Heinz & Adrian Gmelch

Der geheimnisvolle
Laden

Roman

Books on Demand

Das Buch

Zwei neugierige Freunde, das schönste Mädchen der Schule, ein durchgeknallter Geschichtslehrer, drei fiese Schlägertypen und ein mysteriöser Kachelofenladen – das sind die Zutaten für einen Jugendkrimi, bei dem sich Spaß und Spannung die Waage halten.

Die Autoren

Heinz Gmelch, geboren 1962 in München, zwei Kinder, darunter Adrian Gmelch. Studium der Politikwissenschaft, Germanistik und Theaterwissenschaft, Promotion. Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Verlagslektor, Publizist, Dozent in der politischen Erwachsenenbildung und als Werbetexter.

Adrian Gmelch, geboren 1993 in Rosenheim. Studium der Politikwissenschaft mit Schwerpunkt deutsch-französische Beziehungen. Wikipedia-Autor, Kurzfilme, literarische Beiträge in Anthologien.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Manchmal könnte ich meine kleine Schwester einfach erwürgen! „Tom, steh’ endlich auf, es ist schon halb acht. Mama wird sonst wirklich böse!“

Irgendwie scheint es ihr echt Spaß zu machen, mich rumzukommandieren. Sie soll sich doch bitte um ihre eigenen Sachen kümmern. Leider macht sie das ja auch. Wie aufgeräumt es in ihrem Zimmer aussieht. Einfach abartig!

„Ja, ja. Lass mich in Ruhe, du Nervensäge. Ich komme schon.“ Halb acht. Das war wirklich spät. Und dann hatten wir auch noch Mathe in der ersten Stunde. Ich sprang aus dem Bett, hechtete auf den Schrank zu und riss die Tür auf. Verdammt, wo war meine neue Levi’s-Jeans? Ausgerechnet heute wollte ich mich mit Jenny treffen. Ich überlegte fieberhaft. Ja, genau! In der Wäsche. Ich sprintete ins Bad und wühlte im Wäschekorb.

„Na, begrüßt man nicht erst einmal seine Mutter, Tommy?“

Warum musste sie mich immer „Tommy“ nennen? Ich war doch schon fast so groß wie sie. Na, egal, jedenfalls hatte ich meine Jeans gefunden.

„Morgen, Mami!“, murmelte ich.

Neben meiner hellblauen Jeans entdeckte ich noch mein Lieblings-T-Shirt. Es hatte die Farbe eines getrockneten Apfelrings und fünf rote Streifen, die quer über die Vorderseite liefen und aussahen, als hätte eine überdimensionale Katze ihre Krallen über meine Brust gezogen. Leider war es schon drei Tage alt, aber mit ein bisschen Deo würde es noch gehen. Ich packte die Hose, das T-Shirt sowie das Adidas-Deo und rannte den Gang entlang in mein Zimmer. Nachdem ich mich angezogen hatte, hörte ich meine Mutter rufen: „Mach dir ein Pausenbrot! Ich muss jetzt gehen! Tschüss, Tommy und mach’s gut in der Schule.“

„Ja, in Ordnung! Ciao!“, antwortete ich. Doch meine Mutter war schon weg.

Ich ging in die Küche, um ein Nutellabrot zu frühstücken, und erblickte meine Schwester dabei, wie sie für die Schule noch etwas lernte.

„Oh, Mann“, dachte ich, „was ist Sarah doch für eine Streberin. Sie lernt von morgens bis abends – pausenlos.“

Meine Schwester hat langes, pechschwarzes Haar und grüne Augen. Nicht so wie ich. Ich habe kurze, strohblonde Haare, die ich mir meistens hochgele, und blaue Augen, genau wie meine Mutter.

„So, ich geh‘ jetzt“, sagte Sarah und packte ihre Schulsachen. „An deiner Stelle würde ich mich beeilen, sonst kommst du schon wieder zu spät zur Schule.“

„Schon wieder!“, sie tat ja gerade so, als käme ich immer zu spät zum Unterricht. Aber heute war ich wirklich spät dran. Ich schlang mein Brot hinunter und lief ins Bad, um mich noch ein bisschen zu stylen. Jenny sollte sehen, was für ein toller Typ ich war. Ich sprühte mich mit einem Parfum ein, das ich mir extra für ihre feine Nase gekauft hatte, und warf nebenbei einen Blick auf meine Uhr. Zehn vor acht! Mist. Ich hörte meine Schwester rufen: „Tschüss! Und komm nicht zu spät zur Schule.“

„Ja, ja“, antwortete ich. Wie machte sie es nur immer, pünktlich um zehn vor acht die Wohnung zu verlassen? Chris wartete bestimmt schon auf mich. Ich riss meine Jacke vom Haken und schlüpfte in meine Schuhe, ohne sie zu binden. Kurze Zeit später schlug ich die Wohnungstüre zu und stürmte die Treppe hinunter.

Auf halbem Weg trat ich auf mein Schuhband, und nur weil ich mich am Geländer festhalten konnte, fiel ich nicht auch noch kopfüber die Stufen hinunter. Draußen regnete es, und ich hatte keinen Schirm dabei. Der Tag fing ja gut an! Ich rannte mit der Schultasche auf dem Kopf los. Chris wartete nicht mehr wie sonst an der Ecke auf mich, sondern war schon losgegangen. Ich sah ihn einige Häuser weiter in Richtung Schule gehen. Rufend lief ich hinter ihm her. Er blieb stehen und drehte sich um. Seine kurzen braunen Haare waren schon ganz nass und klebten am Kopf. Er trug eine ausgebeulte Jeans und eine rote Sportjacke. Im Gegensatz zu mir war Chris sehr sportlich – das sah man ihm auch an. Mich erinnerte er immer an einen Footballspieler, wegen seiner stämmigen Figur. Er ist nicht sehr schlank, obwohl er viel Sport treibt.

„Hey, du altes Murmeltier. Verschlafen, was?“, begrüßte mich Chris. „Oder bist du unterwegs in eine Pfütze getreten und abgetaucht?“

„Ha, ha, sehr lustig“, erwiderte ich.

„Jetzt aber mal im Ernst! Hast du dich für Jenny so schön gemacht?“, fragte Chris. Auf seinen Lippen konnte ich ein Grinsen ablesen.

„Sei still! Komm, wir müssen jetzt gehen, sonst flippt Frau Arge noch aus.“

„Ja, ja!“

Wir liefen schweigend nebeneinander her. Ich trat in eine tiefe Regenpfütze. Das schmutzige Wasser spritzte auf meine Jeans. Verdammter Mist! Meine Arme wurden vom Schultaschentragen total schlaff. Ich nahm meine Tasche vom Kopf herunter und schaute hoch. Wir befanden uns nur noch zwei Blocks von der Schule entfernt. Drei nach acht. Noch zwei Minuten. Wir konnten es schaffen. Neben uns sah ich den Kachelofenladen. Schon wieder war niemand drin. Es war so seltsam. Seit dieser Laden vor zwei Monaten eröffnet wurde, hatte ich noch nie jemanden darin gesehen.

„Chris! Da ist schon wieder keiner da!“, rief ich ihm zu. Er befand sich einen Meter vor mir und rannte verdammt schnell.

„Ja, ich hab’s gesehen!“, antwortete Chris, während er stehenblieb und sich umdrehte. „Lass uns weiter gehen, wir sind sowieso schon zu spät.“

Mit einer schwungvollen Handbewegung nahm ich die Tasche und legte sie wieder auf den nassen Kopf.

Wir liefen weiter und sahen das Schloss, so nannten die Schüler spaßeshalber das Gymnasium. Es sah auch wirklich sehr imposant aus, ein riesiger Altbau mit hohen Fenstern, Türen und Decken und unheimlich langen Fluren.

Wir hatten es fast geschafft, uns trennten nur noch wenige Schritte von der Schule, doch meine Erleichterung war wie weggeblasen. Wir erblickten vor uns drei furchteinflößende Typen, die vor dem Eingang zum Schulhof standen. Der eine hatte langes dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und leuchtend grüne Augen. Sein Nacken war breit wie der eines Stiers. Der andere trug eine Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen. Auf seinem Pullover stand in großen Druckbuchstaben geschrieben: „Ich fresse kleine Kinder!“ Und darunter prangte ein Totenkopf.

Der dritte blickte uns grimmig mit seinen schwarzen Augen an. Sein Gesicht war voller Narben. Er sah böse aus – verdammt böse.

„Hey! Schau mal die da an!“, flüsterte ich Chris zu. „Ich glaube, sie kommen auf uns zu!“

Kapitel 2

„Na, ihr zwei Penner. Habt ihr mal ’nen Regenschirm für uns?“ Der mit dem Stiernacken fragte uns scheinheilig lächelnd. Beinahe hätte ich losgelacht, denn Stiernacken sah zwar recht gefährlich aus, hatte aber eine Fipsstimme wie Micky Maus.

„Nein, tut mir leid“, erwiderte ich sachlich. „Schau doch, wir sind ja selbst ganz nass.“

„Ach was“, mischte sich das Narbengesicht ein, „und was ist mit der Schultasche auf deinem Kopf?“

Oh, Scheiße. Die wollten mir doch nicht die Schultasche wegnehmen. Das wäre ja die reinste Katastrophe. Wie sollte ich denn Frau Arge erklären, dass ich die Hausaufgaben nicht dabei hatte?

„Die brauche ich selbst noch“, sagte ich tapfer. „Und jetzt müssen wir in die Schule. Wir sind schon verdammt spät dran. Habt ihr denn ’ne Frei-stunde?“ fragte ich nach. Vielleicht mussten die Typen ja auch in die Schule. Doch die drei grinsten sich nur an.

„Schule ist doch was für Blödmänner“, meinte der mit dem Stiernacken. „Und jetzt gib schon her.“ Er griff nach meiner Tasche.

„He, lass ihn in Ruhe“, schrie Chris und baute sich vor ihm auf. „Sonst bekommst du’s mit mir zu tun.“

Stiernacken ließ meine Tasche los und sah Chris entgeistert an. „Riskier bloß keine Lippe, Kleiner“, fiepte er mit seiner hohen Stimme und schubste Chris zur Seite.

Gleich wären die beiden auf einander losgegangen, doch da kam Hausmeister Haller ans Schultor und rief in Richtung des Schlägertrios: „Was ist denn hier los?! Ihr habt doch Hausverbot. Wenn ihr nicht sofort verschwindet, hole ich die Polizei! Und ihr zwei, schaut, dass ihr in die Schule kommt, der Unterricht hat schon längst begonnen!“

Das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und nutzten die Gelegenheit, ins Schloss zu verschwinden.

„Danke“, murmelte ich Chris zu.

„Keine Ursache“, antwortete er. „Die hätten doch keine Chance gehabt.“ Chris war einfach ein unverbesserlicher Optimist!

Wir rannten durch die Aula, die Treppe hoch, die großen Gänge entlang bis zu unserem Klassenzimmer. Klar, die Tür war schon zu! Mist. Wir blieben kurz stehen, sahen uns an und atmeten tief durch.

„Du entschuldigst uns heute“, legte Chris fest. Widerspruch war in solchen Fällen zwecklos.

„Also gut“, sagte ich. „Aber nur, weil du meine Schultasche gerettet hast.“

Kapitel 3

Ich drückte die Klinke herunter, öffnete die Tür und blickte in 25 interessierte Augenpaare. Am weitesten waren wohl die Augen von Frau Arge aufgerissen. „Es ist schon zehn nach acht! Wo kommt ihr denn so spät her?“, fragte sie mit einem unschönen Unterton in der Stimme.

„Ähm“, fing ich an. „Wir wären ja rechtzeitig gekommen, wenn uns nicht vor der Schule drei Schlägertypen aufgelauert hätten, die mir meine Schultasche wegnehmen wollten. Wir mussten mit ihnen kämpfen und Chris hat sie in die Flucht geschlagen. Wenn Sie’s nicht glauben, fragen Sie den Hausmeister. Der hat alles beobachtet.“

Ich weiß schon, ich hatte etwas übertrieben, aber es diente ja einer guten Sache.

„Ihr und drei Schläger in die Flucht geschlagen? Da muss ich ja lachen!“, meinte Leon aus der hintersten Reihe. Die halbe Klasse fing an zu prusten, aber mit einer kurzen, scharfen Handbewegung sorgte Frau Arge für Ruhe.

„Ich werde der Sache nachgehen“, sagte sie knapp. „Und jetzt setzt Euch auf Eure Plätze und holt die Hausaufgaben raus.“

Das ließen wir uns nicht zweimal sagen, verschwanden schnell in unsere Bank und versuchten, unauffällig in der Masse unterzutauchen. Ich legte meine Schulsachen auf den Tisch und tat so, als würde mich jetzt wirklich nichts mehr interessieren als die Lösung der Mathe-Hausaufgaben. Aber ich muss sagen, dass ich dann doch schnell einen Blick nach hinten links warf, wo Jenny saß und mich angrinste. Ich musste einen traurigen Anblick abgeben, so mit nassen Haaren, schmutziger Jeans und einer kleinen Pfütze zwischen den Schuhen. Ich fuhr mir durchs Haar, um ein wenig für Ordnung zu sorgen. Doch Frau Arge musste diese Geste missverstanden haben.