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2. Auflage Oktober 2020

Copyright © 2020 Frieder Busch

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Cover: Andrea Trucksess, Essen

ISBN: 978-3-7526-9394-2

Alle Fotos: Frieder Busch

außer: »Geen hulp voor Giusto Cerutti« (S. →),

Spaarnestad Photo SFA001013119, Nationaal Archief

www.friederbusch.de

Platt gewesen

Zunächst beim Lesen

Hab so gestaunt

Dann gut gelaunt

Geh ich ans Werk

Platt gewesen

Esel genesen

Wechsel den Schlauch

Reifen geht auch

Sind übern Berg

Frieder Busch

Bedanken möchte ich mich bei

Vorwort

Kunde:

»Was haben Sie mit meinem Fahrrad gemacht? Es ist noch nie so gut gefahren!«

Fahrrad-Schrauber:

»Aufgepumpt!«

Dieses Buch ist für alle Freundinnen/Freunde des Fahrrads! Für alle Neugierigen, die mehr über ihr Fahrrad und über sich selbst als Hilfesuchende erfahren möchten.

Es ist weniger für Herrn und Frau »Halbwissen«. Für sie gibt es bereits reichlich Fahrradliteratur. Natürlich dürfen auch sie es gerne lesen und sich über ihre mehrfache Erwähnung (mal offen, mal versteckt) freuen. Ebenso werden Fahrrad-Schrauber-Kollegen beim Lesen auf ihre Kosten kommen. Geschrieben ist es allerdings in erster Linie für alle, die bereit sind sich einzugestehen, dass sie wenig bis gar nichts über ihr Fahrrad wissen und scheinbar auch mit den einfachsten Handgriffen überfordert sind.

Ja genau! Dieses Eingeständnis ist der erste Schritt und gleichzeitig ein Meilenstein beim Öffnen der Fahrrad-Schrauber-Fibel.

Um Ihnen ein solches Outing leichter zu machen, gibt es hier eine Selbstanzeige von mir:

Ich spiele seit 35 Jahren Gitarre. Bis zum heutigen Tag bereiten mir das Aufziehen neuer Saiten und die Herstellung einer nachhaltigen Stimmstabilität Schwierigkeiten (Selbstschäm-Faktor 10).

Gibt es nicht schon genug Fahrrad-Ratgeber? Doch. Dieser hat aber trotzdem noch gefehlt! Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied: Es geht hier um Banales. Ganz Banales! So banal, dass sich kein anderer Autor bislang daran getraut hat. Eigentlich komisch. Denn wir sind von Banalität umgeben. Täglich! Und nicht nur das. Sie rangiert in der Statistik der Fahrradprobleme als Spitzenreiter. Das ist keine These. Hier resümiert ein Fahrrad-Schrauber nach 25 Dienstjahren.

Außerdem: Das Banale ist gar nicht immer banal. Alleine über das sagenumwobene französische Ventil ließen sich mehrere Bände schreiben. Und es gibt Hoffnung: In der Regel lassen sich banale Probleme gut bekämpfen. Das ist der Hauptgegenstand dieses Buches.

Dem Titel folgend bilden Luft und Gummi die Säulen der Fibel. Aber es geht auch um ein feines Tuning im Umgang mit dem Fahrrad-Schrauber und um die Anschaffung. Darüber hinaus kann die Fibel exklusiv mit einer Allgemeinen Verschleißlehre (alles andere als trocken!) und dem Bonuskapitel Wellness für den Drahtesel punkten. Dass die komplexe Fahrrad-Licht-Thematik eine ausführliche »Beleuchtung« erzwingt, werden Sie nach dem Kapitel Von Armleuchtern und Lichtgestalten einsehen.

Damit das Buch und seine Leser nicht gleich abgewertet werden, soll »banal« ab sofort und exklusiv für dieses Buch als etwas Positives verstanden werden. Das geschieht über den Weg der Synonyme. Die Begriffe »durchschnittlich«, »alltäglich«, »gewöhnlich« oder auch »nicht besonders« schaffen vor allem eines: Sie entzaubern ein vermeintliches Fachwissen und nehmen die Angst, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Ein der Fahrrad-Schrauber-Fibel sehr angemessenes Synonym ist »platt«. Es kann als Stellvertreter für »banal« und »erstaunt« eingesetzt werden und bietet gleichzeitig sehr bildhafte Assoziationen mit dem Fahrrad-Problem Nr. 1.

Weil es eben so gut geklappt hat, gibt es an dieser Stelle zwei weitere Geständnisse von mir:

  1. Ich habe in den vergangenen Jahren selbst kaum in Büchern gelesen. Bei den wenigen Versuchen war ich schnell gelangweilt. Daraus resultiert ein enormer Ehrgeiz, dieses Buch besonders unterhaltsam zu gestalten. Habe mir dafür die Messlatte in schwindelerregende Höhe gelegt: Sie sollen mit einem Dauerschmunzeln lesen und gleichzeitig Ihr persönliches Fahrradwissen quasi unbemerkt erweitern. Es wird so ablaufen wie beim Zumba: schmerzfreies Kalorien-Verbraten bei »vollem Unbewusstsein«. Wäre schön, wenn Sie wenigstens zwei Kapitel verschlingen würden. Die anderen können ja nach und nach folgen.
  2. Ich bin einer von diesen »Lehrer-Aussteigern« (ja, jaaa …). Mein erstes Berufsleben war von kurzer Dauer und liegt weit in der Vergangenheit. Allerdings finde ich immer noch pädagogische Restbestände in mir. So habe ich den Anspruch, dass es bei jedem Kapitel ein Vorher und Nachher geben muss, bei dem das Nachher einen Lernzuwachs beinhaltet. Keine Panik! Da ich nicht nur Pädagoge, sondern Sonderpädagoge war, gilt überwiegend das Prinzip der kleinen oder auch kleinsten Schritte. So werden viele Aha-Erlebnisse ermöglicht, Erkenntnisse gewonnen und die Chance ergriffen, die Welt des Fahrrads im »Normalzustand« und im »Krisenfall« besser zu verstehen.

Der endgültige Berechtigungsnachweis für diese Fibel wäre erbracht, wenn im Selbstgespräch beim Lesen oder im anschließenden Dialog mit dem Fahrrad der Satz »Da bist Du platt gewesen« fällt.

Essen, August 2020

Frieder Busch

Bedienungsanleitung für die Fahrrad-Schrauber-Fibel

Inhaltsverzeichnis

1. Die Anschaffung

»Der Weihnachtsschinken von Aldi hat doch auch geschmeckt«

Ja, dann wird das Fahrrad aus dem Hause Albrecht logischerweise auch den Geschmack treffen und Zufriedenheit erzeugen. Und in der Tat: Auch Aldi-Räder können zwei Jahrzehnte lang durchhalten. Selbst wenn sie täglich strapaziert werden.

Dieter & City-Star (Aldi Nord)

Also, wo kaufe ich welches Rad?

Hierzu gibt es mehr Tipps und Ratschläge als Speichen in einer chinesischen Fahrradfabrik. Hier sind meine Top16:

Traum in Pink

Stellen Sie sich mal mit mir zusammen folgendes Horror-Szenario vor: Ein bislang unbekanntes Virus hält die ganze Welt in Schach, und in der Folge kommt das Leben auch in Ihrer Stadt fast vollständig zum Erliegen. Shutdown! Die Fahrradgeschäfte sind zu, und auch die Plattenfirma darf ihren Service auf den Märkten nicht mehr anbieten, weil dort nur noch Lebensmittel und Blumen (!) verkauft werden. Supermärkte und Baumärkte dürfen Sie noch, allerdings mit strengen Auflagen, entern. Dort treffen Sie auf merkwürdige, vermummte Wesen, die Klopapier-Großpackungen unter ihre Arme geklemmt haben.

Ist das noch Fahrrad-Schrauber-Fibel oder schon Drehbuch für Outbrake II »Die Rückkehr der lautlosen Killer«? Ich wette, noch im Januar 2020 hätten Sie mich beim Lesen dieses Science-Fiktion-Quatsches in die Ecke der abgedrehten Verschwörungs-Fanatiker gestellt und das Buch unverzüglich dem Altpapier zugefügt. Stimmt’s? Und jetzt? Sie haben sich inzwischen mit ausreichend Klopapier eingedeckt und wollen das restliche Geld für ein Fahrrad ausgeben. Fahrradfahren ist nämlich noch möglich. Online-Handel auch. Er erscheint plötzlich noch mal in einem ganz anderen Licht. Da meldet sich Ihr schlechtes Gewissen. Sie wollen ja eigentlich das kleine Geschäft am Ort unterstützen. In diesen Konflikt will und kann ich nicht eingreifen. Nur so viel: Immer mehr (auch kleine) Unternehmen erweitern jetzt ihre Angebote »in Richtung online« oder sind auf irgendeine andere Art erfinderisch, um Sie als Kunden zufriedenzustellen. Versuchen Sie einfach, in Kontakt zu bleiben oder zu treten.

Und wenn Sie den Esel dann endlich erfolgreich in Ihren Besitz gebracht haben?

Wenn Sie ihn mit Herzklopfen und zitternden Beinen zum ersten Ausritt »aus dem Stall« holen?

Was dann?

Genau: Foto schießen! Aber nein, kein Selfie für Instagram! Das Bild darf nur den Esel darstellen. In voller Größe und individueller Schönheit. Und dieses Bild integrieren Sie, zusammen mit der Rahmennummer, in einen Fahrradpass. Das ist nur auf den ersten Blick spießig. Auf den zweiten absolut notwendig für den hoffentlich nicht eintretenden Fall, dass Langfinger die langen Finger erfolgreich nach Ihrem Schatz ausstrecken. Den Pass gibt es jetzt auch als App. Suchen Sie unter »Fahrrad-Pass-App« in Ihrem Store.

Die Rahmennummer ist ein in den Rahmen eingeschlagener Mix aus Buchstaben und Zahlen. Um sie zu finden, müssen Sie Ihr Fahrrad zum ersten Mal auf den Kopf stellen und den Bereich genau in der Mitte untendrunter (unter dem Tretlagergehäuse) in Augenschein nehmen. Sie kann allerdings auch an anderer Stelle im Rahmen verewigt sein. Gehen Sie also auf Suche. Ist nebenbei auch gut fürs Kennenlernen.

Ohne Rahmennummer findet im Fall von Diebstahl i. d. R keine Polizeirecherche statt!

Genug der Warnung! Aufsitzen, »Knie-Gas geben«! Viel Vergnügen und allzeit gute Fahrt!

2. Feines Tuning im Umgang mit Ihrem Fahrrad-Schrauber

»Mein Mann kann das auch, aber er hat einfach keine Zeit«

Wie oft habe ich diesen Satz gehört und gedacht: ja klar!

Er gehört in die Schublade UV (unbedingt vermeiden), wo sich bereits andere Aussprüche befinden, die ebenfalls die Beziehung zu Ihrem Fahrrad-Schrauber gefährden können.

Hier die Interpretation des Fahrrad-Schraubers: Wozu habe ich eigentlich meinen Job gelernt? Wozu habe ich täglich geschraubt, bis meine Hände schwarz und blutig waren; mir den Kopf zerbrochen über schwer einstellbare Bremsen und Schaltungen; bei multikausalen Lichtproblemen Stunden verloren. Und wozu bin ich im Laufe der Zeit durch immer neue Erfahrungen schneller und sicherer geworden im Umgang mit einer Materie, deren Komplexität ständig unterschätzt wird, wenn mich am Ende nichts außer Zeit von ihrem Mann unterscheidet?

Weitere Sprüche aus der Schublade gefällig? Natürlich! Sie wollen sie ja in Zukunft vermeiden.

Kunde:

»Wie, die Reparatur soll 45 Euro kosten? Das ganze Rad hat doch nur 30 Euro gekostet!«

Fahrrad-Schrauber:

»Gut, ich tue 20 Euro aus meinem Kaffeegeldschwein dazu.«

Kunde:

»Bei Regen komme ich nicht!«

Fahrrad-Schrauber:

»Vielen Dank für die Planungssicherheit.«

Kunde:

»Ich dachte, Sie können das sofort machen!«

Fahrrad-Schrauber:

»Fahren Sie einfach weiter. Ich setze mich auf Ihren Gepäckträger und behebe unterwegs den Schaden.«

Kunde:

»Mein Fahrrad ist platt, obwohl Sie mir einen neuen Schlauch eingebaut haben!«

Fahrrad-Schrauber:

»Wann war das?«

Kunde:

»Ungefähr vor einem Jahr.«

Die Schublade ist noch nicht leer, aber wir machen sie an dieser Stelle zu. Resümee: Versuchen Sie als guter Kunde, der Sie ja eigentlich sein wollen, über das psychologische Hilfsmittel eines fiktiven Rollentausches Verständnis dafür zu entwickeln, wie Ihre »Sendungen« beim »Empfänger« ankommen. Wenn Sie sich in diesem Bereich ein bisschen trainieren, wird Ihnen das, z. B. im Umgang mit Ihrem Rasenmäher-Mechaniker und darüber hinaus in Ihrem gesamten Leben neue Perspektiven und Möglichkeiten eröffnen. Sie müssen ja nicht gleich ein neuer Mensch werden! (Oh, oh, hier bricht sich gerade der verschüttete Sonderpädagoge einen Weg ans Licht …)

Damit Sie jetzt nicht den Eindruck gewinnen, der Fahrrad-Schrauber-Betrieb ist in zwischenmenschlicher Hinsicht ein vermintes Gebiet, das Sie vor unlösbare Herausforderungen stellt, folgen ein paar einfache Regeln für die Herstellung/Manifestierung einer heilen Welt und zunächst die Einladung, mal folgendes Begrüßungs-Experiment auszuprobieren:

Bedanken Sie sich beim Eintreten für die gute Betreuung in der Vergangenheit und/oder bringen Sie Ihr Mitgefühl für den nicht zu bewältigenden Reparatur-Ansturm (Saison) oder die Flaute (Winter) ehrlich zum Ausdruck. Es werden Ihrem Anliegen garantiert Tür und Tor soweit, wie es gerade möglich ist, geöffnet!

Weitere Regeln: