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2. Auflage Oktober 2020
Copyright © 2020 Frieder Busch
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
Cover: Andrea Trucksess, Essen
ISBN: 978-3-7526-9394-2
Alle Fotos: Frieder Busch
außer: »Geen hulp voor Giusto Cerutti« (S. →),
Spaarnestad Photo SFA001013119, Nationaal Archief
www.friederbusch.de
Platt gewesen
Zunächst beim Lesen
Hab so gestaunt
Dann gut gelaunt
Geh ich ans Werk
Platt gewesen
Esel genesen
Wechsel den Schlauch
Reifen geht auch
Sind übern Berg
Frieder Busch
Bedanken möchte ich mich bei
- allen Kundinnen und Kunden, Freundinnen und Freunden, die mich in den letzten 25 Jahren mit oder ohne konkretes Fahrrad-Anliegen bei meiner Arbeit aufgesucht haben. Der Austausch mit ihnen ist die Substanz dieses Buches.
- meiner Kollegin/meinem Kollegen von »perPEDALi Der Fahrradladen« (in Essen). Die langjährige Freundschaft mit ihnen, das gelegentliche Fachsimpeln (im besten Sinne!) und vor allem das gemeinsame Herausarbeiten aus finsteren »Reparatur-Sackgassen« haben mich oft gerettet und ordentlich nach vorne gebracht.
- meiner Mutter, die seit langem hinter mir hergelaufen ist mit der Aufforderung, ein Buch zu schreiben (»dann war das Studium wenigstens nicht ganz umsonst«).
- meiner Frau für das Aufspüren von Fehlern und Ungereimtheiten beim Korrekturlesen; für ihre »Word-Beratung« und überhaupt für Beratung bei allen weiteren Belangen des Buches und ihre grenzenlose Geduld beim Zuhören.
Vorwort
Kunde:
»Was haben Sie mit meinem Fahrrad gemacht? Es ist noch nie so gut gefahren!«
Fahrrad-Schrauber:
»Aufgepumpt!«
Dieses Buch ist für alle Freundinnen/Freunde des Fahrrads! Für alle Neugierigen, die mehr über ihr Fahrrad und über sich selbst als Hilfesuchende erfahren möchten.
Es ist weniger für Herrn und Frau »Halbwissen«. Für sie gibt es bereits reichlich Fahrradliteratur. Natürlich dürfen auch sie es gerne lesen und sich über ihre mehrfache Erwähnung (mal offen, mal versteckt) freuen. Ebenso werden Fahrrad-Schrauber-Kollegen beim Lesen auf ihre Kosten kommen. Geschrieben ist es allerdings in erster Linie für alle, die bereit sind sich einzugestehen, dass sie wenig bis gar nichts über ihr Fahrrad wissen und scheinbar auch mit den einfachsten Handgriffen überfordert sind.
Ja genau! Dieses Eingeständnis ist der erste Schritt und gleichzeitig ein Meilenstein beim Öffnen der Fahrrad-Schrauber-Fibel.
Um Ihnen ein solches Outing leichter zu machen, gibt es hier eine Selbstanzeige von mir:
Ich spiele seit 35 Jahren Gitarre. Bis zum heutigen Tag bereiten mir das Aufziehen neuer Saiten und die Herstellung einer nachhaltigen Stimmstabilität Schwierigkeiten (Selbstschäm-Faktor 10).
Gibt es nicht schon genug Fahrrad-Ratgeber? Doch. Dieser hat aber trotzdem noch gefehlt! Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied: Es geht hier um Banales. Ganz Banales! So banal, dass sich kein anderer Autor bislang daran getraut hat. Eigentlich komisch. Denn wir sind von Banalität umgeben. Täglich! Und nicht nur das. Sie rangiert in der Statistik der Fahrradprobleme als Spitzenreiter. Das ist keine These. Hier resümiert ein Fahrrad-Schrauber nach 25 Dienstjahren.
Außerdem: Das Banale ist gar nicht immer banal. Alleine über das sagenumwobene französische Ventil ließen sich mehrere Bände schreiben. Und es gibt Hoffnung: In der Regel lassen sich banale Probleme gut bekämpfen. Das ist der Hauptgegenstand dieses Buches.
Dem Titel folgend bilden Luft und Gummi die Säulen der Fibel. Aber es geht auch um ein feines Tuning im Umgang mit dem Fahrrad-Schrauber und um die Anschaffung. Darüber hinaus kann die Fibel exklusiv mit einer Allgemeinen Verschleißlehre (alles andere als trocken!) und dem Bonuskapitel Wellness für den Drahtesel punkten. Dass die komplexe Fahrrad-Licht-Thematik eine ausführliche »Beleuchtung« erzwingt, werden Sie nach dem Kapitel Von Armleuchtern und Lichtgestalten einsehen.
Damit das Buch und seine Leser nicht gleich abgewertet werden, soll »banal« ab sofort und exklusiv für dieses Buch als etwas Positives verstanden werden. Das geschieht über den Weg der Synonyme. Die Begriffe »durchschnittlich«, »alltäglich«, »gewöhnlich« oder auch »nicht besonders« schaffen vor allem eines: Sie entzaubern ein vermeintliches Fachwissen und nehmen die Angst, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Ein der Fahrrad-Schrauber-Fibel sehr angemessenes Synonym ist »platt«. Es kann als Stellvertreter für »banal« und »erstaunt« eingesetzt werden und bietet gleichzeitig sehr bildhafte Assoziationen mit dem Fahrrad-Problem Nr. 1.
Weil es eben so gut geklappt hat, gibt es an dieser Stelle zwei weitere Geständnisse von mir:
- Ich habe in den vergangenen Jahren selbst kaum in Büchern gelesen. Bei den wenigen Versuchen war ich schnell gelangweilt. Daraus resultiert ein enormer Ehrgeiz, dieses Buch besonders unterhaltsam zu gestalten. Habe mir dafür die Messlatte in schwindelerregende Höhe gelegt: Sie sollen mit einem Dauerschmunzeln lesen und gleichzeitig Ihr persönliches Fahrradwissen quasi unbemerkt erweitern. Es wird so ablaufen wie beim Zumba: schmerzfreies Kalorien-Verbraten bei »vollem Unbewusstsein«. Wäre schön, wenn Sie wenigstens zwei Kapitel verschlingen würden. Die anderen können ja nach und nach folgen.
- Ich bin einer von diesen »Lehrer-Aussteigern« (ja, jaaa …). Mein erstes Berufsleben war von kurzer Dauer und liegt weit in der Vergangenheit. Allerdings finde ich immer noch pädagogische Restbestände in mir. So habe ich den Anspruch, dass es bei jedem Kapitel ein Vorher und Nachher geben muss, bei dem das Nachher einen Lernzuwachs beinhaltet. Keine Panik! Da ich nicht nur Pädagoge, sondern Sonderpädagoge war, gilt überwiegend das Prinzip der kleinen oder auch kleinsten Schritte. So werden viele Aha-Erlebnisse ermöglicht, Erkenntnisse gewonnen und die Chance ergriffen, die Welt des Fahrrads im »Normalzustand« und im »Krisenfall« besser zu verstehen.
Der endgültige Berechtigungsnachweis für diese Fibel wäre erbracht, wenn im Selbstgespräch beim Lesen oder im anschließenden Dialog mit dem Fahrrad der Satz »Da bist Du platt gewesen« fällt.
Essen, August 2020
Frieder Busch
Bedienungsanleitung für die Fahrrad-Schrauber-Fibel
- Unter Fahrradbesitzern wird verbreitet das »Du« in der Ansprache verwendet. Ich tue mich schwer damit und bleibe deshalb aus höflichem Respekt vor allen Fahrrad-Schrauber-Fibel-Besitzern beim »Sie«. Es ist aber ein sehr kollegiales, geradezu freundschaftliches »Sie«. Fühlen Sie sich also nicht vor den Kopf gestoßen, sondern angenehm auf Augenhöhe angesprochen. Und alle jugendlichen Leser dürfen sich erwachsen fühlen.
- Da mein langes Fahrradleben durch das »normale« Rad (für Alltags- und Freizeitfahrer) geprägt ist, könnten sich Freunde der besonderen Gattungen wie Hightech-Mountainbike, Rennmaschine oder E-Bike vernachlässigt fühlen. Ich will aber nur über das schreiben, was ich selbst intensiv durchdrungen habe.
- Der Begriff »Fahrrad-Schrauber« (bei Anhäufung »Schrauber« oder kurz »FS«) wird in dieser Fibel als Stellvertreter für die Begriffe »Fahrradhändler«, »Fahrrad-Betrieb«, »Fahrrad-Laden«, »Fahrrad-Werkstatt«, »Fahrrad-Geschäft« benutzt. Mir selbst habe ich den Titel »Fahrrad-Schrauber« vor vielen Jahren als Berufsbezeichnung verliehen. Daraus resultierend heißt mein Betrieb »FAHRRAD-SCHRAUBERs Plattenfirma« (lustige Missverständnisse vorprogrammiert). Wenn ich in der Fibel explizit von mir selbst erzähle, passiert das in der Ich-Form.
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- Hin- und Herspringen beim Lesen ist möglich. Besser wäre aber, Sie zäumen den Drahtesel von vorne auf. Es liest sich dann schlüssiger.
- Die Fibel kann für den konkreten Problemfall herangezogen werden. Dafür sollte sie sich in einer greifbaren Ausgangsposition befinden. Sie kann aber genauso (z. B. auch von Ex-Fahrradfahrern) als trivialer Literaturbeitrag einmal gelesen und dann in den öffentlichen Bücherschrank neben der Sparkasse gestellt werden. Wegwerfen geht auch, wäre aber schade.
- Gender-Hinweis: Damen fahren Herrenrahmen. Herren (z. T. mit Überwindung) Damenrahmen. Gleichberechtigung ist unter Radfahren gesetzt. Deshalb erachte ich ein durchgehendes Anhängen von »innen« (usw.) als nicht erforderlich. Will noch hinzufügen, dass ich mich über einen langjährigen Total-Rollentausch in den 90er-Jahren im Bereich des Genderns gründlich weitergebildet habe.
- Freuen Sie sich mit mir über die immer mal wieder eingefügte Rubrik Vom Laien zum Experten. Hier versuche ich, Sie ganz weit nach vorne zu bringen. Diese Rubrik ist durch rote Schriftfarbe auffällig markiert.
- Wechselt die Schrift ins Kursive, fängt der Autor an abzuschweifen. Irgendwohin. Häufig in die Vergangenheit. Gehen Sie einfach mit. Soviel Zeit muss sein. Außerdem leisten diese Ausflüge einen wichtigen Beitrag zur Unterhaltsamkeit.
- Lesen Sie nur solange, wie Sie Spaß daran haben. Nur so bleibt etwas hängen, und Sie kommen durch weniger »Doppelt-Lesen« schneller voran.
- Erwarten Sie keine Vollständigkeit hinsichtlich von Fakten und allen Facetten der Thematik. Ein allzu systematisches Vorgehen würde mich und Sie langweilen. Ich lege das Augenmerk bewusst auf Aspekte, denen i. d. R. nur ein Schattendasein gestattet wird.
- Was ist falsch, was richtig? Ich nehme für mich nicht in Anspruch, Weisheit gefressen zu haben, die nach meiner Verdauung nur noch unter allen Unwissenden verteilt werden muss. Es ist keine Fahrrad-Schrauber-Bibel! In die richtige Richtung geht, was sich bewährt hat und dennoch eine Überprüfung zulässt. Und das kann bei Ihnen durchaus mal etwas anderes sein als bei mir.
- Schöne Grüße übrigens von meiner Frau: Wenn Sie über einzelne Wortschöpfungen, Satzwendungen und Ausdrucksweisen stolpern, möglicherweise sogar leicht den Kopf hin- und herbewegen, sind das vermutlich diejenigen, vor deren Beibehaltung sie mich ausdrücklich gewarnt hat!
- Meckern Sie nicht zu viel über Unzulänglichkeiten der Fibel. Teilen Sie mir diese lieber mit. So wird die zweite Auflage mit Ihrer Hilfe noch besser.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Die Anschaffung
- 2. Feines Tuning im Umgang mit Ihrem Fahrrad-Schrauber
- 3. Richtig Luft holen und Ventilkunde
- 4. Was Sie schon immer über SM wissen wollten
- 4.1 Die Besonderen
- 4.2 Allgemeine Verschleißlehre »Eat the Frog«
- 4.3 Reifentausch
- 4.4 Laufrad raus – Laufrad rein plus Reifentausch
- 4.5 Mensch gegen Platten
- 4.5.1 Wohin mit den »Alten«? (Schlauch und Reifen)
- 5. Von Armleuchtern und Lichtgestalten – die Fahrradbeleuchtung
- 5.1 Das richtige Licht für mein, äh, Ihr Rad
- 5.1.1 Der Nabendynamo (ND)
- 5.1.2 Der Scheinwerfer
- 5.1.3 Das Rücklicht
- 5.1.4 Das passive Licht
- 5.1.5 Batterie- und Akkubeleuchtung
- 5.2 Was tun, wenn es nicht brennt?
- 5.2.1 Voraussetzungen
- 5.2.2 Tipps zur Fehlersuche und Selbstabhilfe
- 6. Wellness für den Drahtesel – Viva Bonanza
- 7. »Geh raus und reite Deinen Esel« – das Wort zum Schluss
- 8. Anhang
1. Die Anschaffung
»Der Weihnachtsschinken von Aldi hat doch auch geschmeckt«
Ja, dann wird das Fahrrad aus dem Hause Albrecht logischerweise auch den Geschmack treffen und Zufriedenheit erzeugen. Und in der Tat: Auch Aldi-Räder können zwei Jahrzehnte lang durchhalten. Selbst wenn sie täglich strapaziert werden.
Dieter & City-Star (Aldi Nord)
Also, wo kaufe ich welches Rad?
Hierzu gibt es mehr Tipps und Ratschläge als Speichen in einer chinesischen Fahrradfabrik. Hier sind meine Top16:
- Sie können rational vorgehen: Fragen Sie sich, wie Sie das Rad einsetzen wollen. Daraus ergibt sich der für Sie passende Fahrrad-Typ (Rennrad, Trekkingrad, Mountainbike, City-Bike etc.).
- Sie können irrational vorgehen: In Münster würden auch 3 Gänge genügen, aber das Mountain(!)-Bike sieht einfach geil aus.
- Sie können rational vorgehen: Lassen Sie sich vermessen und das neue Rad auf Ihre individuellen Bedürfnisse ergonomisch passend fertigen (Sitzknochen-Abstand nicht vergessen!).
- Sie können irrational vorgehen: Fahren Sie doch mal (wie ich) ein viel zu großes Rad. Das kann ein ganz tolles Gefühl sein!
- Jetzt mal im Ernst: Wenn Sie nur einmal im Jahr bei bestem Wetter um den Baldeneysee fahren, ist es egal, mit welchem Rad Sie das machen. Auch die billigste Neuanschaffung aus dem Internet (wir sprechen von einem Preis unter 100 Euro) wird eine Runde in der Ebene durchhalten. Anschließend können Sie allerdings mit der Planung der Beerdigung starten! Wenn Sie vorher noch beim Fahrrad-Schrauber reingucken, damit er wenigstens eine erste (= letzte) Ölung übernimmt, seien Sie nicht überrascht, wenn er die Ölkanne geschlossen hält und Sie stattdessen dazu auffordert, das Rad dahin zurück zu befördern, wo es herkommt. Er tut dies im Namen Ihrer und seiner Sicherheit! Möglicherweise kann er seine Wut dabei nicht im Verborgenen halten. Sie richtet sich gegen Hersteller und Händler, die dem Turbokapitalismus frönen und dabei lebensgefährliche Produkte auf den Markt schleudern.
- Sobald Sie mehr wollen, muss das Fahrrad zu Ihnen passen. Das lässt sich am besten während einer Probefahrt klären. Beziehen Sie hier ausdrücklich Ihr Bauchgefühl mit ein. Und für die Farbauswahl müssen Sie sich auch nicht schämen. Sie trägt später entscheidend mit dazu bei, ob Sie das Rad nutzen oder im Keller verstecken werden.
- Praktisch, wenn Ihr potenzieller »Dealer« gleichzeitig Ihr Fahrrad-Schrauber in erreichbarer Nähe ist. Für eine evtl. anfallende Reklamation und für spätere Inspektionen und Wartungen ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Könnte ja sein, dass Sie mal schieben müssen. Vereinzelt wird eine mobile Nachversorgung vor Ort angeboten (sogar von Discountern).
- Wahrscheinlich gibt es den von Ihnen angepeilten Fahrrad-Typ in Ausstattungsvarianten, die sich vor allem bei den existenziellen Fahrradbestandteilen Bremse und Schaltung grundlegend voneinander unterscheiden können.
Achtung! Hier muss ich Sie dringend auffordern, das Bauchgefühl hinten anstehen zu lassen und sich zu etwas gründlicherer Information und Beratung zu überwinden. Nabenschaltung (»dicke Hinterradnabe«) versus Kettenschaltung (»viele größer werdende Ritzel auf der Hinterradachse«) und Scheibenbremse versus Felgenbremse seien hier nur schon mal als Stichworte in die Fibel geworfen. Alles Weitere haben Sie bis zum Beratungsgespräch bei Ihrem Fahrrad-Schrauber eh vergessen.
- Wenn Sie Vielfahrer sind oder ab sofort einer werden wollen, sollten Sie das Thema Verschleiß und Folgekosten ansprechen. Es ist im Zusammenhang mit einem neuen Objekt kein schönes Thema. Ein Verdrängen auf allen Seiten ist daher verständlich aber eben nur ein Verdrängen. Mehr dazu in der »Allgemeinen Verschleißlehre« (S. 52 ff.).
- Sprechen Sie auch über das Verhältnis von Hightech zum dazugehörenden Wartungsaufwand (z. B. Sinn und Unsinn einer Federgabel).
- »Leichtigkeit« als Top-Kriterium? Ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Aber Gewichtsunterschiede im Bereich bis zu 5 Kilo relativieren sich im Verhältnis zum eigenen Körpergewicht. Vorausgesetzt, es geht nicht um Rennsport, wird das Gewicht Ihres zukünftigen Fahrrads dann zu einer entscheidenden Größe, wenn Sie es ständig irgendwohin tragen müssen (Keller, Bahnsteig, Zugang zu einer Trasse etc.). Das sollten Sie mit umgekehrtem Vorzeichen auch im Fall einer E-Bike Anschaffung bedenken.
- Kalkulieren Sie bei der Festlegung des zur Verfügung stehenden Etats das teure Schloss mit ein und bedenken Sie, was Sie in Zukunft an Kfz-Kosten sparen werden.
- In kleineren Fachgeschäften können Sie mit einer intensiveren Beratung und Nachbetreuung rechnen. Sie sollten hier das Handeln nicht übertreiben, denn diese Händler verfügen nicht über die Einkaufs-Konditionen der Großen!
- Der Weg übers Internet. »Dieser Weg scheint ein leichter zu sein – Diesen Weg gibt’s auch in steinig und schwer«. Denn: Sie treffen hier auf die Ambivalenz zwischen einem unfassbar reichhaltigen Angebot und dem Risiko, sich für etwas zu entscheiden, das Sie nicht »in Natur« gesehen, angefasst und Probe gefahren haben. Seien Sie auf der Hut vor schwarzen Schafen! Mit der ständig ansteigenden Zahl der Schafe (Anbieter) wächst auch die Gruppe der schwarzen Schafe. Wenn Sie sich etwas Zeit mit der Recherche lassen, finden Sie aber auch im Netz ausreichend seriöse Anbieter. Ansonsten gelten auch hier die bereits aufgeführten Kriterien. Und jetzt zur ersten Abschweifung:
Stellen Sie sich mal mit mir zusammen folgendes Horror-Szenario vor: Ein bislang unbekanntes Virus hält die ganze Welt in Schach, und in der Folge kommt das Leben auch in Ihrer Stadt fast vollständig zum Erliegen. Shutdown! Die Fahrradgeschäfte sind zu, und auch die Plattenfirma darf ihren Service auf den Märkten nicht mehr anbieten, weil dort nur noch Lebensmittel und Blumen (!) verkauft werden. Supermärkte und Baumärkte dürfen Sie noch, allerdings mit strengen Auflagen, entern. Dort treffen Sie auf merkwürdige, vermummte Wesen, die Klopapier-Großpackungen unter ihre Arme geklemmt haben.
Ist das noch Fahrrad-Schrauber-Fibel oder schon Drehbuch für Outbrake II »Die Rückkehr der lautlosen Killer«? Ich wette, noch im Januar 2020 hätten Sie mich beim Lesen dieses Science-Fiktion-Quatsches in die Ecke der abgedrehten Verschwörungs-Fanatiker gestellt und das Buch unverzüglich dem Altpapier zugefügt. Stimmt’s? Und jetzt? Sie haben sich inzwischen mit ausreichend Klopapier eingedeckt und wollen das restliche Geld für ein Fahrrad ausgeben. Fahrradfahren ist nämlich noch möglich. Online-Handel auch. Er erscheint plötzlich noch mal in einem ganz anderen Licht. Da meldet sich Ihr schlechtes Gewissen. Sie wollen ja eigentlich das kleine Geschäft am Ort unterstützen. In diesen Konflikt will und kann ich nicht eingreifen. Nur so viel: Immer mehr (auch kleine) Unternehmen erweitern jetzt ihre Angebote »in Richtung online« oder sind auf irgendeine andere Art erfinderisch, um Sie als Kunden zufriedenzustellen. Versuchen Sie einfach, in Kontakt zu bleiben oder zu treten.
- Ein Gebrauchtes? Keine schlechte Idee! Schon alleine im Sinne des Strebens nach Nachhaltigkeit. In unserer Familie wurden Räder, die nicht komplett »durch« waren (so wie meins) auch weiter vererbt. Ich erwähne das nicht, um an dieser Stelle schon mal den Satz »Wir hatten ja nichts« anzubringen. Sondern, weil es nicht verkehrt ist, innerhalb der Sie umgebenden Menschen (Familie, Freunde, Nachbarschaft) zu gucken, was da so ungenutzt rumsteht. Bitte vorher fragen! Auch das schwarze Brett beim Bäcker von nebenan hat einen Blick verdient. Die guten, aber auch bitteren Wahrheiten über das Rad und seine Vorbesitzer bleiben »am Ort« weniger im Verborgenen. Der Kauf eines Drahtesels über Ebay-Kleinanzeigen (größte Plattform) kann, alleine schon wegen der enormen Auswahl, auch zu einem guten Ende führen. Bleibt aber für den Laien ein Risiko-Spiel. Das Kriterium »Marke« und »namhafter Hersteller« kann zum Beispiel nicht davor schützen, dass eine kostenintensive Überholung mit Austausch zahlreicher Komponenten fällig ist. Versuchen Sie hier also, einen kompetenten Berater klarzumachen. Aufgrund rechtlicher Veränderungen im Bereich der Produkthaftung ist der Gebrauchtmarkt beim Fachhändler schon vor Jahren zusammengebrochen. Es gibt noch vereinzelte öffentlich geförderte (z. B. karitative) Betriebe, die überholte Fahrräder veräußern.
- Zum Ende dieses Kapitels noch eine Binsenweisheit: Im Herbst und Winter kommt es häufig zu attraktiven Preisstürzen, nur weil Platz für die Neuen geschaffen werden muss.
Und wenn Sie den Esel dann endlich erfolgreich in Ihren Besitz gebracht haben?
Wenn Sie ihn mit Herzklopfen und zitternden Beinen zum ersten Ausritt »aus dem Stall« holen?
Was dann?
Genau: Foto schießen! Aber nein, kein Selfie für Instagram! Das Bild darf nur den Esel darstellen. In voller Größe und individueller Schönheit. Und dieses Bild integrieren Sie, zusammen mit der Rahmennummer, in einen Fahrradpass. Das ist nur auf den ersten Blick spießig. Auf den zweiten absolut notwendig für den hoffentlich nicht eintretenden Fall, dass Langfinger die langen Finger erfolgreich nach Ihrem Schatz ausstrecken. Den Pass gibt es jetzt auch als App. Suchen Sie unter »Fahrrad-Pass-App« in Ihrem Store.
Die Rahmennummer ist ein in den Rahmen eingeschlagener Mix aus Buchstaben und Zahlen. Um sie zu finden, müssen Sie Ihr Fahrrad zum ersten Mal auf den Kopf stellen und den Bereich genau in der Mitte untendrunter (unter dem Tretlagergehäuse) in Augenschein nehmen. Sie kann allerdings auch an anderer Stelle im Rahmen verewigt sein. Gehen Sie also auf Suche. Ist nebenbei auch gut fürs Kennenlernen.
Ohne Rahmennummer findet im Fall von Diebstahl i. d. R keine Polizeirecherche statt!
Genug der Warnung! Aufsitzen, »Knie-Gas geben«! Viel Vergnügen und allzeit gute Fahrt!
2. Feines Tuning im Umgang mit Ihrem Fahrrad-Schrauber
»Mein Mann kann das auch, aber er hat einfach keine Zeit«
Wie oft habe ich diesen Satz gehört und gedacht: ja klar!
Er gehört in die Schublade UV (unbedingt vermeiden), wo sich bereits andere Aussprüche befinden, die ebenfalls die Beziehung zu Ihrem Fahrrad-Schrauber gefährden können.
Hier die Interpretation des Fahrrad-Schraubers: Wozu habe ich eigentlich meinen Job gelernt? Wozu habe ich täglich geschraubt, bis meine Hände schwarz und blutig waren; mir den Kopf zerbrochen über schwer einstellbare Bremsen und Schaltungen; bei multikausalen Lichtproblemen Stunden verloren. Und wozu bin ich im Laufe der Zeit durch immer neue Erfahrungen schneller und sicherer geworden im Umgang mit einer Materie, deren Komplexität ständig unterschätzt wird, wenn mich am Ende nichts außer Zeit von ihrem Mann unterscheidet?
Weitere Sprüche aus der Schublade gefällig? Natürlich! Sie wollen sie ja in Zukunft vermeiden.
Kunde:
»Wie, die Reparatur soll 45 Euro kosten? Das ganze Rad hat doch nur 30 Euro gekostet!«
Fahrrad-Schrauber:
»Gut, ich tue 20 Euro aus meinem Kaffeegeldschwein dazu.«
Kunde:
»Bei Regen komme ich nicht!«
Fahrrad-Schrauber:
»Vielen Dank für die Planungssicherheit.«
Kunde:
»Ich dachte, Sie können das sofort machen!«
Fahrrad-Schrauber:
»Fahren Sie einfach weiter. Ich setze mich auf Ihren Gepäckträger und behebe unterwegs den Schaden.«
Kunde:
»Mein Fahrrad ist platt, obwohl Sie mir einen neuen Schlauch eingebaut haben!«
Fahrrad-Schrauber:
»Wann war das?«
Kunde:
»Ungefähr vor einem Jahr.«
Die Schublade ist noch nicht leer, aber wir machen sie an dieser Stelle zu. Resümee: Versuchen Sie als guter Kunde, der Sie ja eigentlich sein wollen, über das psychologische Hilfsmittel eines fiktiven Rollentausches Verständnis dafür zu entwickeln, wie Ihre »Sendungen« beim »Empfänger« ankommen. Wenn Sie sich in diesem Bereich ein bisschen trainieren, wird Ihnen das, z. B. im Umgang mit Ihrem Rasenmäher-Mechaniker und darüber hinaus in Ihrem gesamten Leben neue Perspektiven und Möglichkeiten eröffnen. Sie müssen ja nicht gleich ein neuer Mensch werden! (Oh, oh, hier bricht sich gerade der verschüttete Sonderpädagoge einen Weg ans Licht …)
Damit Sie jetzt nicht den Eindruck gewinnen, der Fahrrad-Schrauber-Betrieb ist in zwischenmenschlicher Hinsicht ein vermintes Gebiet, das Sie vor unlösbare Herausforderungen stellt, folgen ein paar einfache Regeln für die Herstellung/Manifestierung einer heilen Welt und zunächst die Einladung, mal folgendes Begrüßungs-Experiment auszuprobieren:
Bedanken Sie sich beim Eintreten für die gute Betreuung in der Vergangenheit und/oder bringen Sie Ihr Mitgefühl für den nicht zu bewältigenden Reparatur-Ansturm (Saison) oder die Flaute (Winter) ehrlich zum Ausdruck. Es werden Ihrem Anliegen garantiert Tür und Tor soweit, wie es gerade möglich ist, geöffnet!
Weitere Regeln:
- Respektieren Sie die Öffnungszeiten. Gerade bei kleineren Betrieben kann es hier Besonderheiten geben, die auf die Persönlichkeit oder private Situation des Fahrrad-Schraubers zugeschnitten sind und keineswegs das Ziel verfolgen, Sie zu ärgern.
- Alles, was Ihr Fahrrad betrifft, darf und sollte Ihrem FS anvertraut werden. Ein möglichst umfangreicher Input an Information kann während der nachfolgenden Operation an Ihrem Rad von Wichtigkeit sein. Scheuen Sie sich nicht, Geräusche nachzuahmen!
Was Sie Ihrem Schrauber über das Fahrradanliegen hinaus anvertrauen, sollte wohl dosiert und in enger Beziehung zu seinem Aufnahmevermögen stehen.