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Edition Raumfahrt
© 2010 Bernd Leitenberger
http://www.bernd-leitenberger.de
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
2 Auflage 2014
ISBN-13: 978-3-7357-4832-4
Mein bisher umfangreichstes Buch ist das zweibändige Werk „Europäische Trägerraketen 1+2“. Mit dem Umfang verbunden ist allerdings auch ein hoher Preis für beide Bände zusammen. Aufgrund meiner Erfahrungen weiß ich, dass sich sehr viele für die Europarakete Ariane interessieren, aber weitaus weniger für die früheren europäischen Träger oder die neue Vega. Dieser Band beinhaltetet daher nur die Kapitel über Ariane 1-4 und ist dadurch deutlich preiswerter. Analoge gibt es auch Broschüren über die Black Arrow und Diamant, die Europa-Rakete und es werden weitere über Ariane 5 und die Vega folgen.
Dieses Buch wäre nicht ohne fremde Unterstützung zustande gekommen. Ich möchte der ESA für den Zugang zur Fotobibliothek für Professionals danken und Jürgen Klug von MT Aerospace für ausführliche Informationen zu ELA-2. Thomas Jakaitis und Ralph Kanig haben sich dem Manuskript angenommen und es zur Korrektur gelesen. Michel Van hat Grafiken für dieses Buch erstellt und zur Veröffentlichung freigegeben.
Das Buch behandelt jede Rakete als abgeschlossenes Kapitel für sich. Die einzelnen Abschnitte können einzeln gelesen oder nachgeschlagen werden. Sofern eine Rakete eine Weiterentwicklung eines bestehenden Modells ist, werden lediglich die Veränderungen besprochen. Jedes Kapitel hat eine einheitliche Struktur. Die Entwicklungs- und Einsatzgeschichte bildet den Anfang, es folgt eine ausführliche Beschreibung der Technologie, und den Abschluss bilden nicht umgesetzte Projektstudien. Jedes Kapitel endet mit einem Typenblatt und einer Startliste der Rakete.
Den Installationen in Kourou und dem Bodennetzwerk ist ein eigenes Kapitel gewidmet, welches chronologisch den Ausbau des europäischen Weltraumbahnhofs CSG (Centre Spatial Guyanais) in Französisch-Guayana beschreibt.
Von Ariane 1-3 liegt heute kein Bildmaterial in digitaler, hochauflösender Form vor. Für dieses Buch musste ich daher oft auf gedruckte Dokumente zurückgreifen und diese einscannen. Die Abbildungen entsprechen daher nicht immer dem heutigen Standard. Ich bitte, diesen Umstand zu entschuldigen.
Alle Angaben über Firmennamen entsprechen denen, die damals aktuell waren. Heute sind viele davon im europäischen Luft & Raumfahrtkonzern Airbus aufgegangen, der seit 2003 Einzelkontraktor für die Fertigung der Ariane 5 ist.
Neu in der zweiten Auflage ist ein Kapitel über die Ariane 4 XXL und ein umfangreiches Abkürzungsverzeichnis.
Es existieren zu fast allen Trägerraketen leicht schwankende technische Angaben. Diese beruhen neben dem nachlässigen Umgang mit Zahlenmaterial vor allem auf unterschiedlichen Sichtweisen. So ist zum Beispiel manchmal unklar, ob das angegebene Leergewicht einer Raketenstufe dem Trockengewicht oder dem Gewicht nach Brennschluss (mit Treibstoffresten, Flüssigkeiten und Gasen) entspricht. Sofern es mir möglich war, habe ich dies aufgeschlüsselt. Weiterhin habe ich mich bemüht, Zahlen über Entwicklungskosten und Startpreise zusammen zu tragen. Dabei gab es jedoch zwei Probleme – wechselnde Währungsangaben (DM, Pfund, Dollar, Accounting Units) mit variablen Umrechnungskursen und die Inflation, die vor allem in den 70 er Jahren sehr hoch war.
Die NASA berechnet den Wertverlust anhand der Veränderung des Bruttoinlandsproduktes. So entspricht 1 Dollar des Jahres 2000 genau 0,583 Dollar im Jahr 1981. Oder 1 Dollar des Jahres 1981 entsprechen 1/0.583 = 1.71 Dollar im Jahre 2000. Vor der Einführung des Euros rechnete die ESA in „Millionen Accounting Units“ (MAU), später in ECU (European Currency Unit). Der Umrechnungskurs gegenüber der Deutschen Mark blieb über Jahrzehnte nahezu unverändert bei etwa 1,90 DM, also etwas weniger als 1 Euro (1 Euro = 1,96 DM). Dollar, Pfund und französische Franc änderten ihren Wert jedoch stark im Laufe der Jahrzehnte. Beim Dollar lagen die Extreme zwischen 4,25 und 1,40 DM pro Dollar, beim Pfund zwischen 8,00 und 3,30 DM pro Pfund und beim Franc zwischen 0,70 und 0,30 DM pro FF.
Die folgende Tabelle zeigt exemplarisch die Entwicklung des US GDP-Index (Gross Domestic Product – Bruttoinlandsprodukt) in den Jahren 1960 bis 2007, relativ zum Jahr 2000.
Jahr | GDP Index (relativ zu 2000) | Jahr | GDP Index (relativ zu 2000) |
1960 | 0,2100 | 1984 | 0,6744 |
1961 | 0,2130 | 1985 | 0,6963 |
1962 | 0,2154 | 1986 | 0,7125 |
1963 | 0,2181 | 1987 | 0,7311 |
1964 | 0,2207 | 1988 | 0,7541 |
1965 | 0,2245 | 1989 | 0,7834 |
1966 | 0,2293 | 1990 | 0,8125 |
1967 | 0,2367 | 1991 | 0,8430 |
1968 | 0,2451 | 1992 | 0,8642 |
1969 | 0,2563 | 1993 | 0,8838 |
1970 | 0,2703 | 1994 | 0,9028 |
1971 | 0,2838 | 1995 | 0,9218 |
1972 | 0,2972 | 1996 | 0,9395 |
1973 | 0,3103 | 1997 | 0,9559 |
1974 | 0,3327 | 1998 | 0,9675 |
1975 | 0,3673 | 1999 | 0,9802 |
1976 | 0,3938 | 2000 | 1,0000 |
1977 | 0,4233 | 2001 | 1,0236 |
1978 | 0,4518 | 2002 | 1,0432 |
1979 | 0,4882 | 2003 | 1,0643 |
1980 | 0,5310 | 2004 | 1,0918 |
1981 | 0,5830 | 2005 | 1,1251 |
1982 | 0,6229 | 2006 | 1,1598 |
1983 | 0,6504 | 2007 | 1,1892 |
Mit der Ariane begann die europäische Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Trägerraketen. Die Ariane wurde erfolgreicher und bekannter als alle vorhergehenden Entwicklungen. Der Name „Ariane“ wurde zum Synonym für den Erfolg Europas im kommerziellen Satellitentransport. So wurde er dann später auch für die Ariane 5 übernommen, obwohl sich diese Rakete technisch grundlegend von den früheren Modellen unterschied.
Abbildung 1: L3S Entwurf von 1973 - die dritte Stufe ist noch deutlich kürzer als bei der Ariane 1 und die unteren Stufen setzen noch Kegeldüsen ein.
Der ursprüngliche Entwurf der Rakete, die später einmal Ariane heißen sollte, wurde von Frankreich 1972 unter der Bezeichnung „L3S“ erarbeitet. Die L3S (Lanceur 3ième Génération Substitution) übernahm die Teile der Europa-III, die keine hohen Entwicklungskosten erforderten, und ersetzte die anderen Teile.
Die Viking Triebwerke waren zu dieser Zeit schon in der Erprobung. Eine Version mit 40 t Schub war verfügbar, und ein Upgrade auf 55 t wurde getestet, welcher in Testläufen sogar schon 60 t Schub erreichte. Weitere Verbesserungen versprachen bald 70 t Schub. Vier dieser Triebwerke sollten eine relativ preiswerte erste Stufe antreiben, bei der auch nicht besonders auf das Gewicht geachtet werden musste. Die erste Stufe der Europa-III, die L150 (L für Liquid und 150 für 150 t Treibstoff) wurde so übernommen.
Die Entwicklung der zweiten Stufe der Europa-III und ihres leistungsfähigen, kryogenen Triebwerks wäre teuer gewesen. Die L3S reduzierte dieses Problem aber, indem die zweite Stufe viermal kleiner wurde und das Triebwerk nur 60 anstatt 200 kN Schub aufweisen sollte. Das Triebwerk basierte auf dem Triebwerk HM4. Dieses war 1967 zum ersten Mal in Vernon gelaufen. Frankreich hatte das Projekt jedoch schon 1968 nach 85 Tests wieder eingestellt. Das HM4 war mit vier Brennkammern und nur 40 kN Schub zu schubschwach und auch sein spezifischer Impuls war mit 4040 m/ s deutlich zu niedrig. Der Schub wurde beim HM6 für die L3S auf 60 kN gesteigert, der spezifische Impuls war auf 4120 m/ s geklettert. 1972 fanden die ersten Tests des HM6 statt.
Eine einfachere Auslegung, der Verzicht auf die Fähigkeit zur Wiederzündung und die Nutzung des erprobten Nebenstromverfahrens sollten das Entwicklungsrisiko weiter senken. Doch alleine mit einer solchen Oberstufe wäre die mögliche Nutzlast noch zu gering gewesen. Die Maßnahme der Ingenieure bestand darin, eine weitere Stufe einzuführen und aus der zweistufigen eine dreistufige Rakete zu machen.
Die technisch einfachste Möglichkeit war es, eines der Viking Triebwerke dafür einzusetzen. Für die Arbeit im Vakuum musste allerdings die Düse verlängert werden. Charakteristisch an diesem ersten Entwurf war, dass beide Oberstufen einen Durchmesser von 2,00 m hatten. Da dies dem Durchmesser der Oberstufen von Europa-I und -II entsprach, vereinfachte sich die Erprobung auf den schon existierenden Testständen.
Dieses Konzept der L3S mit den Stufen L150, L30 und H6 wurde auf der europäischen Weltraumkonferenz im Dezember 1972 präsentiert. Die deutsche Regierung äußerte ihre Bedenken, dass die USA bereits den Markt dominierten und es keinen Bedarf für die L3S geben würde. Befürchtet wurde auch, dass der Erkenntnisgewinn im Einsatz neuer Technologien bei der L3S nur gering wäre, vor allem verglichen mit dem Europa-III Konzept.
Unter der Zusicherung, dass Deutschland nur einen fixen Anteil von 320 Millionen DM an den Entwicklungskosten zahlen müsste, wurde die Bundesrepublik mit ins Boot geholt. Frankreich selbst war bereit, 62,5% der Kosten zu tragen. Im Gegenzug gewann Deutschland die Franzosen für das Spacelab Projekt, das größtenteils von Deutschland finanziert wurde.
Die Entwicklungskosten der L3S wurden auf 2.200 Millionen Franc (etwa 420 Millionen Dollar oder 1.600 Millionen DM) geschätzt. Dies war deutlich weniger als die 3,3 Milliarden Francs, welche die Europa-III B erfordert hätte. Sehr schnell gab es eine Einigung, und schon am 5.2.1973 beschloss die deutsche Bundesregierung ihre Beteiligung an der L3S. Damit waren 83% der Rakete finanziert.
In der Folgezeit fanden sich noch Partner für die restlichen 17% der Kosten. So wurde am 31.3.1973 bei einer europäischen Konferenz die Entwicklung der Ariane beschlossen. Die endgültigen Projektkosten betrugen nun 2,4 Milliarden Franc oder 380 MAU. Zuletzt stieß auch England im Februar 1974 mit einer Beteiligung von 2,5% dazu.
Das Entwicklungsbudget hatte 20% Spielraum für Überziehungen. Alle darüber hinaus gehenden Kostenüberschreitungen sollte Frankreich alleine tragen. Eine Kostenüberschreitung von mehr als 35% berechtigte die Partner zum sofortigen Ausstieg. Diese rigiden Grenzen unterschieden sich deutlich von denen ELDO/Europa, die am Ende dreimal teurer als geplant wurde. Auf der anderen Seite wurde aber bemängelt, dass die L3S im Gegensatz zur Europa-III B technisch nur schwer erweiterbar war. Das Raketenprogramm lief nun unter dem Projektnamen „Vega“.
Im Dezember 1973 wurde das Konzept optimiert. Die erste Stufe wurde kleiner (L140), die zweite und dritte größer (L33 / H8). Das HM6 mit vier Düsen wurde durch ein einzelnes HM7 ersetzt. Obwohl die Rakete so insgesamt 5 t leichter war, stieg die Nutzlast von 1.550 kg auf 1.600 bis 1.700 kg in den geostationären Übergangsorbit an. Die oberen Stufen wurden größer und leistungsfähiger und konnten somit die Gewichtsreduktion der ersten Stufe mehr als kompensieren.
Schon im Oktober 1973 erhielt die Rakete ihren Namen „Ariane“. Inzwischen war auch klar geworden, dass Europa einen autonomen Zugang in den Weltraum brauchte. Die beiden experimentellen Nachrichtensatelliten Symphonie 1 und 2, ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt, mussten von der Europa-II auf die amerikanische Delta-2000 umgebucht werden. Die USA nützten das aus und machten zur Auflage, dass Deutschland und Frankreich die Satelliten nur experimentell nutzen dürften, also kein Geld damit verdienen könnten. Das gab dem Bestreben nach einem autonomen Zugang zum Weltraum neuen Auftrieb.
Aus den Fehlschlägen bei der ELDO und Europa hatte Frankreich gelernt. Die Firma Aérospatiale wurde nun als Hauptauftragnehmer mit der Gesamtverantwortung für die Entwicklung der Rakete betraut. Die Ariane selbst war vorerst ein CNES Projekt mit ausländischer Beteiligung. Zu einem ESA-Projekt wurde sie erst später, als es um die Erweiterungen zur Ariane 2 bis 4 ging. Der Beschluss zur Auflösung der ELDO war gefallen, und die ESA nahm ihre Arbeit am 30.5.1975 auf, als die Ariane schon beschlossen war. Die Triebwerke stammten von SEP. Anders als bei der Europa war der Bau der einzelnen Stufen nicht an bestimmte Länder gebunden. Das zeigt sich am deutlichsten an der deutschen Beteiligung an der Ariane 1:
Dieses Vorgehen stellte sich als eine sehr gute Wahl heraus. Die vier größten deutschen Unternehmen, die damals schon Erfahrungen mit Raumfahrzeugen und Trägerraketen hatten, waren an der Entwicklung der Rakete beteiligt. Die gewonnenen technologischen Erfahrungen konnten so breit gestreut werden. Dies war eine Grundlage für die Entstehung einer starken Raumfahrtindustrie. Andererseits konnten die Aufträge nach den vorhandenen Erfahrungen der Unternehmen vergeben werden, wodurch sowohl Entwicklungs- als auch Kostenrisiken reduziert wurden. Ende 1973 war nicht nur die Definition der Rakete abgeschlossen, sondern es waren auch die Verantwortlichkeiten der Unternehmen geklärt. Die Ariane konnte in die Entwicklungsphase übergehen, die sich nach den Planungen von 1974 bis 1979 erstrecken sollte. Der erste Start war im Juli 1979 geplant, und anschließend sollten drei weitere Qualifikationsflüge in den Jahren 1979 und 1980 folgen.
Während der Entwicklung stieg die Performance der Rakete stetig an. Die Kegeldüsen in der ersten und zweiten Stufe wurden durch Glockendüsen ersetzt, was einen leichten Schubanstieg zur Folge hatte. Bei dem HM7 Antrieb war von einer konservativen Leistung mit einem spezifischen Impuls von 4225 m/ s ausgegangen worden, doch schon während der Entwicklung wurde sichtbar, dass die reale Leistung des Antriebs höher sein würde. Vor dem Erststart wurde daher zwar Kunden eine Nutzlast von 1.700 kg garantiert, es wurde aber eine maximale Performance von 1.780 kg angenommen.
L3S Entwurf (1972) | Ariane Entwurf (1974) | Ariane (1978) | |
Erste Stufe Durchmesser: Startgewicht: Leergewicht: Brenndauer: spez. Impuls: | 3,80 m 166.060 kg 16.060 kg 152 sec 2438 / 2790 m/s | 3,80 m 153.270 kg 13.270 kg 138 s 2727 m/s (Vakuum) | 3,80 m 159.250 kg 13.270 kg 145 s 2432 / 2790 m/s |
Zweite Stufe Durchmesser: Startgewicht: Leergewicht: Brenndauer: spez. Impuls: | 2,00 m 33.730 kg 3.730 kg 120 s 2796 m/s | 2,60 m 36.271 kg 3.243 kg 129 s 2879 m/s (Vakuum) | 2,60 m 36.385 kg 3.285 kg 132 s 2864 m/s |
Dritte Stufe Durchmesser: Startgewicht: Leergewicht: Brenndauer: spez. Impuls: | 2,00 m 7.080 kg 1.080 kg 420 s 4120 m/ s | 2,60 m 9.462 kg 1.224 kg 562 s 4224 m/s | 2,60 m 9.371 kg 1.157 kg 570 s 4315 m/s |
Nutzlast: | 1.550 kg in GTO | 1.600 – 1.700 kg in GTO | 1.700 – 1.780 kg in GTO |
Abbildung 2: Heck der L140 Stufe mit den vier Triebwerken und eine Aufnahme vom zweiten Erprobungsstart L02.
Nation | Beteiligung |
Frankreich | 63,90% |
Deutschland | 20,10% |
Belgien | 5,00% |
England | 2,50% |
Niederlande | 2,00% |
Spanien | 2,00% |
Italien | 1,70% |
Schweiz | 1,20% |
Schweden | 1,10% |
Dänemark | 0,50% |
Abbildung 3: Der erste Projektvorschlag der L3S und die Ariane zum Vergleich. © der Grafik: Michel Van
Der Name Ariane erinnert an die Sagengestalt Ariadne, eine mythologische Gestalt der alten Griechen. Ariadne war es, die Theseus den Weg aus dem Labyrinth des Minotaurus zeigte. Der Minotaurus war ein Ungeheuer, halb Mensch, halb Stier, dem in einem verwunschenen Palast auf Kreta jedes Jahr Opfer gebracht wurden. Die Opfer wurden in ein Labyrinth geführt, in dem der Minotaurus sie angriff. Ariadne war eines der Opfer, doch sie konnte den Weg aus dem Labyrinth durch einen Faden markieren. Theseus nutzte diesen Wegweiser, um sie zu befreien und den Minotaurus zu töten.
In den 1970er Jahren sollte Ariane nun den europäischen Kontinent aus dem Labyrinth, welches die „Europa“-Rakete hinterließ, wieder ans Licht führen – und das tat sie auch. Doch wie kam es zu dem Namen?
Letzterer stellte ebenfalls eine Anspielung an eine antike Sagengestalt dar. Der Vogel Phoenix erhebt sich aus seiner eigenen Asche – ein passender Vergleich zum eingestellten Europa-Programm. Dieser Name wurde gerade deswegen von der deutschen Delegation abgelehnt. Der französische Minister Jean Charbonnel war gegen Vega, weil es ein französisches Bier mit diesem Namen gab. Vega war der häufigste Vorschlag mit drei Nennungen gewesen. Für ihn akzeptabel waren nur „Penelope“, „Phoenix“ und eben „Ariane“.
30 Jahre nach Ariane wird aber eine Rakete mit der Bezeichnung Vega ihren Jungfernflug in Kourou absolvieren - vom umgebauten Startplatz der Ariane aus. Allerdings steht hinter dieser Rakete die italienische Weltraumorganisation ASI.
Obwohl sie nicht mehr „Europa“ hieß, entwickelte sich im Ariane-Programm eine echte, europäische Zusammenarbeit. Folgende Firmen waren daran beteiligt:
Frankreich (63,9%) | |
Aérospatiale | Gesamtintegration des Trägers und der ersten Stufe |
SEP | Triebwerke für alle drei Stufen |
L' Air Liquide: | Struktur und Tanks der dritten Stufe |
MATRA | Ausrüstungsteile des Lenksystems |
Intertechnique/SAT | Telemetrie |
Deutschland (20,1%) | |
MBB | Brennkammer und Ventile des HM-7 Triebwerks |
ERNO | Strukturteile und Integration der zweiten Stufe |
Dornier | Treibstoffbehälter der zweiten Stufe |
M.A.N | Schubgerüst der ersten Stufe, Gasgenerator und Turbopumpen für die Viking Triebwerke, Bodenanlagen |
Belgien (5%) | |
SABCA | Verkleidungen der ersten Stufe und Servomotoren |
F.N. Herstal | Ventile |
ETCA | Selbstzerstörungssystem und Prüfstandausrüstung |
England (2,5%) | |
Ferranti | Kreiselplattform |
GEC Marconi | Software des Lenksystems |
HSD | Regler und Druckgasventile dritte Stufe |
Spanien (2%) | |
CASA | Strukturteile der ersten Stufe |
Standard Electrica | Elektronikausrüstung |
Italien (1,7%) | |
Aeritalia | Technologische Nutzlast CAT |
SNIA Viscosa | Feststofftrennraketen |
Hollamd (2%) | |
Fokker-VFW | Schubgerüst dritte Stufe und Stufenadapter zweite und dritte Stufe |
N.R.L | Aerodynamische Versuche |
Schweiz (1,2%) | |
Contraves | Nutzlastverkleidung |
Schweden (1,1%) | |
SAAB | Bordrechner (OBC) |
Volvo | Einspritzkopf der Viking Triebwerke |
Dänemark (0,5%) | |
Rovsing | Elektronikausrüstung |
Die beiden Hauptauftragnehmer der CNES waren SEP für die Triebwerke und Aérospatiale für die Strukturen. Diese Firmen vergaben nach dem Prinzip des „geografischen Rückflusses“ die einzelnen Aufträge wiederum an die beteiligten Länder, wobei mindestens 80% des investierten Geldes der einzelnen Länder in Form von Aufträgen zurückfließen mussten.
Während der Entwicklung waren so insgesamt 50 Subkontraktoren aus zehn Ländern mit 3.600 beschäftigten Personen eingebunden.
Abbildung 4: Testabtrennung der Nutzlasthülle 1978
Das Entwicklungsprogramm für Ariane verlief von 1973 bis 1979 erstaunlich glatt. So konnte 1979 auch das geplante Jahr des Erststarts eingehalten werden, auch wenn sich dieser um einige Monate verzögerte.
Die Entwicklung des Viking Triebwerks konnte auf Vorversuche mit Viking-1 zurückgreifen. Das Viking-2 musste dazu nur im Schub gesteigert werden. Der erste Test eines Viking-2 Triebwerks fand bereits am 21.6.1973 statt, weshalb SEP genügend Zeit hatte, zusätzliche Modifikationen am Triebwerk vorzunehmen. So wurde die Kegeldüse durch eine Glockendüse ersetzt - bei gleicher Länge haben sie ein höheres Expansionsverhältnis, wodurch Schub und spezifischer Impuls anstiegen.
Im April 1976 fanden die ersten Tests mit einer Glockendüse anstatt einer Kegeldüse statt. Das – jetzt Viking-5 getaufte – Triebwerk lief erstmals am 10.4.1976. Es ersetzte das Vorgängermodell Viking-2 in der ersten Stufe.
Schon im Januar 1976 begannen die ersten Tests mit den unteren beiden Stufen. Im Februar 1976 folgten Tests mit dem dynamischen Strukturmodell, bei denen die Struktur und die Tanks den erwarteten Lasten während des Fluges ausgesetzt wurden. Besondere Aufmerksamkeit schenkte Aérospatiale dem POGO-Effekt. Es zeigte sich, dass die zweite und dritte Stufe wenig anfällig für POGO Schwingungen waren. Bei der ersten Stufe war es aber notwendig, ein System zu Reduktion der Schwingungen in den Rohrleitungen einzubauen.
Das Management hatte aus dem Versagen der Europa bei F7, F8 und F11 gelernt und begann schon im Juli 1976 mit dem elektrischen Systemaufbau und EMV-Tests. (EMV: Elektromagnetische Verträglichkeit - stört ein elektrisches System ein anderes oder kann ein System ausfallen durch starke elektromagnetische Felder?). Beim Test des dynamischen Modells der zweiten Stufe trat Wasser aus dem Wassertank für die Gasgeneratoren aus; eine Tatsache, die damals zwar die Tests aufhielt, aber nicht weiter verfolgt wurde. Dies sollte bei Flug V10 noch Folgen haben.
Im Juli 1977 erfolgte die Abnahme der umgebauten Startrampe der ehemaligen Europa-Rakete in Kourou. 1976 schätzte die CNES die Kosten eines Ariane Starts auf 16 Millionen Dollar. Der direkte Konkurrent, die Atlas Centaur, kostete damals schon 18,7 Millionen Dollar. Dieser Preisunterschied blieb bestehen, auch wenn die Startpreise durch die hohe Inflation in den 70er Jahren rasch anstiegen.
Ende 1977 wurden die ersten Tests mit vollständig integrierten Stufen durchgeführt. Den Anfang machte am 20.12.1977 die L140, gefolgt von der H8 am 10.1.1978 und der L33 am 31.1.1978.
Im Jahre 1978 befürchtete die ESA, dass die Ariane zu teuer werden würde. Deshalb ließ die DFVLR die Möglichkeit untersuchen, die erste Stufe nach dem Ausbrennen zu bergen. Versuche in einem Windkanal der DFVLR bei Köln-Pforz ergaben aber, dass die erste Stufe durch die schweren Triebwerke hecklastig war und sich im Fluge überschlagen würde. Dies war zu riskant für eine Fallschirmlandung. Es bestand die Gefahr, das die Rakete sich in den Seilen verheddern könnte. Dazu kamen die hohen Beanspruchungen der Stufe durch die plötzliche Abbremsung bei fünffacher Schallgeschwindigkeit. In der Folge konzentrierte man sich dann nur auf die Bergung des Schubgerüsts mit den vier Viking Triebwerken.
SyLdA