Text • Martin Waibel
Illustration • Erich Feldkircher
Lektorat • BoD-Lektorat
© 2020 Waibel, Martin
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783752677027
Fotos von mir auf:
www.alleine-abnehmen.com
Hätte ich damals, als ich noch 150 Kilo wog, dieses Buch gelesen, wäre mir das Abnehmen sicher viel leichter gefallen.
Wenn wir wissen, was auf uns zukommen wird und mit welchen Herausforderungen wir wie lange konfrontiert sein werden, wird uns das, was vor uns liegt, nicht mehr ganz so unüberwindbar erscheinen.
65 Kilo in drei Jahren
dieser Geschichte wohnen in Hard am Bodensee. Sie sind mittleren Alters und leben alleine.
Ich arbeitete im Außendienst und war
Verkaufsleiter eines mittelständischen
Unternehmens. Meine Panikattacken
und meine Soziophobie zwangen mich
in die Berufsunfähigkeitspension.
Anfangs fand ich die Idee, ein Buch
übers Abnehmen zu schreiben, doof.
Ich dachte: »Abnehmen ist doch nichts
Besonderes. Das kann doch jeder.«
Aber die meisten Menschen sehen
das ganz anders.
178 cm groß
Grüne Augen
Rasierte Glatze
Ziegenbart
Kalle arbeitete als Druckvorstufentechniker in
der Schweiz. Kalle war mein schlechtes Gewissen, der Hornissenstachel in meiner Lethargie.
»Sag mal, Kalle, wie war denn das, als ich
noch dick war? Ich meine, du hast ja auf
mich eingeredet wie auf ein krankes Ross.«
»Das kannst du laut sagen. Aber du warst
sturer als ein Programmierfehler. Egal was
ich sagte, du hattest für alles eine Ausrede.«
188 cm groß
Grüne Augen
Braune Kurzhaarfrisur
Schmales Kinnbärtchen
Tino ist Veranstaltungstechniker. Ein klassischer
Allrounder. Tino war mein Tischtennispartner,
der mich von einer Ecke in die andere hetzte.
»Ja, Tino, wie war denn das für dich?
War das nicht ziemlich langweilig?
Ich meine, ich konnte mich ja kaum bewegen.«
»Da täuschst du dich. Es war gar nicht so
einfach, gegen dich zu gewinnen. Du hast dich
reingehängt, als ob es kein Morgen gäbe.«
173 cm groß
Grüne Augen
Stoppelglatze
Tätowierte Unterarme
»150,6 Kilogramm!« Die Zahl auf dem Display der Waage schockte mich. Ich war schon seit Jahren extrem übergewichtig, aber das war mein neues Höchstgewicht. »150 Kilo!«, dachte ich. »Mein Gott, so fett war ich noch nie!«
Ich hatte bereits eine Menge Diäten ausprobiert, doch keine führte zum gewünschten Ziel. Im Gegenteil.
»So hat das einfach keinen Sinn!« Verärgert stieg ich von der Waage und fluchte: »Scheiß auf fünf Mahlzeiten am Tag! Scheiß auf Diäten! Scheiß auf gute Ratschläge! Scheiß auf wissenschaftliche Studien! Ich ziehe das jetzt durch – auf meine Art!«
Ich beschloss, nur noch einmal am Tag zu essen – und zwar am Abend.
In diesem Moment hatte es endgültig bei mir KLICK gemacht.
Ein paar Tage später schüttelte Kalle den Kopf: »Alle sagen, man soll abends nicht essen. Alle sagen das! Aber du – du, wo eh schon so fett bist, willst abnehmen, indem du abends frisst?«
Betreten senkte ich den Blick und nickte.
»Dir ist nicht zu helfen. Dir ist einfach nicht zu helfen! Wie kann man nur so stur sein? Bist du jetzt schlauer als alle Ärzte?« Mit erhobenen Händen und verkrampften Fingern flehte Kalle den Himmel an: »Ich lag 14 Tage auf der Kardiologie, da gab es – dreimal die Woche – Vorträge von Ernährungsberatern und Diätologen. Stundenlange Vorträge! Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass man fünf kleine Mahlzeiten am Tag essen muss!«
»Bitte, Kalle, das hast du mir schon tausendmal erzählt. Ich hab’s ja versucht, ehrlich, aber wenn ich mehrere Male am Tag esse, habe ich am Abend genauso viel Hunger, wie wenn ich den ganzen Tag über nichts esse. So hat das einfach keinen Sinn. Und wenn ich mich am Abend nicht vollfresse, wälze ich mich stundenlang im Bett und kann nicht einschlafen! Verstehst du? Ich habe jetzt 20 Kilo zugenommen! 20 Kilo! In nur einem Jahr! Mit mehreren Mahlzeiten am Tag klappt das einfach nicht!«
Doch Kalle schien mich gar nicht zu hören. Kreuz und quer und krumm stampfte er, wild gestikulierend, durch mein Wohnzimmer: Mal zeigte er mir den Scheibenwischer, mal den Vogel, mal die Handkurbel. Er machte auch keinerlei Anstalten, sich zu beruhigen oder sich zu mir auf die Couch zu setzen: »Habe ich dich jetzt richtig verstanden? Du willst nur mehr einmal am Tag essen, und das abends?«
Ich nickte.
»Das heißt: Den ganzen Tag hungerst du dir einen runter, und dann, am Abend, frisst du …«, hier musste Kalle kurz Luft holen, »im Heißhunger in dich hinein, bis du platzt?« Er verdrehte die Augen und atmete so tief aus, dass man die Lippen flattern hörte: »Also: Wenn der Mensch einen Vogel hat, dann gibt er ein Zeichen. Und du, du gibst gleich mehrere Zeichen – du blinkst schon so rot wie die Sturmwarnung unten am See. Das ist doch hochgradig geisteskrank! Das kann doch nicht dein Ernst sein. Wenn du abnehmen willst, dann geh laufen, beweg dich, die frische Luft wird dir guttun!«
»Mir tut alles weh und gute Schuhe habe ich auch keine. Vielleicht, wenn es wieder kühler wird, im Herbst vielleicht, ja, im Herbst, da …«
»Und was ist mit dem Fitnessstudio?«, unterbrach mich Kalle. »Da bist du doch früher gern hingegangen.«
»Ins Fitnessstudio gehe ich erst wieder, wenn ich ein Auto habe.«
»Merkst du eigentlich, dass du für alles eine Ausrede hast? Dann hör wenigstens auf, den glutamatverseuchten Mist in dich hineinzustopfen. Und immer die saublöde Nudelfresserei!«, stöhnte Kalle. »Dabei weiß doch jeder, dass Nudeln dick machen!«
»Jetzt lass mich endlich in Ruhe! Du nervst! Du weißt ja nicht, wie das ist; du warst selber nie dick, du Bohnenstange. Seit ich mehrmals am Tag esse, bin ich nur mehr am Zunehmen!«, haderte ich und stöhnte noch lauter als Kalle: »150 Kilo, verdammte Scheiße, so fett war ich noch nie!«
»Tu doch, was du willst!«, winkte Kalle ab. »Du bist ja sowieso immer gescheiter! Wirst schon sehen, wo dich das hinbringt! Den ganzen Tag hockst du in deiner Wohnung und fettest vor dich hin. Was glaubst du eigentlich, wie lange das noch gutgeht? Wenn du so weitermachst, stirbst du noch an Herzverfettung!«
»Ach, lass mich doch in Ruhe! Du hast ja keine Ahnung. Was willst du eigentlich von mir? Das ist mein Leben! Meins, meins ganz allein! Andere saufen, ich esse eben gern. Können wir jetzt bitte über etwas anderes reden?«
Nach diesem Gespräch mit Kalle dachte ich mir: »So, darüber rede ich jetzt mit keinem mehr. Das behalte ich ab sofort für mich. Und wenn es mit dem Abnehmen so nicht klappen sollte, probiere ich eben etwas anderes!«
Seltsamerweise hatte ich ein gutes Gefühl bei der Sache, obwohl dieses Gefühl mehr von Hoffen als von Wollen oder von Glauben getragen war. Im Grunde war es eine Trotzreaktion, eine Verzweiflungstat, ein letztes Aufbäumen. Nach all den erfolglosen Abspeck-Versuchen fiel mir einfach nichts Besseres mehr ein, als auf mich selbst zu hören und für mich selbst zu entscheiden. Alles, was ich mit Sicherheit wusste, war, dass es so – mit mehreren kleinen Mahlzeiten über den Tag verteilt – nicht weitergehen konnte.
Im ersten Jahr bemerkte kein Mensch, dass ich am Abnehmen war. Die ganze Zeit über hatte ich es für mich behalten und kein Wort gesagt. Eines Tages brach es aus mir heraus.
»Hey, ich habe 20 Kilo abgenommen! 20 Kilo!«, verkündete ich stolz. »Und das Beste: Es war überhaupt nicht schwer!«
»20 Kilo? Echt?«, hieß es überall. »Und – wie schwer bist du jetzt?«
»130 Kilo«, strahlte ich.
»Ja, toll! Weiter so …«
All das Lob und der Ansporn taten mir so gut. Ich blühte richtig auf, tankte Kraft. Die 20 Kilogramm weniger auf der Waage konnte ich auch körperlich spüren. Ich surfte auf der Wohlfühlwelle, mein Herz lachte und ich dachte: »Wenn das mit dem Abnehmen so einfach weitergeht, werde ich – vielleicht irgendwann einmal – unter 100 Kilo kommen.« Kurzum: Ich schwebte auf Wolke Nummer sieben, war guter Dinge und fühlte mich – mit 130 Kilogramm – leicht wie eine Feder.
Eine Woche später kam Kalle in Tinos Garten und schoss mich, mit einer vollen Breitseite, von der Wohlfühlwelle. »20 Kilo?«, schüttelte er den Kopf. »Ja, wo denn? Du bist doch genauso fett wie immer!«
»Wenn er es sagt, wird es schon stimmen«, entgegnete mein Tischtennispartner Tino.
»Also, ich sehe da beim besten Willen nichts. Der ist doch genauso fett wie immer!« Kalle stemmte beide Hände in die Hüften, neigte Kopf und Oberkörper zur Seite und umkreiste mich mit Argusaugen: »Ich meine es nicht böse, ich sehe bloß keinen Unterschied. Mal ehrlich, Tino: Siehst du, dass er abgenommen hat?«
»Ja, gut … sehen … also, direkt sehen tu ich es nicht; aber wenn er es sagt … Jedenfalls ist er beim Tischtennis beweglicher. So viel ist sicher.«
Ich stand da mit offenem Mund und hatte wirklich Mühe, ihn wieder zu schließen. Ich wollte einfach nicht glauben, was ich da hörte: »Dann habt ihr mich also alle angelogen? Alle? Keiner sieht was? Keiner?«
»Angelogen ist ein hartes Wort«, sagte Tino. »Du warst so gut drauf und wir wollten dich halt nicht entmutigen, na ja, das war zumindest der Plan – bis Kalle damit rausgeplatzt ist. Und ja, ich meine nein, sehen tut man es wirklich nicht, ehrlich. Schau, mich hat es ja auch gewundert, als du gesagt hast, du hättest abgenommen. Na ja, ich habe dann auch mit anderen darüber gesprochen: Und ja, ich meine nein, niemand ist aufgefallen, dass du abgenommen hast. Aber das ist doch egal: Hauptsache du hast abgenommen!«
Erst drei Monate später – und mit insgesamt 25 Kilogramm weniger auf der Waage – fragten Menschen, die ich vielleicht ein-, zweimal im Jahr sah: »Sag mal, hast du abgenommen? Jaja, du hast abgenommen, nicht wahr?«
Als ich dann auf die Hast-du-abgenommen-Frage antworten konnte: »Ja, das stimmt. Ich habe 30 Kilo abgenommen!«, presste man die Lippen kurz zusammen und nickte zweimal dezent.
»13 Kilo! Ja, toll! Gratuliere!«
»30 Kilo – nicht 13 Kilo«, korrigierte ich.
Nun formte man einen Schmollmund und nickte vier-, fünfmal: »30 Kilo! Wow! Super!«
Bei 40 Kilogramm erntete ich ein ungläubiges Stirnrunzeln mit zumindest einer hochgezogenen Augenbraue. »40 Kilo? Ehrlich? Wirklich wahr? Jetzt im Ernst? 40 Kilo – nicht 14 Kilo?«
Bei 50 Kilogramm rümpfte man bereits die Nase, kniff die Augen misstrauisch zusammen und argwöhnte: »Habe ich dich jetzt richtig verstanden? Du willst mir sagen, dass du 50 Kilo abgenommen hast? Nicht 15, sondern 50 Kilogramm?«
Neben der Tonlage änderte sich nun auch die Körpersprache meiner Gesprächspartner: Bis 40 Kilogramm bewegten sich die Menschen staunend von mir weg und musterten mich, ab 50 Kilogramm bewegten sie sich ungläubig auf mich zu. Von da an waren solche Situationen für mich eher unangenehm, schon allein aufgrund meiner Sozialphobie. Menschen, die mich zuvor nicht gekannt hatten, glaubten mir nicht; ich stand erst mal als Lügner da. Zog ich zum Beweis mein Smartphone aus der Hosentasche, hieß es: »Das sieht man ja gar nicht richtig, der Bildschirm ist doch viel zu klein! Nein, nein, ach komm schon, das bist doch nicht du!«
Einmal rempelte mich ein betrunkener Rocker auf einer Party an: »Hey, du da!«, blaffte er mich an. Ich wunderte mich erst, denn ich kannte ihn nicht. Er deutete auf eine Blondine im Kleinen Schwarzen und lallte: »Die da sagt, du hättest 50 Kilo abgenommen!« Dann baute er sich vor mir auf und tippte mit dem Zeigefinger dreimal auf mein Brustbein: »Ich rate dir: Lüg mich nicht an! Du hast nie 50 Kilo abgenommen! Das glaube ich nicht!«
Ich blieb erst mal stumm. Er sah mir tief in die Augen und fragte lautstark: »Hey, willst du mich eigentlich verarschen?«
In Wahrheit hätte ich an dem Tag sagen müssen: »Nein, ich habe nicht 50 Kilo abgenommen. Ich habe 60 Kilo abgenommen.« Da ich selber einmal Trinker war, wusste ich, dass sich dieser sternhagelvolle Mann von meiner Antwort provoziert gefühlt hätte. Um Stress zu vermeiden, log ich und sagte: »Davon weiß ich nichts. Ich war nie dick …« Zufrieden wandte sich der Mann von mir ab und rief seiner Bekannten zu: »Siehst du? Ich hab’s ja gesagt! Der war nie dick …«
Zum Glück habe ich mir dann ein Tablet gekauft. Wenn mich fortan jemand fragte: »Du, stimmt das, du hast so viel abgenommen?«, antwortete ich beispielsweise: »Ja, das stimmt. Ich habe 64 Kilo abgenommen.«
Schweigen. Nach zwei bis drei Sekunden wurde nachgefragt: »Wie viel?«
Ich sagte: »64 Kilo.«
»64 Kilo?«
Ich nickte.
»64 Kilogramm?«
»Ja«, sagte ich. »Möchtest du Fotos von mir sehen, von mir als Walross?«
Zur anfänglichen Skepsis gesellte sich nun die Neugier dazu: »Ja – hast du denn welche dabei?«
Ich zippte den Reißverschluss meines Rucksacks auf und sagte: »Klar, am Tablet.« Nun war es mucksmäuschenstill. Ich konnte die Spannung förmlich knistern hören.
»Schau mal, da war ich am fettesten. Da wog ich 150 Kilo …« Egal was ich in dem Moment sagte, ich bekam keine Antwort. Es schien, als wären die Menschen in dieser Phase unerreichbar für meine Worte. Stumm huschten ihre Blicke zwischen dem Display des Tablets und meinem Gesicht hin und her. Es wurde abgeglichen: Nase, Ohren, Mund, Augen, Kinn, Kopfform. Bei dieser Suche nach Übereinstimmungen konnte man das Gehirn fast im Sekundentakt fragen hören: »Ist er das wirklich?« Dann folgte ein kurzes – meist fassungsloses – Kopfschütteln. Man sah mir in die Augen, schob die Unterlippe nach oben und nickte anerkennend. Am Ende dieser Abgleichphase kam dann immer ein Lob. In etwa: »Bewundernswert! Wahnsinn! Unglaublich! Tolle Leistung!«
Danach riss der Blickkontakt ab und es kam die nächste kurze Zeit des Schweigens: Die Augen meiner Betrachter wanderten nun – gemächlich wie ein Scanner – von meinem Gesicht hinunter zu meinen Füßen und wieder zu meinem Kopf hinauf. Bis man mir wieder in die Augen sah, vergingen durchschnittlich fünf bis sechs Sekunden, ohne dass auch nur ein einziges Wort gesprochen wurde.
Danach kam immer dieselbe Frage: »Wie hast du das gemacht? Mit einem Magenband?«
»Nein«, antwortete ich.
»Mit einer Diät?«
»Nein«, sagte ich.
»Krankheit?«
Ich verneinte.
»Ja, und – wie hast du es gemacht?«
Leider gab und gibt es keine einfache Antwort auf diese Frage.
Mein Versuch, die ganze Geschichte – in all ihren Facetten – zu erzählen, ermüdete meine Zuhörer sichtlich und erweckte den Eindruck, dass Abnehmen eben doch nicht so einfach sei.
Natürlich lag es auch an meinem unstrukturierten und unausgegorenen Vortrag, doch vor allem lag es an dem Frage-und-Antwort-Spiel, auf das ich mich einließ. Der Frage-und-Antwort-Modus erwies sich als vollkommen ungeeignet – so funktionierte es einfach nicht. Ich spürte, dass ich meinen Zuhörern wie ein glitschiger Fisch aus den Fingern flutschte.
Dadurch entstanden Unmut und Enttäuschung: »Du wirst doch wohl wissen, wie du abgenommen hast. Jetzt komm schon! Rück schon raus mit der Sprache! Oder ist das ein Geheimnis?«
Die Menschen erwarteten eine Strategie, ein klares Konzept, eine einfache, in sich konsistente Antwort, etwas, das man vom Anfang bis zum Ende durchzieht – das gab es aber nicht. Ich sagte dann meistens: »Ich kann dir das leider nicht in ein paar Minuten erklären. Ich arbeite an einem Text. Wenn er fertig ist, gebe ich ihn dir …«
Es gab Zeiten, da war ich wirklich heilfroh, wenn das Thema zur Abwechslung einmal nicht aufs Abnehmen fiel. Ich wollte und will nicht wie ein Zirkuspferd für etwas bewundert werden, das meiner Meinung nach jeder kann.
Nach dem Motto »Was ein Mensch kann, kann auch ein anderer« möchte dieses Buch dicken Menschen Mut machen. Mut, an sich selbst zu glauben, und Mut, auf sich selbst zu hören. »Ja« zu sich zu sagen und das zu ändern, was einen innerlich auffrisst.
Ich steckte damals in keiner leichten Situation: Depression, Panikattacken, Soziophobie, Konkurs, Isolation bestimmten mein Leben. Aber ich hatte einen Entschluss gefasst. Ich hatte beschlossen, auf mich selbst zu hören, auch wenn wissenschaftliche Studien sagten, spätes Essen und eine Mahlzeit pro Tag seien ungesund.
Die Naturwissenschaften haben sich zu allen Zeiten selbst widerlegt. Das zieht sich durch ihre Geschichte hindurch wie ein roter Faden. Was heute noch als bewiesen gilt, kann sich morgen schon als Unsinn herausstellen. Vielleicht hat die Erkenntnistheorie doch recht und es gibt gar keinen momentanen Stand des Wissens. Es gibt nur einen momentanen Stand des Irrtums.
Wir Menschen sind alle einzigartig, und was für die einen gut ist, kann für andere schlecht sein. Deshalb müssen wir alle unseren eigenen Weg gehen und herausfinden, was bei uns wirkt. Wie es dann – am Ende des Weges – in unserem (neuen) schlanken Leben sein wird und wie es sich anfühlen wird, können wir momentan nur erahnen. In Wirklichkeit wird es noch tausendmal besser sein, denn wir werden uns wie neugeboren fühlen.
Im Kern geht es um eine Metamorphose im Schneckentempo: die Verwandlung von der fetten Raupe Nimmersatt zum grazilen Falter Binschonsatt. Ganz behutsam und ohne Verzicht soll diese Verwandlung passieren, ohne inneren Kampf, ohne Hast, ohne Zwang.
Als ich noch 150 Kilogramm wog und am Beginn dieser Verwandlung stand, wollte ich so schnell wie möglich an Gewicht verlieren. In meinen wildesten Träumen machte ich Harakiri mit meinem Bauchfett. Ich hoffte auf die Erfindung einer Wunderpille, die Fett in Wasser verwandelt, das ich dann einfach aus meinem Körper hinausurinieren könnte. Ich wünschte, meine Wampe wäre ein gigantischer Pickel, den ich einfach hätte ausdrücken können. Eine Zeit lang glaubte ich allen Ernstes, dass ich gar nicht wirklich fett sei, sondern dass mir ein riesiger Bandwurm oder ein zentnerschwerer Tumor im Magen läge. Meistens plante ich irgendeine Radikal-Diät oder ich sagte mir: »Ich werde jetzt einfach zwei Monate lang gar nichts essen!«
Im Vorfeld dieses Buches dachte ich darüber nach, was mir damals geholfen hätte, diesen Weg des Abnehmens im Schneckentempo anzunehmen. Von den vielen Gründen, die für diesen Weg der Mini-Schritte sprechen, hätten mich wahrscheinlich nur zwei überzeugt. Erstens: Ich werde durch die langsame Lebens- und Ernährungsumstellung mein Wohlfühlgewicht auch halten können. Zweitens: Abnehmen im Schneckentempo tut nicht weh. Sprich: Mir knurrt nicht die ganze Zeit der Magen und ich muss mich nicht Tag für Tag durch den Hunger hindurchquälen.