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Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783748196211
Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“
Das Hügelgrab ist die „klassische Bestattungsweise“ der Indogermanen, die sich bis in die Zeit der schriftlichen Überlieferungen auch bei den Germanen findet.
Aufgrund der großen Zahl an germanischen Hügelgräbern und der vielen Erwähnungen von Hügelgräbern in den germanischen Texten werden im folgenden nicht alle Hügelgrab-Bilder und alle Texte, die Hügelgräber erwähnen, angeführt, sondern nur diejenigen, die etwas über die Hügelgräber aussagen.
Der Wortschatz „Hügelgrab“ ist recht aufschlußreich. Zunächst einmal zeigt schon die Vielfalt der Bezeichnungen für „Hügelgrab“, daß diese Gräber eine wichtige Rolle gespielt haben müssen:
thufa | = Hügel (in Kombinationen mit einem weiteren Wort auch „Hügelgrab“) |
kös | = Haufen, Hügel (in Kombinationen mit einem weiteren Wort auch „Hügelgrab“) |
dys | = Hügelgrab (von germanisch „dusjo“ für „Hhaufen, Hügel“) |
hreysar | = Steinhaufen, Hügelgrab |
haugr | = „Gewölbter“ = Hügel, Hügelgrab |
kös | = Haufen, Hügelgrab |
reyra, reyrr | = „Gewundenes, Gebundenes“ = Aufgeschichtetes, Steinhaufen, Hügelgrab |
kumbl-dys | = kleines Hügelgrab |
hreysi | = Steinhaufen, Hügelgrab, Höhle (Grabkammer) |
draughent-hus | = „Haus eines Hügelgrab-Geistes“ = Hügelgrab |
varda | = Wächter, Steinhaufen, Hügelgrab |
vard-berg | = Wächterberg (Hügelgrab?) |
vardi | = „Wacht“ = Hügelgrab |
Das Hügelgrab ist diesen Bezeichnungen zufolge ein aufgeschichteter Hügel mit einer Höhle in ihrem Inneren, in der der Geist des Toten wohnt. Diese Hügelgräber hatten eine Wache-Funktion.
Die Verben für „in einem Hügelgrab bestatten“ sind allesamt mit den Substantiven für „Hügelgrab“ verwandt:
reyra | = „winden, binden“ = in einem Hügelgrab bestatten |
heygja | = „einhügeln“ = in einem Hügelgrab bestatten |
haug-föra | = „in ein Hügelgrab fahren“ = in einem Hügelgrab bestatten |
haug-setja | = „in ein Hügelgrab setzen“ = in einem Hügelgrab bestatten |
kasa | = in einem Steinhaufen/Hügelgrab bestatten (von „kös“ abgeleitet) |
Lediglich für den Fußboden der Grabkammer in einem Hügelgrab gibt es ein eigenes Wort:
haugs-golf | = „Hügel-Fußboden“ = Fußboden in der Grabkammer eines Hügelgrabes |
Für den in einem Hügelgrab wohnenden Totengeist gibt es zwei Fachbegriffe, aber manchmal werden auch andere veraltete und meistens nicht besonderes respektvoll gemeinte Substantive wie „Zwerg“, „Riese“, „Troll“ und ähnliches für diese Geister benutzt:
draugr | = Hügelgrab-Geist |
haug-bui | = Hügelgrab-Bewohner = Toter im Hügelgrab = Geist |
In der Grabkammer des Hügelgrabes findet die Wiederzeugung des (männlichen) Toten mit der Jenseitsgöttin statt, bei der die beiden zur Absicherung der Fruchtbarkeit und der Zeugungskraft die Gestalt zweier Herdentiere (Stier und Kuh, Hirsch und Hindin, Keiler und Bache usw.) annehmen:
sefa-fjöll | = Liebesberg (Wiederzeugung im Hügelgrab) |
legr | = „Lager“ = Beilager, Grabstätte |
hindar-fjell | = Hindin-Hügel (die Göttin nimmt die Gestalt einer Hindin an, wenn der Tote zu einem Hirsch geworden ist) |
Wenn ein Geist in einem Hügelgrab wohnt, schlagen des Nachts Flammen aus diesem Berg empor. Dies ist das Bestattungsfeuer, die Waberlohen-Jenseitsgrenze und auch das Sonnenfeuer des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr, der jeden Abend in sein Hügelgrab ging und des Morgens aus ihm zurückkehrte. Möglicherweise wurde dieses Jenseitsgrenzen-Feuer auch dem Morgenrot und dem Abendrot gleichgesetzt.
loga-fjöll | = „Flammenberg“ = Hügelgrab |
hauga-eldr | = Hügelgrab-Feuer |
Es gab ein Zeitalter, in dem die Toten in Hügelgräbern bestattet wurden, und ein Zeitalter, in dem sie verbrannt wurden („bruna-öld“) – diese beiden Bestattungsarten sind jedoch auch kombiniert worden.
haugs-öld | = Hügelgrab-Zeitalter |
hauga-öld | = Hügelgrab-Zeitalter |
Die Hügelgräber waren nicht nur Friedhöfe, sondern auch Kultplätze – die Verbindungsorte zu den Ahnen. Dort wurde u.a. auch geopfert. Die Ahnen wurden als Wächter angesehen, weshalb die Hügelgräber (wie bereits angeführt) auch „Wächter-Hügel“ genannt wurden – die Ahnen in den Hügelgräbern wachen über ihre Nachkommen.
haug-stadr | = Hügelgrab-Stätte (mit meistens mehreren Hügelgräbern) |
högr | = Steinaltar, Hügelgrab, germanischer Kultplatz |
blot-haugr | = Opfer-Hügel, Opfer-Hügelgrab |
vard-helgi | = „Heil-Wacht“ = Heiligtum, Asyl |
vard-lokkur | = „Wächter-Anrufung“ (Lied, das eine oder mehrere Frauen singen, um der Seherin zu helfen, die Ahnen zu erreichen) |
vardhalds-engill | = „Wächter-Engel“ = Schutzengel |
ar-haug | = Adler-Hügel; hier wurde dem Adler-Seelenvogel des Tyr geopfert |
Bei der räuberischen Lebensweise der Wikinger konnte es nicht ausbleiben, daß auch Hügelgräber geplündert wurden – schließlich lag in ihnen meistens eine größere Menge an goldenen Gegenständen …
haug-brot | = Aufbrechen eines Hügelgrabes (um es zu plündern) |
haug-ganga | = Hügelgrab-Gang = Hügelgrab-Einbruch (um es zu plündern) |
haug-tekinn | = aus einem Hügelgrab geraubt |
Schließlich gab es noch ein Versmaß, daß „Hügelgrabgeist-Versmaß“ genannt wurde. Es hat durch seinen Silbenlänge „lang – kurz – lang – kurz – lang – kurz“ („Trochäus“) einen tragenden Klang und ist möglicherweise ursprünglich für die Anrufung der Toten („Utiseta“) benutzt worden.
draughent | = „Hügelgrabgeist-Form“ = ein Versmaß (dreifacher Trochäus) |
Der Name des Wiesels hat vermutlich nicht direkt etwas mit Hügelgräbern zu tun, sondern bezieht sich lediglich darauf, daß diese Tiere gerne in Steinhaufen leben.
hreysi-köttr | = „Steinhaufen-Katze” = Hermelin, Wiesel |
An interessanten Informationen finden sich in dem Wortschatz, der sich auf die Hügelgräber bezieht,
Hügelgräber sind im gesamten germanischen Siedlungsbereich errichtet worden. In Südskandinavien (Schweden, Norwegen) finden sich die Hügelgräber vor allem an der Küste, insbesondere an der West-Küste, also an der Küste, von der aus man den Sonnenuntergang sehen kann – dort liegt der Eingang in die Unterwelt für die Sonne.
Ursprünglich sind die Hügelgräber Erdhügel, in deren Innerem sich eine aus Felsblöcken und Felsplatten errichtete Grabkammer befindet. Diese Hügel können sehr flach, aber auch recht steil sein, und sehr verschiedene Größen haben.
Häufig ist von den Hügelgräbern nur noch die aus Felsen gebaute Grabkammer übrig, weil die Erde des Hügels im Laufe der Zeit von Wind und Wetter abgetragen worden ist. Diese Felsplatten werden oft „Hünengräber“ genannt.
Nolby (Schweden)
Großmugl (Österreich)
Langeln (Deutschland)
Maglehöj (Dänemark)
Ljungshög (Schweden)
Vahlberg (Schweden)
Dutterhöje (Dänemark)
Bornholm (Schweden)
Barmstedt (Deutschland)
Serrahn (Mecklenburg-Vorpommern)
Maes Howe (Orkney-Inseln)
Denhoog (Sylt)
Gillhög (Schweden)
Birkehöj (Dänemark)
Bokenäs (Schweden)
Karleby (Schweden)
Bornholm (Schweden)
Glumslöv (Schweden)
Gökhem (Schweden)
Erkes (Schweden)
Gökhem (Schweden)
Hjälmarsrör (Schweden)
Skane (Schweden)
Snarringe (Schweden)
Luttra (Schweden)
Massleberg (Schweden)
Lockgardens (Schweden)
Varkumla (Schweden)
Ein Hügelgrab besteht aus der aus Steinplatten errichteten Grabkammer, einem Gang zu dieser Grabkammer sowie dem Erdhügel, mit dem das Ganze nach der Bestattung des Toten in der Grabkammer bedeckt wird.
Hügelgrab haben ein markantes Aussehen:
Vallehog, Schweden
Großmugl, Österreich
Rügen, Deutschland
Raknehaugen, Norwegen
Der germanische Name „Hel“ der Unterwelt bedeutet wörtlich „Höhle“, womit eine Grabkammer in einem Hügelgrab gemeint ist. Der Eingang in eine solche Grabkammer ist unten abgebildet. Die Germanen stellten sich vor, daß der Eingang zur Hel mit einem „hel-grindr“, also mit einem „Hel-Gitter“ verschlossen gewesen ist. Dieses Gitter-Tor am Eingang der Hel hat dem Verschlußstein entsprochen, mit dem man den Eingang zur Grabkammer verschlossen hat, bevor man den Gang zu dem Tor nach der Bestattung des Toten in der Grabkammer mit Erde und Steinen zugeschüttet hat.
das Hügelgrab Denghoog („Thing-Hügel“) in Wenningerstadt auf Sylt
Ein Hügelgrab besteht aus einer Grabkammer aus Steinplatten, um die rings herum ein Hügel aus Steinen und Erde aufgeschüttet worden ist. Zu der Grabkammer führt ein Weg, der nach der Bestattung des Toten ebenfalls zugeschüttet wird.
Die ältesten Darstellungen eines Hügelgrabes und auch des Toten-Tores finden sich auf den sogenannten Herzsprung-Schilden, die um ca. 750 v.Chr. hergestellt und nach ihrem Fundort in Nordwest-Brandenburg benannt worden sind.
In Brandenburg ist ein Paar dieser Schilde in 2m Tiefe in der Erde gefunden worden. In Fröslunda in Südschweden fand man 15 dieser Schilde in einem Moor. Ein weiterer Schild, auf dem sich zusätzlich auch Vogelmotive befinden, stammt aus Nackhälla in Südschweden. Vereinzelt sind auch Herzsprung-Schilde aus Dänemark, Großbritannien und Süddeutschland bekannt. Alle diese Schilde sind in Mooren gefunden worden; nur in Süddeutschland hat man sie in Flüssen versenkt. Diese Schilde waren daher wahrscheinlich Gaben an die Ahnen oder an die Götter.
Diese Schilde haben einen Durchmesser von ca. 70cm und sind aus Bronze mit einem sehr hohen Zinngehalt hergestellt worden, was ihnen einen größeren Glanz gibt, aber sie auch weicher macht. Da sie zudem keinerlei Beschädigungen (Kampfspuren) aufweisen, werden sie wohl Ritual-Schilde gewesen sein, die im Kult verwendet worden sind. Für eine kultische Niederlegung dieser Schilde spricht auch, daß man einige von ihnen in der Mitte zusammengefaltet und dadurch unbrauchbar gemacht hat. Das Bronzeblech auf dem Holzschild ist 0,4mm dünn.
Der Schild hat in der Mitte einen Schildbuckel, in dem sich der Griff zum Halten des Schildes befindet.
Die Eingänge zu den Hügelgräbern sind auf den folgenden sechs Bildern stets unten.
Schild, Brandenburg
Rückseite des Brandenburger Schildes
Schild, Fröslunda, Südschweden
ein anderer Schild aus Fröslunda, Südschweden
Schild, Nackhälla, Südschweden
derselbe Schild, Nackhälla, Südschweden
Auf diesen vier Schilden ist sehr wahrscheinlich ein Hügelgrab dargestellt worden:
Diese Schilde haben offensichtlich einen Zusammenhang mit dem Totenkult oder der Jenseitsreise gehabt. Leider läßt sich dieser Zusammenhang nicht mehr genau feststellen. Man kann jedoch den begründeten Verdacht hegen, daß diese Schilde schon damals mit der Sonne und ihrem Weg durch die Unterwelt assoziiert worden sein könnten, da einige Schilde paarweise in Sümpfen versenkt worden sind.
Diese Zweizahl wird ein Hinweis auf die Sonne sein, da um 1000 v.Chr. in dem Hügelgrab von Kivik zweimal zwei Kreuz-Kreise (Sonnensymbole) nebeneinander dargestellt worden sind und auf den Goldhörnern von Gallehus, die um 400 n.Chr. angefertigt wurden, zwei Männer mit Schild und Schwert nebeneinanderstehen, von denen der eine der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr ist und der andere entweder Tyr in der Unterwelt oder der Mondgott.
Die paarweisen „Hügelgrab-Schilde“ könnten daher zum einen das Hügelgrab sein, in das der am Abend sterbende ehemaligen Sonnengott-Göttervater Tyr im Westen versank, und zum anderen das Hügelgrab, aus dem Tyr am Morgen wieder hervorkam und dann am Himmel aufgestiegen ist.
Diese Morgenszene wird in zwei Texten recht deutlich dargestellt:
Im „Sigdrifa-Lied heißt es über Odin, der Tyr als Göttervater abgesetzt und in dieser Szene dessen Schwert und dessen Wiedergeburts-Symbolik übernommen hat:
„Auf dem Berge stand er mit blankem Schwert, den Helm auf dem Haupt. Da hub Mimirs Haupt an weise das erste Wort und sagte wahre Stäbe.“
Im „Der Ausspruch der Seherin“ heißt es über den Tyr-Riesen Egdir:
„Dort saß der Hirte der Riesin auf dem Hügelgrab und schlug die Harfe – der strahlende Egdir.“
Auch die sogenannte „Sonnenscheibe von Lattoon“ aus Irland, die auf der folgenden Seite abgebildet ist, ist bei genauerem Hinsehen die Abbildung eines Hügelgrabes, da auf dieser Sonnenscheibe auch der Gang in die Grabkammer dargestellt worden ist (links unten auf der Abbildung).
„Sonnenscheibe“ von Lattoon, Irland
Die Scheibe hat außen 16 Kreise, innen 18 Kreise und dazwischen 34 Strahlen – der Hersteller hat also nicht allzugenau darauf geachtet, die typischen binären „Sonnenzahlen“ 4, 8, 16 und 32 zu verwenden. Diese „Hügelgrab-Sonnenscheibe“ ist die einzige dieser Art in Irland, während eine ganze Reihe „normaler Sonnenscheiben“ gefunden worden sind.
Die Sonnenscheibe von Lattoon ist eine Mischform zwischen den Herzsprung-Schilden, die deutlich ein Hügelgrab darstellen, und den Sonnenscheiben wie z.B. der auf dem Sonnenwagen von Trundholm (siehe „Sonne“ in Band 48). Daß eine Mischform zwischen beiden Scheiben-Typen existiert, bestätigt die Vermutung, daß die Herzsprung-Schilde das Hügelgrab des damaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr darstellen.
Der „Hügelgrab-Lageplan von Lattoon“ enthält als interessantes Detail lediglich die Weise, in der der Weg zur Grabkammer dargestellt worden ist: Man kann erkennen, daß der eigentliche Weg durch Querstriche markiert worden ist, während die Wände links und rechts von diesem Weg durch wechselnde Schraffuren gekennzeichnet worden sind.
Detail der „Sonnenscheibe von Lattoon“: der Weg in die Grabkammer
Auf diesem Stein, der um ca. 700 n.Chr. in der Nähe von Tjängvide auf der südschwedischen Insel Gotland errichteten worden ist, ist links oben ein Hügelgrab zu sehen, das die Form eines Bienenkorbes hat.
Rechts unten reitet der Tote auf dem achtbeinigen Sleipnir, unter dem zwei Hrungnir-Herzen dargestellt sind.
Unten in der Mitte begrüßt die Jenseitsgöttin den Toten mit einem Horn voll Met.
Runenstein von Hobro: Hügelgrab oder Hügelgrab-Eingang
Hügelgräber oder Eingänge in die Grabkammer eines Hügelgrabes wurden des öfteren stilisiert dargestellt. Eine solche Abbildung findet sich auch auf dem Runenstein von Hobro. Die Form ist dieselbe wie auf dem Bildstein von Lärbro.
Da die Totengeister als Schlangen aufgefaßt wurden, konnte man die Grabkammern in den Hügelgräbern als „Schlangengruben“ bezeichnen. Als der Ursprung dieses Namens in Vergessenheit geraten war, faßte man das Motiv der Schlangengrube zunehmend als eine reale Grube voller Schlangen auf, in die man einen Mann warf, um ihn durch Schlangenbisse zu töten.
In einer solchen Schlangengrube hat u.a. Wieland dem um 950 n.Chr. verfaßten Lied „Deor“ zufolge gelegen und im Nibelungen-Lied wird Gunnar in eine solche Grube geworfen. Die Szene „Wieland in der Schlangengrube“ ist auf zwei Runensteinen abgebildet worden.
Dies ist insbesondere deshalb interessant, weil Wieland der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr als Schmied im Jenseits ist, der dort sein Schwert neuschmiedet, das bei Tyrs Tod am Abend zerbrochen ist. Die Szene „Tyr in der Schlangengrube“ entspricht also den Herzsprung-Schilden, die das Hügelgrab des Tyr darstellen – die Schlangengrube des Wieland aus den Liedern um ca. 1000 n.Chr. ist ein lyrischer Nachfolger der Herzsprung-Schilde, die um 750 v.Chr. hergestellt worden sind.
Das Motiv „Tyr im Hügelgrab“ ist offensichtlich sehr beständig gewesen … der abendliche Tod und die morgendliche Wiedergeburt der Sonne sind ein zentrales Motiv in den Mythen des Tyr gewesen.
Auf dem Runenstein von Ardre, der um ca. 1050 n.Chr. errichtet worden ist, ist rechts unten neben Wielands Schmiede eine liegende Gestalt in einer Grube zu sehen, in der sich Schlangen befinden. Aufgrund des Verses aus dem Deor-Lied ist es recht sicher, daß die Gestalt in der Schlangengrube rechts neben Wielands Schmiede auf dem Runenstein Wieland ist.
Runenstein von Ardre: Wielands Schmiede und „Schlangengrube“
Runenstein von Ardre (Umzeichnung)
Rechts neben der Schmiede oben in der Mitte des Bildes liegen die beiden von Tyr-Wieland enthaupteten Söhne des Loki-Nidud. Links oben ist Wielands Geliebte Bödhild (die Saga-Variante der Wiedergeburts-Göttin Freya) zusammen mit Wieland als Adler-Seelenvogel (hier mit dem von ihm selber hergestellten Vogel-Gewand) zu sehen. Links unten sind vermutlich Egil und seine Geliebte in ihrer Tempel-Festung abgebildet, die sich auch auf dem Runenkästchen von Auzon finden. Die Gestalt links neben der Schlangengrube könnte Bödhild sein – sie ist die Wiederzeugungs-Geliebte und die Wiedergeburts-Mutter des Tyr-Wieland in dessen Hügelgrab-Grabkammer. Die Schlangen links an der Grube sollen diese vermutlich als „Schlangengrube“, d,h, als Hügelgrab-Grabkammer kennzeichnen.
Runenstein von Klinte oben: Mann (Wieland?) in Schlangengrube; unten: evtl. Egil der Bogenschütze
Auf diesem Runenstein, der zwischen 900 und 1000 n.Chr. errichtet worden ist, ist eine zweite solche Schlangengrube zu sehen.
Die Schlangengrube ist oben links abgebildet – in ihr liegt Wieland zusammen mit einigen Schlangen.
Von rechts her tritt eine Frau zu der Grube und nimmt eine der Schlangen heraus. Sie ist links unter der Grube noch einmal mit der Schlange in ihrer Hand zu sehen – sie wird Bödhild sein, die Saga-Variante der Jenseitsgöttin Freya.
Rechts von ihr steht ein Mann, der einen Bogen in seiner Hand hält und die beiden Menschen in dem Gebäude vor ihm angreift. Dies sind wie auf dem vorigen Runenstein und wie auf dem Runenkästchen von Auzon Tyr-Wielands Bruder Egil und dessen Walküren-Geliebte Aelrun – auf dem Runenkästchen sind die Namen der beiden angegeben.
Der Vers aus dem Deor-Lied und die beiden Darstellungen von „Wieland in der Schlangengrube“ auf den beiden Runensteinen zeigen, daß sowohl im Völund-Lied der Edda als auch in der Thidrek-Sage eine prägnante Szene aus der Geschichte des Wieland fehlt – eben sein Liegen in der Schlangengrube. Im Völund-Lied ist daraus seine Gefangenschaft auf der Insel Säwarstad geworden und in der Thridrek-Saga sein Aufenthalt in dem Hohlen Baum. Sowohl die Insel als auch der hohle (Welten-)Baum sind Symbole des Jenseits bzw. des Jenseitsweges.
Gunnar in der Schlangengrube Portal der Stabkirche von Hylestad
Auf diesem Portal sind mehrere Szenen aus dem Nibelungenlied und aus der Siegfried-Sage dargestellt worden.
Gunnar ist deutlich daran erkennbar, daß er von Schlangen umgeben ist und mit seinen Füßen auf einer Harfe spielt.
Gunnar liegt in einer Schlangengrube, die hier schon als eine Grube mit realen Schlangen aufgefaßt worden ist, die den in diese Grube geworfenen Gunnar töten sollen – die übliche Umdeutung eines Motivs aus den Jenseitsvorstellungen zu einer Todesursache …
Tyr-Wieland oder Gunnar in der Schlangengrube Taufbecken von Norumfunt, Schweden
Bei diesem Taufbecken ist es unklar, ob die Gestalt zwischen den Schlangen Tyr, Wieland oder König Gunnar ist – die Szene stellt auf jeden Fall das Jenseits, d.h. eine Hügelgrab-Grabkammer dar.
Ein christlicher Ursprung dieses Motivs ist ausgesprochen unwahrscheinlich, da es einerseits in der Bibel kein solches Motiv gibt, und andererseits die Schlangengrube von den Germanen gut bekannt ist.
Da die Taufe eine symbolische Reise in die Wasserunterwelt ist, durch die eine Verbindung zu den Göttern im Jenseits hergestellt wird, paßt dieses Motiv sowohl aus germanischer Sicht als auch christlicher Sicht gut auf dieses Taufbecken: Bei den Germanen wurde der Täufling in der vorchristlichen Zeit durch die Taufe vermutlich mit Tyr verbunden, bei den Christen mit Gott – und Gott Vater wurde oft dem Tyr gleichgesetzt.
Die Abbildung des „Mannes mit den Schlangen“ auf diesem Taufbecken bestätigt somit noch einmal die Deutung der „Schlangengrube“ als Grabkammer und insbesondere als die Grabkammer in dem Hügelgrab des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr.
Hügel(-grab) darüber drei stilisierte Vögel
Brakteaten waren dünne, mit verschiedenen Motiven geprägte Goldscheiben, die in der Zeit von 400-600 n.Chr. von den Germanen als Amulette getragen wurden. In dieser Zeit hat Odin bei den Nordgermanen Tyr als Göttervater abgesetzt.
Auf dem links abgebildeten Brakteat ist unten ein Hügelgrab zu sehen. Über dem Hügelgrab ist in der Mitte ein Symbol zu sehen, das evtl. eine Sonne sein könnte – allerdings ist der „Kreis mit zentralem Punkt“ ansonsten eher im Mittelmeerbereich das Sonnensymbol.
Neben diesem Symbol ist links und rechts ein Punkt zu sehen – Sterne? Über das Hügelgrab selber ist eine Mondsichel geprägt worden – es ist allerdings fraglich, ob mit dieser Struktur wirklich eine Mondsichel gemeint sein soll. Es könnte auch das Feuer des Hügelgrabes sein, also das Bestattungsfeuer oder das Morgenrot bei der Wiedergeburt des Tyr.
Über dem Hügelgrab sind drei stilisierte Vögel zu sehen – vermutlich eine der vielen Varianten des Hrungnir-Herzens, das die Sonne symbolisiert. Die Zahl „3“ ist bei den (Indo-)Germanen das Symbol des Sonnenzyklus und daher auch der Sonne selber. Hier ist anscheinend der Adler-Seelenvogel des Tyr gemeint.
Die 33 Punkte am Rand des Brakteats könnten eine Wiederholung der Symbolik der drei Vögel sein.
Auch die drei Punkte zwischen den Vögeln könnten ein Hinweis auf die Sonne sein – aber das ist nur eine vage Vermutung.
Dieser Brakteat stellt somit vermutlich den morgendlichen Aufstieg des Sonnengott-Göttervaters Tyr aus seinem Hügelgrab dar.
Die unten abgebildete „Kleeblatt“-Fibel, die um ca. 850 n.Chr. hergestellt worden ist, ist eine der vielen Varianten des Hrungnir-Herzens, also eines Sonnen-Symbols.
In seiner Mitte befindet sich dasselbe Symbol wie auf dem Brakteat im vorigen Abschnitt. Es stellt vermutlich die Sonne dar.
An den drei Enden des „Kleeblatts“ ist eine Struktur zu sehen, die ein Hügelgrab mit dem Eingang zu ihm in seiner Mitte sein könnte.
Die Dreizahl der „Blätter“ ist ein Hinweis auf die Sonne, da die „3“ damals ein Symbol für den Sonnenzyklus und sekundär auch für die Sonne und für den damaligen Sonnengott-Göttervater Tyr gewesen ist.
Wenn diese Deutung zutreffen sollte, würde das „Kleeblatt“ vermutlich die Sonne, d.h. Tyr in seinem Hügelgrab darstellen – vermutlich wäre dann die wiedergeborene Sonne, die am Morgen aus ihrem Hügelgrab zurückkehrt, gemeint. Die Wiedergeburt der Sonne (Tyr) könnte als Schutz, als Rückkehr aus einer Gefahr, als Sieg in einem Kampf, als Genesen von einer Krankheit usw. aufgefaßt worden sein.
Kleeblatt-Brosche mit Sonne (?) im Zentrum und je einem Hügelgrab-Tor (?) an den drei Spitzen; Loddeköping
Auf diesen drei Wandteppichen, die um ca. 1000 n.Chr. von drei verschiedenen Personen hergestellt worden sind (wie die unterschiedlichen Stile zeigen) und sowohl germanische als auch christliche Motive enthalten, finden sich u.a. fünf Darstellungen von Hügelgräbern.
In drei von ihnen liegt ein Toter, in einem fünf Tote (Hel als Unterwelt?), in einem Fall nähert sich der Tote gerade der Unterwelt.
Auf zwei dieser Wandteppiche ist in der Mitte ein (Welten-)Baum zu sehen, auf dem dritten ein Hügelgrab. Das läßt vermuten, daß der (Welten-)Baum symbolisch dem Hügelgrab entspricht und daß der Weltenbaum als Jenseitsweg sowie das Hügelgrab das zentrale Thema dieser Teppiche sind.
Das Motiv, das zum Weltenbaum und zum Hügelgrab paßt, ist die Jenseitsreise der Sonne (Tyr). Die Sonne wird auf diesen Wandteppichen aus einer christlichen Kirche jedoch bereits Christus gleichgesetzt worden sein. Diese Gleichsetzung von Sonne, Tyr und Christus findet sich auch in vielen Skalden-Liedern im germanischem Stil, aber mit christlichem Inhalt wieder.
1. „Hirsch-Wandteppich“
2. „Hügelgrab-Wandteppich“
3. „Pferde-Wandteppich“
Toter in einem Hügelgrab (links oben im „Hirsch-Wandteppich“)
fünf Tote in einem bewachsenen Hügelgrab (links oben im „Hirsch-Wandteppich“)
Toter in einem bewachsenen Hügelgrab (rechts unten im „Hirsch-Wandteppich“)
Toter in einem bewachsenen Hügelgrab (rechts Mitte im „Pferde-Wandteppich“)
Es ist interessant, daß drei dieser vier Hügelgräber mit hohem Gras oder mit Getreide bewachsen sind. Sollte hier die Wiedergeburt des Toten (Tyr, Sonne) dem Keimen des Getreides gleichgesetzt worden sein? Da dieses Motiv jedoch ansonsten in den Mythen der Germanen fehlt, werden diese Linien eher Gras oder Sonnenstrahlen sein.
Reiter, der sich der Hügelgrab-Göttin nähert, die auf einem Thron auf einem Hügelgrab sitzt (in der Mitte des „Hügelgrab-Wandteppichs“)
In der Saga über Hedin (Tyr) und Högni (Loki) sitzt Freya auf einem Thron. Da sie auch die Wiederzeugungs-Geliebte und die Wiedergeburts-Mutter der Toten ist, wird die Frau mit dem langen Gewand auf dem Thron auf dem Hügelgrab Freya sein.
Das Runenkästchen von Auzon wurde um ca. 700 n.Chr. in Northhumbria in Mittelengland aus den Kieferknochen eines Wales hergestellt. Es wurde nach seinem Fundort Auzon in Südfrankreich benannt.
Der Germane, der dieses Runenkästchen hergestellt hat, lebte zu derselben Zeit wie der Skalde, der das Beowulf-Epos niedergeschrieben hat – ob sie sich kannten, weiß man nicht, aber sie werden in etwa dasselbe Weltbild gehabt haben.
Das Kästchen ist 22,8cm breit, 18,5cm lang und 10,5cm hoch. Sein Volumen innen beträgt somit ca. 3.600cm3, d.h. ca. 3,5 Liter. Es paßte nicht viel in dieses Kästchen, aber für einen kleinen Vorrat an Goldmünzen und einige goldene Armreifen reichte es so gerade.
Die vollständige Beschreibung dieses Kästchens findet sich in dem Kapitel „Kiste“ in Band 57.
Runenkästchen von Auzon – rechte Seite: Bestattung
Auf diesem Bild sind von links nach rechts die folgenden Wesen und Dinge zu sehen:
Details der Bestattungs-Szene
Links befindet sich ein Hügel, auf dem ein Mensch mit dem Hals und dem Kopf eines Pferdes sitzt, der zwei Gegenstände in seinen Händen hält, die wie Szepter wirken. Der Hügel könnte ein Hügelgrab sein und der Mann ein Toter, der bei seiner Bestattung mit einem Hengst identifiziert worden ist, um seine Zeugungskraft bei seiner Wiederzeugung zu sichern. Dieser Pferde-Mann ist eine Variante des bekannteren Zentaurs.
Der „Szepter“ in seiner rechten Hand könnte ein Penis mit Hoden sein. Das wäre dann ein Hinweis auf die Wiederzeugung. Da die Form dieses „Szepters“ (ein langer Bogen mit einem „Ast“) sehr an die Schlangen mit erigiertem Penis auf dem großen Goldhorn von Gallehus sowie an die Schlangen in den Händen der Frauen auf den Wieland-Bildsteinen erinnert, könnten dieses „Szepter“ auch solch eine „Jenseits-Schlange“ sein.
Über seinem Kopf fliegt eine Gans oder ein Schwan nach rechts. Dieser Vogel wird sein Seelenvogel sein.
Vor dem Pferde-Mann steht ein Krieger mit einem runden Germanen-Schild, einem Speer und einem speziellen Helm mit einer „Bommel“. Er ist offensichtlich zu dem Pferde-Mann gegangen, der als der Sitzende der Höhergestellte ist und derjenige, der den anderen empfängt.
Vermutlich ist dieser Mann der Sohn des Toten, der seien toten Vater in seinem Hügelgrab um Rat und Hilfe bittet („Utiseta“).
Hinter dem Krieger steht am Boden eine Pflanze (?). Sie könnte eine Bedeutung haben, aber genausogut auch nur ein Raumfüller sein.
In der Mitte des Bildes befindet sich ein Tier, das aufgrund seiner Hufe, seines Penis und der fehlenden Hörner ein Hengst sein muß. Es wird sich bei ihm um das Tier handeln, das bei der Bestattung für den Mann links geopfert worden ist, der durch die Identifizierung mit diesem Pferd zu einem Pferde-Mann geworden ist.
Unter den Hinterbeinen des Hengstes ist wieder der Seelenvogel zu sehen.
Unter dem Hals des Pferdes scheint eine zweite Pflanze zu stehen, die der bereits erwähnten Pflanze hinter dem Krieger (die hier unter den Hinterbeinen des Hengstes zu sehen ist) gleicht.
Die beiden Ornamente unter dem Bauch und zwischen den Vorderbeinen des Hengstes könnten evtl. Hrungnir-Herzen (Symbol der Sonne und der Seele) sein – aufgrund ihrer Asymmetrie und ihres fehlenden dritten Armes werden es aber wohl doch eher nur Raumfüller sein.
Vor den Vorderbeinen des Hengstes ist ein Hügel zu sehen, in dem auf „Stäben“ ein bärtiger Mann zu liegen scheint. Dies könnte der Tote in seinem Hügelgrab sein. Die Mauerwerk-artig angeordneten „Stäbe“ könnten die Steine sein, aus denen die Grabkammer aufgebaut ist – aber diese Deutung ist recht unsicher.
Rechts vor dem Hengst und dem Hügelgrab steht ein Mensch mit Stab, vor dem in der Luft ein Kelch „schwebt“.
Möglicherweise ist dies der Seher oder die Seherin, die für den Krieger den Kontakt zu dem Toten, d.h. zu dem Pferde-Mann herstellt. Diese Person könnte aber auch der Bestattungspriester sein.
Der Kelch wird den Met enthalten, der bei Bestattungen getrunken wurde und auch dem Toten mit ins Grab gegeben wurde: Der Met der ewigen Jugend in der Halle der Hel, d.h. in der Grabkammer des Hügelgrabes.
Die Tätigkeit dieser drei Frauen ist leider nicht genau zu erkennen. Sie scheinen ihre Arme so auszustrecken, daß sich ihre Hände in der Mitte treffen oder zumindestens nah beieinander sind.
Dies könnte die Geste einer gemeinsamen Weihung oder eines gemeinsamen Segnens sein.
Vermutlich sind diese drei Frauen die drei Nornen.
Der umlaufende Runentext beginnt oben links und läuft dann im Uhrzeigersinn rings um den Rand. Das untere Ende der Runen zeigt stets zu dem Bild, d.h. die Runen beziehen sich auf das Bild in ihrer Mitte. Der Text lautet:
Hier sitzt das Pferd auf dem Trauerberg; sie (die drei Nornen) bewirken das Unglück so, wie es ihnen Erta aufgetragen hat, sie verursachen Trauer und Herzeleid.
„Erta“ ist die Erdgöttin, die auch Hertha, Bertha, Perchta, Nerthus und bei den Wikingern Jörd genannt wurde.
Rings um den Hengst befinden sich drei in Runen geschriebene Worte:
Ist das ein Name des Pferdes, der dann „Beißer der Zweige des (Jenseits-)Waldes“ heißen würde?
In jeder der vier Ecken der Platte befindet sich ein Tier, das vermutlich ein Wolf ist, der der Jenseitsführer gewesen sein wird. Sie werden sowohl Odins Wölfen Geri und Freki entsprechen, als auch dem Fenris-Wolf, den Hel bisweilen als Reittier benutzt.
Auf dieser Platte des Runenkästchens ist offenbar der Geist des Toten im Jenseits und der Kontakt („Utiseta“) zu ihm das Thema.
Der Tote wurde von einem Priester in einem Hügelgrab bestattet, wobei auch der „Göttermet“ in dem Kelch getrunken sowie dem Toten in seine Grabkammer mitgegeben wurde. Das Hügelgrab wurde „Trauerberg“ genannt.
Der Hengst ist das Tier, das für den Toten geopfert wurde, um dessen Zeugungskraft bei der Wiederzeugung zu sichern. Möglicherweise wurde dieser Hengst „Beißer“ genannt – vielleicht ist dies aber auch ein Titel des Opferpriesters.
Die beiden Worte „Zweig“ und „Wald“ könnten auf einen Heiligen Hain hinweisen, in dem das Opferritual durchgeführt wurde, aber sie könnten auch den Düsterwald bezeichnen, durch den die Seele des Toten in das Jenseits reiste. Da hier jedoch eine rituelle Szenerie dargestellt ist, ist die Deutung als Heiliger Hain wahrscheinlicher.
Später wurde der Tote (d.h. sein Seelenvogel) von einem Krieger (vermutlich einem seiner Nachkommen) aus dem Hügelgrab herausgerufen, woraufhin der Geist des Toten mit einem Pferdekopf erscheint. Das Anrufen eines Toten („Utiseta“) war damals eine übliche Methode, um Rat und Hilfe aus dem Jenseits zu erhalten.
Von den beiden „Szeptern“ in der Hand des Toten könnte das rechte möglicherweise eine „Jenseits-Schlange“ sein, wie sie sonst die Norne/Hel/Walküre auf den Bildsteinen in ihrer Hand hält. Diese Schlange wäre dann ein allgemeines Symbol dafür, daß die Person, die sie in der Hand hält, aus dem Jenseits kommt.
Die drei Nornen haben den Tod verursacht, so wie es ihnen die Erdgöttin Erta/Jörd aufgetragen hat. Die drei Nornen in der Edda scheinen somit ein verselbständigter Aspekt der Erdgöttin in ihrer Funktion als Jenseitsgöttin zu sein.
Die vier Wölfe sind vermutlich nur ein allgemeiner Hinweis darauf, daß es sich hier um eine Jenseits-Szene handelt.
Thor-Hammer von Slotsmöllan
Dieser Thor-Hammer aus Slotsmöllan in Halland in Schweden wirkt wie ein Schaber, weil die Stiel-Seite des Hammerkopfes gebogen statt gerade ist.
An dem Punkt-Muster fallen lediglich die drei nebeneinander stehenden Punkte in der Mitte auf. Auch auf dem Herzsprung-Schild aus Brandenburg (siehe Abschnitt „I 4. a)“ in diesem Buch) und auf dem Vogel-Brakteat (siehe Abschnitt „I 4. h)“ in diesem Buch) sind drei solche Punkte zu sehen, die dort vermutlich die Sonne darstellen.
Die Anzahl der Punkte ist regelmäßiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat:
Anzahl der Punkte auf dem Thor-Hammer | |
Lage der Punkte | Anzahl |
oben in der Mitte | 1 |
von oben nach links außen | 3·3 = 9 |
von oben nach rechts außen | 3·3 = 9 |
quer in der Mitte | 3 |
unten in der Mitte | 1 |
von links außen nach unten zur Mitte | 2·3 = 6 |
von rechts außen nach unten zur Mitte | 2·3 = 6 |
Dem Schmied, der diesen Thor-Hammer hergestellt hat, ist offenbar die Betonung der „3“ und ihrer Vielfachen „6“ und „9“ wichtig gewesen, die demnach eine wichtige Qualität des Mjöllnir darstellen.
Diese Punkte-Symbolik wird deutlicher, wenn man noch einige weitere Thor-Hämmer betrachtet, auf denen sich solche Punkte befinden.
Auf diesem Thor-Hammer aus Moheda in Smaland in Schweden findet sich ein sehr markantes weiteres Element: ein dreifaches Dreieck, das aus einem großen Dreieck, einem in dieses eingefügtes kleines Dreieck sowie drei Punkten besteht. Hier ist die „3“ noch deutlicher betont als auf dem Thor-Hammer von Slotsmöllan.
Diese Dreiecke erinnern stark an die einfachsten Formen des Hrungnir-Herzens, das ein Symbol der Sonne und der Seele ist (siehe „Hrungnir-Herz“ in Band 67).
Die „3·3“ stellt sicherlich die „Jenseits-9“ dar.
Insgesamt sind 13 solcher Dreiecke zu sehen. Vermutlich hat diese Zahl jedoch keine tiefere Bedeutung, da die „13“ ansonsten bei den Germanen unbekannt ist und man dann, wenn die „13“ wichtig gewesen wäre, auch eine etwas präziseren Anordnung dieser Dreiecke in der Viergruppe auf dem Stiel und in den beiden Vierergruppen auf den beiden Hammerkopf-Seiten sowie dem einzelnen Dreieck in der Mitte des Hammerkopfes erwarten sollte.
Aber vielleicht ist die Symbolik dieser „3·4+1“-Anordnung der Dreiecke damals auch so bekannt gewesen, daß sie jeder verstanden hat, auch wenn die Dreiecke etwas nachlässig in das Thorhammer-Amulett eingeprägt worden waren …
Auch auf diesem Thor-Hammer aus Gärsnäs in Skane in Schweden finden sich Dreiecke. Die Dreiecke am Außenrand haben je einen Punkt in ihrer Mitte; die beiden Dreiecke im Zentrum haben jeweils drei Punkte in ihrem Zentrum. Auch hier scheint die „3“ eine wesentliche Bedeutung zu haben.
Die Anzahl der Dreiecke ist hier nicht so regelmäßig wie die Anzahl der Punkte auf dem Thor-Hammer von Slotsmöllan:
Dreiecke auf dem Thor-Hammer | ||
Lage der Dreiecke | Anzahl | Innen-Punkte |
oben in der Mitte | 1 | 1 |
von oben nach links außen | 9 | 1 |
von oben nach rechts außen | 10 | 1 |
von links außen nach unten Mitte | 6 | 1 |
von rechts außen nach unten Mitte | 7 | 1 |
unten in der Mitte | 1 | 1 |
in der Mitte oben | 1 | 3 |
in der Mitte unten | 1 | 3 |
Wenn man einmal davon absieht, daß die beiden rechten Linien aus Dreiecken jeweils ein Dreieck „zuviel“ enthalten (10 statt 9; 7 statt 6), finden sich hier genaudieselben Anzahlen wie auf dem Thor-Hammer von Slotsmöllan.
größeres Goldhorn von Gallehus
Die beiden dreifach gepunkteten Dreiecke im Zentrum finden sich in ganz ähnlicher Form auch schon 600 Jahre vorher auf dem größeren der beiden Goldhörner von Gallehus, die um 400 n.Chr. hergestellt worden sind. Aus dem Zusammenhang der Bilder auf diesen beiden Goldhörnern ergibt sich, daß die beiden „Scharnier-Platten“ mit den drei Punkten vermutlich die Tore zur Unterwelt sind (siehe „Goldhörner von Gallehus“ in Band 57).