Schätze der christlichen Literatur

Band 24

Impressum:

© 2020 Conrad Eibisch (Hrsg. u. Bearb.)

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt.

ISBN: 978-3-75269-415-4

Vorrede.

SCHON seit einer Reihe von Jahren haben namhafte Schriftsteller Deutschlands sich vielfach mit dem Studium der Werke des heiligen Johannes vom Kreuz und der heiligen Teresa von Avila befaßt und durch Übersetzungen dieselben einem größeren Publikum zugänglich zu machen gesucht.

Insbesondere aber sind es die Gedichte der beiden Heiligen, die sich durch Eleganz der Form, Tiefe des Gehaltes und Schwung der Begeisterung in so vorteilhafter Weise auszeichnen, daß sie einen hohen Rang unter den schönsten Blüten der Glanzperiode der spanischen Literatur einnehmen.

Die vorliegende Sammlung enthält meines Wissens sämtliche Gedichte, welche uns von dem Adler unter den Mystikern und der seraphischen Jungfrau, wie die beiden Heiligen wohl genannt werden, noch übrig geblieben sind. Damit man sich von diesen beiden Seelen, deren Andenken bei der Nachwelt durch ihre heilige Freundschaft und durch dasselbe rege Wirken im Weinberg des Herrn so eng verknüpft ist, daß der Name Johannes vom Kreuz sogleich die Erinnerung an Teresa weckt, ein vollständigeres Bild gestalten könne, halte ich eine kurze Skizze ihres Lebens für nicht überflüssig, obwohl dasselbe der Mehrzahl der Leser schon hinlänglich wird bekannt sein.

Johannes vom Kreuz wurde im Jahre 1542 zu Fontibere bei Avila in Altkastilien geboren, wo sein Vater ein Leinenweber, mit seiner Familie dürftig lebte. Nach des Gatten frühem Tode zog die Mutter, Katharina Alvarez mit ihren drei kleinen Kindern, von denen Johannes das jüngste war, nach Medina del Campo. Dort nahm der Verwalter des Spitals, erbaut von der Andacht des Knaben, ihn zur Bedienung der Kranken bei sich auf und sorgte für seine Bildung in dem dortigen Kollegium der Jesuiten.

Nachdem Johannes, als Jüngling von 21 Jahren, zu Medina in den Orden der Karmeliter getreten war, wurde er in das Kloster zu Salamanca geschickt, um seine Studien zu vollenden, und im Jahre 1567 zum Priester geweiht. Kurze Zeit nachher traf ihn zu Medina die heilige Teresa und erkannte in ihm, der schon früher, um strengeren Ordensregeln unterworfen zu sein, das Gelübde der Karthäuser abzulegen den Entschluß gefaßt hatte, ein geeignetes Werkzeug zur Verbesserung des Karmeliterordens. Sie entdeckte ihm ihr Vorhaben und richtete, um seine Unterstützung bei der Ausführung desselben zu erlangen, so dringende Bitten an ihn, daß er ihrem Wunsch, seinen früheren Entschluß aufzugeben, unter der Bedingung nachzukommen versprach, daß der Mangel an einem zweckdienlichen Kloster in nicht gar zu langer Zeit gehoben würde. Durch die Schenkung eines adligen Herrn ward Teresa nicht lange nachher in den Stand gesetzt, ein Kloster zur ersten Aushilfe in dem Dorf Durvelle gründen zu können. Dort erneuerte am ersten Sonntag des Advents 1568 mit anderen Ordensbrüdern Johannes sein Gelübde, erhielt anstatt von St. Matthias, wie er früher hieß, den Beinamen vom Kreuz und wurde, als der erste unbeschuhte Karmeliter, zum Prior des neuen Ordens ernannt.

Der Unwille der Karmeliter der gemilderten Observanz, welcher durch Teresas Verbesserung erregt worden war, wuchs indes von Tag zu Tag und artete im Jahre 1576 in eine so heftige Verfolgung aus, daß der Pater Johannes vom Kreuz in ein Gefängnis geworfen wurde. Mit der größten Geduld und Gottergebenheit erlitt er nun die herbsten Kränkungen und die bitterste Schmach seiner Feinde und schuf jene herrlichen Gesänge, in denen, wie der Adler zur Sonne, sein Geist zur Gottheit sich emporschwang, während sein irdisches Auge von der Finsternis des Kerkers umnachtet und sein Leib durch harte Geißelhiebe und dürftige Nahrung zerrüttet war.

Nach seiner Befreiung, die nach neun Monaten erfolgte, ward er Vorsteher des Klosters zum Ölberg, stiftete 1579 das Kloster von Baeza, wurde zwei Jahre nachher Vorsteher des Klosters zu Granada, 1585 Provinzialvikar von Andalusien und 1588 erster Ordensdefinitor.