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Multitools selbst gebaut

1. Auflage, 2018

ISBN: 978-3-7481-3669-9

© 2018 by Wolfgang Peter-Michel

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

Inhalt

Abb. 1: Klappbares Kombinationswerkzeug aus dem Besitz des Kurfürsten August von Sachsen (1526–1586). Das Stück stammt aus der Werkstatt des in Nürnberg ansässigen Meisters Leonhard Danner und wurde zwischen 1560 und 1580 gefertigt.

Vorwort

Multitools gibt es schon seit Hunderten von Jahren. Kombinierte Werkzeuge waren aber bis zum beginnenden 19. Jahrhundert meist wertvolle Einzelstücke, die beispielsweise in den Kuriositätenkabinetten der Adligen zu liegen kamen. So auch das auf der gegenüberliegenden Seite dargestellte Stück aus der Sammlung des Kurfürsten August von Sachsen.

Mit der Industrialisierung des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurden Messer-Werkzeug-Kombinationen dann zu einem Massenprodukt. Oft waren sie aber von zweifelhafter Funktionalität und eher dazu geeignet, den interessierten Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Erst die Entwicklung des berühmten Schweizer Soldatenmessers im Jahr 1891 brachte für derartige kleine Werkzeugkisten den Durchbruch.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts sorgte dann der Erfinder der Vielzweck-Klappzangen, Timothy S. Leatherman, für frischen Wind bei der Entwicklung der hosentaschengeeigneten Vielzweckwerkzeuge. Statt ein Messer als Basis für sein Multitool zu verwenden, entschied er sich für eine Kombizange. Diese stattete er mit Zusatzwerkzeugen aus, darunter auch eine Messerklinge. Seitdem haben viele Messerhersteller eines oder mehrere Multitools auf der Basis einer Klappzange auf den Markt gebracht. In beiden Fällen, beim Schweizer Messer wie auch bei den Klappzangen, sind zwar im Lauf der letzten Jahrzehnte immer weiter neue Modelle konstruiert, aber im Grunde nur Variationen eines Themas geschaffen worden. Wirkliche Innovationen sind in diesem Segment rar. Was nicht heißen soll, dass Schweizer Messer oder Klappzangen an sich nicht geniale Erfindungen sind, die die Menschheit weiter gebracht haben. Aber dennoch sollte es möglich sein, auch noch Multitools zu entwickeln, die einfach anders sind.

Abb. 2: Erfrischend anders: Das Multitool 6-E-6 „Ratnik“ der russischen Streitkräfte zeigt, dass auch andere Gestaltungen möglich sind, als von den marktführenden Unternehmen weltweit vorgegeben werden. Für Messerbastler ist es lohnend, die eigenen Bedürfnisse zu ergründen und davon ausgehend ein individuelles Tool zu schaffen.

Einleitung

Aus welchem Grund sollte jemand ein bestehendes Multitool verändern wollen oder gar ein ganz neues bauen? Die Bedürfnisse eines jeden Menschen sind einfach verschieden und ein jeder benötigt daher ein individuell gestaltetes Werkzeug. Zumindest sollte es so sein. Jedoch werden viele in der Praxis noch nicht einmal auf die Idee kommen, sich Gedanken darüber zu machen, wie das für sie ideale Vielzweckwerkzeug aussehen könnte.

Die meisten Menschen kaufen sich ein Multitool, weil ihnen ein bestimmtes Werkzeug daran besonders ins Auge fällt oder sie es für besonders zweckmäßig halten. Doch beim genaueren Hinsehen gelangen sie oft zu der Erkenntnis, dass einige der Werkzeuge, die sie im Paket gekauft haben, für sie überhaupt nicht nützlich sind. Der Autor beispielsweise ist kein Angler. Bei vielen Schweizer Messern oder anderen Multitools muss er jedoch auch eine Anglerklinge mit in Kauf nehmen, deren gerillte stumpfe Schneidfläche zu nichts anderem als dem Entschuppen von Fischen geeignet ist und deren gabelförmige Spitze ausschließlich zum Lösen der Angelhaken dient. Ansonsten ein komplett nutzloses Werkzeug. Zumindest für den Nicht-Angler. Auch die Lupe mit dem Kunststoffrahmen, die in Schweizer Messern verbaut ist, hält der Autor für ausgesprochen sinnlos an einem Taschenmesser. Dennoch kam er bei einigen Modellen nicht darum herum, sie mitzukaufen.

Aus dieser Erfahrung heraus haben einige Nutzer von Multitools damit begonnen, ihre Stücke umzubauen, indem sie Teile von anderen Tools in das ihre integriert und dafür andere Klingen entfernt haben. Diese Menschen nennen sich „Modder“ (von engl. „to modify“ = modifizieren) und man kann die Tätigkeit des „Moddens“ mittlerweile fast eine neue Bewegung in der internationalen Messerszene nennen. Dabei tauschen die Modder nicht nur Werkzeuge innerhalb einer Serie oder des Gesamtprogramms eines Herstellers aus, sondern mischen in einem Tool durchaus auch Klingen verschiedener Herkunft. Also beispielsweise Klingen aus einem Schweizer Messer, die in eine Klappzange eines amerikanischen Herstellers eingebaut werden. Dabei müssen oft umfassende Anpassungsarbeiten geleistet werden, also beispielsweise Achslöcher vergrößert oder durch Inserts verkleinert werden. Da diese Klingen aus bereits gehärtetem Stahl bestehen, sind diese Arbeiten zum Teil durchaus anspruchsvoll. Nicht selten entstehen daraus Werkzeugkombinationen („Mods“), die in ihrer Funktionalität die unveränderten Originale bei weitem übertreffen. Dennoch sollen Umbauarbeiten dieser Art im vorliegenden Buch nicht beschrieben werden, da es sich dabei weniger um Messermacherei im klassischen Sinne als vielmehr um den Austausch von vorgefertigten Elementen, also negativ gesprochen um Baukastenarbeit handelt. Wie schon gesagt: Die Arbeiten der Modder führen oft zu bewundernswerten Resultaten, keine Frage! Dennoch würde dies, auch weil die Arbeiten für die Modelle eines jeden Herstellers gesondert beschrieben werden müssten, den Rahmen des vorliegenden Buches bei weitem sprengen.

In diesem zweiten Band der Reihe „Messerbau leicht gemacht“ sollen also nur der Einbau von selbst gefertigten Komponenten in bestehende, herkömmliche Tools sowie der komplette Eigenbau beschrieben werden. Da sich die Bücher dieser Reihe nicht an Experten richten, die über eine maschinell perfekt eingerichtete Profiwerkstatt verfügen, sondern vielmehr an Bastler und Heimwerker, die oft nicht mehr als Handwerkszeug und eine elektrische Bohrmaschine besitzen, sind die dahingehenden Möglichkeiten natürlich begrenzt. Also muss hier der Wunsch, etwas völlig Neues zu schaffen, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auch umsetzbar sein. Dieser Gedanke stand bei den folgenden Projekten im Vordergrund.

Abb. 3 (links) und 4 (oben): Das polnische Pionierspringmesser Nóż wojskowy wz. 69 wurde Anfang der 1970er-Jahre bei der polnischen Armee eingeführt. Auch dieses Multitool soll als Anregung dienen, durchaus einmal etwas Neues zu versuchen.

Abb. 5: An diesem Multitool aus dem unteren Preissegment wurden unbrauchbare Klingen entfernt und durch einen Satz Werkzeuge zum zerstörungsfreien Öffnen von Profilzylindern ersetzt. Dadurch wird aus einem ansonsten eher durchschnittlichen Tool ein wertvoller Begleiter für Mitarbeiter von Schlüsseldiensten.

Modifikationen an herkömmlichen Multitools

Das zuvor beschriebene Problem, mit Heimwerkermitteln komplizierte Segmente wie beispielsweise einen Zangenkopf herstellen zu müssen, lässt sich natürlich recht einfach dadurch umgehen, dass man lediglich selbstgefertigte Elemente in ein bestehendes Tool einbaut.

Ein Grund dafür könnten spezielle Bedürfnisse eines Nutzers sein. Die meisten Tools sind für Outdooraktivitäten und die Wartung einfacher technischer Geräte vorgesehen. Das heißt, man soll damit Holz bearbeiten, Seile, Schnüre und Stoff durchschneiden und bei Bedarf Schrauben lösen oder festziehen können. Im Extremfall sollen vielleicht dünnere Metallteile durchgesägt werden. Beispielsweise ein Feinmechaniker wird sich jedoch einen ganz anderen Werkzeugsatz in seinem Multitool wünschen. Auch ein Flugzeugmodellbauer wird für den Tag auf dem Modellflugplatz eine andere Ausstattung benötigen. Im Folgenden soll ein beispielhafter Umbau eines Klappzangen-Werkzeugs für die Bedürfnisse von Schlüsseldienst-Mitarbeitern beschrieben werden. An einem zugegebenermaßen billigen Werkzeug aus chinesischer Fertigung sollen nicht benötigte bzw. ohnehin völlig unbrauchbare Klingen entfernt, die verbleibenden auf einer Seite neu montiert und auf der anderen Seite ein selbstgefertigter Satz Schlossöffnungswerkzeuge eingesetzt werden.