Impressum
© 2017 Mathilda Grace
Am Chursbusch 12, 44879 Bochum
Text: Mathilda Grace 2017
Foto: BrinWeins; Pixabay
Coverdesign: Mathilda Grace
Korrektorat: Susanne Scholze
Web: www.mathilda-grace.blogspot.de
Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.
Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden. Diese Geschichte spielt in einer fiktiven Kleinstadt im Osten der Vereinigten Staaten.
Kurzroman
Band 1 aus der »Back home … - Reihe«
Liebe Leserin, Lieber Leser,
ohne deine Unterstützung und Wertschätzung meiner Arbeit könnte ich nicht in meinem Traumberuf arbeiten.
Mit deinem Kauf dieses E-Books schaffst du die Grundlage für viele weitere Geschichten aus meiner Feder, die dir in Zukunft hoffentlich wundervolle Lesestunden bescheren werden.
Dankeschön.
Liebe Grüße
Mathilda Grace
»Komm nach Hause. Papa hatte einen schlimmen Unfall.«
Als Joshua McKinley diese E-Mail erreicht, ist er gerade auf dem Rückweg von Tokio nach New York City, wo er seine Firma gewinnbringend verkauft hat. Fast fünfzehn Jahre hat er seine Väter und Brüder nicht mehr gesehen. Fünfzehn Jahre voller Arbeit, Geld und oberflächlicher Partys, die aus Joshua einen unzufriedenen Mann gemacht haben, der nicht weiß, was er mit seinem restlichen Leben anfangen soll. Aber vielleicht kann er die Antwort auf diese Frage im Haus seiner Kindheit finden.
Prolog
Ich kehrte heim.
Mit dem Fuß auf dem Gaspedal und dem Handy in meiner freien Hand, mittlerweile viel zu wütend, um überhaupt noch klar denken zu können.
Wieso ging zu Hause niemand ans Telefon? Es ging immer jemand ans Telefon. Egal von wo aus ich anrief oder in welcher Zeitzone ich gerade war. So oft hatte ich Papa und Dad nachts aus dem Schlaf gerissen und es hatte sie nie gestört. Sie waren immer da gewesen, seit ich zum ersten Mal meinen Fuß in ihr Haus gesetzt hatte. Immer.
Und jetzt lag Papa im Krankenhaus, ich wusste nicht, was los war oder wie es ihm ging, und zu Hause ging niemand an das gottverdammte Telefon!
Dass in der Einfahrt des Hauses außer Dads altem Pick-up kein weiterer Wagen stand, verschlechterte meine Laune noch zusätzlich. Wozu hatte ich eigentlich drei jüngere Brüder, wenn die sich bei meiner Rückkehr alle sonst wo rumtrieben? Wehe, ich fand im Haus keine Nachricht oder irgendetwas anderes, das mir verriet, in welches Krankenhaus ich musste und wie es Papa ging.
Ein Hund kam laut bellend um die Hausecke gerannt.
Ich war von seinem Auftauchen so überrascht, dass ich erst auf die Bremse trat, als ich das Lenkrad schon verrissen hatte. Im nächsten Moment landete mein BMW im Komposthaufen neben Dads Gemüsegarten und meine Stirn knallte gegen die Windschutzscheibe. Das hielt den Hund allerdings nicht davon ab, sich auf die Hinterpfoten zu stellen und mich durch die zur Hälfte geschlossene Seitenscheibe anzubellen, während vor meinen Augen eine gefühlte Million Sterne tanzten.
»Blöde Töle«, murrte ich und betastete meine schmerzende Stirn. Kein Blut. Na wenigstens etwas. Das würde mich zwar nicht vor Kopfschmerzen und einer Beule bewahren, aber von denen hatte ich in meiner Jugend so viele gehabt, dass es auch nach all den Jahren auf eine mehr nicht ankam.
Der Hund bellte immer noch.
»Herrgott noch mal, halt endlich die Klappe!«, fuhr ich den schwarzen Labrador an und ließ einen Stapel Flüche über ihn, den dämlichen Kompost und das Leben im Allgemeinen vom Stapel, während ich mich gleichzeitig fragte, wo das verflixte Vieh hingehörte. Meine Väter hatten nach Charlies Tod vor fünf Jahren keinen Hund mehr haben wollen, und hätten sie ihre Meinung geändert, wüsste ich davon. Nur weil ich ewig nicht mehr daheim gewesen war, bedeutete das nicht, dass ich nicht wusste, was zu Hause vor sich ging.
»Connor! Hierher!«
Na endlich. Der Hund hatte einen Besitzer. Das wurde auch Zeit. Ich schirmte meine Augen von der tiefstehenden Sonne ab, um einen Blick auf das Herrchen zu werfen.
Im nächsten Moment klappte mir die Kinnlade reichlich unelegant nach unten, denn den Mann, der jetzt über den kurz gehaltenen Rasen auf mich zukam, kannte ich. Allerdings hatte ich ihn das letzte Mal mit siebzehn Jahren gesehen, als ich ihn von meinem jüngsten Bruder heruntergezerrt hatte, um ihm danach mit den Fäusten zu erklären, dass niemand, vor allem kein besoffenes Arschloch, das Recht hatte, Ray gegen dessen Willen an die Wäsche zu gehen.
»Nette Karre.«
Ich stieß die Wagentür auf, der Hund, den er mittlerweile an einem merkwürdig aussehenden Geschirr festhielt, knurrte drohend, aber das würde mich nicht aufhalten. »Was treibst du hier, Caine?«
Er schnaubte abfällig. »Was soll ich hier schon treiben? Ich wohne hier, Josh.«
Das konnte er seiner Großmutter erzählen. Papa und Dad hätten diesen Mistkerl nie und nimmer bei uns wohnen lassen. Ich tippte mir vielsagend gegen die Stirn. »Tust du nicht.«
»Doch. Im Gästehaus.« Caine wandte sich von mir ab und erst da fiel mir auf, dass er leicht hinkte. »Deine Väter haben mich vor drei Jahren aufgenommen. Im Haus hängt übrigens ein Zettel für dich am Kühlschrank. Und du solltest besser die Karre aus dem Dreck ziehen. Ich bezweifle, dass Parker diesen Unfall im Moment lustig finden wird.«
»Was soll das heißen?«, fragte ich mürrisch, während ich gleichzeitig schon im Kopf durchging, was mich die Reinigung und Reparatur des Wagens kosten würde. Ich sollte sie ihm in Rechnung stellen, oder besser gesagt seiner verdammten Töle.
Caine stoppte und drehte sich wieder zu mir. Er musterte mich einen Moment und verdrehte dann die Augen. »Scheiße, du weißt nicht mal, was Sam passiert ist? Ein toller Sohn bist du, ehrlich.«
»Sagt das Arschloch, das sich an einem Teenager vergreifen wollte, nachdem der ihn hat abblitzen lassen.«
Volltreffer. Caines Gesicht versteinerte förmlich, bevor er ohne ein weiteres Wort kehrtmachte und mit dem verfluchten Köter an seiner Seite um die Hausecke verschwand.
Kapitel 1
Eine Stunde später hetzte ich durch den in Gelb und hellem Grün gestrichenen Gang auf Zimmer 309 zu, in dem seit zwei Tagen einer meiner Väter lag.
Laut der netten Krankenschwester an der Rezeption ging es ihm den Umständen entsprechend gut, aber mehr hatte sie mir nicht verraten wollen, sondern mich einfach hierher geschickt. 305, 307 … Da war es, Zimmer 309. Ich stoppte vor der Tür und atmete erst mal tief durch, um mich zu beruhigen. Doch bevor ich wirklich bereit war anzuklopfen, wurde sie auch schon von innen aufgezogen und plötzlich stand ich meinem zweiten Vater gegenüber. Er blinzelte einmal, ich grinste schief und einen Atemzug später lag ich bereits in seinen immer noch verdammt kräftigen Armen.
»Joshua. Wir dachten, du bist noch in Tokio.«
Er zog mich fest an sich und ich war so verdattert, dass ich einen Moment brauchte, doch dann war es endlich wieder da. Das Gefühl, zu Hause zu sein. Ich war heimgekommen und es war das Beste, was ich hatte tun können. Meine Arme fanden von selbst den Weg auf seinen breiten Rücken.
»Hi, Dad. Ich hab euch vermisst.«
»Wir dich auch, mein Junge.« Er strich mir sanft über den Rücken. »Wir dich auch.« Er wich weit genug zurück, um mich ansehen zu können. »Wollen wir wissen, wieso du eine Beule an der Stirn hast?«
Ich gab mich unschuldig. »Nein, bestimmt nicht.«
Das brachte nicht nur Dad zum Lachen und ich sah an ihm vorbei zum Bett, in dem Papa lag, ein Bein im Gips, ein Pflaster über dem linken Auge und einen Verband an der Hand. Aber er war wach und scheinbar auch recht munter, denn er winkte mich mit der gesunden Hand zu sich.
»Was hast du überhaupt angestellt?«, fragte ich, nachdem Dad mich losgelassen hatte. »Will hat nur geschrieben, dass du einen Unfall hattest, aber ich kriege seit gestern keinen meiner dämlichen Brüder ans Telefon. Wo sind sie überhaupt?«, wollte ich wissen, denn außer mir war keiner da. Dabei fiel mir noch etwas ein. »Und warum, zum Teufel, wohnt Caine Brooks in unserem Gästehaus?«
Papa lachte und klopfte auf die Bettkante. »Setz dich, dann erzählen wir dir alles, und ich kann mir derweil diese Beule da genauer angucken. Bist du gegen eine Tür gerannt?«
Die Ausrede war genauso gut wie jede andere. Ich setzte mich neben ihn. »Ja.«
Er schmunzelte und strich mir eine blonde Strähne aus der Stirn. »Sie sind ganz schön lang geworden. Hattest du wieder keine Lust auf den Friseurtermin?«
Wer brauchte schon einen Friseur? Okay, ich brauchte ihn. Sogar regelmäßig, falls ich vor meinen Geschäftspartnern nicht als Hippie gelten wollte. Aber diese Zeiten waren jetzt vorbei und ich hatte meine Haare schon früher lieber länger getragen. Und das wussten meine Väter genau. Allerdings wusste ich im Gegenzug auch, dass sie gerade versuchten mich abzulenken, und darin waren sie nicht besonders gut.
»Sagt ihr mir jetzt endlich mal, was passiert ist? Ich dachte schon, das überall Körperteile von dir rumliegen, die man erst wieder an dich drannähen muss.« Ich zeigte mit einem gespielt genervten Blick auf Papas Bein. »Und dann hast du nur einen Gips? Also ehrlich, ein bisschen mehr Dramatik wäre durchaus passend, wenn ich dafür schon extra aus Tokio herkomme.«
Papa schaute feixend zu Dad. »Hörst du das? Er hat immer noch eine verdammt große Klappe.«
Dad grinste. »Die haben sie alle. Wir haben nur vorlaute Großmäuler aufgezogen.«
Ich schnaubte. »Wenn ich Ray erzähle, dass ihr ihn hier als Großmaul bezeichnet habt, hält er euch einen langen Vortrag über das richtige Benehmen von Vätern.«
»Grundgütiger«, murmelte Dad und schmunzelte, als ich ihn entrüstet ansah. »Was? Ich habe nichts gesagt.«
Ich verdrehte kopfschüttelnd die Augen zur Decke. »Wenn man euch so zuhört, kann ich von Glück reden, dass aus mir so ein netter, umgänglicher Kerl geworden ist.«
»Was bei deinen tollen Vätern natürlich kein Wunder ist«, konterte Papa trocken und beide lachten, als ich tief seufzend die Hände hob. Gegen die zwei war ein Ankommen noch nie möglich gewesen und offensichtlich hatte sich in den letzten Jahren daran nicht das Geringste geändert.
»Tolle Väter, von wegen.« Ich zog ein Bein hoch, während Dad sich auf die andere Bettseite setzte. »Ihr wart verrückt.«
»Waren wir nicht«, widersprach Papa.
»Oh doch«, sagte ich und grinste, als es jetzt sie waren, die mich entrüstet ansahen. »Zumindest hat das jeder in der Stadt gedacht und hinter eurem Rücken getuschelt, als ihr den ersten schwulen Halbstarken bei euch aufgenommen habt.«
Dad winkte ab. »Du kannst Melissa Posey nicht als ganze Stadt bezeichnen. Die Frau ist so verbohrt in ihren Ansichten über Ehe, Familie und Kinder, dass ich mich heute noch frage, wie sie es überhaupt geschafft hat, Mutter zu werden.«
»Parker«, murmelte Papa tadelnd und bekam dafür nur ein Schulterzucken zur Antwort.
»Sie hat damals alles versucht, um zu verhindern, dass wir Kinder aufnehmen, vor allem, als sie erfuhr, dass wir speziell homosexuelle Jugendliche in Pflege nehmen wollten, weil die es in Heimen oder allgemein noch schwerer haben. Dabei war das Jugendamt froh darüber. Wer nimmt schon freiwillig ältere Kinder bei sich auf? Und dann auch noch welche, die bereits auffällig geworden waren und sich als schwul geoutet hatten?« Dad sah mich an. »Wir waren nicht verrückt, wir hatten einen Traum. Nämlich eine große Familie und du hast damals den Anfang gemacht.« Er zwinkerte mir zu. »Auch wenn du das in der Nacht, als du Sam und mich in diesem Imbiss beklauen wolltest, natürlich gar nicht so gesehen hast.«
Ich stöhnte laut auf und meine Väter begannen zu lachen. Ausgerechnet diese alte Geschichte mussten sie hervorkramen. Unser erstes Treffen außerhalb des Kinderheims. Und ich war ja damals so cool gewesen. Dreizehn Jahre alt, ein großkotziger Bengel, der jahrelang Schläge kassiert hatte, nur weil er da war, und dann kamen diese zwei Weltverbesserer. Zumindest hatte ich sie anfangs dafür gehalten, bis mir ein paar Monate später langsam klargeworden war, dass sie wirklich mich wollten. Dass es für sie nicht um das monatliche Geld vom Jugendamt ging, das sie für mich bekamen.
Nein, Sam und Parker McKinley hatten einen Sohn gewollt. Eine richtige Familie. Und ich hatte sie ihnen gegeben.
Ich war der erste gewesen, dem in den nächsten Jahren drei weitere Söhne gefolgt waren. Alle schwul, alle aus schlechten Verhältnissen gerettet und allesamt so misstrauisch, wie man nur sein konnte, wenn man in seinem bisherigen Leben ausnahmslos die Schattenseiten kennengelernt hatte.
Eine halbe Stunde schwelgten sie noch in für mich meist peinlichen Kindheitserinnerungen, dann warfen sie mich raus, mit der Bitte, daheim nach dem Rechten zu sehen, da Dad die letzte Nacht bei Papa verbracht hatte.
Dass sie mich reingelegt hatten, fiel mir allerdings erst auf, als ich das Krankenhaus verlassen hatte. Ich wusste nämlich immer noch nicht, was Papa nun für einen Unfall gehabt hatte. Knurrig machte ich kehrt, um beide dafür zu erwürgen, als ein lauter Pfiff mich wieder innehalten ließ. Mein eisiger Blick über die Schulter hätte einige meiner Geschäftspartner umgehend in die Knie gezwungen. Meinen jüngeren Bruder Will brachte er jedoch nur zum Lachen, während er zu mir aufschloss.
»Mann, auf deinen letzten Selfies von diesem Traumstrand in, wie auch immer die komische Insel hieß, sahst du eindeutig besser aus. Retuschierst du jetzt schon deine Urlaubsfotos, um die grauen Haare zu verdecken?«
Ich hatte nicht ein einziges graues Haar und wenn, hätte ich es mir ausgerupft. Das wusste Will natürlich, der sich von uns vier am wenigsten um sein Aussehen scherte. Meist rannte er in löchrigen, alten Jeans und dreckigen T-Shirts durch die Gegend, so wie jetzt gerade auch. Aber über das rosafarbene Zopfband, das seine braunen Haare zurückhielt, sah ich besser schweigend hinweg. Ich wollte gar nicht wissen, wo er dieses Ding schon wieder herhatte. Rosa. Du lieber Himmel.
»Ganz schön große Klappe für so einen kleinen Wicht.«
Will zog ein finsteres Gesicht. »Ich bin 1,79m und nur sechs Zentimeter kleiner als du.«
»Tja, alles unter 1,80m gilt in Fachkreisen als Zwerg, darum formst du ja auch mit Begeisterung Bettpfannen aus hübschem Ton, während ich Millionen scheffle.«
Will schnaubte und baute sich vor mir auf. »Ich habe noch niemals, und ich betone niemals, in meiner Tonwerkstatt eine Bettpfanne geformt.«
Ich grinste breit. »Beweis es.«
»Du warst schon immer ein Großmaul«, grollte er und warf mir im nächsten Moment einen resignierten Blick zu. »Hast du ein Glück, dass du mein Bruder bist und ich dich lieb habe.«
Wir grinsten uns an und danach lachten wir, während Will mich, wie Dad zuvor, in seine Arme zog. Umarmungen waren in unserer Familie immer sehr beliebt gewesen und daran hatte mein Weggang wenig geändert. Gut so.
»Was ist denn jetzt mit Papa?«
»Haben sie dich ausgetrickst?« Will gluckste heiter. »Mach dir nichts draus. Ich habe auch erst heute früh erfahren, dass Papa einen Autounfall hatte. Seine eigene Schuld übrigens und beiden ist das Ganze mittlerweile oberpeinlich. Man kollidiert schließlich nicht alle Tage mit einem Straßenschild, weil man sich von seinem Ehemann gerade per Handy ein paar heiße Nettigkeiten ins Ohr flüstern lässt.«
Ich blinzelte. »Nein.«
»Doch«, konterte Will trocken und schon lachten wir zum zweiten Mal, dieses Mal jedoch schallend, bis Will auf meine Stirn deutete. »Was hast du da für eine Pestbeule?«
»Das erfährst du, sobald wir zu Hause sind. Du darfst mich nämlich fahren, ich hab mir ein Taxi genommen.«
»Taxi?«, fragte Will verwundert und zog die Autoschlüssel aus seiner Tasche. »Was ist denn mit deinem BMW?«
Die Antwort auf seine Frage bekam Will eine halbe Stunde später, als er seinen Wagen in die Einfahrt lenkte. Er stutzte für einen Moment, danach begann er lauthals zu lachen. »Das ist jetzt nicht wahr. Wie hast du denn das geschafft?« Er warf mir einen amüsierten Blick zu und schaute anschließend auf meine Stirn. »Frontscheibe?«
»Ja.« Ich sah resigniert auf meinem silbergrauen BMW im Komposthaufen. »Frag besser nicht nach Details. Und erzähl' es bloß nicht Dad.«
»Er müsste schon blind sein, um nicht zu sehen, dass da ein hässlicher BMW in seinem Kompost parkt.«
Ich zog eine Grimasse und Will stieg kichernd aus, um sich die Misere etwas genauer anzusehen. Ich folgte ihm und dann standen wir ein paar Minuten ratlos hinter meinem Auto. »Den kriegen wir ohne Hilfe nie raus. Fragen wir nachher Ray. Er ist schließlich der Autoschrauber in der Familie.«
»Wo sind eigentlich alle?«, wiederholte ich, was ich schon meine Väter gefragt hatte, doch Will verdrehte nur die Augen.
»Wo schon? Papa hat uns rausgeworfen, da ihm ja nichts fehlen würde. Also dürfte Ray noch in der Werkstatt sein und Dale hat heute Spätschicht. Darum habe ich den Küchendienst übernommen und werde nach einem Blick in den Kühlschrank einkaufen und dann ein paar Pizzen holen. Aber vorher frage ich Caine, ob er etwas braucht, das ich ihm mitbri...« Will brach mitten im Wort ab und sah mich an.
»Ja, ich bin ihm bereits begegnet. Nein, ich weiß nicht, was er hier macht.«
Will schürzte die Lippen. »Das soll er dir selbst erzählen. Er wohnt jetzt jedenfalls bei Papa und Dad, sogar ganz offiziell als Untermieter. Also benimm dich. Vor allem wegen Ray. Er und Caine sind in den letzten drei Jahren gute Freunde geworden.«
»Ray hatte schon immer einen seltsamen Geschmack, was seine Freunde angeht«, murmelte ich und fing mir dafür einen harten Boxhieb in die Seite ein. »Ja, ja, ja«, grollte ich und warf einen finsteren Blick auf das Gästehaus.
Doch dort regte sich nichts und schließlich folgte ich Will ins Haus, um meine Koffer in mein altes Zimmer zu tragen. Es hatte sich nichts verändert. Die Wände waren immer noch in weiß und blau gehalten, und auf den Regalen standen Fotos aus der Schulzeit und von meinen Brüdern und Vätern, dicht an dicht neben leicht angestaubten Büchern und Comics. Auf dem Bett lag meine Tagesdecke mit blauem Karomuster und an den Wänden hingen Poster von Musikern und Sportlern.
Papa und Dad hatten alles so gelassen, wie es war, und das galt mit Sicherheit für jedes unserer Jungenzimmer im Haus.
»Josh? Ich fahre jetzt Einkaufen. Brauchst du was?«
»Nur eine Weile Ruhe vor dir.«
Er lachte unten. »Idiot. Aber ich bringe dir trotzdem eine Pizza mit. Wie immer?«
Ich nickte. »Wie immer.«
Die Fliegengittertür schlug hinter Will zu und kurz darauf hörte ihn wegfahren. Stille kehrte ein, nur durchbrochen von zwitschernden Vögeln und dem leichten Rauschen vom Wind, der die Bäume bewegte.