Ich widme dieses Buch meinen Eltern, die mir die Möglichkeit gaben, mich meiner Angst zu stellen, obschon sie sicherlich dabei auch Angst empfanden.
Inhalt
Vorwort
Danksagung
Einleitung
1 Arten der Gewalt
1.1 Der Macho-Kampf
1.2 Die Gruppengewalt
1.3 Gewalt zum Eigenzweck
1.4 Gewalt der Räuber
1.5 Verzweiflungsgewalt
1.6 Ort
2 Wie reagiert der Körper?
2.1 Angst
2.2 Adrenalin
2.3 Erstarren
2.3.1 Starre zwecks Tarnung
2.3.2 Angststarre
2.3.3 Entscheidungsstarre
2.3.4 Selbstbewusstseinsstarre
2.3.5 Unterordnungsstarre
2.3.6 Fehlreaktions-Schleife
2.4 Flucht
2.5 Kampf
3 Wie begegnet man der Gewalt?
3.1 Eigene Schwächen erkennen
3.2 Eigene Fähigkeiten erkennen
3.2.1 Moralische Grenzen festlegen
3.2.2 Stimme
3.2.3 Augenkontakt
3.2.4 Kampfeswille
3.3 Nutze die Angst
3.4 Starre überwinden
3.5 Kein Opfer sein
3.5.1 Informationen preisgeben
3.5.2 Selbstbewusstsein
3.6 Vorbereitet sein
3.7 Bewusstsein und Aufmerksamkeit
3.7.1 Farbcodes
3.7.2 Allgemeine Aufmerksamkeit
3.8 Orte der Gewalt meiden
3.9 Flucht
3.10 Deeskalation
3.10.1 Deeskalation, ohne selbst zu reden
3.10.2 Allgemeine Regeln
3.10.3 Deeskalation gegen Macho-Kampf
3.10.4 Deeskalation gegen Räuber
3.11 Spezielle Verteidigungstaktiken
3.12 Speziell für Frauen
4 Kampf
4.1 Entscheidung treffen
4.1.1 O.O.D.A.–Schleife
4.1.2 Initiative übernehmen
4.2 Angriff ist die beste Verteidigung
4.3 Schnell siegen
4.4 Umgebung
4.5 Hilfe rufen
5 Nachdem der Kampf vorüber ist
5.1 Eigensicherung
5.2 Physisch
5.3 Zeugen und Polizei
5.4 Gesetzliches Nachspiel
5.5 Psychisch
6 Training
6.1 Kampfsport
6.2 Techniken
6.3 Waffen
6.4 Aus der Sicht des Angreifers
6.5 Simulation
6.6 Visualisierung
6.7 Eigene Erfahrungen analysieren
6.8 Theorie
7 Tipps für konkrete Situationen
7.1 Mehrere Gegner
7.2 Jemandem Hilfe leisten
7.3 Geiselnahme
7.4 Entführung
7.5 Haus
7.6 Fahrzeug
7.7 Zug
7.8 Party
7.9 Ferien
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Seit meiner Jugend interessiere ich mich für Kampfsport mit dem Ziel der Selbstverteidigung. Dabei schwebte mir vor, mich alleine durch Kampfsporttraining erfolgreich wehren zu können. Doch eigene Erfahrung, Gespräche mit Betroffenen und die bessere Auswahl an multimedialen Informationsquellen, zeigen deutlich, dass dies nicht funktioniert. Genauso wie jeder andere Bürger auch, ist der Kampfsportler beim Antreffen einer Gewaltsituation meistens hoffnungslos überfordert. Angst spielt dabei eine zentrale Rolle. Durch diverse Abenteuer wie Bungeespringen, Fallschirmspringen, Felsklettern, Tauchen, Abenteuerreisen usw. lernte ich meine Angst einzuschätzen und verstand dabei, dass es nicht möglich ist, keine Angst zu haben. Und genau diese Angst werden wir uns zunutze machen. Denn, um erfolgreich Selbstverteidigung auszuüben, darf man ruhig Angst vor Gewalt haben und man muss nicht jahrelang Kampfsport üben. Erfolgreiche Selbstverteidigung entscheidet sich im Kopf. Hierzu benötigt man keine komplizierten Techniken und die bereits automatisch vorhandene Angst, wird einem helfen, sich siegreich zu verteidigen.
Ich will versuchen aufzuzeigen, was man hierzu wissen muss und wie dieses Wissen in der Praxis umgesetzt werden kann.
Sie sollten aus diesem Buch zurück behalten, was auf Sie zutrifft und Ihnen von Nutzen ist. Sollten Sie bei einem Thema nicht meiner Meinung sein, so ist dies auch ein gutes Zeichen. Denn dann haben Sie sich wenigstens bereits Gedanken zu demjenigen Thema gemacht. Nichts ist schlimmer, als die Gefahr einfach zu ignorieren. Dieses Buch soll Sie deshalb dazu anregen, sich mit dem Thema der Selbstverteidigung intensiver zu beschäftigen. Sollte dieses Buch auch nur einem helfen, Gewalt zu vermeiden oder sich dagegen zu wehren, so hat sich mein Ziel erfüllt.
Danken möchte ich den vielen Menschen, die mich etwas lehrten, denn ohne ihr Wissen wäre dieses Buch nicht entstanden. Dies gilt im besonderen Maße für meine Kampfsporttrainer und Trainingspartner. Genauso gilt mein Dank meinen Freunden, die mit mir zusammen manche Extremsituation und Abenteuer absolvierten. Diese Momente werden immer in Erinnerung bleiben.
Speziell zu diesem Buch beigetragen, haben meine Frau Danielle und meine Trainingspartnerin Carole Schmit, die ihre Verbesserungen zum Manuskript beigetragen haben. Außerdem stand Carole Schmit als Verteidigerin auf den Fotos zur Verfügung, während mein Trainingspartner Carlo Bintener als Angreifer fungierte. Ihnen allen, herzlichen Dank für die investierte Zeit.
Krieg, Zweikampf und Gewalt gibt es schon seit Beginn der Menschheit. Somit wurde viel Erfahrung gesammelt und viele Strategen hielten ihre Ideen hierzu fest. Es wird hierbei auch deutlich, dass Kriege nicht mit der Vernichtung des Gegners gewonnen werden, sondern dadurch, dass dieser aufgibt und den Kampf einstellt. Genauso dient zum Sieg nicht die Anzahl der Waffen alleine, sondern vor allem die richtige Einstellung. Nach Claus von Clausewitz benötigen wir zum Niederwerfen des Gegners die Größe der vorhandenen Mittel und die Stärke der Willenskraft. Anfang der 70 Jahre des letzten Jahrtausends wurden durch Experten wie Jeff Cooper diese Ideen auch für die Selbstverteidigung weiterentwickelt und festgehalten. Es wurden speziell von den anglofonen Vorreitern verschiedene Thesen, Taktiken und Strategien für die erfolgreiche, waffenlose Selbstverteidigung entwickelt. Hierbei wird eindeutig, dass die Psyche entscheidend bei der Selbstverteidigung ist und jegliche Technik nur ein Hilfsmittel darstellt. Leider ist dieses Wissen in der deutschsprachigen Literatur spärlich verbreitet.
Die meisten Gewaltopfer sind durch einen Angriff total überfordert und unfähig zu einer Erfolg versprechenden Verteidigung. Sie werden überrascht und wissen nicht, wie ihnen geschieht. Und genau hier setzt dieses Buch an. Denn nur wer weiß, was geschieht, kann sich auch wehren. Somit wird zuerst das Wissen über die verschiedenen Gewaltformen vermittelt. Der Leser lernt dann im zweiten Kapitel, sich selbst besser einzuschätzen und versteht, wie seine Gefühle auf seinen Körper Einfluss nehmen. Aus diesem Wissen heraus, wird dann eine Erfolg versprechende Selbstverteidigung abgeleitet, die hauptsächlich im Kopf entschieden wird. Doch mit dem Abwenden der Gefahrensituation ist es meistens nicht getan. Es erfolgt noch das physische und psychische Danach. Auch hierzu erfährt der Leser viele praktische Tipps. Die beiden letzten Kapitel behandeln das Training und die verschiedenen Übungen, die dazu führen, erfolgreich zu sein. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um Verstandes- und Gefühlsschulung. Zum Abschluss werden noch einige Alltagssituationen dargestellt mit Tipps, wie die Betroffenen vorgehen sollen.
Die Ideen aus diesem Buch sind keine neuen Entdeckungen des Autors und auch nicht von einer einzigen Person entwickelt worden. Keiner weiß alles über Gewalt und Selbstverteidigung. Wer dies behauptet, ist entweder ein Lügner oder Unwissender. Dieses Buch versteht sich als Sammlung der verschiedenen Thesen und Ideen und soll sowohl den Leser, der sich noch nicht mit Selbstverteidigung beschäftigt hat, als auch den Kampfsportler dazu befähigen, sich erfolgreich gegen Gewalt zu behaupten. Dies gilt sowohl für Frauen als für Männer.
Einige Ideen werden in den verschiedenen Kapiteln wiederholt auftreten. Dies soll Ihnen helfen, sich besser damit vertraut zu machen und diese somit besser umsetzen zu können.
"Die Gewalt lebt davon, dass sie von anständigen Leuten nicht für möglich gehalten wird." Jean-Paul Sartre
Meistens kennen wir Gewalt nur aus Filmen oder Nachrichten. Die Gewalt, wie Hollywood sie uns vorspielt, hat nichts mit der Realität zu tun. Dennoch übt sie eine gewisse Gefahr für uns aus. Da es diese Art von Gewalt ist, die wir seit unseren Jugendtagen eingeflößt bekommen, glauben wir, dass ein realer Kampf auch so abläuft. Darauf kann eine ganze Reihe von falschen Vorstellungen basieren. Ein paar willkürliche Beispiele:
- Ein Kampf dauert minutenlang, während beide Kontrahenten abwechselnd aufeinander einschlagen.
- Ein Schlag auf den Hinterkopf bedeutet, dass der Angegriffene in Ohnmacht fällt.
- Der Verteidiger empfindet keine Angst und bleibt ganz cool.
- Der Held kann fair kämpfen und wird dennoch siegen.
- Sollte der Hauptdarsteller zu Boden fallen, so springt der Angreifer auf ihn, um mit ihm am Boden zu kämpfen.
- Ein Kampfsportler kann auch mehrere Gegner ohne Problem besiegen.
- Nur Feiglinge laufen weg.
- Es siegt derjenige, der am stärksten ist und die besten Techniken ausführen kann.
- Wenn der Kampf vorbei ist, kann man wieder zur Tagesordnung übergehen.
- Ein Großteil der Morde geschehen in der Dusche.
Diese Liste könnte man seitenweise fortführen. Da es in diesem Buch darum geht, dass Sie sich Gedanken machen, sollten Sie jetzt über die oben zitierten Beispiele nachdenken und sich vorstellen, wie es in der Realität abläuft, die nichts mit Hollywood zu tun hat. Es wird wohl eher folgendermaßen aussehen:
- Ein Kampf dauert meistens nur Sekunden und nur der Angreifer schlägt zu.
- Es ist nicht möglich, die Wirkung eines Schlages im Voraus zu kennen.
- Jeder Verteidiger hat Angst. Er hat weiche Knie und eine zitterige Stimme.
- Sieger wird derjenige sein, der dem Gegner keine Chance gelassen hat und alles eingesetzt hat, was ihm Vorteile bringt. Fairness gibt es nicht, wenn man siegen will.
- Keiner wird so blöd sein, dem anderen freiwillig auf den Boden zu folgen. Liegt einer am Boden, so treten der Angreifer und seine Freunde mit Füßen auf den Wehrlosen.
- Ein Kampfsportler wird genauso von der Gewalt überwältigt, wie jeder andere auch. Er kann glücklich sein, wenn er sich gegen einen Angreifer zur Wehr setzen kann.
- Nur Clevere laufen weg.
- Es siegt derjenige, der den Gegner überrascht, den größten Kampfeswillen besitzt, am unfairsten kämpft und am meisten Glück hat.
- Wenn der Kampf vorbei ist, müssen Sie sich vor Gericht verteidigen und Sie werden eventuell ein Leben lang unter den Verletzungen leiden, egal ob physisch oder psychisch.
- In der Dusche sollten Sie aufpassen, dass Sie nicht ausrutschen, über Mord brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen.
Die Gewalt, die uns aus den Nachrichten bekannt ist, ist zwar real, verzerrt allerdings das Bild zugunsten der spektakulären Fälle. Den Journalisten ist daran gelegen, ein Produkt zu verkaufen und sie berichten deshalb ausführlich über spektakuläre Fälle. Sie versuchen mit der Angst der Leser, Zuhörer und Zuschauer Geld zu verdienen. Diese Bilder prägen sich bei Ihnen ein und führen dazu, dass Sie sich im Falle eines Gewaltverbrechens derart verängstigt fühlen, dass Sie nicht mehr zu einer Gegenwehr fähig sind. Verfallen Sie auch nicht in den Fehler zu glauben, Menschen könnten nicht so brutal sein. Es wird immer Vertreter unserer Spezies geben, die total anders ticken, als Sie es für möglich halten. Es ist das Unbekannte, was uns die meiste Angst einfließt. Damit dies nicht so bleibt, wollen wir die Arten von Gewalt untersuchen, denen Sie vielleicht eines Tages gegenüberstehen. Empfehlenswert zu diesem Thema ist auch das englische Buch „Facing Violence“ von Rory Miller.
Dies ist ein gesellschaftstypischer Kampf, der fast immer von Männern geführt wird. Eigentlich geht es darum seinen Rang innerhalb der Gesellschaft festzulegen. Genauso wie bei anderen Rudeltieren, versucht der Mensch seine Dominanz über die anderen Vertreter der gleichen Spezies zu behaupten. Im Unterbewusstsein ist immer noch fest verankert, dass dem Stärksten die Weibchen gehören. Ob dies bei den Neandertalern tatsächlich allein durch den Machokampf ausgetragen wurde, ist wohl kaum noch herauszufinden. Tatsache bleibt allerdings, dass der Machokampf die Evolution des Menschen mit geprägt hat und viele junge Männer haben Schwierigkeiten sich ihm zu entziehen.
Dieser Kampf läuft nach einem festgelegten Muster ab, das wir in 5 Stufen unterteilen.
1) Blickkontakt
Sie werden von einem Fremden fest in die Augen gestarrt. Sollten Sie sofort den Blick zu Boden senken, ist die Statussituation im Prinzip festgelegt. Sie sind der Unterlegene. Es kann sein, dass der Machokämpfer dann jemand anders auswählt. Es kann aber auch sein, dass er von dieser Gelegenheit profitiert und Sie jetzt als potenzielles Opfer festgelegt hat. Somit gehen Sie jetzt Gefahr, Opfer der Gewalt zum Eigenzweck zu werden (siehe 1.3). Sollten Sie nur etwas zu lange dem Blick standhalten, geht es sofort weiter mit Stufe zwei.
2) Die verbale Herausforderung
"Was guckst du?" eventuell noch ein Zusatz "Bist du schwul?" Sollten Sie jetzt beschämt Ihre Blicke senken und wegschauen, ist die Dominanz wieder hergestellt. Es kann sein, dass der Herausforderer ablässt. Dies ist aber nicht sicher, denn Sie haben sich als Opfer dargestellt und sind somit gegen weitere Angriffe offen. Oft jedoch reagiert der Angesprochene mit einer Antwort auf die Herausforderung, da er sein Gesicht nicht verlieren will. Speziell für junge Männer in Präsenz von Frauen, ist es schwierig klein beizugeben. Die Antwort: "Ich kann dahin schauen, wo ich will. Das geht dich nichts an", führt unweigerlich zu Stufe 3. Genauso wird eine ausweichende Antwort wie "Ich guck ja gar nicht", nur dazu führen, dass der Herausforderer mit "Was, du nennst mich also einen Lügner?" reagiert und weiter in seinem angelernten Ritual vorgeht.
3) Die Annäherung
Der Angreifer wird auf Sie zukommen und Sie werden spätestens jetzt Angst bekommen. Unter dem Einfluss von Adrenalin wird der Angreifer Sie mit geschwellter Brust anbrüllen: "Jetzt gibt’s was aufs Maul." Seine Arme schwingen hin und her, sein Kopf ist vor Wut rot angelaufen. Sie werden nicht auf solche Aggressivität vorbereitet sein und in eine Angststarre verfallen. Sie werden nicht wissen, wie Sie reagieren sollen, um den Gegner nicht noch mehr in Wut zu bringen. Doch dies hilft Ihnen nun nicht mehr. Sollten Sie Freunde bei sich haben, die sich jetzt zwischen Sie und den Angreifer stellen, wird dieser höchstwahrscheinlich ablassen, da er sein Gesicht nicht verliert und deutlich gezeigt hat, dass er stärker ist als Sie. "Ha, du versteckst dich hinter deinen Freunden, du Feigling." Doch meistens werden Ihre Freunde überhaupt nicht reagieren, weil diese genau so gelähmt sind, wie Sie selbst. Somit kommt es zum
4) Kontakt
Der Angreifer steht jetzt vor Ihnen und stößt Sie vor die Brust, sodass Sie etwas zurücktaumeln. Viel wird Ihr Gegenüber jetzt nicht mehr sagen, vielleicht noch ein kurzes "Na?" und dann noch ein Stoß vor die Brust. Sie werden höchstwahrscheinlich weiterhin nicht reagieren, da Sie vor Angst wie gelähmt sind. Und schon kommt der
5) Abschluss
Normalerweise werden Sie jetzt durch einen rechten Schwinger des Gegners am Kopf getroffen, oder dieser verpasst Ihnen einen Kopfstoß. Sollten Sie trotz gebrochener Nase oder ausgerenktem Unterkiefer nicht zu Boden gefallen sein, wird ein zweiter Schlag Sie dahin befördern. Irgendeine Verteidigung wird von Ihrer Seite, mit Sicherheit nicht mehr erfolgen. Es hängt jetzt nur von der Laune des Angreifers ab, wie oft er Sie noch mit Füßen tritt und ob er Ihnen bloß einige Rippen bricht oder Ihren Kopf als Fußball benutzt.
Obschon der Machokampf einem festgelegten Ritual folgt, kann es sein, dass der Stoß zur Brust wegfällt und gleich der Schwinger zum Kopf erfolgt. Meistens werden Sie sich fragen, was geschehen ist und im Nachhinein annehmen, der Herausforderer hätte ohne Vorwarnung zugeschlagen. Doch dem ist nicht so. Sie wussten nur nicht Bescheid über diese Art der Gewalt und waren somit nicht vorbereitet. Wie Sie sich richtig vorbereiten, wird später aufgezeigt.
Sollten Sie nicht in Angststarre verfallen sein und eventuell dem Herausforderer Paroli geboten haben, indem Sie eine Antwort auf seine Frage gaben oder ihn zurück geschubst haben, so sind Sie dem Machokampf auf den Leim gegangen. Es wird nicht als Selbstverteidigung gelten, sondern die Zeugen werden erklären, dass beide sich geschlagen haben.
Um zu einer Gruppe zu gehören, muss man sich den Regeln der Gruppe unterwerfen. Man muss beweisen, dass man loyal ist und auch bereit ist, sich für die Gruppe einzusetzen. Gruppen gibt es viele. Dies sind nicht nur die sogenannten Jugendbanden, sondern jegliche Form von Zusammenschlüssen von mehreren Menschen, die einem gemeinsamen Zweck dienen. Die Gruppe gibt Sicherheit gegenüber Außenstehenden. Die häufigste Form der Gruppe ist die Familie. Es gibt verschiedene Arten von Gruppengewalt.
1) Die Mitglieder der Gruppe können selbst davon betroffen sein, wenn sie sich gegen die Gruppe wenden oder die Machtverhältnisse innerhalb der Gruppe infrage stellen. Dieses Mitglied wird dann eine Abreibung von der ganzen Gruppe erhalten oder vom Anführer, zwecks Herstellung der Hierarchie, zusammengeschlagen werden. Da der Leser dieses Buches, wohl eher kein Mitglied in einer Straßengang oder ähnlichen Gruppe ist, wo solche Regeln herrschen, wird er auch nicht Gefahr laufen, dieser Art der Gewalt zu begegnen.
2) Dennoch gibt es weitere Gruppengewalt, die gegen Außenstehende gerichtet ist. Die Gruppe möchte nicht, dass ein Unbetroffener sich in die Angelegenheiten der Gruppe einmischt. Polizeibeamte können ein Lied davon singen, wie oft sie zu Vorfällen mit häuslicher Gewalt gerufen werden und wo plötzlich Mann und Frau sich wieder vereinigen, um zusammen gegen die Polizei vorzugehen. Die Polizei wird als Außenstehende angesehen, die sich in die Angelegenheiten der Gruppe einmischt.
Die Gruppe versucht auch ihre eigenen Ideen oder Ideale zu verteidigen. Es wäre also eine schlechte Idee, im Beisein von Fußballfans, gegen deren Verein eingestellt zu sein. Die Gruppe wird auch ihr Territorium verteidigen. Dies können Stadtviertel sein, die von einer bestimmten Bande beherrscht werden oder aber eine Kneipe, in der sich nur Motorradfahrer treffen. Es kann auch nur ein Skatabend unter Freunden sein, wo Sie als Außenstehender aufkreuzen und mitspielen möchten. Sie müssen erkennen, wann eine Gruppe vorhanden ist und sich dieser eventuellen Gefahr bewusst sein. Wie wir später noch sehen werden, ist es am besten, gar nicht erst an solchen Orten zu sein.
3) Es gibt aber auch die Gruppengewalt, die sich aktiv gegen Außenstehende richtet. Hierbei sucht die Gruppe ein Opfer, um ihre Macht zu demonstrieren. Dies rührt daher, dass jedes Gruppenmitglied seine Loyalität und seinen Nutzen gegenüber der Gruppe unter Beweis stellen muss. Somit müssen die Mitglieder zeigen, dass sie bereit sind, für die Gruppe zu kämpfen und deren Macht auszubauen. Um dies zu beweisen, wird nicht ein Mitglied einer anderen Gruppe angegriffen, denn dies würde zu einem endlosen Kampf zwischen diesen Gruppen führen. Es wird vielmehr ein Opfer gesucht, das zufällig für eine Machtdemonstration zur Verfügung steht. Hierbei wird nicht wie beim Machokampf vorgegangen, da es nicht darum geht den Status der Gruppe gegenüber dem Angegriffenen zu behaupten. Die Gruppenmitglieder wissen, dass sie auf einer höheren Stufe stehen und dass es kampftechnisch keine Leistung ist, zu mehreren, eine Einzelperson niederzuschlagen. Es geht allein darum, dass die einzelnen Mitglieder bereit sind, für die Gruppe zu kämpfen und dies auch beweisen. Deshalb ist diese Art der Gewalt eine der gefährlichsten. Jedes Mitglied will Sie wenigstens einmal schlagen oder treten und das Ganze kann derart eskalieren, dass ein Mitglied dem anderen zeigen möchte, dass er sich noch mehr für die Gruppe einsetzt, also, Sie noch mehr zusammenschlägt.
Zwei andere Faktoren spielen eine entscheidende Rolle, wieso Gruppengewalt überaus brutal sein kann. Die einzelnen Gruppenmitglieder sind sozusagen anonym. Sie gehen in der Masse unter und passen sich der Masse an. Da alle anderen auf Sie einschlagen, scheint es logisch richtig zu sein, auch auf Sie einzuschlagen. In ihrem Referenzrahmen ist diese Gewalt scheinbar normal und wird somit auch ausgeübt. Ein ähnlicher Effekt tritt auf, wenn Sie eine Gruppe Leute um Hilfe bitten. Höchstwahrscheinlich wird keiner eingreifen. Es hat nur teilweise damit zu tun, dass den Leuten die Zivilcourage fehlt. Dies entspringt größtenteils direkt deren Umfeld. Jeder Einzelne weiß nicht, wie er reagieren soll. Also schaut er sich die Leute an, die danebenstehen und stellt fest, dass diese nichts tun. Daraus schlussfolgert er, dass Nichtstun eine richtige und akzeptable Reaktion, in der für ihn unbekannten Lage ist.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Entmenschlichung, die von der Gruppe ausgeht. Diejenigen, die zu einer Gruppe gehören, haben die gleichen Ideale und Feindbilder. Deren Feinde werden gehasst, wegen ihrer Hautfarbe, Religion, Neigungen oder auch nur deshalb, weil sie einer anderen, konkurrierenden Gruppe angehören. Sie werden als minderwertig und abartig angesehen und mit tierischen Namen oder anderen Schimpfwörtern belegt. Für die Gruppenmitglieder sind die Feinde keine vollwertigen Menschen, sondern nur abartiger Dreck. Diese Entmenschlichung steigert die Gewalt, denn es ist wesentlich leichter, abartigen Dreck zusammenzuschlagen und zu beseitigen, als einen ebenbürtigen Menschen aus Fleisch, Blut und Gefühlen.
Diese Art der Gewalt wird auch von Gruppenmitgliedern verübt, allerdings nicht von der Gruppe als Ganzes, sondern von einer einzelnen Person. Dem Mitglied geht es darum zu zeigen, wie gefährlich er ist. Er will den anderen beweisen, dass er leicht verrückt ist und dass man ihn deswegen fürchten muss. Er will sich einen Namen machen. Er wird sich also auch ein Opfer aussuchen, um seine Gewaltdemonstration zu zeigen. Das Opfer muss nicht seinesgleichen sein, denn brutalisiert der Angreifer eine Frau oder gar ein Kind, zeigt dies, dass er rücksichtslos und gefährlich ist. Es kann sogar so weit führen, dass der Angreifer eine Waffe einsetzt, um das Opfer zu verletzen oder zu töten. Denn auch dies wird ihm, innerhalb der Gruppe, Respekt einbringen. Dieser Angriff kann somit sehr gefährlich werden und wird nicht den Stufen des Machokampfes folgen.
Der Mensch gehört zu den Raubtieren, die auf Jagd nach Beute gehen. Als Räuber bezeichnen wir, im Zusammenhang mit der gegen Menschen gerichteten Gewalt, jene Mitglieder unserer Gesellschaft, die nach materieller oder menschlicher Beute Ausschau halten. Die Beute liegt aber nicht einfach so herum, sondern muss erkämpft werden. Der Räuber hat gelernt, dass er nur dann Erfolg haben wird, wenn er sich gut vorbereitet. Somit wird er sein Territorium genau kennen. Er weiß, wo er sich verstecken muss, sodass seine Beute ihn nicht sieht. Er weiß, zu welchem Zeitpunkt seine Chancen am größten sind. Er wird den Zeitpunkt und die Distanz bestimmen, aus der er angreifen wird. Er hat sich eine Taktik ausgelegt, die zum Erfolg führen soll. Durch Erfahrung wird er diese immer wieder verfeinern und den Gegebenheiten anpassen. Er wird auch nicht zufällig zuschlagen, sondern seine Beute beobachten und den geeignetsten Moment auswählen. Dann schlägt er ohne Vorwarnung zu. Es geht ihm nur darum seine Beute, möglichst risikolos zu erhalten. Genauso wie ein Löwe nicht eine Beute aussucht, bei der er Gefahr geht, sich zu verletzen, wird auch unser Räuber nur dann und dort zuschlagen, wo alles nach seinem sicheren Erfolg aussieht. Der Angriff wird immer überraschend für Sie erfolgen, da der Räuber Sie schon eine Zeit lang beobachtet und nur dann zuschlägt, wenn er Sie überraschen kann. Andernfalls wird er bereits im Vorfeld, eine andere Beute auswählen.
Es gibt zwei Arten von Räubern, respektive zwei Arten von Beute, an denen die verschieden Typen von Räubern interessiert sind.
Erstere sind die Räuber, die finanzielle Vorteile suchen. Es sind also die typischen Räuber, die mit Gewaltandrohung oder Gewaltausführung versuchen, dem Opfer etwas Wertvolles zu stehlen. Die Beute ist somit das Materielle und Sie stehen zwischen dem Räuber und der eigentlichen Beute. Meistens ist diese Art der Räuber zufrieden, wenn sie die Beute erlangen und sehen wenig Sinn darin, Sie ernsthaft zu verletzen, außer Sie würden ihnen erschweren, die Beute zu erlangen. Bei dieser Art des Räubers ist es also das Sicherste, ihm die Beute zu überlassen.
Bei der zweiten Art der Räuber geht dies nicht. Denn die Beute sind Sie. Es geht nicht darum, Ihnen etwas zu stehlen, sondern Ihnen etwas zuzufügen. Es handelt sich hierbei um Mörder, Serienkiller und Vergewaltiger. Der Räuber wird meistens versuchen Sie zu isolieren, um sein Ziel zu erreichen. Entweder durch Androhung von Gewalt oder mit List und Freundlichkeit wird er versuchen, Sie an einen Ort zu zwingen oder zu locken, wo er alleine mit Ihnen ist. Spätestens jetzt wird er gewalttätig werden und Sie eventuell umbringen. Sobald also ein Räuber dazu übergeht, Sie an einen anderen Ort zu lotsen, können Sie vom zweiten Typus ausgehen. An diesem zweiten Ort wird es auch schwieriger für Sie, sich zu verteidigen, denn dieser Ort wurde vom Räuber ja schon im Vorfeld ausgesucht, um ihm sein Vorhaben zu erleichtern.
Meistens treten die Räuber alleine auf, können aber auch in der Gruppe vorgehen. Hierbei entsteht dann noch die Gefahr, dass Gruppengewalt, wie unter 1.2 beschrieben, entsteht.
Wird eine Ratte in die Enge getrieben und sieht keinen Ausweg mehr, so springt sie dem Angreifer ins Gesicht. Sie wird kämpfen und es spielt dabei keine Rolle, ob der Angreifer viel stärker oder größer ist. Bei Menschen kann das Gleiche geschehen. Manche werden sich ihrem Schicksal ergeben und resignieren, andere werden mit dem Mut der Verzweiflung kämpfen. Eigentlich wollten diese Angreifer ursprünglich keine Gewalt anwenden, aber die Situation hat sie dazu getrieben. Diese Gewalt wird sich gegen Sie wenden, wenn Sie derjenige sind, der den späteren Angreifer in Zugzwang bringt. Sollten Sie Ihr Gegenüber provozieren oder verleumden, so kann es sein, dass dieser keinen anderen Rat weiß, als Sie zu schlagen. Seien Sie sich also immer bewusst, was Sie sagen und lassen Sie Ihren Mitmenschen die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, ohne dabei ihr Gesicht zu verlieren. Wenn Sie sich bei solch einem Angriff wehren, wird dies auch nicht als Notwehr ausgelegt, da Sie selbst, zur Entstehung beigetragen haben.
Es können jedoch auch Situationen entstehen, die von Ihnen indirekt herbeigeführt werden und wo eine Verteidigung Ihrerseits, dennoch als Notwehr zählt. Zum Beispiel, Sie wachen in der Nacht auf, da Sie ein Geräusch im Haus gehört haben. Sie gehen nachsehen und in dem Moment, in dem Sie in ein Zimmer eintreten, befindet sich dort ein Einbrecher. Da die Tür, in der Sie gerade stehen, der einzige Fluchtweg aus dem Zimmer ist, muss der Einbrecher an Ihnen vorbei und er wird Sie angreifen. Dies wird eine Notwehrsituation für Sie. Bedenken Sie, dass Sie in jeder Notwehrsituation auch selbst verletzt werden können. Somit wäre die bessere Lösung gewiss gewesen, wenn der Einbrecher einfach weggelaufen wäre. Aber diese Möglichkeit haben Sie, durch unbewusstes Versperren des Fluchtweges, verhindert.
Diese Art von Gewalt ist nicht vom Angreifer geplant und ergibt sich spontan. Es ist in diesem Fall jedoch immer so, dass der Angreifer Zeit braucht, um seine Aktion, die für ihn selbst ja unerwartet ist, zu starten. Es bleibt Ihnen also Zeit, um in irgendeiner Art zu reagieren. Sie müssen sich nur bewusst sein, dass diese Art von Gewalt situationsbedingt entstehen kann und Sie diese somit vermeiden können.
Überfälle geschehen dort, wo die örtlichen Bedingungen gegeben sind. Die Bewegungsfreiheit wird eingegrenzt sein. Es gibt nur einen Fluchtweg, der blockiert werden kann. Es wird für den Angreifer ein Leichtes sein, die für ihn günstige Distanz auszuwählen. Sie müssen lernen, solche Orte zu identifizieren, um nicht in eine Falle zu laufen. Viele dieser Orte sind allgemein bekannt, wie Parkhäuser, Stadtpark oder Unterführungen. Sie werden diese Orte nachts wohl automatisch meiden und am Tag, die nötige Vorsicht walten lassen. Vermeiden Sie es auch, beim Stadtspaziergang, an den Hauswänden entlang zu schlendern. Sie könnten bei Türöffnungen oder Garageneinfahrten von einem Angreifer überrascht werden. Sie sollten deshalb auch immer außen auf dem Bürgersteig um eine Hausecke gehen. So können Sie nicht sofort von demjenigen angefasst werden, der hinter der Ecke lauert.
Es gibt auch solche Orte, an denen Sie gezwungen sind, am potenziellen Gewalttäter vorbeizugehen. So kann es sein, dass dieser an der Bushaltestelle so steht, dass Sie, um zum Bus zu gelangen, an ihm vorbei müssen. Oft wird dies von halbstarken Jugendlichen praktiziert, die möchten, dass Sie Angst haben. In diesem Fall sollten Sie den oder die Täter bewusst scannen. Starren Sie niemanden in die Augen, sondern schauen Sie, wo alle stehen. Vergewissern Sie sich, dass Sie alle Hände sehen, um zu wissen ob Waffen dort sind. Studieren Sie, welche Fußstellung die Täter eingenommen haben. Senken Sie nicht den Blick, sondern halten Sie die Situation im Auge, ohne auf etwas Spezielles zu starren. Der Täter wird erkennen, dass Sie auf Gefahr vorbereitet sind und somit nach aller Wahrscheinlichkeit, ein leichteres Opfer suchen. Andere Orte sind solche, wo man abgelenkt ist. Beim Einkaufen, bei Besichtigungen, im Freizeitpark, bei Veranstaltungen und überall dort, wo man "Besseres" zu tun hat, als an die eigene Sicherheit zu denken. Dies sind bevorzugte Orte für Taschendiebe. Sollten Sie auch nur kurz abgelenkt sein, so reicht dies aus, Sie um Ihre Wertsachen zu erleichtern.
Frauen müssen sich auch bewusst sein, dass es Orte gibt, an denen man nur in männlicher Begleitung erscheinen sollte. An anderen Orten ist es normal, dass Frauen mit Freundinnen unterwegs sind. Und es gibt wiederum solche Orte, wo eine Frau alleine, als Professionelle angesehen wird, die sich dort aufhält, um Geld zu verdienen. Sollten Sie sich an solch einen Ort verirren und dies dann erkennen, so machen Sie kehrt. Verlassen Sie den Ort, sobald Ihnen aufgefallen ist, dass Sie eine Außenseiterin sind und nicht dorthin gehören. Ignorieren Sie nicht, dass Sie am falschen Ort sind. Beharren Sie nicht auf Ihr Recht dorthin zu gehen, wo Sie wollen. In einer idealen Welt könnte eine Frau auf ihr Recht bestehen und im Badeanzug in eine Rockerbar gehen, ohne dass ihr etwas passieren dürfte. Auch wenn Sie fest von der Gleichberechtigung der Frau überzeugt sind, so vergessen Sie niemals, dass die Rocker eventuell nicht davon überzeugt sind und dass wir nicht in einer idealen Welt leben. Denn dann würde es dieses Buch nicht geben. Ja, ich weiß, dass die meisten Rocker ganz angenehme Zeitgenossen sind, aber irgendeine Gruppe musste ja für dieses Beispiel den Kopf hinhalten.
Und noch ein wichtiger Hinweis. Seien Sie nie überheblich. Zeigen Sie als Außenstehender nicht, dass Sie zu einer vermeintlich besseren sozialen Klasse gehören, mehr verdienen oder sich für gescheiter halten. Denn dann werden Ihnen die Mitglieder der sogenannten unteren Klasse deutlich machen, dass es Ihnen an Lebenserfahrung fehlt, dass Sie ziemlich dumm sind und dass Sie demnächst Ihr besseres Gehalt beim Zahnarzt investieren können. Mit etwas Pech endet Ihre Lebenserfahrung abrupt an jenem Abend. Lernen Sie die Orte zu meiden, an denen Gefahr für Sie besteht.
Noch gefährlicher als der ursprüngliche Ort, an dem Sie den Täter treffen, ist der Ort, an den er Sie hinbringen will. Dies mag durch List oder mit Gewalt geschehen. Wenn Sie in Gesellschaft sind und jemand versucht Sie mit freundlichen Worten einzuladen, ihm zu einem ruhigeren Platz zu folgen, so müssen Sie äußerst vorsichtig sein. Es wurde uns schon als Kind beigebracht, dass wir niemandem folgen sollen. Solange Sie sich bei anderen Leuten befinden, sind Sie in relativer Sicherheit. Lassen Sie sich nicht isolieren, denn dann hat der Täter leichtes Spiel. Es gibt dort niemanden, der Ihnen zu Hilfe eilen oder als Zeuge auftreten kann. Der Gewaltverbrecher wird diesen zweiten Ort vorbereitet haben, sodass er dort seine geplante Tat verüben kann. Hier kann er Sie vergewaltigen, über längere Zeit gefangen halten oder töten. Stellen Sie sich immer die Frage, warum er Sie isolieren und woanders hin locken will. Seien Sie besonders vorsichtig bei Leuten, die Sie noch nicht lange kennen. Sollte der Täter versuchen, Sie mit Gewalt oder Androhung von Gewalt zu einem anderen Ort zu zwingen, so wehren Sie sich. Er tut dies nämlich nicht ohne Grund. An dem Ort, wo Sie sich gerade befinden, kann er sein Verbrechen nicht ausüben. Deshalb muss er Sie dorthin bringen, wo er dies tun kann. An dem Ort wird er sich so organisiert haben, dass alle Vorteile bei ihm liegen. Am ursprünglichen Ort hingegen ist er nicht so gut vorbereitet und musste eventuell improvisieren, um Sie überhaupt bedrohen zu können. Wenn noch andere Leute vorhanden sind, so lassen Sie sich nicht durch Gewaltandrohung einschüchtern. Er versucht die Macht über Sie zu gewinnen, indem er Ihren Willen bricht. Wenn er Ihnen androht, Sie zu töten, wird er dies mit Sicherheit auch an dem Ort tun, wo er Sie hinbringt. Dort ist es viel leichter Sie zu töten, da keine Zeugen vorhanden sind, im Gegensatz zu dem ursprünglichen Ort.
Es ist wichtig, den Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Gewalt zu kennen. Denn Blickkontakt wird den Räuber abhalten zuzuschlagen, da er weiß, dass seine Taktik erkannt wurde. Der gleiche Blickkontakt kann beim Macho-Kampf allerdings in der Katastrophe enden. Gruppengewalt lässt sich oft bereits dadurch vermeiden, dass man die Gruppe erkennt und sich somit der Gefahr entziehen kann, ehe die Gewalt ausbricht.
Es ist auch entscheidend, die eigenen Körperreaktionen richtig einschätzen zu können, worauf im nächsten Kapitel eingegangen wird.
"Das Einzige was wir zu fürchten haben, ist die Furcht." Michel de Montaigne
Sie werden in diesem Kapitel erfahren, was mit Ihrem Körper geschieht, wenn Sie einer Gefahr gewahr werden. Die Körperreaktionen werden natürlich einzig und allein von Ihrem Kopf gesteuert. Es gilt also zu verstehen, auf was Ihr Gehirn bei Gefahr anspricht und wieso dies der Fall ist.
Jeder hat Angst. Der äußerlich cool scheinende Spezialist der Einsatzkräfte verspürt dieses Gefühl genauso wie der Feuerwehrmann, der ein Kind aus dem brennenden Haus rettet. Sie haben also keinen Grund anzunehmen, Sie seien ein Feigling, nur weil Sie Angst haben. Es ist sehr wichtig, dass Sie sich dessen bewusst sind. Angst ist von der Natur gewollt und angeboren. Dieses Gefühl soll uns beim Überleben helfen. Unsere Vorfahren empfanden Angst beim Anblick eines Säbelzahntigers. Dies löste den Fluchtinstinkt aus und ermöglichte deren Überleben. Um schneller flüchten zu können, wurde jeglicher Körperballast abgeworfen. Das Einzige was der Körper bei einer Flucht nicht benötigt, ist Kot und Urin. Dies lenkt zusätzlich den Verfolger ab, denn wer jagt schon gerne einem stinkenden Essen nach. Es gibt in der Tierwelt sehr viele Exemplare, die bei Gefahr eine stinkende Flüssigkeit absondern. Diese Körperreaktion, die direkt zusammen mit dem Gefühl der Angst auftritt, wurde von unserem Unterbewusstsein beibehalten. Der Unterschied zu unseren Vorfahren besteht allerdings darin, dass wir meistens eine Hose anhaben. Die direkte Konsequenz davon ist, dass wir uns die Hose voll scheißen oder pissen. Seien Sie versichert, dass dies auch Profis geschieht. Aus Studien geht hervor, dass ein Großteil der Soldaten, die in ein Feuergefecht geraten, sich die Hose voll machen. Dies mag in der Öffentlichkeit wenig bekannt sein. Der Grund liegt darin, dass kein Kriegsheld zu Hause seinen Freunden oder später seinen Enkelkindern erzählen wird, dass er sich in die Hose gepisst hat. Die Zuhörer würden dies sowieso nicht verstehen, da sie selbst nie in solch einer Situation waren. Dies ist auch einer der Hauptgründe, warum wir so wenig über die Gefühle derjenigen erfahren, die wirklicher Gefahr ausgesetzt waren. Der Überlebende der Extremsituation ist sich bewusst, dass ein Außenstehender ihn nie richtig verstehen wird und seine Gefühle nicht begreifen kann. Es ist halt ganz anders, als Hollywood uns dies eintrichtert.
Doch zurück zu dem ungewollten Entleeren der Blase. Profis, die wissen, dass gleich ein Kampf bevorsteht, werden vorher noch schnell zum WC gehen. Doch dies wird für Sie nicht möglich sein, wenn Sie plötzlich angegriffen werden. Deshalb sollten Sie darauf gefasst sein, dass auch Ihr Körper, sich auf eine etwaige Flucht vorbereiten will. Dies ist kein Anzeichen von Schwäche. Sie müssen diese Körperreaktion kennen. Sie können genauso gut mit einer nassen Hose laufen oder kämpfen, als mit einer trockenen. Diese Angstreaktion ist normal. Es besteht kein Grund zu glauben, Sie hätten dermaßen Angst, dass Sie nicht mehr zu einer Reaktion fähig wären. Wenn Sie verstehen, dass Angst und Ihre Folgen normal sind, ist es auch möglich, diese zu überwinden. Andernfalls werden Sie durch dieses Gefühl erdrückt und sind nicht zu einer Gegenwehr fähig. Sie erstarren. Doch dazu später mehr.
Angst wird teilweise durch Erziehung noch verstärkt. Wenn Ihre Mutter Ihnen beibringt, dass Spinnen zu fürchten sind, so werden Sie diese auch fürchten. Hätten Sie allerdings bereits als Kind, zusammen mit Ihrer Mutter, Spinnen über Ihren Arm laufen lassen, würden Sie auch jetzt keine Angst vor diesen Achtbeinern haben. Während Ihrer Kindheit wurden Ihnen eine Menge Dinge beigebracht, vor denen Sie sich hüten sollen oder auf die Sie besonders achten müssen. Dies kann nützlich sein, wenn es sich um reale Gefahren handelt, wie zum Beispiel Feuer. Hierbei haben Sie mit der Zeit durch Erfahrung gelernt, dass Sie keine Angst mehr haben müssen, wenn Sie gewisse Vorsichtsmaßnahmen walten lassen. Bei anderen Dingen ist es Ihnen eventuell nie gelungen, Ihre Angst zu überwinden, da Sie sich nie richtig damit auseinandergesetzt haben oder keinen direkten Kontakt damit hatten. Die Medien haben auch einen nicht unerheblichen Einfluss auf unser Angstempfinden. Durch verkaufsteigerndes Hochspielen verschiedener Gewaltverbrechen wird die Angst der Verbraucher noch geschürt. Sie bekommen den Eindruck, Sie könnten sich nicht wehren. Doch dem ist nicht so.