Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2019 Jörg M. Karaschewski
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7494-1509-0
Dieses Buch widme ich Mr. PLUETHIPOL PRACHUMPHOL, Direktor des
Thai National Flag Museum. Ein großer Vexillologe, großartiger Mensch
und sehr guten Freund.
I dedicate this book to Mr. PLUETHIPOL PRACHUMPHOL, Director of the
Thai National Flag Museum. A great vexillologist, great person and very
good friend.
Wozu ein Buch zur Flaggengeschichte Bremens? „Ist doch alles schon x-mal veröffentlicht, ist doch alles bekannt.“ Das wären auch meine ersten Gedanken gewesen. Aber so ist es nicht.
Im Februar 2017 besuchte der Direktor des Thai National Flag Museums aus Bangkok für gut einen Tag Bremen. Ich durfte ihn auf seinem Weg in das Focke-Museum, das Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte in Bremen begleiten. Auf einer Reise zu einem Google-Kongress in Mailand, machte er einen Abstecher in die Hansestadt, nur um eine einzige Flagge zu sehen (und natürlich auch mich persönlich kennen zu lernen).
Ich hatte die Presse informiert und so waren zwei Kamerateams regionaler Fernsehsender vor Ort als Herr Pluethipol Prachumphol mit leuchtenden Augen die im Focke-Museum befindliche Flagge Siams aus dem Jahr 1849 betrachtete und die besondere Bedeutung dieser Flagge für die vexillologische Geschichte seines Landes erläuterte. Als er dann noch in der Bibliothek des Museums historische Flaggentafeln vorgelegt bekam, die seinerzeit als Basis für die Erstellung der Flagge gedient hatten, sagte er, dass er der glücklichste Mensch unter der Sonne sei.
Pluethipol strahlte einen unglaublichen Wissensdurst und so viel Freude am flaggenkundlichen Detail aus, dass selbst Betrachter, die sich zuvor nicht mit dem Thema Flaggenkunde auseinandergesetzt hatten, mitgerissen wurden.
Als dieser auch für mich unvergessliche Tag zu Ende ging, erhielt Herr Prachumphol von der Museumsleitung ein Buch mit Hintergrundinformationen zu den im Museum gezeigten Flaggen. Eigentlich wollte ich ihm auch ein Buch über die Flagge der Stadt, die er wirklich liebgewonnen hatte, mit auf seine lange Rückreise geben, merkte dann aber schnell, es gab keines. So überreichte ich ihm eine historische, aus der Vorkriegszeit stammende Flagge Bremens mit dem großen Wappen. Diese Flagge kann heute im Thai National Flag Museum betrachtet werden.
Seit unserem Treffen informierte mich Pluethipol Prachumphol regelmäßig, wenn er auf historischen Flaggenkarten oder anderen Publikationen eine Flagge Bremens gesehen hatte. So höhlte der stete Tropfen den Stein und ich nahm mich des Themas an. Dieses Buch wäre kaum möglich gewesen ohne die Zurverfügungstellung zahlreicher Flaggentafeln und Abbildungen aus dem Thai National Flag Museum.
Ein besonderer Dank gilt auch Dr. Andreas Herzfeld, der einige ganz besondere Flaggeninformationen aus der Sammlung des verstorbenen Jürgen Rimann beisteuerte.
In nahezu allen flaggenkundlichen Veröffentlichungen, die deutsche Landesflaggen beinhalten, werden diese über maximal zwei bis drei Seiten abgehandelt, ohne dass es zu einer umfassenden Betrachtung kommt. Dann gibt es da noch mehrere sehr gute Texte zur Bremer Symbolik, die sich jedoch sehr intensiv mit heraldischen Aspekten des Bremer Wappens und der Siegelkunde auseinandersetzen, den Bereich der Flaggenkunde aber leider nur relativ kurz berühren.
Warum dies so gehandhabt wird liegt meines Erachtens an zwei Dingen. Die Wappen- und die Siegelkunde sind deutlich akzeptierter als die relativ neue Vexillologie und die Quellen- und Fundlage ist im heraldischen und auch sphragistischen Bereich deutlich ergiebiger.
Als Kapitän zur See Karl Schulz sein 1928 für das Museum für Meereskunde erstellte Buch „Die deutsche Flagge“ schrieb, umfasste die Flaggengeschichte Bremens ganze drei Sätze:
„Leider ist über die Geschichte der Flagge Bremens bisher wenig bekanntgeworden. Jedenfalls hat die achtstreifige rotweiße Flagge, wie mir das Focke-Museum mitgeteilt hat, von der Mitte des 17.Jahrhunderts bis zum 1. April 1868 unverändert auf den bremischen Schiffen geweht. Die Anzahl der Balken in der Flagge wird aber in den alten Flaggentafeln anders dargestellt; sie zeigen neunstreifige Flaggen für Bremen.“
Das wars. Versuchen wir also jetzt etwas mehr Licht ins Dunkel zu bekommen und suchen die vielen Mosaiksteinchen und alle gesicherten Informationen zusammen.
Achim, im Juni 2019
Jörg M. Karaschewski
Die bremische Flagge ist heute ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens in der Bremer Innenstadt. Sei es der Weltschifffahrtstag oder der Besuch eines ausländischen Diplomaten, an der Beflaggung des Rathauses oder der Bremischen Bürgerschaft kann jeder Bremer und jeder der zahlreichen Besucher sofort erkennen, dass gerade etwas Besonderes oder denkwürdiges stattfindet.
Als Seefahrerstadt und auch besonders als Hansestadt verfügt Bremen im Gegensatz zu vielen Städten im Binnenland über eine sehr alte Flaggentradition. Leider ist diese Tradition im Vergleich zu anderen Hansestädten ausgesprochen schlecht belegt.
Die älteste in Deutschland bekannte Verordnung zur Flaggenführung ist im Hamburger Stadtrecht von 1270 zu finden. Sie lautet:
„Ein jewelc user borghere scal voren enen roden vlugher; so we so des nicht ne deit, de scal beteren bi III marken silvers to der stat kore, he ne leeghe ene neder dor anghestes willen. So welc gast och enen roden vluger voret, de scal ghewen al so vle wert he an useme rechte beclaghet.“
(Ein jeder unserer Bürger soll einen roten Flüger führen; wer dies nicht tut, der soll es büßen mit drei Mark Silber nach Verordnung der Stadt, er habe denn den Flüger einer Gefahr halber niedergeholt. Wenn ein Fremder einen roten Flüger führt, der soll die gleiche Strafe zahlen, wenn er vor unserem Gericht angeklagt wird.)
Die tatsächliche Rechtsposition dieser Flagge ist nicht abschließend geklärt. Ob sie bereits vergleichbar mit einer heutigen Nationalflagge war ist schwer zu sagen. Allerdings muss man davon ausgehen, dass es eben ein typisch hamburgisches Symbol sein sollte. Ansonsten hätte man auf eine Strafandrohung für Fremde, die diese Flagge unberechtigt führen, wohl verzichten können. Zudem haben sich andere Hansestädte auch andere Flüger gegeben.
Viele Vexillologen und Heraldiker haben eine ambivalente Sicht auf den beschriebenen Flüger. Zum einen sprechen sie ihm eine hoheitliche Aufgabe ab, versuchen jedoch andererseits die rote Farbe des Flügers in eine Linie mit alten kaiserlichen Farben des Heiligen Römischen Reiches zu bringen. Die naheliegende Variante, dass man die rote Farbe aus rein optischen Erwägungen wählte, wurde bisher nicht ins Spiel gebracht. Dabei ist Rot tatsächlich die auf See am besten sichtbare Farbe. Wenn man also im tieferen Sinne des Wortes auf See ein Zeichen setzen möchte, würde man wohl das gut sichtbare Rot auswählen.
Im Seerecht der Hansestadt Lübeck von 1299 heißt es zum Thema Flüger:
„Ein iewellich borghere von Lubeke,de ein schiper is, schal voren einen lubeschen vloghel.“
(Ein jeder Bürger von Lübeck, der ein Schiffer ist, soll einen lübischen Flügel führen.)
Eine weitergehende Beschreibung dieser Flagge schien seinerzeit entbehrlich. Auf dem Stadtsiegel Lübecks aus dem Jahr 1280 ist ein eindeutig zweistreifiger Flüger zuerkennen. Obwohl uns keine Farbbeschreibung vorliegt, geht man derzeit davon aus, dass es die weißroten Farben der heutigen Flagge Lübecks gewesen sein müssen. Eine farbliche Beschreibung der Flagge liegt aus dem Jahr 1460 vor, hier wird sie tatsächlich als weiß und rot beschrieben.
Andere Hansestädte folgten. Belegt sind aus dieser Zeit unterschiedliche Flüger beispielsweise aus Riga, Danzig, Kolberg, Elbing und Stralsund.
Und Bremen? Wenn Bremen zu dieser Zeit einen eigenen Flüger hatte, so ist dies nicht belegt. Es liegen hierzu weder schriftliche noch bildliche Quellen vor.