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Berichter:      Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Henning
                        Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Sabina Jeschke

Tag der mündlichen Prüfung: 02. Juli 2012

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand während meiner fünfjährigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Informationsmanagement im Maschinenbau (IMA) der RWTH Aachen im Rahmen des Forschungsprojektes Med-on-@ix.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei all jenen bedanken, die mich während dieser Zeit unterstützt und damit zum Erfolg dieser Arbeit beigetragen haben. Dieser Dank gilt zuerst Herrn Prof. Dr.-Ing. Klaus Henning, der diese Arbeit ermöglicht und mit großem Engagement betreut hat. Frau Prof. Dr. rer. nat. Sabina Jeschke danke ich für die Übernahme des Koreferats. Bei Herrn Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker bedanke ich mich für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission und bei Herrn Prof. Dr. rer. nat. Peter Loosen für die Übernahme des Beisitzes.

Meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Institutscluster IMA/ZLW & IfU haben mich durch eine stets sehr kollegiale Zusammenarbeit, ihre Hilfsbereitschaft und die sehr gute Arbeitsatmosphäre unterstützt. Eine große Hilfe waren auch die konstruktiven Anmerkungen und Korrekturen durch Christian Büscher, Christian Carrillo, Johannes Elsas, Dilek Gürbüz, Luisa Heß, Hamido Hourani, Dr.-Ing. Sebastian Jursch, Patrick Loijens, Michael Martens, Eike Permin, Dr.-Ing. Michael Protogerakis, Dr.-Ing. Daniel Schilberg, Marie Schneiders, Konstantin Schnitzler, Sebastian Thelen, Mani Yousefpour und Cilem Yüksel.

Meinen Eltern Edgar und Stephanie, meiner Schwester Christina, meiner Freundin Quyen und meinen Freunden danke ich für die andauernde Unterstützung und ihr Verständnis.

Widmen möchte ich diese Arbeit meinem Großvater Dipl.-Ing. Erich Müller, der als Maschinenbauingenieur schon früh meine Begeisterung für Technik weckte.

Aachen, im August 2012

Matthias Müller

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Einführung in die Problemstellung

1.2 Ziel der Arbeit und Vorgehensweise

2. Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

2.1 Überblick

2.2 Einordnung der Fragestellung in den Prozess des Rettungsdienstes

2.3 Aufbau eines telematischen Rettungsassistenzsystems

2.4 Technikbedingte Produktrisiken

2.5 Zusammenfassung

3. Stand der Wissenschaft und Technik

3.1 Überblick

3.2 Telematische Rettungsassistenzsysteme

3.3 Vorgehensweisen zur Reduktion der technikbedingten Produktrisiken

3.4 Zusammenfassung

4. Untersuchung der Teilsysteme eines telematischen Rettungsassistenzsystems und ihrer Wechselwirkungen

4.1 Überblick

4.2 Teilsystem Medizin und seine Wechselwirkungen mit dem Teilsystem Technik

4.3 Teilsystem Psychologie und seine Wechselwirkungen mit anderen Teilsystemen

4.4 Teilsystem Recht und seine Wechselwirkungen mit anderen Teilsystemen

4.5 Zusammenfassung

5. Identifikation und Bewertung der technikbedingten Produktrisiken

5.1 Überblick

5.2 Klassifikation der Risiken

5.3 Identifikation der Produktrisiken auf der Rekursionsebene Technik

5.4 Identifikation der Produktrisiken an der Schnittstelle Mensch-Technik

5.5 Identifikation der Produktrisiken an der Schnittstelle Organisation-Technik

5.6 Auswirkung der technikbedingten Produktrisiken auf die anderen Teilsysteme

5.7 Priorisierung der technikbedingten Produktrisiken

5.8 Zusammenfassung und Fazit

6. Methodik zur Reduktion technikbedingter Produktrisiken

6.1 Überblick

6.2 Anforderungserhebung

6.3 Erstellung der Systemarchitektur

6.4 Implementierung

6.5 Integration

6.6 Systemtest/Evaluation

6.7 Übergreifende Prozesse nach DIN EN 62304

6.8 Zusammenfassung und Fazit

7. Erprobung der Methodik

7.1 Überblick

7.2 Anforderungserhebung

7.3 Erstellung der Systemarchitektur

7.4 Implementierung

7.5 Integration

7.6 Systemtest/Evaluation

7.7 Übergreifende Prozesse nach DIN EN 62304

7.8 Zusammenfassung und Fazit

8. Bewertung und Übertragbarkeit

8.1 Überblick

8.2 Bewertung der Identifikation der technikbedingten Produktrisiken

8.3 Bewertung der Methodik

8.4 Übertragbarkeit der Methodik auf andere Einsatzgebiete

9. Zusammenfassung

A. Anhang

A.1 Auswirkung des demografischen Wandels auf den Rettungsdienst

A.2 Ergänzungen zur Eingrenzung des Forschungsgegenstandes (siehe Kap. 2)

A.3 Ergänzungen zum Stand der Wissenschaft und Technik (siehe Kap. 3)

A.4 Ergänzungen zur Risikoidentifikation und -bewertung (siehe Kap. 5)

A.5 Ergänzungen zur Entwicklung der Methodik (siehe Kap. 6)

A.6 Ergänzungen zur Erprobung (siehe Kap. 7)

B. Literaturverzeichnis

C. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Einführung in die Problemstellung

Die häufigsten Todesursachen in Deutschland sind Herz-Kreislauf-Krankheiten (Andersohn et al. 2010). Von diesen treten die akut lebensbedrohlichen Krankheitsbilder Herzinfarkt und Schlaganfall zu ca. 90% außerhalb des Krankenhauses auf (Robert-Koch-Institut 2007). Da ihr Behandlungsergebnis vor allen Dingen von der Zeit zwischen Eintreten des Notfalls und den stabilisierenden Gegenmaßnahmen bestimmt wird, kommt einer raschen und zielgerichteten präklinischen Diagnostik und Versorgung des Patienten durch den Rettungsdienst eine besondere Bedeutung zu.

Des Weiteren führt ein in den letzten Jahren zunehmender Mangel an qualifizierten Notärzten inzwischen zu einer existenziellen Gefährdung des deutschen Rettungsdienstes (Bundesärztekammer 2007). Darüber hinaus hat sich die Anzahl der Notarzteinsätze von 1984 bis 2003 auf 1,8 Mio. Einsätze pro Jahr verdreifacht (Behrendt et al. 2009). Aufgrund des gestiegenen Bedarfs haben sich die Eintreffzeiten des Notarztes an der Einsatzstelle gerade in ländlichen Gebieten und im Osten Deutschlands stark verlängert (Schmiedel et al. 2004). Da die Zeit bis zur adäquaten Behandlung bei vielen Notfällen der wichtigste kritische Faktor für das Behandlungsergebnis ist, haben Verzögerungen hier gravierende – mitunter tödliche – Folgen.

Darüber hinaus wird aufgrund der Veränderung der Altersstruktur die Anzahl der Notfalleinsätze bis 2050, um 56% zunehmen, normiert auf die Bevölkerung (Behrendt/Runggaldier 2009). Bild 1-1 zeigt die Entwicklung der Notarztalarmierungen im deutschen Rettungsdienst, basierend auf einer Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts (Pötsch/Sommer 2003). Besonders stark ist der Anstieg der Einsatzzahlen bei den Über-60-jährigen Patienten. Zusätzlich leiden diese überdurchschnittlich häufig an mehreren Begleiterkrankungen (Multimorbidität), die aufgrund ihrer Komplexität eine sehr hohe fachliche Qualifikation des Notarztes erfordern. Obwohl hierdurch der Bedarf an entsprechend qualifizierten Notärzten weiter zunimmt, sinkt deren Verfügbarkeit, da viele der jetzt noch aktiven Notärzte sich dann selbst im Rentenalter befinden. Aggraviert werden dürfte dieser Mangel weiterhin durch den zunehmenden Anteil an Ärztinnen, die dem Gesundheitswesen aufgrund ihrer anderen Lebenspianung wesentlich häufiger als ihre männlichen Kollegen nur in Teilzeit zur Verfügung stehen (DGPPN 2011). Der Anteil an Studierenden der Medizin weiblichen Geschlechtes beträgt derzeit 63% (Bundesärztekammer 2010).

Bild 1-1: Voraussichtliche Entwicklung der Notarztalarmierungen in der Bundesrepublik Deutschland bis 2050 nach Behrendt/Runggaldier (2009)
Bild 1-1:     Voraussichtliche Entwicklung der Notarztalarmierungen in der Bundesrepublik Deutschland bis 2050 nach Behrendt/Runggaldier (2009)

Einen Lösungsansatz für die Problematik des Notarztmangels und der damit einhergehenden Gefährdung der präklinischen Versorgung bieten telematische Rettungsassistenzsysteme (TRAS). Ziel eines TRAS ist die Unterstützung des Rettungsdienstpersonals (RD-Personals) an der Einsatzstelle mittels Telekonsultation, der Beratung zwischen mehreren Medizinern über die Diagnose und die Behandlung eines konkreten Krankheitsfalles mithilfe moderner technischer audiovisueller Mittel (Feussner et al. 1998). In erster Linie ist die Präsenz des Notarztes an der Einsatzstelle wegen seines medizinischen Fachwissens und seiner Entscheidungskompetenz erforderlich. Lediglich in maximal 14,1% der Notarzteinsätze werden seine manuellen Fähigkeiten an der Einsatzstelle benötigt (Gries et al. 2003, Skorning et al. 2009b). Könnten ihm die für die Diagnose und Behandlung relevanten Daten an einem anderen Ort als der Einsatzstelle zur Verfügung gestellt werden, könnte er als Telenotarzt (TNA) die Behandlung auch von diesem anderen Ort aus leiten (Skorning et al. 2009c, Müller et al. 2010b, Protogerakis et al. 2010). Schlüssel für die Bereitstellung der Daten ist die Telematik, eine Verknüpfung von Informationstechnik und Telekommunikation (Nora/Minc 1979). Derzeitige Mobilfunktechnologien bieten die zur Telekommunikation zwischen Einsatzstelle und TNA nötige Bandbreite zu niedrigen Kosten (Protogerakis 2010). Die für die Telekonsultation erforderlichen Vitalparameter, Audio- und Videodaten können bereits heute mithilfe existierender Technik erfasst werden. Der Rettungs-prozess eines TRAS ist in Bild 1-2 dargestellt.

Bild 1-2: Rettungsprozess eines telematischen Rettungsassistenzsystems (TRAS) in Anlehnung an Protogerakis (2010)
Bild 1-2:     Rettungsprozess eines telematischen Rettungsassistenzsystems (TRAS) in Anlehnung an Protogerakis (2010)

Zu Beginn des Einsatzes werden wie im Regelrettungsdienst der Rettungswagen (RTW) und das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) alarmiert. Zusätzlich wird noch die Telenotarzt-Zentrale (TNA-Z) über den Notfall informiert. In der zweiten Phase rücken das NEF und der RTW an die Einsatzstelle aus. Da es deutlich mehr RTW-Standorte als NEF-Standorte gibt, erreicht aufgrund der geringeren Distanz typischerweise der RTW den Einsatzort als Erster (dritte Phase). In der vierten Phase starten Rettungsassistenten unterstützt durch den TNA die Versorgung des Patienten. Wenn das NEF eintrifft, übernimmt der Notarzt vor Ort die Gesamtverantwortung für die Therapie. Bei seltenen Krankheitsbildern oder diagnostischen Unsicherheiten kann er dabei vom TNA unterstützt werden. Der TNA unterstützt das RD-Personal einsatzlogistisch in der Wahl der Zielklinik und gibt dieser vorab Informationen über den eintreffenden Patienten, sodass die Klinik bereits Maßnahmen zur Behandlung einleiten kann (z. B. die Vorbereitung eines Operationssaals). Nach Stabilisierung vor Ort wird der Patient in der fünften Phase zum RTW transportiert. Dort wird die Behandlung bei Bedarf weiterhin durch den Telenotarzt (TNA) unterstützt (sechste Phase) und der Patient in die Zielklinik transportiert (siebte Phase). Der Patient wird der Zielklinik für die weitere Behandlung übergeben (achte Phase). Grundsätzlich wird bei der telematischen Unterstützung zwischen der Anleitung der Besatzung des RTWs und der Unterstützung eines Notarztes durch einen TNA unterschieden (Bild 1-3).

Bild 1-3: Kommunikations- und Einsatzmöglichkeiten eines telematischen Rettungsassistenzsystems (TRAS) in Anlehnung an Protogerakis (2010)
Bild 1-3:     Kommunikations- und Einsatzmöglichkeiten eines telematischen Rettungsassistenzsystems (TRAS) in Anlehnung an Protogerakis (2010)

Die Anleitung der Besatzung des RTWs durch den TNA hilft, das Intervall zwischen Eintreffen des RTWs und Eintreffen des Notarztes zu überbrücken (siehe Einsatz 1 in Bild 1-3). In ländlichen Gebieten beträgt dieses Intervall häufig mehr als 20 Minuten (Kühn et al. 2006, Ziegenfuss 2011). Der Einsatz eines TNA ergänzt nicht nur die Expertise vor Ort: Es stehen auch rechtlich mehr Möglichkeiten der Behandlung zur Verfügung. Ein Rettungsassistent darf z. B. im Rahmen der ärztlichen Delegation Maßnahmen durchführen, die sonst einem Notarzt vorbehalten sind, wie z. B. die Gabe bestimmter Medikamente (Fehn 2008). Die Gesamtverantwortung für die Behandlung trägt bei Anleitung der RTW-Besatzung der TNA, da dieser durch seine Ausbildung im Vergleich zu den Rettungsassistenten höher qualifiziert ist (Katzenmeier/Slavu 2010). Durch die Telekonsultation kann so nicht nur die Qualität der Versorgung verbessert werden, da dem Patienten schneller eine adäquate Behandlung zuteilwird: Auch kann die knappe Ressource „Notarzt" zielgerichteter eingesetzt werden.

Darüber hinaus kann der Telenotarzt (TNA) einen Notarzt an der Einsatzstelle mit medizinischer Expertise unterstützen, wie z. B. in der Behandlung seltenerer Krankheitsbilder (Einsatz 2 in Bild 1-3). Außerdem kann der TNA bei der Auswahl der anzufahrenden Klinik und der Anmeldung im aufnehmenden Krankenhaus behilflich sein. Hierfür ist meist ein telefonisches Arzt-Arzt-Gespräch zwischen einem Notarzt und dem aufnehmenden Krankenhaus notwendig, um den Patienten unter Berücksichtigung der Wegezeiten der für sein spezielles Krankheitsbild passenden Einrichtung zuzuführen. In besonders angespannten Einsatzszenarien, wie z. B. einer Reanimation, kann der TNA als Kontrollinstanz für den Behandlungsprozess dienen. Die Unterstützung eines Notarztes durch den TNA fällt aus juristischer Sicht in den Bereich der kollegialen Zusammenarbeit, wobei der Notarzt an der Einsatzstelle aufgrund seines Informationsvorsprungs die Hauptverantwortung trägt (Fehn 2008, Katzenmeier 2008).

Allerdings ist die erfolgreiche Telekonsultation von einem zuverlässigen Funktionieren der Technik abhängig. Fehler in diesem Bereich haben Auswirkungen auf die medizinische Versorgung, rechtliche Folgen und auch negative Effekte auf die Akzeptanz eines TRAS durch die Anwender, Patienten und die Öffentlichkeit. Technische Fehler von TRAS müssen daher soweit möglich reduziert werden. Derzeit existiert jedoch keine Methodik, um diese Reduktion sicherzustellen.

1.2 Ziel der Arbeit und Vorgehensweise

Ziel der Arbeit ist die Entwicklung und Anwendung einer Methodik zur Reduktion technikbedingter Produktrisiken telematischer Rettungsassistenzsysteme. In ihrem Aufbau soll die Methodik flexibel genug sein, um verschiedene Hersteller telematischer Rettungsassistenzsysteme und ihre Forschungs- und Entwicklungspartner zu unterstützen.

Im Rahmen dieser Arbeit werden die folgenden Forschungsfragen (FF) beantwortet:

FF1:

Welche technikbedingten Produktrisiken telematischer Rettungsassistenzsysteme gibt es, und wie lassen sich diese priorisieren?

FF2:

Wie sieht eine Methodik aus, die diese Risiken reduziert?

FF3:

Inwiefern lässt sich die entwickelte Methodik auf Assistenzsysteme anderer Anwendungsfelder übertragen?

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Die Arbeit basiert auf dem Verbundprojekt Med-on-@ix, innerhalb dessen diese unter realitätsnahen Bedingungen erprobt wurde. Die Vorgehensweise in dieser Arbeit ist in Bild 1-4 dargestellt und orientiert sich an den verschiedenen Teilen des allgemeinen Problemlöseschemas nach Sell/Schimweg (2002).

Bild 1-4:      Aufbau der vorliegenden Arbeit basierend auf dem Problemlöseschema nach Sell/Schimweg (2002)
Bild 1-4:      Aufbau der vorliegenden Arbeit basierend auf dem Problemlöseschema nach Sell/Schimweg (2002)

In einem Orientierungsteil (siehe Kap. 2 und Kap. 3) werden der Forschungsgegenstand und der für die Arbeit relevante Stand der Wissenschaft und Technik dargestellt. In Kapitel 2 wird der Forschungsgegenstand – telematische Rettungsassistenzsysteme – und seine technikbedingten Produktrisiken beschrieben. Auf den für diese Arbeit relevanten Stand von Wissenschaft und Technik wird in Kapitel 3 näher eingegangen. Dabei wird auch der aktuelle Stand der Risikoreduktion anhand akzeptierter Vorgehensweisen dargestellt.

Im Ausführungsteil (siehe Kap. 4, Kap. 5 und Kap. 6) wird die Methodik entwickelt. Um die technikbedingten Produktrisiken und deren möglichen Folgen bewerten zu können, werden in Kapitel 4 die Wechselwirkungen zwischen den relevanten Teilsystemen Technik, Medizin, Psychologie und Recht untersucht. In Kapitel 5 werden die technikbedingten Produktrisiken im Sinne der ersten Forschungsfrage (FF1) erst identifiziert und dann vor dem Hintergrund ihrer Auswirkungen auf die Teilsysteme bewertet und priorisiert. In Kapitel 6 wird eine Methodik zur Reduktion der technikbedingten Produktrisiken telematischer Rettungsassistenzsysteme im Sinne der zweiten Forschungsfrage (FF2) entwickelt.

Im Kontrollteil (siehe Kap. 7 und Kap. 8) wird die Methodik erprobt und bewertet. In Kapitel 7 wird sie auf ein in Aachen entwickeltes TRAS (Med-on-@ix) angewendet und validiert. In Kapitel 8 werden die Ergebnisse bewertet und anschließend die Übertragbarkeit der Methodik auf andere Anwendungsfelder im Sinne der dritten Forschungsfrage (FF3) untersucht. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung (siehe Kap. 9).

2. Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

2.1 Überblick

Der in dieser Arbeit benutzte Systembegriff beruht auf Arbeiten von Marks (1991), Vester (1980) und Fuchs (1973): Demnach zeichnet sich ein System unter anderem durch eine Grenze aus, durch die es sich von seiner Umwelt abhebt (siehe Kap. A.2 im Anhang). Um die Grenze und die Umwelt eines telematischen Rettungsassistenzsystems (TRAS) zu betrachten, werden in Kapitel 2.2 TRAS in der Rettungskette und innerhalb des Rettungsdienstes verortet. Der Aufbau eines TRAS mit seinen Diensten, Benutzern und Komponenten wird in Kapitel 2.3 dargestellt. In Kapitel 2.4 wird der Begriff der technikbedingten Produktrisiken näher erläutert.

2.2 Einordnung der Fragestellung in den Prozess des Rettungsdienstes

Ziel einer Rettungskette ist es, den Notfallpatienten zu stabilisieren und möglichst schnell einer adäquaten Behandlung zuzuführen. Die Rettungskette besteht aus einem Ineinandergreifen von Einzelschritten (Brokmann/Rossaint 2010). Sie setzt sich aus den Gliedern Sofortmaßnahmen, Notruf, Erste Hilfe, Rettungsdienst und Übergabe im Krankenhaus zusammen (Bild 2-1). Die Sofortmaßnahmen dienen zum Abwenden der direkten Lebensgefahr für den Patienten. Meist sind es medizinische Laien, die sich in der Nähe des Patienten befinden, die erste Sofortmaßnahmen einleiten. Nach diesen Sofortmaßnahmen setzen sie den Notruf an die Rettungsdienstleitstelle ab, die dann den Rettungsdienst alarmiert, und fahren fort mit Maßnahmen der Ersten Hilfe wie u.a. Lagerung des Patienten in der stabilen Seitenlage. Sobald der Rettungsdienst eintrifft, übernimmt dieser die weitere Versorgung des Patienten. Letzterer wird stabilisiert und anschließend mit dem Rettungswagen (RTW) in ein Krankenhaus transportiert. Dort wird er der Notaufnahme oder direkt der behandelnden Station übergeben. Je schneller der Patient eine definitive Behandlung erhält, desto besser ist i. d. R. das Behandlungsergebnis. Dies gilt nicht nur für das häufige Krankheitsbild Herzinfarkt, bei dem die Zeit zwischen Infarkt und Herzkatheter-Intervention die Folgeschäden für den Patienten bestimmend ist (Boersma et al. 1996, Gibson et al. 2004), sondern auch für die Krankheitsbilder Schlaganfall („time is brain") und Trauma („time is blood"). Hier kann die Rettungskette an verschiedenen Stellen durch die Anwendung der Telematik unterstützt werden (Müller et al. 2010b).

Bild 2-1: Telematisches Rettungsassistenzsystem (TRAS) als Teil der Rettungskette
Bild 2-1:     Telematisches Rettungsassistenzsystem (TRAS) als Teil der Rettungskette

Für ein tieferes Verständnis der Elemente und Beziehungen eines TRAS ist seine Zerlegung in Sub- und Teilsysteme nach Marks (1991) und Balkenhol (1999) sinnvoll (Protogerakis 2010). Ziel bei beiden ist eine Fokussierung auf einzelne Teile in einem Subsystem oder die Betrachtung des gesamten Systems unter einem bestimmten Aspekt. Ein Subsystem ist eine Gesamtheit von Elementen und Beziehungen, die innerhalb des Systems abgrenzbar und diesem untergeordnet ist (Balkenhol 1999). Es enthält somit eine Teilmenge des Systems. Die Telenotarztzentrale (TNA-Z) mit ihren Elementen lässt sich z. B. klar von den Elementen einer Einsatzstelle abgrenzen. Bei der Teilsystembetrachtung hingegen wird die Eingrenzung des Betrachtungsgegenstands dadurch erreicht, dass nicht notwendigerweise die Menge an betrachteten Elementen eingeschränkt, sondern das ganze System unter einem ganz bestimmten Aspekt, wie z. B. der Technik, betrachtet wird. Das Gesamtsystem wird also modellhaft unter einem Aspekt untersucht (Balkenhol 1999). Bei dieser Form der Betrachtung kann es vorkommen, dass ganze Subsysteme nicht erfasst werden. Betrachtet man z. B. das Teilsystem Technik, bleiben alle Subsysteme und Elemente, die keine technischen Anteile haben, unberücksichtigt. Das Teilsystem Technik umfasst also alle technischen Aspekte eines TRAS, unabhängig vom betrachteten Subsystem (Bild 2-2).

Bild 2-2:      Beispiele für Teilsysteme und Subsysteme eines TRAS
Bild 2-2:      Beispiele für Teilsysteme und Subsysteme eines TRAS

Der Rettungsdienst übernimmt von den Erste Hilfe Leistenden den Notfallpatienten, behandelt ihn im Rettungsprozess und übergibt den stabilisierten Patienten an das Krankenhaus. Ein TRAS unterstützt diesen Rettungsprozess, indem es die medizinische Behandlung des Patienten durch Telekonsultation unterstützt (Protogerakis 2010). Die Einordnung eines TRAS als Teil des Rettungsdienstes ist in Bild 2-3 dargestellt.

Bild 2-3:      TRAS als Teil des Rettungsdienstes in Anlehnung an Protogerakis (2010)
Bild 2-3:      TRAS als Teil des Rettungsdienstes in Anlehnung an Protogerakis (2010)

Die für die Bewertung der Folgen technikbedingter Produktrisiken relevantesten Teilsysteme sind die Medizin, die Technik, die Psychologie und das Recht. Die Hauptfunktion von TRAS besteht in der Unterstützung der medizinischen Versorgung des Patienten mittels Telekonsultation (Protogerakis 2010). Von daher sollten technikbedingte Produktrisiken zunächst unter dem medizinischen Aspekt bewertet werden. Der Gesetzgeber auf europäischer und nationaler Ebene sieht das ähnlich, wie z. B. das Medizinproduktegesetz (MPG) sowie DIN EN ISO 14971 (2010) „Risikomanagement für Medizinprodukte" zum Ausdruck bringen. Der Hersteller kann im Rahmen der Produkthaftung nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich, z. B. wegen fahrlässiger Körperverletzung (StGB § 222), belangt werden. Es liegt also durchaus im Interesse eines Herstellers, das Teilsystem Recht in die Betrachtung der technikbedingten Produktrisiken miteinzubeziehen. Eine Betrachtung des Teilsystems Psychologie ist ebenfalls notwendig, da jede Einführung einer neuen Technik die Akzeptanz der Anwender benötigt (Brockhaus 2005a). Außerdem sollten Anwender didaktisch geschickt über verschiedene Medien in die Bedienung eingewiesen werden. Die Wechselwirkungen zwischen den Teilsystemen sind für die Bewertung der Schwere der technikbedingten Produktrisiken wesentlich und werden daher in Kapitel 4 näher untersucht wird. Beispielsweise kann ein technischer Ausfall eine medizinische Schädigung des Patienten nach sich ziehen, die dann rechtlich geahndet wird. Außerdem steigt dann die Reaktanz der Benutzer des Systems. Beides sollte durch entsprechende Technikgestaltung, wie z. B. durch Maßnahmen zur Risikoreduktion, vermieden werden. Die Teilsysteme und ihre Wechselwirkungen sind in Bild 2-4 dargestellt.

Bild 2-4:      Betrachtung der Teilsysteme eines TRAS zwecks Risikoreduktion
Bild 2-4:      Betrachtung der Teilsysteme eines TRAS zwecks Risikoreduktion

2.3 Aufbau eines telematischen Rettungsassistenzsystems

Technische Systeme sind in ihrem Aufbau durch ihren Zweck bestimmt (Brockhaus 2005a), im Fall von telematischen Rettungsassistenzsystemen (TRAS) also durch die Unterstützung des Rettungsprozesses mittels Telekonsultation. Für die Telekonsultation benötigt der Telenotarzt (TNA) zahlreiche Informationen von der Einsatzstelle, um das RD-Personal in der Behandlung des Patienten zu unterstützen. Diese Informationen werden ihm mithilfe der Kommunikationsdienste Sprechverbindung zwischen RD-Personal und TNA, Übertragung der Vitalparameter des Patienten, Übertragung von Video und Foto sowie Dokumentation des Rettungseinsatzes zur Verfügung gestellt (Protogerakis 2010, Brodziak 2011). Des Weiteren wird das aufnehmende Krankenhaus im Rahmen der Voranmeldung vorab über den aufnehmenden Patienten informiert, z. B. durch ein Fax des Einsatzprotokolls. Durch die IT-gestützte Vorabinformation kann die Zeit, die bis zur Behandlung in der Klinik vergeht, verkürzt werden, was sich wiederum positiv auf das Behandlungsergebnis auswirkt (Laufen 2007, Müller-Gorchs 2012). Die Dienste der Telekonsultation sind in Bild 2-5 dargestellt.

Bild 2-5:      Dienste der Telekonsultation eines TRAS in Anlehnung an Brodziak (2011)
Bild 2-5:      Dienste der Telekonsultation eines TRAS in Anlehnung an Brodziak (2011)

Nutzer der Telekonsultation sind das RD-Personal vor Ort und der TNA. Zu einem geringeren Grad können auch die Mitarbeiter der externen Einrichtungen, wie z. B. des aufnehmenden Krankenhauses, als passive Nutzer eines TRAS angesehen werden, da sie vom TNA vorab über den Patienten informiert werden. Außerdem zählen die Betreiber des Systems zu seinen Nutzern (Stoffels 2000). Die Nutzer und die Hauptanwendungsfälle eines TRAS sind in Bild 2-6 dargestellt.

Bild 2-6:      Nutzer eines TRAS in Anlehnung an Protogerakis (2010)
Bild 2-6:      Nutzer eines TRAS in Anlehnung an Protogerakis (2010)

Ein TRAS teilt sich auf die Systemstandorte Einsatzstelle und Telenotarzt-Zentrale (TNA-Z) auf. Ermöglicht wird die Telekonsultation in der TNA-Z durch Daten- und Kommunikationsserver, die häufig in einem separaten Raum, wie z. B. einem Rechenzentrum oder Serverraum, untergebracht sind. Die Einsatzstelle umfasst sowohl den Aufenthaltsort des Patienten bei Eintreffen des Rettungsdienstes, z. B. seine Wohnung, als auch den Rettungswagen (RTW), in dem der Patient auf dem Transport weiter versorgt wird. Hier stehen dem RD-Personal neben der im Rettungsdienst üblichen Sensorik zum Erfassen der relevanten Daten, spezielle Kommunikationsgeräte und eine Bedieneinheit für die Telekonsultation bereit. Die Komponenten müssen für die Telekonsultation portabel – also tragbar – sein. Bei den Komponenten im RTW reicht es aus, wenn sie mobil – also beweglich – sind. Ein TRAS verfügt zwecks Alarmierung des Rettungsdienstes und Voranmeldung des Patienten über Schnittstellen zur Rettungsdienstleitstelle und der Notaufnahme des aufnehmenden Krankenhauses. Ein Überblick über ein TRAS und seine Systemgrenze in Anlehnung an Protogerakis (2010) kann Bild 2-7 entnommen werden.

Bild 2-7:      Vereinfachte Darstellung der Systemarchitektur eines TRAS in Anlehnung an Proto-gerakis (2010)
Bild 2-7:      Vereinfachte Darstellung der Systemarchitektur eines TRAS in Anlehnung an Proto-gerakis (2010)

Tabelle 2-1 gibt eine Übersicht über die Komponenten eines TRAS, ihren Aufstellungsort, ihre Vernetzung und ihren Benutzer. Zentrales Element an der Einsatzstelle ist die portable Kommunikationseinheit. Sie bindet die dortigen Komponenten funktechnisch in das System ein und verbindet die Einsatzstelle mit der TNA-Z. An der Einsatzstelle wird die Sprechverbindung dem RD-Personal über die Headsets zur Verfügung gestellt. Die Vitalparameter des Patienten erfasst die EKG-/Defibrillator-Einheit. Mithilfe der portablen Kamera und der RTW-Kamera können Bilder von der Einsatzstelle aufgenommen werden. Mit der Bedieneinheit, wie z. B. einem Tablet-PC, wird das System vor Ort gesteuert und der Einsatz dokumentiert. Die Komponenten im RTW werden über den InCar-PC mit der portablen Kommunikationseinheit verbunden. Dem Telenot-arzt (TNA) werden die Dienste der Telekonsultation mithilfe des Telefons, des TNA-Rechners, des Fax-Gerätes und desTNA-Druckers zur Verfügung gestellt.

Tabelle 2-1:    Komponenten eines TRAS mit ihrem Aufstellungsort
Komponente Aufstellungsort vernetzt mit
Bedieneinheit Einsatzstelle Portable KommE
EKG-/Defibrillator-Einheit Einsatzstelle Portable KommE
Headsets Einsatzstelle Portable KommE
Portable Kamera Einsatzstelle Portable KommE
Portable KommE Einsatzstelle Internet, EKG-/Defi-Einheit, Headsets, Bedieneinheit, PLMN, InCar-PC, portable Kamera
InCar-PC RTW RTW-Drucker, portable KommE, RTW-Kamera
RTW-Drucker RTW InCar-PC
RTW-Kamera RTW InCar-PC
TK-Anlage TNA-Z (ReZe) Festnetz, Telefon, Fax
Server TNA-Z (ReZe) TNA-Rechner, Internet
TNA-Drucker TNA-Z TNA-Rechner
Fax TNA-Z TK-Anlage, Server
Telefon TNA-Z TK-Anlage
TNA-Rechner TNA-Z Server, TNA-Drucker
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Legende:

KommE: Kommunikationseinheit          ReZe: Rechenzentrum

PLMN: Public Land Mobile Network    TK-Anlage: Telekommunikationsanlage

RD-Personal: Rettungsdienstpersonal

Die Komponenten eines TRAS und die zwischen ihnen bestehenden Datenverbindungen sind in Bild 2-8 dargestellt. Die Geräte an der Einsatzstelle werden über Nahbereichsfunktechnologien wie WLAN (IEEE 802.11 1997) und Bluetooth (IEEE 802.15 2003) mit der portablen Kommunikationseinheit verbunden. Die Kommunikationseinheit versendet über die kommerziellen Mobilfunknetze sowohl Daten als auch Sprache an die Telenotarzt-Zentrale (TNA-Z). Die Daten werden mittels einer paketvermittelten Verbindung an das Gateway des Mobilfunkbetreibers und von dort über das Internet an die TNA-Z übertragen. Sprache wird über das leitungsvermittelte Mobilfunknetz (PLMN) und das Festnetz (PSTN) an die TK-Anlage der TNA-Z übertragen. In der TNA-Z leitet der Server die Datenverbindung an den TNA-Rechner weiter. Die Sprechverbindung wird über die TK-Anlage an das Telefon des TNAs geführt.

Bild 2-8:      Netzplan der Komponenten und Datenverbindungen eines TRAS
Bild 2-8:      Netzplan der Komponenten und Datenverbindungen eines TRAS

2.4 Technikbedingte Produktrisiken

Nachdem telematische Rettungsassistenzsysteme und damit der Betrachtungsgegenstand eingegrenzt wurden, kann nun der Begriff der technikbedingten Produktrisiken weiter spezifiziert werden. Der Begriff des Risikos variiert stark in Abhängigkeit vom Betrachtungsgegenstand (DIN ISO 31000 2011). Risiko ist definiert als „Kombination der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Schadens und des Schweregrads dieses Schadens" (DIN EN ISO 14971 2009). Ein Schaden ist definiert als die „physische Verletzung oder Schädigung der menschlichen Gesundheit oder Schädigung von Gütern oder der Umwelt" (DIN EN ISO 14971 2009). Als Produktrisiken werden die Risiken bezeichnet, die ein TRAS als Produkt betreffen (Portny 2010). Produktrisiken betreffen die technische Ausgestaltung des zu entwickelnden Systems und sind klar von Ressourcen-und Zeitrisiken zu unterscheiden (ebd.). Erweiterte über das eigentliche Produkt hinausgehende Risikobetrachtungen, wie etwa eine Technikfolgenabschätzung (VDI-Richtlinie 3780 2000), sind nicht Teil der Produktrisiken. Ziel der Arbeit ist die Reduktion der durch das Teilsystem Technik bedingten Produktrisiken.

In der technischen Entwicklung stehen Wirtschaftlichkeit und Risikoreduktion in einem Spannungsfeld (Lawson 2005, Sommerville 2007). Die Kosten eines Systems steigen exponentiell mit der geforderten Verlässlichkeit (Sommerville 2007). Der Hersteller entscheidet auf Basis seiner Risikopräferenz, ob er eher wirtschaftliche oder eher Produktrisiken eingeht.

Es können nicht alle Risiken vollständig eliminiert werden (Lawson 2005, Sommerville 2007, DIN EN ISO 14971 2009). Zum einen schaffen Schutzmaßnahmen neue Risiken. Zum anderen erhöhen Schutzmaßnahmen meist die Komplexität eines Produkts, was wiederum Risiken für dessen Ausfallverhalten, Betrieb und Wartbarkeit beinhaltet. Ziel ist die Reduktion der Risiken auf ein vertretbares Maß, da immer ein Restrisiko bestehen bleibt. Die Frage, ob Risiken vertretbar sind, hängt stark von kulturellen Faktoren ab (DIN 820-120 2008, DIN EN ISO 14971 2009). In Tabelle 2-2 sind Verschiedene kulturelle Faktoren, die die Risikoakzeptanz beeinflussen nach Lawson (2005) dargestellt. Die qualitativen Faktoren, die sich auf die Risikowahrnehmung auswirken, können Tabelle A-2 im Anhang entnommen werden.

Tabelle 2-2: Faktoren für die Akzeptanz von Risiken nach Lawson (2005)
Faktoren für die Akzeptanz von Risiken
Ein Risiko wird eher in Kauf genommen, wenn der Nutzen davon hoch ist.
Die Akzeptanz der Gesellschaft ist im ständigen Wandel, vor allem wenn erst kürzlich ein Unfall oder eine
Katastrophe eingetreten ist.
Das eingegangene persönliche Risiko ist höher, wenn die Kontrolle bei einem selber liegt.
Jedes Land und jede Kultur hat eine andere Einstellung und Akzeptanz gegenüber Risiko.
Die Gesellschaft akzeptiert Naturereignisse - höhere Gewalt - mehr, als von Menschenhand verursachte Fehler. Die Gesellschaft bekommt die meisten Informationen über Unfälle aus den Medien, speziell aus dem Fernsehen. Diese üben einen großen Einfluss auf die Meinung der Öffentlichkeit aus.
Die Öffentlichkeit reagiert mit großer Aufmerksamkeit auf Angelegenheiten, in denen sie das Gefühl hat, auch irgendwann betroffen sein zu können.
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2.5 Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurde der Forschungsgegenstand eingegrenzt. Zuerst wurde die Funktion des Rettungsdienstes innerhalb der Rettungskette beleuchtet. Die Rolle von TRAS als Teil des Rettungsdienstes wurde betrachtet und dabei ihre relevantesten Teilsysteme hervorgehoben. Nachdem diese systemische Verortung von TRAS als Teil anderer Systeme abgeschlossen war, wurde der Aufbau eines TRAS inklusive seiner Systemgrenze, seinen Nutzern, den für die Tele-konsultation erforderlichen Kommunikationsdiensten und der notwendigen Komponenten und Datenverbindungen untersucht. Auf Seite der Risikoreduktion wurde der Begriff des Produktrisikos eingegrenzt.

Mithilfe der in diesem Kapitel vorgenommenen Eingrenzung des Forschungsgegenstandes kann im folgenden Kapitel die Betrachtung des Standes der Wissenschaft und Technik auf TRAS und die Reduktion technikbedingter Produktrisiken fokussiert werden.

3. Stand der Wissenschaft und Technik

3.1 Überblick