Backgammon ist den Deutschen, was den Russen das Schachspiel ist. In den letzten Jahren hat sich die Liebe zu diesem Spiel in erstaunlicher Weise verbreitet.
Kein Wunder. Es ist mindestens zweitausend Jahre alt. Bereits der römische Kaiser Claudius war ein begeisterter Freund des «Tabula», wie es damals hieß. Während des Mittelalters war es unter dem Namen «Nard» Topfavorit bei den Arabern. Die moderne Backgammon-Welle begann Anfang des Jahrhunderts in London, wo die Künstler es als eine beliebte Freizeitbeschäftigung entdeckt hatten…
Im Laufe dieser langen Zeit ist es in immer neuen Konjunkturen verändert, verwässert und verbessert, sind neue Varianten erfunden worden. Der Eingeweihte kann also auf dem Backgammon-Brett viele Spiele spielen.
Hier sind die Spielregeln, Taktiken und Finessen für die schönsten Spiele auf dem Brett mit den 24 spitzen Dreiecksfeldern. Dazu einige Erfindungen des Autors selbst.
Frisches Blut für die Backgammon-Leidenschaft: Wer Backgammon liebt, braucht dieses Buch.
Matthias Mala, Jahrgang 1950, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitet seit 1977 als freier Spieleerfinder und Schriftsteller. Er schrieb Hörspiele, Comicspiele, mehrere esoterische und Kinderbücher sowie bislang acht Spielebücher. Matthias Mala lebt in München.
Für meinen Freund Mehmet,
der mich lehrte,
daß Tavla mehr ist als Backgammon.
Um Mißverständnisse zu vermeiden, gleich zu Anfang eine Klarstellung: Nicht alles, was wie Backgammon aussieht, ist auch Backgammon!
Backgammon ist nur eines von vielen möglichen Spielen auf dem Backgammon-Brett. Und auch diese Aussage ist noch nicht ganz korrekt, denn das «Backgammon-Brett» hat viele Namen. So war es beispielsweise hierzulande, bevor das Backgammon-Spiel zu Beginn der siebziger Jahre populär wurde, gut drei Jahrhunderte lang als Puffbrett bekannt, und man spielte vornehmlich Puff und Tricktrack darauf, zwei Spiele, die Sie auch in diesem Buch wiederentdecken können.
Im niederdeutschen Sprachraum sprach man hingegen überwiegend vom Verkeer-Spiel oder Verkeer-Borretje und meinte damit die Spielfläche auf der Rückseite des Schachbretts. Denn – so war es das Mittelalter hindurch bis in die Renaissance der Brauch – die Oberfläche war dem königlichen Schach beziehungsweise dem Damespiel vorbehalten.
Vielleicht ist es diese «Zurücksetzung», die manche Autoren von Backgammon-Büchern der jüngeren Zeit dazu verleitete, Backgammon zum ältesten bekannten Spiel der Welt zu erklären. Als Beweis führen sie ein Würfelspiel an, das rund 5000 Jahre alt ist. Britische Archäologen fanden es als Grabbeigabe im königlichen Gräberfeld der sumerischen Stadt Ur. Heute ist das wertvolle Stück (s. S. →) im Britischen Museum in London ausgestellt.
Ja, und wer es dort gesehen hat, wird dabei allenfalls an ein Gänsespiel (das ist die Gattungsbezeichnung für Würfelrennspiele) erinnert. Die dahinter vermutete Ähnlichkeit mit Backgammon-Spielen ist äußerst spekulativ und durch nichts belegt.
Dabei sind Backgammon-Spiele in der Tat sehr alt. Die nachweisbaren Wurzeln reichen bis ins antike Griechenland und Rom kurz vor der Zeitenwende. Damals wurde ein Brettspiel namens Ludus Duodecim Scriptorum viel gespielt, von dem man mit Fug behaupten kann, daß es der Vorläufer des Backgammon war. Das Spielbrett war bereits am Brettrand in zwölf gleichartige Sektoren eingeteilt, nur kam im Gegensatz zum heute bekannten Backgammon-Brett noch ein zwölfteiliges Mittelfeld hinzu. Allein in Rom wurden bis dato mehr als hundert dieser alten Spielbretter aus dem Schutt der Antike geborgen. Fast alle weisen die gleiche Spielfeldeinteilung auf, jedoch sind sie sehr unterschiedlich gestaltet. Die Bemalung reicht von geometrischen Symbolen über stilisierte Pflanzenteile bis zu erotischen Zeichen. Sehr beliebt waren als Spielfeldmarkierungen auch mehr oder minder originelle Sinnsprüche aus sechs Wörtern mit jeweils sechs Buchstaben. So lautet etwa der in der Zeichnung auf S. 11 festgehaltene Spruch eines antiken Spielbretts:
Jagen, baden,
Spielen und lachen,
Das ist Leben!
Damit Sie erahnen können, wie auf diesem Ludusbrett gespielt wurde, sei hier ein Spiel wiedergegeben, das ein unbekannter spanischer Autor in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Auftrag von Alfons X., König von Kastilien, in einer wunderschönen Inkunabel festgehalten hat. In diesem 98 Seiten umfassenden Werk beschreibt er die gängigen Brettspiele seiner Zeit, unter anderem auch 15 Spiele auf dem Alea-Brett, wie das Backgammon-Brett damals in Spanien genannt wurde.
Sechs-As ist eines jener 15 Spiele. Und es scheint sich dabei um ein Ludus-Duodecim-Scriptorum-Spiel zu handeln, das sich bis in die damalige Zeit erhalten hatte. Ein sicheres Indiz dafür ist unter anderem, daß beim Würfeln die 3 und 4 nicht gezählt wurden. Was darauf schließen läßt, daß zu diesem Spiel ursprünglich mit Gelenkknöchelchen von Schafen gewürfelt wurde, welche nur vier spielverwertbare Seiten aufweisen.
Für Sechs-As benötigen Sie:
Hier die Regeln für zwei Personen:
Stellen Sie Ihre Spielsteine in der Brettmitte einander gegenüber am Ihnen jeweils zugewandten Brettrand auf. Die Steine müssen sich farblich nicht unterscheiden.
Spielziel ist, alle Steine von Ihrer Seite wegzuspielen. Dazu werfen die Spieler abwechselnd mit beiden Würfeln. Die geworfenen Augen werden allerdings nicht gezogen, sondern folgendermaßen gesetzt:
1 = Sie dürfen einen Stein auf die gegnerische Seite setzen.
6 = Sie dürfen einen Stein vom Brett und damit aus dem Spiel nehmen.
5 = Sie legen einen Stein in die Spielfeldmitte, den Pott.
2 = Sie müssen einen Stein aus dem Pott nehmen und in Ihre Reihe legen.
3 und 4 sind neutral.
Die geworfenen Augen können nicht addiert werden. Sie müssen also für jeden Würfel einen Zug machen. Züge, die nicht ausgeführt werden können, verfallen. Werfen Sie einen Pasch, also zwei gleiche Würfelaugen, so dürfen Sie noch einmal werfen. Ausgenommen hiervon ist jedoch der Zweier-Pasch, bei dem Sie nicht nachwerfen dürfen. Kann ein Wurf nur noch auf einen Stein verteilt werden, zum Beispiel 6 und 5, so muß die höhere Zahl zuerst gesetzt werden.
Konnten Sie alle Ihre Steine von Ihrer Seite wegspielen, haben Sie jedoch noch nicht gewonnen. Sie bleiben dann nämlich noch so lange im Spiel, bis Sie eine 6 geworfen haben. Ist dann Ihre Brettseite immer noch frei, sind Sie der Sieger.
Wollen Sie zu viert spielen, stellen Sie die Steine wie in der Abbildung oben auf. Gewürfelt wird reihum gegen den Uhrzeigersinn. Die Regeln bleiben die gleichen, nur daß Sie bei einer 1 nicht Ihrem gegenübersitzenden Mitspieler einen Stein in die Reihe setzen, sondern Ihrem Gegner zur Rechten.
Kurz nach der Zeitenwende setzte sich in der High-Society des alten Rom eine Fortentwicklung des Ludus Duodecim Scriptorum durch; als Tabula war es bald in aller Munde. Der römische Geschichtsschreiber Gajus Suetonius erwähnt beispielsweise in seiner Biographie der ersten zwölf römischen Kaiser, daß Kaiser Claudius von diesem Modespiel derart angetan war, daß er ein eigenes Buch über Tabula verfaßte. Und da Tabula, wie Sie weiter unten feststellen können, bereits ein echtes Backgammon-Spiel war, wäre Kaiser Claudius demnach gewissermaßen auch der erste moderne Spielebuchautor.
Leider ist sein Werk, wie fast alle seine Schriften, früh verschollen. Doch ein anderer antiker Autor, und zwar Agathias Scholastikos, verhalf uns zu tieferen Einsichten in den Ablauf einer Tabula-Partie, indem er in einem Epigramm auf den oströmischen Kaiser Zeno festhielt, wie dieser durch einen unglücklichen Wurf in einer Partie aussichtslos ins Hintertreffen geriet. Um das Unglück des Kaisers zu ermessen, werfen wir zunächst einen Blick auf die Tabula-Regeln, um im Anschluß daran den fatalen Zug zu analysieren.
Spielmittel:
Tabula spielen Sie, wie fast alle Backgammon-Spiele, zu zweit. Sie sitzen einander am Brett gegenüber, und ein jeder von Ihnen hat seine 15 Spielsteine außerhalb des Bretts vor sich liegen.