino war wie das andere. Er hatte noch nie gespielt und nach der heutigen Nacht würde er es auch nie wieder tun. Es ging ihm nur um seine Rache, nicht mehr, denn wenn es eines gab, mit dem er seinen Exfreund schmerzhaft treffen konnte, dann war es der Verlust von Geld.
Aus diesem Grund hatte er Richards Kreditkarten bei sich. Aus diesem Grund würde er spielen und verlieren. Aus diesem Grund hatte er gewartet, bis Richard zu der Geschäftsreise nach New York City aufgebrochen war.
Morgen früh, wenn er sich auf den Heimweg machte, würde Richard Carsen merken, dass sein Exfreund kein kleiner Junge mehr war, der Vernunft nur lernte, indem man sie ihm mit Ledergürteln, Stiefeln oder den blanken Fäusten einprügelte.
Kapitel 1
»Wie sieht's aus?«
Taylor James machte sich nicht die Mühe, seinen Blick von den Unterlagen zu nehmen, um Benedict Walsh zu antworten, weil sein erster bester Freund seit Kindertagen ohnehin einen Blick auf die hundert Bildschirme der Überwachungskameras werfen würde. Sie nahmen eine komplette Wand seines 30qm großen Büros ein und boten ihm zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Blick auf die Gäste des Casinos und dem dazugehörigen Hotel, mit mehreren Restaurants, einem Spa-Bereich und einer langen Shoppingmeile.
»Ah, Maggie ist wieder da.«
»Gewinnt sie?«, fragte Taylor zerstreut und strich auf einer der Vorratslisten, die Melissa, seine Sekretärin, Helferin in der Not und im schlimmsten Fall sogar Mädchen für alles, ihm vor einer Stunde auf den Schreibtisch gelegt hatte, die gewünschte Anzahl der Neubestellungen von Handtüchern durch, um sie kurzerhand zu verdoppeln.
In den letzten beiden Wochen war die Zahl der Diebstähle von Handtüchern sowie sonstigem Kleinkram wie Seifen oder Duftproben förmlich explodiert, und sobald Shannon Bettany, sein zweiter bester Freund und neben Benedict und ihm der dritte Geschäftsführer vom Kopf oder Zahl, das erfuhr, würde er wieder darauf bestehen, dass sie weiteres Sicherheitspersonal brauchten. Eine Ausgabe, die in Taylors Augen überflüssig und auch unsinnig war. Es war günstiger, einfach mehr Handtücher zu bestellen. Solche Sachen wurden in allen Hotels in der Stadt in Massen gestohlen, das gehörte irgendwie dazu.
»Sieht ganz gut aus«, antwortete Benedict und gab danach ein prüfendes »Hm.« von sich. »Ich kann's nicht genau sehen, aber sie hat etwa Fünftausend in Chips vor sich liegen. Und an ihrer Seite liegt auch noch was. Scheinbar hat sie heute Glück. Erhöhen wir ihr Limit?«
»Nein«, antwortete Taylor, denn er hatte Maggies Ehemann vor drei Tagen sein Wort gegeben, es nicht zu tun. »Sie wird bis Mitternacht sowieso alles verlieren, was ihren Ehemann kaum begeistern dürfte.«
»Hat Charles dich schon wieder angerufen?«
»Ja.«
Und mehr würde Taylor dazu nicht sagen. Maggie Wicked gehörte zu Vegas' verlorenen Seelen, denn neben ihrem Haus, hatte sie bereits das gesamte Studiengeld für ihre Kinder, ihre ersten beiden Ehen und ihre letzten fünf Jobs verspielt. Charles Wicked war Ehemann Nummer drei. Zumindest noch. Taylor bezweifelte, dass seine Liebe auf Dauer reichen würde, um die Spielsucht von Maggie zu bezwingen, aber solange er Maggies Schulden bezahlte, würde sie im Kopf oder Zahl immer einen Platz an einem der unzähligen Spieltische finden.
Geschäft war und blieb nun mal Geschäft, obwohl es darin so einige Aspekte gab, die Taylor nicht gefielen. Spielsüchtige zum Beispiel. Aber das Casino konnte diese Leute nicht einfach vor die Tür setzen oder sie gar nicht erst reinlassen, weil sie krank waren. In sehr vielen Fällen gab es Ehepartner oder Familien, die zahlten, um dafür zu sorgen, dass die Sucht geheim blieb.
Und in jenen Fällen, wo den Menschen ihre Schulden eines Tages über den Kopf wuchsen, blieben sie früher oder später von selbst weg, weil sie nichts mehr hatten, das sie in Kleingeld oder Chips umtauschen konnten.
Das gehörte zur dunklen Seite von Las Vegas, und so sehr die Stadt es immer wieder versuchte, auch mit noch mehr Glamour, Glitzer und neuen Protzbauten ließen sich die offensichtlichen Probleme von Vegas nicht zur Seite schieben oder schönreden. Die von Jahr zu Jahr steigende Verbrechensrate bewies das deutlich.
»Interessant«, murmelte Benedict auf einmal und lachte im nächsten Moment leise.
Taylor, dessen Konzentration sich langsam ins Nirwana zu verabschieden begann, ergriff die willkommene Ablenkung am Schopfe und erhob sich, um seinen Körper von 2,03 Meter erst mal ausführlich zu strecken, bevor er sich zu Benedict vor die lange Bildschirmreihe gesellte.
»Links oben. Der einarmige Bandit«, half Benedict feixend aus und Taylor wollte seinen Augen nicht trauen, als sein Blick auf einen schlanken Mann um die Dreißig fiel, der offenbar mit dem Lesen der Spielhinweise beschäftigt war, die sie erst nach anhaltendem Drängen von Shannon hin besorgt hatten, um unerfahrenen Spielern den Einstieg zu erleichtern.
»Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde«, sagte Taylor und grinste, als sich der Unbekannte mit einer eindeutig frustrierten Geste durch seinen hellbraun-gelockten Haarschopf fuhr und danach zwischen der Münze in seiner Hand und dem einarmigen Banditen hin und hersah.
»Zehn Dollar, dass er noch einmal nachliest, bevor er sich einen Ruck gibt und es versucht.«
»Zwanzig dagegen«, konterte Taylor und zog eine Minute später leise seufzend seine Geldbörse hervor, um Benedict zu bezahlen, der sich mit einem heiteren Lachen bedankte, ehe sie sich den Papierkram vornahmen, damit das Lager morgen früh endlich die geplante Großbestellung aufgeben konnte.
Es war fast ein Uhr nachts, als Taylor schließlich aus seinem Büro kam und Zeit für das dick belegte Sandwich fand, das Shannon ihm bereits vor vier Stunden mitgebracht hatte, um anschließend mit Benedict zu ihrem allabendlichen Rundgang zu starten. Die Gäste liebten es, mit ihnen zu plaudern, und auf diese Weise erfuhren sie am schnellsten von den kleinen oder größeren Katastrophen im Haus. Ganz gleich, ob es sich dabei um schlampig gereinigte Zimmer, unhöfliches Personal oder fades Essen handelte.
Shannon nannte das wichtige Öffentlichkeitsarbeit, für die Taylor nicht taugte, da seine Größe die Leute abschreckte und er ohnehin kein Typ für Smalltalk war. Mit Kindern oder Teenagern kam er immer zurecht, erwachsene Menschen hingegen gingen ihm vorrangig auf die Nerven, mal abgesehen von Benedict und Shannon. Deswegen erledigten die beiden diese Rundgänge, die meistens in der Sicherheitszentrale im Keller endeten. Shannons zweites Zuhause im Kopf oder Zahl, und während Benedict als offizieller Ansprechpartner für alles und Jedermann fungierte, war ihm die Organisation zugefallen.
Warum Taylor seinen langjährigen und vor allem sicheren Job an der Highschool aufgegeben hatte, um sich auf diesen Casino-Wahnsinn einzulassen, war ihm selbst nach fünf Jahren manchmal immer noch ein Rätsel, aber diese Momente wurden weniger und im Grunde liebte er das Leben in Vegas. Er hatte einen guten Job, teilte sich mit seinen Freunden ein Penthouse im Hotel und wenn er mal ein, zwei Tage frei brauchte, war das nie ein Problem, da sie den Laden zu dritt führten und ein Mann weniger eine Zeitlang verschmerzbar war.
Was ihm fehlte war ein Partner, mit dem er dieses Leben teilen konnte. An seine letzte richtige Beziehung konnte er sich schon nicht mehr erinnern und One-Night-Stands waren nicht sein Ding. Er war einfach nicht wie Benedict und Shannon, die sich regelmäßig aufmachten, um eine Begleitung für die Nacht oder für eine heiße Nummer zu finden. Taylor wollte mehr als Sex.
Er wollte Liebe, Vertrauen, ein Haus mit Gartenzaun und einen Hund – Taylor wollte den Mann fürs Leben, nur würde der in einer Stadt wie Vegas verdammt schwer zu finden sein.
Sein Funkgerät piepte zweimal, dann ratterte eine hektische Stimme den Code für Ärger am Blackjack-Tisch herunter und bat eindringlich um Verstärkung. Soviel zu seinem überfälligen Feierabend, dachte Taylor, warf die Verpackung des Sandwichs in den nächsten Mülleimer und machte sich auf den Weg zum Casino. Offenbar verlor einer der Spieler nicht gern, schon gar nicht gegen eine weibliche Geberin.
Taylor kannte die wichtigen Codes des Sicherheitspersonals in und auswendig, weil er in solchen Fällen oft hinzugerufen wurde, um ernste Prügeleien zu vermeiden. Das Kopf oder Zahl verfügte über einen erstklassigen Sicherheitsdienst, aber sobald es um Eskalation ging, kamen Taylor sowohl seine körperliche Statur als auch seine Zeit als Lehrer zugute, und das wussten die Männer und Frauen der Security durchaus zu schätzen.
Taylor stieß die zweiflügelige Schwingtür zum Casino auf und konnte im letzten Augenblick diesem Unbekannten vom einarmigen Banditen ausweichen, der mit geweiteten Augen zur Seite sprang und ihm Platz machte. Taylor warf dem Mann einen kurzen Blick zu, irritiert über dessen heftige Reaktion auf ihn, doch da hörte er schon das Geschrei am Blackjack-Tisch und beschleunigte seine Schritte, denn er hatte die Stimme des Spielers erkannt.
Jenson Butler hatte bereits in einer Menge Casinos in Vegas Hausverbot, da er, wenn er verlor, regelmäßig laut wurde und seinen Ärger über verlorene Spiele auch gerne mit den Fäusten kundtat. Dass Butler die Ausmaße und den Charakter eines störrischen Bullen besaß, machte die Sache nicht einfacher. Vor allem nicht für Taylor, der, als er am Tisch eintraf, die Geberin umgehend beiseite winkte, um zu verhindern, dass ihr etwas passierte.
Greta Fernandez war eine tolle Spielerin, eine noch bessere Geberin und hatte privat ein unglaublich loses Mundwerk. Sie war eine der ersten, die sie für ihr Casino engagiert hatten, und wenn es nach Taylor ging, würde sie hier arbeiten, bis man sie in einem Sarg heraustrug, denn Greta hatte vier freche Kinder zu ernähren, kümmerte sich nebenher um ihre alte Mutter und liebte ihren seit einem Autounfall im Koma liegenden Mann über alles. Falls Jenson Butler diese Frau auch nur schief ansah, würde Taylor ihn unangespitzt in den mit einem Teppich bedeckten Boden rammen und hätte dabei nicht mal den Hauch eines schlechten Gewissens.
»Mister Butler, Sie hatten kein Glück heute?«
»Ihre Geberin betrügt mich.«
»Das tut sie keineswegs«, widersprach Taylor ruhig, »weil ich sie nämlich eigenhändig mit einem Tritt in den Hintern aus meinem Casino werfen lasse, sollte ich sie dabei erwischen. Im Übrigen gilt das für Sie ebenso, wenn Sie sich nicht benehmen, Mister Butler.«
»Ich will nur, was mir zusteht.«
»Wollen wir das nicht alle?«, konterte Taylor lässig und als Butler daraufhin einen Schritt in seine Richtung machte, hob er die Hand, um die Security vom Eingreifen abzuhalten. »Lassen Sie es für heute Nacht gut sein, Mister Butler. Das nächste Mal wird Ihnen das Glück wieder hold sein, so wie immer.«
Das war nicht einmal gelogen, denn Jenson Butler gewann genauso oft, wie er regelmäßig verlor. Der Mann hat durchaus Glück, er besaß nur nicht genug Verstand, um zu wissen, wann man aufhörte. Taylor hatte ihn schon oft genug beobachtet, wie er am Blackjack-Tisch mit klugen Zügen tausende von Dollar gewann, dann einen Drink an der Bar nahm, um anschließend wie ein Anfänger zu spielen und alles wieder zu verlieren.
»Sie sind wirklich lästig, James, aber von mir aus.« Butler entspannte sich und grinste ihn im nächsten Moment eindeutig an. »Wie wär's mit einem Drink?«
Auch das Angebot war ihm nicht neu und Shannon wäre vielleicht nicht abgeneigt gewesen, denn er mochte raue Kerle wie Butler, doch Taylor bevorzugte den weicheren Typ Mann. Er stand zwar keineswegs auf Twinks, aber eben auch nicht auf Männer, mit denen er erst in den nächsten Ring steigen musste, um zu klären, wer hinterher im Bett die Führung übernahm.
»Sie wissen doch, dass ich bei der Arbeit nichts trinke.«
»Gut für mich. Ich nehme zwei und trinke für Sie mit. Sie laden mich natürlich ein.«
Taylor musste sich ein Lachen verkneifen. »Natürlich. Aber vorher schulden Sie der Dame noch etwas, nicht wahr?«
Butler verdrehte die Augen, nickte aber und wandte sich Greta zu. »Es tut mir leid, Schönheit. Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen beim nächsten Mal eine Rose mitbringe?«
Greta schmunzelte und ihr Blick ließ Taylor nachdenklich die Stirn runzeln, schließlich war sie verheiratet. Andererseits, wer hätte es ihr übel nehmen können, ein bisschen Spaß haben zu wollen, denn ihr Mann würde vermutlich nie mehr aus dem Koma erwachen. Außerdem war Jenson Butler im Normalfall durchaus umgänglich und wahrlich nicht hässlich. Taylor wies sich selbst zurecht. Er war nicht Gretas Vater und privat, nach Feierabend, der vor wenigen Minuten angefangen hatte, wie er nach einem schnellen Blick auf die Uhr feststellte, konnte sie machen, was sie wollte.
»Bringen Sie zwei mit und spendieren Sie mir einen Drink, dann denke ich darüber nach«, erklärte Greta hörbar belustigt und sorgte damit umgehend für heiteres Gelächter unter den Security-Leuten. Und nicht nur bei denen, auch Butler lachte.
»Verdammt, Schätzchen, du verhandelst ja noch härter als dein Boss. Ich bin einverstanden.«
»Ich bin Greta, nicht Schätzchen, und den Drink nehmen wir gleich. Ich habe nämlich Feierabend und der Boss hat noch zu tun. Einverstanden?«
Butler nickte zufrieden lächelnd und bot Greta dann galant den Arm an. Die beiden zogen von dannen und bevor Taylor einen der Männer von der Sicherheit darum bitten konnte, die zwei für alle Fälle im Auge zu behalten, hatten sich zwei aus dem Team der Nachtschicht schon in Bewegung gesetzt und Taylor nickte den übrigen zu, um gleich darauf die Stirn zu runzeln, weil er Benedict auf sich zukommen sah.
Sein Freund hatte es offensichtlich eilig und das bedeutete im Allgemeinen nur eines: Ärger.
Kapitel 2
Wow, war Hendriks einziger Gedanke, als der Riese an ihm vorbei auf einen Streit zustürmte, der kurz davorstand zu einer gefährlichen Schlägerei zu werden. Spieler, die nicht verlieren konnten, waren vermutlich in jedem Casino ein Problem, aber mit einem Security-Kerl wie dem, dürfte sich das Ganze schnell in Luft auflösen.
Der Mann überragte mit Sicherheit die zwei Meter Marke und dazu noch diese breite Statur. Hendrik war sich für einen Moment wie ein Däumling vorgekommen, dabei war er mit seinen 1,85 Meter auch nicht gerade klein. Was Körpergröße betraf, hatten Richard und er perfekt zusammengepasst, bei dem Riesen jedoch würde er sich auf die Zehenspitzen stellen müssen, um ihn küssen zu können. Hendrik hatte zwar nichts dergleichen vor, aber die Vorstellung gefiel ihm trotzdem. Was irgendwie erstaunlich war, immerhin hatte er gerade erst seine langjährige Beziehung förmlich über Nacht hinter sich gelassen.
Hendrik runzelte die Stirn und verließ das Casino, als der Riese die Geberin beiseite winkte und sich dem Stänkerfritzen stellte. Seine Reaktion auf den Mann irritierte ihn, weil er keine Angst vor ihm hatte. Müsste er sich nicht vor einem Mann wie diesem geradezu fürchten, nachdem, was er mit Richard in den letzten Jahren erlebt hatte? Stattdessen stellte er sich vor, wie es wäre ihn zu küssen. Normal war das bestimmt nicht. Aber was war schon normal bei einem Menschen, der sich jahrelang vom eigenen Freund verprügeln ließ?
Sein Weg führte ihn an der Rezeption vorbei. Er bedachte die beiden dort arbeitenden, jungen Frauen mit einem höflichen Lächeln, das sie erwiderten, und lief im nächsten Moment fast in einen Anzugträger hinein, der seinen Weg kreuzte.
»Oh, Entschuldigung.«
»Kein Problem … Moment, Sie sind Mister Jones, oder?«
Hendrik trat einen Schritt zurück und sah sein Gegenüber misstrauisch an. »Wer will das wissen?«
Der schwarzhaarige Fremde lächelte und entblößte dabei strahlend weiße Zähne, bevor er seine Hand ausstreckte. »Bitte nicht schießen, ich bin unbewaffnet. Benedict Walsh, einer der Besitzer des Kopf oder Zahl. Freut mich, Sie kennenzulernen, Mister Jones.«
»Wie bitte?«, fragte Hendrik verdattert und schüttelte die angebotene Hand. »Ich meine, weswegen freuen Sie sich, mich kennenzulernen?«
»Man sieht nicht jeden Tag einen Spieler, der anfangs die Hilfetipps am einarmigen Banditen zurate zieht und dann, nur einige Stunden später, am Blackjack-Tisch in vierzig Minuten über 20.000 Dollar verliert. Mit Absicht, wohl gemerkt.«
Hendrik zuckte ertappt zusammen und zog eine Grimasse. »War es so offensichtlich?«
Walsh nickte leise lachend. »Sie haben absolut kein Talent zum Spielen. Von einem Pokerface ganz zu schweigen.«
»Ich weiß«, stimmte Hendrik mit einem Seufzen zu. »Und es wäre nett, wenn Sie sich jede weitere Nachfrage sparen.«
»Es ist Ihr Geld, damit können Sie machen, was Sie wollen.«
Irgendetwas an Walshs Worten ließ Hendrik misstrauisch stutzen. »Wieso mein Geld?«
Walsh warf ihm einen verwundert-fragenden Blick zu. »Sie sind doch Hendrik Jones, oder etwa nicht?«
»Ja, schon, aber ...« Hendrik verstummte abrupt und dann wurde ihm eiskalt, als er plötzlich begriff, was ihn an dem Satz von Walsh so seltsam vorgekommen war. »Oh, Scheiße.«
»Ist Ihnen nicht gut?«
Hendrik stöhnte laut auf und wandte sich ab, um sich mit beiden Händen übers Gesicht zu fahren. Sein Geld. Er musste in seiner Aufregung beim Eintreffen hier im Casino die Kreditkarten vertauscht haben. Statt Richards Konto leerzuräumen, wie er es geplant hatte, hatte er mal eben sein eigenes um über 15.000 Dollar überzogen. Das kam davon, wenn man sich seit Jahren vom Freund aushalten ließ und nur ab und zu Nebenjobs machte, um aus dem Haus zu kommen. Hendrik besaß kaum eigene Rücklagen, er hatte von Anfang an über Richards Geld verfügen können.
Bei ihrem Kennenlernen hatte Hendrik gerade sein letztes Jahr an der Highschool hinter sich gebracht und nicht den geringsten Schimmer gehabt, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Er hatte nur eines gewusst, dass er von zu Hause weg wollte. Von dem ständigen Gebrüll seines versoffenen Vaters, den Tränen seiner Mutter, die alles klaglos hinnahm, und einem muffigen Haus, das nie ein richtiges Zuhause gewesen war. Richard war ihm wie ein Ritter auf einem weißen Pferd erschienen. Wie der berühmte Retter in der Not, noch dazu da er von Anfang an darauf bestanden hatte, alles zu bezahlen. Richard hatte ihn geliebt und es ihm immer wieder auf unterschiedlichste Arten gezeigt. Richard hatte ihm ein echtes Zuhause gegeben, um es nach und nach in eine Hölle zu verwandeln.
Jetzt, acht Jahre später, stand er erneut vor dem Nichts, nur hatte er dieses Mal einen Arsch voller Schulden, um die er sich gefälligst wie ein Erwachsener kümmern würde.
»Mister Jones?«
Hendrik drehte sich um und sah sein Gegenüber ernst an. Er würde den Mann nicht belügen, das kam nicht infrage. Es war sein Fehler gewesen, also würde er für ihn geradestehen und das Geld zurückzahlen. Obwohl er keine Ahnung hatte, wie er das machen sollte, aber das würde sich schon irgendwie finden. Hauptsache, Richard erfuhr nichts davon.
»Können wir irgendwo reden? Unter vier Augen?«
»Weil?«, fragte Walsh nach und Hendrik entschied, dass es vermutlich das Beste war, Nägel mit Köpfen zu machen, statt länger um den heißen Brei herumzureden. Umso eher würden sie hoffentlich eine Lösung finden.
»Weil ich leider die falsche Kreditkarte benutzt habe, Ihrem Casino jetzt eine Menge Geld schulde und keine Ahnung habe, wie ich es zurückzahlen soll.«
Walsh war von dem Geständnis ziemlich überrascht, doch er nickte zustimmend und deutete Hendrik an, ihm zu folgen. »Wir gehen in Taylors Büro. Er ist für solche Dinge zuständig. Sprechen Sie mit ihm, es wird sich mit Sicherheit eine Lösung für Ihr … Problem finden lassen.«
Hendrik zog ein finsteres Gesicht. »Ich habe kein Problem. Na ja, abgesehen von den Schulden.«
Walsh warf ihm einen kurzen Blick zu. »Sie werden kaum grundlos mit einer Kreditkarte, die Ihrem Partner gehört, bei uns spielen und absichtlich verlieren.«
Verdammt, woher wusste der Mann von Richard? Hendrik verbiss sich einen saftigen Fluch. »Das geht Sie gar nichts an.«
»Wie ich schon sagte, reden Sie mit Taylor.« Walsh zog eine Karte durch ein Codeschloss neben einer Tür und ließ ihm den Vortritt. »Taylors Büro. Setzen Sie sich, ich hole ihn.«
Walsh war weg, bevor Hendrik fragen konnte, ob der Mann ihn veralberte. Oder einfach nur ausreichend Vertrauen in die Menschheit besaß, dass er ihn hier alleinließ. Er hätte das Büro durchsuchen oder sonst was anstellen können. Nun ja, er wohl kaum, dachte Hendrik mit einem Seufzen, da er als Verbrecher augenscheinlich nicht viel taugte. Das hatte er heute Abend zur Genüge bewiesen.
»Wow«, murmelte er, als sein Blick auf die vielen Monitore fiel. Überwachungskameras, erkannte er und trat näher heran. Was er eigentlich nicht tun sollte, aber Hendrik war mehr als neugierig. Vor allem, als er diesen Riesen im Casino entdeckte und kurz darauf Benedict Walsh, der mit eiligen Schritten auf genau jenen Mann zuhielt. Augenblick mal, gehörte der etwa gar nicht zur Security, wie Hendrik gedacht hatte? Bei seinem Glück war das einer der anderen beiden Besitzer. Taylor James, wenn er sich richtig erinnerte.
Die Gäste im Casino hatten sich den ganzen Abend immer wieder über das Trio von langjährigen Freunden unterhalten, die das Kopf oder Zahl innerhalb weniger Jahre aus dem Boden gestampft hatten, und mittlerweile zu den begehrtesten Junggesellen in Vegas zählten. Hendrik hätte taub sein müssen, um die Geschichten nicht zu hören, unter anderem auch das Gerücht, dass sich alle drei lieber mit dem eigenen Geschlecht beschäftigten, statt sich Ehefrauen zu suchen und Kinder in die Welt zu setzen. Klatsch und Tratsch gab es einfach überall, egal ob Kuhkaff oder Großstadt.
Hendrik beobachtete die beiden Männer ein paar Minuten, wie sie sich unterhielten, und sah Taylor James dabei mehrfach nicken. Am Ende trennten sie sich und während James zur Tür strebte, schlug Walsh den Weg zur Casino-Bar ein. Also bekam er es wohl nur mit James zu tun, und da Hendrik von dem Mann nicht unbedingt vor den Monitoren erwischt werden wollte, drehte er sich um und nahm in einem der zwei Besucherstühle Platz, die vor einem mit Papieren übersäten Schreibtisch standen.
Direkt bei der Tür befand sich ein weiterer Schreibtisch, der jedoch so aufgeräumt war, dass Hendrik ihn automatisch einer Sekretärin zuordnete, die James mit Sicherheit besaß. Ein Hotel mit angeschlossenem Casino brauchte in der Größenordnung eine Menge Personal, und ohne eine fähige Chefsekretärin, die ihrem Boss den Rücken freihielt, ging in den meisten Unternehmen heutzutage nichts mehr.
Hinter ihm ging die Tür auf und Hendrik erhob sich sofort, um Taylor James höflich die Hand zu schütteln.
»Bitte, nehmen Sie wieder Platz«, bat James und setzte sich an seinen Schreibtisch. »Ich bin Taylor James, einer der Besitzer des Kopf oder Zahl, und Benedict hat mir Ihr Problem bereits in knappen Worten geschildert. Allerdings hätte ich gerne weitere Details. Sie müssen zugeben, dass Ihre Erklärung ein bisschen dürftig war.«
Da hatte James nicht Unrecht, Hendriks Begeisterung, dem Mann von seinen Beziehungsproblemen erzählen zu müssen, hielt sich dennoch arg in Grenzen. Ihm blieb nur keine andere Wahl, sofern er nicht doch noch auf eine Lüge zurückgreifen wollte. Und wenn er sich beim Lügen genauso blöd anstellte, wie mit der vertauschten Kreditkarte, konnte er ebenso gut bei der Wahrheit bleiben. Im nächsten Moment fiel ihm etwas ein.
»Woher wusste Ihr Freund überhaupt von meinem …?«
Hendrik brach mitten im Satz ab, weil er nicht wusste, wie er Richard benennen sollte. Wenn er Exfreund sagte, müsste Taylor James schon ein völliger Dummkopf sein, um sich nicht zusammenreimen zu können, wieso er hier war. Wie er es auch drehte und wendete, die Wahrheit war seine beste Option, also würde er einfach sämtliche Karten auf den Tisch legen und das Beste hoffen.
»Exfreund«, sprach Hendrik weiter und räusperte sich. »Er ist seit gestern mein Ex und das wird er auch bleiben, komme, was da wolle.«