Das Buch gibt einen weiteren Teil der Lebensgeschichte des Autors wider, niedergeschrieben anhand seiner Erinnerung und seinerzeit entstandenen Aufzeichnungen.
Alle in diesem Buch vorkommenden Personen sind oder waren Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, sind die Namen, außer dem des Autors, verändert worden.
Für die Lektoratsarbeit geht mein Dank an Frau Verena Korinth.
Quellennachweise:
Das maritime Lexikon, Herr Wesselhöft
www.wesselhoeft.net/Lexikon/Lexikon.htm
Wikipedia – Die freie Enzyklopädie
Seemannsamt Hamburg
Familienarchiv Milbredt
world wide web
Abbildungen:
Umschlaggestaltung: Sophie Schütt
Friedrich Synold Bilder
Rudolf Neumann
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de/_ abrufbar.
© 2020 Friedrich Heinrich Synold
Satz, Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7526-7932-8
In diesem Buch erzählt der Autor in mehreren Kurzgeschichten von seinen Erlebnissen, Abenteuern und den verschiedensten Eindrücken auf deutschen Frachtschiffen unter deutscher Flagge, rund um den Globus.
Alle Geschichten sind authentisch. Es wurden vielleicht einige Kleinigkeiten hinzugefügt, aber auf keinen Fall wurde etwas weggelassen.
Eigner: | Seereederei MS »Schauenburg« Kurt Sieh & Co. Hamburg |
Bereederung: | H. Schuldt, Hamburg |
Unterscheidungssignal: | D G F Y |
Heimathafen: | Hamburg |
Länge: | 142,14 Meter |
Breite: | 21,57 Meter |
Tiefgang: | 11,30 / 8,42 Meter |
Tonnage Volldecker | |
GRT: | 9.417 t |
NRT: | 5.128 t |
tdw: | 11.618 t |
Tonnage Freidecker | |
GRT: | 5.859 t |
NRT: | 2.849 t |
tdw: | 8.800 t |
Cont. Stellplätze: | 374 |
Hauptmotor: | HCP / Sulzer 9.900 HP |
Geschwindigkeit: | 16,5 Knoten |
Bauwerft: | Stocnia Szczecinska, im »Adolfa Warskiego« |
Stapellauf: | 17.02.1973 |
Indienststellung: | 03.10.1973 |
Verbleib: | 22.09.1977 an Palm Line, London, als »Apapa Palm«, 1985 an Vencaribe C.A., La Guaira, als «General Salom«. Am 16.03.1993 an New Orleans und hier wenig später an die Kette gelegt. Im September 1993 über Interessenten aus Dubai versteigert an Mangrove Navigation Co. Ltd. aus Limassol/Mgrs. Orient Express Line Ltd. um in «Orient Challenge«. Neu vermessen nun 9.691 BRZ / 11.618 tdw.. 15.08.99 Abbruchbeginn bei Hariyana Shipbreakers Ltd. in Alang. |
Die Schauenburg, ein Dampfer der Reederei H. Schuldt in Hamburg, war ein prachtvolles, nigelnagelneues, vollautomatisches Schiff. Es war hochmodern, so wie es im Jahr 1973 nicht besser sein konnte. Von diesem Typ Schiff wurden in Stettin sechs in Serie gefertigt. Ein Dampfer von dem Hein Seemann, oder in diesem Fall Fiete, immer schon träumte.
Der Dampfer verfügte ausschließlich über Einzelkammern, die sogar mit Telefonen ausgestattet waren. Telefone konnte man streichen, die brauchte kein Mensch.
Es gab eine eigene Nasszelle, mit Dusche, WC und Waschbecken. Die Kammer selbst war sehr schön eingerichtet: Einzelkoje, Tisch, Schrank, jede Menge Schubfächer und eine Couch, die ausziehbar war.
»So viele Klamotten für diesen großzügigen Stauraum hatte bestimmt niemand«, dachte sich Fiete.
Der Löwenanteil der Crew traf sich Ende August 1974 in Hamburg und dann ging es mit dem Bus durch die DDR nach Stettin, Polen. Bei der Fahrt durch die DDR mussten die See Lord sich bei den Grenzkontrollen schon sehr zusammennehmen, um nicht mit den Vopos aneinanderzugeraten. Der Busfahrer hatte vor den Kontrollen sehr nachdrücklich einige ernste Worte gesprochen, die von den Seemännern auch beherzigt wurden.
Der Dampfer lag noch in der Werft Stocznia Szczecinska zur Ausrüstung und für abschließende Arbeiten. Außenbords, alle Luken, Bäume, Masten, also das komplette Schiff, außer Schornstein und Aufbauten war rostbraun mit einem leichten Stich ins bordeaux gehende, angestrichen. Die Ladebäume waren alle voll automatische Schwingbäume, bedient wurden sie von einem tragbaren Pult, gesteuert mit einem Joystick. Alle Luken, außer Luke eins, waren Doppelluken und bereits für die Containerfahrt eingerichtet. Die Jungfernfahrt der Schauenburg führte von Stettin, durch die Ostsee und Kiel – Kanal, nach Hamburg an die Überseebrücke.
Hier wurde der brandneue Dampfer seinen Geldgebern und der Öffentlichkeit vorgestellt. Schließlich war die Schauenburg das erste Schiff, das nach dem zweiten Weltkrieg in die Bundesrepublik Deutschland an einen westdeutschen Reeder ausgeliefert wurde.
Die Schauenburg war für die französische Reederei Delmas verchartert. Der Schornstein war auch schon überarbeitet und trug die Farben der Reederei Delmas: Ein weißes, stilisiertes Ruder auf hellblauem Grund. Die Reederei Delmas gab es schon seit 1867, deren Hauptfahrtgebiet schon immer Westafrika war. Der Hauptsitz der Reederei Delmas befand sich in Le Havre, in einem der zukünftigen Ladehäfen der Schauenburg. Das Fahrtgebiet der Schauenburg hieß: Europa –Westafrika.
In dem letzten Ladehafen in Rouen hatten die Jungs noch einmal die Chance auf Landgang und diese nutzten sie dann auch. Rudi, Fiete, Fiete’s Kumpel Werner und der Leichtmatrose Rolf, ein schlaksiger Bengel mit schulterlangen, strohblonden Haaren zogen nach dem Abendessen los in die Altstadt von Rouen. Rolf war mit seinen 17 Lenzen schon ein richtiger Schluckspecht, genauer gesagt, er spuckte nie ins Glas. Nachdem die Jungs es sich in einer Kneipe gemütlich gemacht hatten, erschienen auch augenblicklich einige Damen des horizontalen Gewerbes, welche von ihnen aber vorerst geschickt abgewimmelt wurden. Denn sie waren mit ihren Guthaben noch nicht so bestückt, als dass sie fürchterlich auf den Putz hätten hauen können.
Nach einiger Zeit verließen sie geschlossen die Kneipe und zogen weiter, als Rudi ein hübsches, junges Mädel in ihrem Schlepp bemerkte.
Rudi stieß Fiete an und dieser betrachtete sie aus nächster Nähe ganz genau. Sie sah wirklich gut aus, war aber fürchterlich geschminkt, da waren sich die Jungs einig.
Mannomann! So, als hätte jemand die Schminke komplett mit einem Quast in ihrem Gesicht aufgetragen und sie endete abrupt an ihren Kieferknochen – wie abgeschnitten. Darunter war die saubere Haut eines kurzen Halses zu sehen.
Fiete fragte sie, was denn ihr Begehr wäre und sie wies sofort unbeirrt auf Rolf und meinte forsch: »Isch will die blonde schunge Mann!«
»He Rolf, warte mal!«
Fiete versuchte, an Rolf heranzukommen, der daraufhin kurz verharrte.
»He, die kleine Muschi steht wohl auf dich, geh doch mal zu ihr und unterhalte dich ein wenig mit ihr, vielleicht kommst du hier ja noch für Sympatico zum Stich!«
Rolf schien schon beinahe entrüstet zu sein, er blickte Fiete genervt an: »Weißt du was, Fiete! Wenn ich poppen will, dann kann ich auch bezahlen!«
Damit hatte sich für ihn nicht nur die Lady, sondern auch die Angelegenheit erledigt.
Tja, auch dieser erste Landgang steuerte dann langsam seinem Ende zu und die Jungs schlenderten zurück an Bord. Sie waren dennoch alle guter Dinge, weil sie genügend Gesprächsstoff hatten. Rolfs ablehnende Aussage gegenüber der blutjungen, hübschen Dame des horizontalen Gewerbes sorgte im Anschluss für allerhand Diskussionen.
Endlich war es soweit: Die Schauenburg war voll abgeladen und hatte Rouen, den letzten Ladehafen in Europa, verlassen. Ein Supercargo der Reederei war für die erste Reise auch an Bord. Etliche der Doppelluken waren mit Deckslast belegt wie zum Beispiel auf der Luke drei. Dort standen auf der Backbord Luke einige 20-Fuß-Container. Allerdings standen die Container auf Stauholzbrettern, weil Vorrichtungen für die Containerfüße leider nicht vorhanden waren. Die Container und alle anderen Güter an Deck waren mit kräftigen Drähten und Spannschrauben gelascht. Auf der Steuerbord Luke stand eine stattliche Anzahl brandneuer LKW, die für die Elfenbeinküste bestimmt waren. Die Laschgang in Rouen hatte wirklich gute Arbeit geleistet, das behauptete zumindest ihr Vormann, er hätte nur erstklassige Leute am Start gehabt.
Nachdem die Schauenburg endlich den letzten französischen Ladehafen hinter sich gelassen hatte, galt es dann, auch den Rest des englischen Kanals zu bewältigen, was sich für einen so modernen Dampfer als leichte Übung darstellte.
Dann aber stand der Schauenburg und ihrer Besatzung die erste wirkliche Bewährungsprobe bevor. Über dem Golf von Biskaya hatte sich ein fettes Tief ausgebreitet und es blieb auch ziemlich stabil. Der Dampfer kämpfte sich bereits den zweiten Tag durch die stürmische Biskaya und ihr Ausgang war bereits zu erahnen. Als am späten Vormittag die Hauptmaschine, eine HPC-Sulzer mit 9.900 Pferdestärken, komplett ausfiel.
Zum Glück war ein Garantie-Ingenieur der polnischen Werft mit an Bord, welcher zu diesem Zeitpunkt alle Hände voll zu tun hatte, um die Maschine wieder zum Laufen zu bringen. Zu Beginn war auch noch alles im Lot, mit dem Kopf auf die See bewegte sich der Frachter träge, stampfend, langsam, aber stetig gegen die Brecher. Als die Schauenburg jedoch gar keine Fahrt mehr durchs Wasser machte, wurde es ungemütlich. Denn sie begann sich langsam zu drehen und lag daraufhin quer in der See und begann allmählich zu rollen.
Es war genau zur Mittagszeit, als die Deckscrew in die Mannschaftsmesse drängte. Unterwegs war den Männern die Frau des Chiefs begegnet. Sie wirkte irgendwie aschfahl, wobei das noch untertrieben war, ihr Gesicht war schon eher grünlich. Sie sah nicht mehr so gut, so souverän wie sonst aus.
Und der Dampfer rollte … 20 Grad … 25 Grad – zu jeder Seite – und die Rollperiode verlängerte sich langsam aber stetig. Und das Schiff rollte immer stärker. Aus der Kombüse und der Offiziersmesse hörte man nur noch das Bersten von zerschellendem Geschirr. Fiete schoss es durch den Kopf: »Allmählich muss der Kerl den Hobel aber zum Laufen kriegen, sonst ist hier bald die Kacke am Dampfen. Mannomann!« Futter gab es trotzdem und er holte sich seinen Schlag und hangelte sich an seinen Platz zurück. Sich an die Back zusetzen und den Teller auf dieser sicher abzustellen, daran war hingegen nicht zu denken.
Keine Chance!!!
Fietes Platz in der Mannschaftsmesse war genau Vorkante, am Bullauge und somit hatte er einen sehr guten Ausblick aufs Deck und die Luken. Da er im Moment nicht sitzen konnte, versuchte er, hinter seiner Sitzgelegenheit die Schiffsbewegungen auszubalancieren, so wie die anderen Jungs es ebenfalls machten. Der Dampfer hatte nun beim Überholen mittlerweile 30 – 35 Grad. Es war, als würde die Rollperiode nie mehr enden. Fiete stand immer noch hinter seinem Stuhl und versuchte krampfhaft, Teller und Besteck in den Händen, alles im Griff zu behalten. Dabei sah er aus den Augenwinkeln auf die Luken und erschrak zutiefst. Just in diesem Moment rollte der Dampfer, so als würde er sich vor den Naturgewalten verneigen, schätzungsweise an die 40 Grad nach Backbord. In der Messe war ein Höllenlärm, aber Fietes Stimme übertönte in diesem Moment alles:
»Leck mich am Arsch!«, entfuhr es ihm: »Leute! Da gehen von Luke drei gerade Container über die Mauer!« Nun drängten noch mehr Crewmitglieder an die Bullaugen der Messe. »Ach du dickes Ei!«, entfuhr es Werner: »Wenn ich das nicht selbst sehen würde, würde ich es nicht glauben.« Die Schauenburg hatte inzwischen nach Steuerbord gewechselt und rollte schon wieder zurück nach Backbord. Die Maaten versuchten verzweifelt, irgendwo Halt zu finden und in der Kombüse, so hörte es sich an, ging das letzte heile Geschirr zu Bruch.
Auf Luke drei, Backbordseite rutschten derweil drei wildgewordene Container herum, deren Laschings gebrochen waren. Während der Dampfer zum wiederholten Male stark nach Backbord überholte, bekam er von einem querlaufenden Brecher noch einen hammerharten Schlag vor den Bug. Es sah so aus, als wäre der Ladebaumstützen aus Pappe, so fetzte der wild gewordene Container den Stützen weg, sodass dieser nur noch wie ein defektes, umgekipptes L aussah. Der Container setzte seinen Weg unbeirrt fort, touchierte noch den Schanzdeckel und stürzte daraufhin in die aufgewühlte Biskaya. Er schwamm noch circa eine Minute, bevor er in den Fluten des Golfs versank.
Alle Seelords waren wie erstarrt, während sie auf das verwirrende Schauspiel an Deck starrten.
Aber nun hatte der Wahnsinn schon fast Methode, denn der 15-Tonnen-Schwingbaum konnte sich nun frei entfalten. Da er, nun auch noch verstärkt durch die Rollperiode Schwung erhielt, knallte er mit seiner Baumnock voll in die Fahrerhäuser der LKW, die auf der Steuerbordluke als Deckslast standen. Der ebenfalls ohne irgendeine Kontrolle wie wild herumschlagende Ladehaken, richtete zusätzlich große Schäden an. Urplötzlich war ein leichtes Vibrieren im Schiff zu spüren, alle blickten sich sofort freudig an und ein Schrei der Erleichterung aus vielen Kehlen erfüllte die Mannschaftsmesse: »Super, die Hauptmaschine läuft wieder!« Genau so war es. Langsam lief die Maschine an und das Schiff bewegte sich nun, wie der See Lord am Ruder es wollte.
Dann brachte die Stimme des Bootsmannes alle anderen in der Messe zum Verstummen.
»Los, alle Mann an Deck! Fiete, an die Winde, Rudi und Werner in die Saling, Hermann und Timothy, ihr bleibt an Deck und pickt den Ladehaken ein!«
Wie zur Mahnung hob er seinen Zeigefinger: »Wir brauchen hier keine Helden, wenn es nicht auf Anhieb klappt, ganz ruhig – nächster Versuch! Ihr fangt den Baum ein und sichert ihn in der Saling mit der Klammer. Wenn alles erledigt ist, wird aufgeklart! Okay, Attacke!«
Alle nickten ernst. Sie waren sich im Klaren darüber, was sie erwartete. Allmählich kam der Dampfer wieder auf Kurs und die Rollperiode ging schon beachtlich zurück, verebbte fast.
Inzwischen waren die Jungs auf dem ersten Windendeck zwischen Luke zwei und drei angekommen. Rudi und Werner waren bereits oben im Mast in der Saling und warteten darauf, dass Fiete den Ladebaum vortoppte. Fiete hatte den Baum bereits so weit gehievt, dass er keinen Schaden mehr anrichten konnte, während Hermann und Timothy den schweren Ladehaken in der Lukentasche eingepickt hatten. So hatte Fiete alles im Griff und konnte den Baum mit Gefühl in die Schelle fahren, die Rudi und Werner anschließend sofort verriegelten.
Hier ist der Ladebaum schon vorgetoppt, wie man sehen kann.
Nach gut einer halben Stunde war alles geritzt und die Jungs konnten sich auf die Luke begeben, um die übriggebliebenen Container neu zu laschen. Danach wurde aufgeklart. Die Schauenburg lief mit südlichem Kurs schon wieder äußerste Kraft, als wäre nichts gewesen.
Die LKW auf Luke drei, Vorkante Backbordseite, waren alle unversehrt. Achterkante standen noch einige Container kreuz und quer, die zwischenzeitlich aber schon wieder seefest gelascht worden waren. Der Baumstützen war Schrott. Er war dermaßen deformiert, dass selbst der Storekeeper und seine Mannen aus dem Fettkeller nichts mehr richten konnten.
Der Supercargo hatte inzwischen die entstandenen Schäden an den LKW, auf der Steuerbordluke, Achterkante, begutachtet und dokumentiert. Insgesamt waren acht Stück von ihnen sehr stark beschädigt, drei weitere konnte man wohl als Totalschaden bezeichnen. Fiete und Werner gesellten sich zu dem Supercargo und beobachteten ihn, wie er sehr eifrig schrieb und fotografierte. Plötzlich sprach Werner ihn an: »Sagen Sie mal, Herr Supercargo, was war denn eigentlich der Inhalt in den Containern, die über die Mauer gegangen sind? Irgendwelche wertvollen Klamotten?«
»Nein, nein.«, er versuchte, alles ganz harmlos erscheinen zu lassen: »Alles nur so ein Zeug, das keiner braucht. Cigarettes, diverse Whiskysorten, Sweets, ... Naja, und ein paar andere Dinge.« Dabei blickte er wissend und verschmitzt grinsend in die doch arg verblüfften Gesichter der beiden jungen Seeleute.
Das war das erste Mal WESTAFRIKA, AFRIKA überhaupt. So erging es vielen Crewmitgliedern auf der Schauenburg.
Welch ein Land, welche Gerüche … Obwohl man davon vom Schiff aus zuerst einmal eher wenig mitbekam. In Abidjan an den Kais war ein höllischer Betrieb. An den Kais reihte sich ein Schiff an das andere.
Was auf der Schauenburg nun aber nicht mehr ging, so wie auf den älteren Frachtern mit riesigen Decksflächen, es konnte kein »Stau-Holz-City« mehr entstehen. Dafür war bei diesen Doppel-Luken-Schiffen die Gangbord viel zu schmal, dahingegen knallten die Docker dann die Back mit Stauholzhieven voll. So entstand »Stau-Holz-City« eben an anderer Stelle.
Rolf, der Leichtmatrose und Fiete waren dabei, an der Wasserseite den Außenbordanstrich von der ausgefahrenen Gangway auszubessern. Rostrotbraun, mit einem Schuss bordeaux! Harald, der Deckschlosser, ein Baum von einem Mann – man könnte sagen ein anderthalb Mensch – mit Muskeln, von denen Fiete nur träumte, war mit seiner Fettpresse unterwegs und prüfte an den Luken alles auf ihre Leichtläufigkeit.
Gerade als Fiete sich einen Glimmstängel anzündete, stellte Rolf ihm die Frage aller Fragen: »Na, was ist? Heute Abend an Land? Schön mit den schwarzen Mamis einen losmachen?«
»Was denkst du denn?! Mal wieder so richtig die Sau rauslassen! Dann sauf vorher man nicht so viel, mein Jung. Du weißt ja, Terpentin macht den Pinsel weich!« Dabei grinste er Rolf fies an.
»Hör bloß mal mit den ollen Sprüchen auf, geht mir langsam voll auf den Sack. Ich weiß schon, was ich mach.«
»Okay, okay. Alles gut, war ja auch nur ein gutgemeinter Rat.«
So verlief der weitere Tag mit diversen Instandsetzungsarbeiten und Schönheitsreparaturen, aber die Männer waren immer darauf bedacht, sich die Kräfte einzuteilen, sodass sie abends noch fit waren. Nach dem Abendessen begaben sich Rolf, Rudi, Fiete und Werner im besten Landgangszwirn zusammen an Land. Sie hatten alle schon einige Bier intus und waren bester Laune. Im Rotlichtviertel von Abidjan steuerten sie auch sofort die ABC-Bar an. Fiete und Werner waren beste Macker, sie verstanden sich ohne viele Worte und unternahmen auch sehr viele Sachen gemeinsam. Die Chemie stimmte schon seit der Werftzeit in Polen. Mit einem Mal herrschte ein fürchterliches Geschrei in der Kneipe. Was war passiert?
Rolf, der schlaksige, weißblonde Leichtmatrose hatte mitten in der Kneipe seinen Pietel hervorgeholt und in den, auf vollen Touren laufenden, riesigen Ventilator, gepinkelt.
Der einsetzende Nieselregen in der Kneipe war natürlich nicht jedermanns Sache. Drei dunkelhäutige, kräftige, Kneipengänger oder Zuhälter waren gerade im Begriff, sich auf den stark angetrunkenen Leichtmatrosen zu stürzen, doch eine Mauer von vier schokofarbenen Damen des horizontalen Gewerbes verwehrte ihnen jeglichen Zugriff.
Es kam wie aus einem Munde, aber vierstimmig: »Don’t touch!«
Äußerst widerwillig räumten die drei Einheimischen das Feld. Fiete wollte sich am Tresen vorbeidrücken, um das WC aufzusuchen, als Harald, der hier am Tresen saß, ihn zu sich heranwinkte. »Na, Harald, was ist? Was willst du von mir?« Neugierig blickte Fiete zu Harald auf.
»Sag mal, du gehst ja immer mit Werner an Land und ihr hockt auch sonst immer sehr viel zusammen.«
Kunstpause, Luft holen.
»Seid ihr beiden eigentlich schwul?«
Fiete riss erstaunt und wütend zugleich seine Augen weit auf und brüllte ihn an: »Das würde dir Dreckssack vielleicht so passen, aber hier bist du ganz gewiss auf dem Holzweg!«
Dabei ergriff er Haralds anderthalb Liter, noch zur Hälfte gefüllte Bierflasche am Hals und schlug sie ihm mit voller Wucht über seinen Schädel, sodass sie in unzählige kleine Teile zersprang und das restliche Bier in Haralds dunklem Haar versickerte.
Mit einem wahnsinnigen Satz flankte der Barkeeper über den Tresen, rannte zum Eingang und zog unvermittelt das Scherengitter zu. Gefangen?!