Es war einmal ein kleines Mädchen. Das Mädchen war sehr, sehr krank - Leukämie. Die Eltern wussten, dass das Mädchen nicht mehr lange zu leben hatte und kein Arzt mehr helfen konnte. So holten sie es nach Hause, um ihm die letzten Wochen so schön wie möglich zu machen.
Das Mädchen war früher ein sehr fröhliches Kind, spielte gern im Freien und freute sich des Lebens. Nun war es nachdenklich, denn es wusste, dass es sterben würde und hatte große Angst vor dem Tod. Mit seinen Eltern konnte es darüber nicht sprechen, denn die Eltern dachten, das Mädchen wüsste nicht wie krank es sei.
Jeden Tag setzte die Mutter das Mädchen in den Rollstuhl, denn es war schon zu schwach um zu laufen und fuhr es in den naheliegenden Park. Da gab es einen kleinen See, auf dem schwammen viele Schwäne. Das Mädchen liebte die Schwäne, wie sie elegant ja fast majestätisch übers Wasser glitten und fast schien es als liebten die Schwäne auch das Mädchen. Denn sie kamen aus dem Wasser und ließen sich mit Brotstücken füttern. Als ein Schwan seine Flügel öffnete um sein Gefieder auszuschütteln, spritzen die Wassertropfen dem Mädchen ins Gesicht. Da lachte es und die Mutter hatte Tränen in den Augen, denn lachen hatte sie ihr Kind schon lange nicht mehr gehört.
Jeden Tag kamen die beiden in den Park und nach der Spazierfahrt waren die Wangen des Mädchens leicht gerötet und das sonst so blasse Gesichtchen strahlte. Es lag sicher nicht nur an der frischen Luft, sondern auch an der Freude, die das Mädchen bei den Schwänen hatte.
Doch dann ging es dem Mädchen immer schlechter und schlechter. Es konnte nicht einmal mehr im Rollstuhl sitzen. Meist lag es mit geschlossenen Augen in seinem Bett und da träumte es:
Das Mädchen ging frei und unbeschwert spazieren, in einem Wald mit großen schönen Bäumen. Plötzlich hörte sie in der Ferne ein Wispern und Raunen. Das Mädchen verspürte keinerlei Angst und ging direkt auf das Flüstern zu. Inmitten der Bäume war eine Lichtung. Die Sonne schickte ihre Strahlen hindurch und direkt auf einen kleinen Weiher, der dort lag. Das Wasser sah dadurch fast aus wie flüssiges Gold. In dem Wasser tummelten sich viele, viele Schwäne. Es gab die großen weißen Schwäne, kleinere graue Schwäne und ganz kleine fast schwarze Schwänchen. Man konnte fast den Eindruck haben, als spielten die Schwäne miteinander. Manche schienen, als tanzten sie einen fröhlichen Reigen. Über all dem lag eine friedliche, ja glückselige Stimmung, die das Mädchen stark berührte. Ringsherum war das Raunen, Wispern und leises fröhliches Lachen.
Was war das wohl für ein See?
In diesem Moment kam ein wunderschöner, weißer, großer Schwan auf das Mädchen zugeflogen. So schön wie kein anderer Schwan zuvor. Er landete direkt vor dem Mädchen, doch in diesem Augenblick stand da eine wunderschöne Frau. Sie hatte ein liebes Gesicht mit ganz feinen Zügen und eine schlanke anmutige Gestalt. Das Mädchen traute seinen Augen kaum. Da fing die Frau zu sprechen an und ihre Worte klangen fast wie Musik.
» Ich bin die Schwanenfee, ich hole die Kinder, die viel zu früh sterben müssen. Hier können sie weiterleben, spielen und sich des Lebens freuen.«
» Oh «, sagte das Mädchen, » dann sind all die Schwäne verstorbene Kinder? «
» Ja «, sagte die Schwanenfee, » es sind Kinder, aber gestorben sind sie nicht, denn sie leben und lachen. «
Ja, das Lachen hatte das Mädchen gehört und die Freude der Schwanen-Kinder gesehen.
Die Schwanenfee ging auf das Mädchen zu, streichelte ihm sanft über die Wange und meinte.
» Siehst du, du brauchst keine Angst zu haben. «
» Ja «, sagte das Mädchen, » ich habe keine Angst. «
» Das brauchst du auch nicht. «, sagte die Mutter.
Das Mädchen war nämlich durch das Streicheln der Mutter wach geworden.
Das Mädchen antwortete. » Ja, richtig, denn die Schwanenfee wird mich holen und dann lebe ich weiter, ohne die Krankheit. «
» Meine Kleine «, sagte die Mutter, » du hast geträumt. « Insgeheim hatte sie Angst, dass das Mädchen nun schon phantasiert.
Das schien sich zu bestätigen, denn seit diesem Moment war das Mädchen völlig verändert. Nicht mehr nachdenklich oder ängstlich, ja es schien fast schon fröhlich.
Oft meinte es zu seinen Eltern.
» Seid nicht traurig, ich lebe doch weiter. «
Die Eltern wussten, das Mädchen würde nicht weiterleben und so geschah es auch, das Mädchen war tot.
Die Eltern zerbrachen fast an ihrem Schmerz. Denn auch wenn sie wussten, dass es geschieht, waren sie doch nicht darauf vorbereitet. Niemand konnte jemals darauf vorbereitet sein.
Am Tag, als das Mädchen abgeholt wurde, gingen sie noch einmal in sein Zimmer. Alles schien wie vorher, als wäre das Mädchen nur kurz weggegangen und doch wussten sie, es würde nie wieder kommen. Der Vater ging ans Fenster, öffnete es und wollte Luft hereinlassen, als könnten sie dann besser atmen, denn es war ihnen, als wäre die Brust zugeschnürt.
Da schrie die Mutter auf und zeigte auf das Bett des Mädchens.
Da lag eine schneeweiße Schwanenfeder.
Im selben Moment flogen am Fenster etliche Schwäne vorbei. Angeführt von einem großen, besonders schönen weißen Schwan. Gleich neben ihm, fast als wenn er unter dem Flügel des schönes Schwans Schutz finden würde, flog ein kleiner grauer Schwan, der noch etwas unsicher in der Luft wirkte.
Die Eltern starrten gebannt zum Fenster hinaus und es war ihnen, als hörten sie ein glückliches und fröhliches Lachen, fast wie wenn eine freudige Kinderschar am Haus vorbeiziehen würde.
Es war einmal ein junges Mädchen, das hatte seine Eltern verloren. Es fühlte sich einsam und verlassen.
Wie sollte es jetzt ohne führende Hand und liebevolle Begleitung ihren Weg alleine im Leben finden?
Das Mädchen konnte vor Kummer und Sorgen kaum noch schlafen. So stand es meist sehr früh auf und wanderte gerne im Morgengrauen durch die Landschaft.
Es setzte sich auf eine Bank und sah in den Himmel empor. » Ob da oben wohl irgendwo die Eltern sind? «, fragte es sich. » Wie soll ich lernen mein Leben zu leben, wenn mir meine Lehrmeister fehlen. «
Plötzlich raschelte etwas in den Ästen der Bäume neben der Bank. Das Mädchen erschrak und sprang auf. Da sah es ein Käuzchen in den Zweigen sitzen, das sie mit großen Augen anschaute.
» Ach Käuzchen «, sagte das Mädchen, » hast du mich aber erschreckt. «
» Geschieht dir recht. «, antwortete das Käuzchen.
» Man geht auch nicht vor Sonnenaufgang allein hinaus. «