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www.bod.de, info@bod.de

1. Auflage

ISBN 9783750445178

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Autoren

Studienrat i. R. Rolf Leimbach war 47 Jahre Lehrer in Stadtlengsfeld. Als Mitglied des Wissenschaftlichen Rates für Unterstufenforschung an der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR beteiligte er sich an der Weiterentwicklung von Lehrplänen sowie Lehrmaterialien für das Fach Heimatkunde. Seine Publikationen in der Fachzeitschrift „Die Unterstufe“ befassten sich mit methodischem Experimentieren und der Erziehung zur aktiven Fragehaltung. Er veröffentlichte zahlreiche methodische Handreichungen für den Heimatkunde-Unterricht. Er ist Autor zahlreicher Lehrbücher, Schüler-Arbeitshefte und Unterrichtshilfen für den Heimatkunde- und Sachunterricht. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Schuldienst intensivierte Rolf Leimbach seine heimatkundlichen Forschungen. Er veröffentlichte eine umfangreiche

Chronik seiner Heimatstadt, die Geschichte des Porzellanwerkes Stadtlengsfeld, des Schulwesens, des Kaliwerkes Menzengraben sowie der Kirche. Weitere Arbeiten befassen sich mit den Hexenprozessen im 17. Jahrhundert, den Ereignissen des Jahres 1848 in der Stadt Lengsfeld, der Brandkatastrophe 1878 und dem Jahr 1945.

Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Erforschung der einstigen israelitischen Gemeinde im Heimatort, die zu den größten in Thüringen zählte. Rolf Leimbach ist es ein stetiges Anliegen, die facettenreiche Geschichte seiner Heimatstadt vielen Bürgern und Gästen nahezubringen. Deshalb engagiert er sich im Kultur- und Geschichtsverein mit Vorträgen, Führungen und Ausstellungen.

Prof. Rolf Schlegel, ist Emeritus für Zytogenetik, Genetik und Pflanzenzüchtung, nach über 40 Jahren Erfahrung in Forschung und Lehre. Er ist Autor von mehr als 200 wissenschaftlichen Publikationen und anderen Abhandlungen, Koordinator internationaler Forschungsprojekte und Mitglied mehrerer internationaler Organisationen. Er veröffentlichte bereits erfolgreich fünf Fachbücher in englischer Sprache, herausgegeben von drei amerikanischen Verlagen. Rolf Schlegel diplomierte 1970 auf dem Gebiet der Genetik und Pflanzenzüchtung und promovierte 1973.

Die Habilitation (Dr. sc.) folgte 1982. Er war langjährig an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Institut für Genetik und Kulturpflanzenforschung der Akademie der Wissenschaften, in Gatersleben, dem Institut für Getreide und Sonnenblumen-Forschung, Dobrich/Varna sowie dem Institut für Biotechnologie der Bulgarischen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften tätig, darüber hinaus an verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen der USA, Brasilien, England, Japan, Russland und anderen Ländern.

Seit geraumer Zeit hat er die Ahnenforschung seines Heimatortes Stadtlengsfeld zur Freizeitbeschäftigung gemacht. Dabei entstand eine Datei von mehr als 49.000 Personeneinträgen aus der mehr als tausendjährigen Geschichte des Ortes. Die Schicksale der Menschen und deren Leben bieten Stoff für eine Vielzahl von Geschichten und historischen Darstellungen. Diese einem breiten Publikum kundzutun, ist eine neue Passion des Autors.

Vorwort

Man muss wohl erst zum älteren Semester gehören, bevor man die Zeit und Muße besitzt, um sich intensiver mit seiner Heimat und seinen Wurzeln zu beschäftigen. Beide Autoren haben neuerdings das Privileg. Obwohl beide in Stadtlengsfeld geboren wurden, aufwuchsen und zur Schule gingen, haben sich ihre Wege durch das Berufsleben verloren. Erst im Jahr 2011 war es soweit, dass sie sich wieder begegneten. Der eine schon länger befasst mit der Geschichte der Rhön, der andere über die Suche nach seinen Ahnen.

Bereits die ersten Gespräche waren von großem Konsens und individueller Begeisterung geprägt. Es brauchte somit nicht allzu lange, um neue Ideen und gemeinsame Pläne zu gebären. Basierend auf dem bereits angehäuften Fundus an geschichtlichen Daten, Personenbeschreibungen, Fotos sowie schriftlichen Belegen bestand die Frage, wie man die Vielzahl von Informationen einem breiteren Publikum, insbesondere aus Stadtlengsfeld nahebringt.

Am Anfang sahen die Autoren die Möglichkeit, monatliche Kurzgeschichten im Lokalanzeiger „Baier-Bote“ zu veröffentlichen. Sehr schnell war aber zu erkennen, dass die schriftstellerische Produktivität der beiden Autoren größer war als man in monatsweisen Publikationen unterbringen kann. Daher rührte der Gedanke, einzelne historische Beiträge in Buchform zu publizieren. Es sind bereits sieben Bände erschienen. Der achte liegt nun auch vor.

Bereits fragmentarische Unterlagen wurden gesichtet, systematisiert und in ein geeignetes Format gestellt. Hinzu kamen eine Vielzahl von persönlichen Kontakten, Recherchen im INTERNET sowie Standesämtern, Kirchenbüchern und alten Gazetten. Das Ergebnis lässt sich sehen. Obwohl es niemals ein Ende gibt, sind bereits mehr als 48.000 Menschen über mehr als tausend Jahre jüngerer Geschichte des Heimatortes in eine elektronische Datenbank eingeflossen. Die dazugehörigen Einzelschicksale bieten Stoff für Generationen.

Die Autoren betrachten ihr Werk als Vermächtnis an die gegenwärtige Generation, Kinder und Enkel. Mögen sie sich ihren Wurzeln bewusst werden, ihren Vorfahren gedenken und die Sammlung eines Tages weiterführen. Es ist in höchstem Maße interessant zu sehen, woher wir kommen, wie die Geschichte das Wohl und Wehe von Personen beeinflusste sowie Menschen schon immer versuchten, ihr Leben aufzuschreiben und zu dokumentieren.

Nicht die Suche nach LUCA (Last Universal Common Ancestor) trieb uns, sondern die Neugier nach den Wurzeln der Vielzahl von Lengsfelder Bürgern, ihren Familien sowie deren Rolle in der Geschichte. Dabei wird sichtbar wie sich lokale menschliche Populationen vermischen, wie geographische sowie gesellschaftlichen Grenzen überschritten werden, wie Kriege Familien auslöschen, wie Stammbäume enden und andere wachsen oder wie sich Berufe und Namen historisch wandeln. Deutlich wird zugleich, dass die Mobilität in der Neuzeit immer größer wird und die Familien immer kleiner.

Der achte Band der Serie von „Lengsfelder Geschichten“ ist wiederum eine Auswahl von Artikeln, die entweder bereits anderswo veröffentlicht oder neu erstellt wurden. Es war nicht beabsichtigt, eine exakte geschichtliche Abfolge der Beiträge zu gestalten. Es geht darum, die Zusammenstellung so zu arrangieren, dass eine möglichst große Aufmerksamkeit erzielt wird. Viele Details sind nicht in die Artikel eingeflossen, weil diese das Leseerlebnis gestört hätten. Diese können aber jederzeit bei den Autoren nachgefragt werden. Abbildungen, Schemata und Fotos dienen einem ähnlichen Zweck. Fußnoten und Quellenangaben wurden auf ein Minimum reduziert. Die Referenzen finden sich in einer an das Ende des Buches verlegten Bibliographie.

Die Autoren

Danksagung

Die Autoren möchten Wulf Xylander (Tissa), Heinz Becker, L. Ide, J. Metz, E. Preuschhof (Heimatkundliches Archiv, Homberg, Efze), H. Saur (Felsberg), Christel & Norbert Wenzlik (Kempten, Allgäu), Pfarrer Henning Voigt (Sünna), Klaus Sträßer, Manfred Wolfram, Erika und Herbert Kirchner (Stadtlengsfeld), Mathilde Hahn (Geisa) sowie Uri Rosenan (Tel Aviv, Israel) danken wir für die sehr interessanten Anregungen.

Frau Dr. Gisela Schlegel sind wir sehr für die kritische Durchsicht des Manuskripts verbunden.

Inhalt

Längsfolder Sproch – unsere Mundart

Rolf Schlegel

Das Stadtlengsfelder Lied

Wenn am Abend die Arbeit zu Ende,

da fliegt meine Seele nach Haus.

Wandert still über heimische Fluren,

pflückt der Liebsten den Feldblumenstrauß.

Sieht die Berge so bunt, im gewaltigen Rund,

die wie Wächter das Städtchen umstehn.

Grüßt mir Stadtlengsfeld

in der sonnigen Rhön.

Als wir saßen am blühenden Weinberg

wie streichelte mich deine Hand.

Schien die Sonne am Himmel so golden,

überstrahlte das liebliche Land.

Durch das Städtchen im Tal ziehen Gassen so schmal,

und die Felda ist weithin zu sehn.

Grüßt mir Stadtlengsfeld

in der sonnigen Rhön.

Dort am Himmel die goldenen Sterne,

sie leuchten wohl dir und auch mir.

Tausend Wünsche und viel liebe Grüße

Tragen täglich sie heimwärts von hier.

Mädel, sei mir nur gut und verlier‘ nicht den Mut.

Übers Jahr wird das Leben so schön.

Grüß mir Stadtlengsfeld

in der sonnigen Rhön.

(Autorin: Emma Henneberg, geb. Bittorf, 1890-1967, Melodie unbekannt; gesammelt von Heinz Xylander) 1

Du herrliche Heimat im Rhönerland

Wo rauschen die Wipfel am Waldesrand,

wo die Luft ist so klar und so rein,

dort liegt ein Dörfchen im Wiesengrund,

da wohn’n ich, da bin ich daheim!

Hell des Wanderers Stimme erschallt,

es jubelt von Bergen und Höhn:

Du Herrliche Heimat im Rhönerland,

mein Weilar, wie bist Du so schön!

Blickst du von den Höhen ins weite Rund,

hörst du jubilieren die Lerchen,

wild braust die Felda im Wiesengrund,

die Hirsche, sie röhr’n in den Bergen.

Hell des Wanderers Stimme erschallt,

es jubelt von Bergen und Höhn:

Du herrliche Heimat im Rhönerland,

mein Weilar, wie bist Du so schön!

(Autor: Valentin Xylander, 1853-1904, Melodie unbekannt; gesammelt von Heinz Xylander, übergeben von Wulf Xylander)

Abbildung 1: Die indo-europäische Sprachfamilie mit zahlreichen Verzweigungen. Quelle: Wikipedia, 2018

Die Sprache hat sich auch in der Rhön so weit entwickelt, dass Menschen damit ihren Alltag, ihre Wünsche und ihre Hoffnungen zum Ausdruck bringen konnten, wie vorstehende Lieder belegen.

Herkunft unserer Sprache

Seiner Herkunft nach ist das deutsche Volk ein Mischvolk aus germanischen, keltischen und slawischen Bestandteilen. [1] Man rechnet das Deutsche der sog. indo-europäischen Sprachfamilie zu (vgl. Abb. 1), die ihr Ursprungszentrum im heutigen Gebiet des nördlichen Kaukasus hat, ca. 3.500 Jahre v. Z.

Abbildung 2: Die Verbreitung von Dialekten im heutigen Thüringen. Quelle: [3]

Nach neuesten DNA-Analysen zeigt sich, dass selbst heute noch 45 % der Deutschen (ohne heutige Einwanderer), insbesondere in Süddeutschland, keltischer Herkunft, nur 25 % germanischer Herkunft und väterlicherseits sogar nur 6 % germanischen Ursprungs sind. 30 % der Deutschen stammen von Osteuropäern ab (20 % Slawen und 10 % Andere). Interessanterweise haben die Bevölkerungen in Polen (60 % Germanen und 32 % Slawen) und der Tschechischen Republik (50 % Germanen und 42 % Slawen) einen deutlich höheren Anteil germanischer Wurzeln als die Deutschen selbst.

Offensichtlich sind viele ostgermanische Stämme doch nicht ausgewandert und schon gar nicht ausgestorben, sondern mit der Zeit nur slawisiert worden. Lediglich die ostgermanischen Sprachen sind mit der Zeit ausgestorben.

Mundarten

Es haädd au nuch schlemmer könnd gewaär

Die Deutschen unterscheiden sich nach ihrer Sprache und nach bestimmten Eigentümlichkeiten in:

(a) Nieder- oder Plattdeutsche, wohnhaft in Norddeutschland, Niederlande und im nördlichen Belgien.

(b) Ober- oder Hochdeutsche, wohnhaft in Süd- und Mitteldeutschland, Österreich-Ungarn und in der Schweiz.

Die Gliederung der deutschen Stämme zeigt sich auch in den Mundarten. Die Ober und Mitteldeutschen unterscheiden sich in vier Hauptstämme: Schwaben, Bayern, Franken und Thüringer. Der Rhön und Stadtlengsfeld am nächsten sind die Franken und Thüringer (vgl. Abb. 2).

Franken: Die Franken (die Freien) sind ein westgermanischer Stammesverband (Salier, Chamaven, Charttuarier, Brukterer, Usipier oder Amsivarier).

Mitte des 3. Jahrhunderts drangen sie in die römischen Provinzen Galliens ein und gründeten später das Frankenreich. Zur gleichen Zeit stießen die Rheinfranken gegen Mainz vor und besiedelten das Moselgebiet. Sie bildeten den Kern des späteren deutschen Stammes der Franken.

Die Franken bewohnten einen Gebietsgürtel, der in seiner ganzen Ausdehnung von Böhmen hinüber bis nach Frankreich und Belgien reicht. Man unterscheidet sie in Mainfranken, Rheinfranken und Hessen. Die Franken bewohnen die westlichen Teile Böhmens, die nordwestlichen Teile Bayerns, das Vogtland, die südlichen Grenzgebiete der Thüringer, Hessen etc.

Thüringer: Im 3. Jahrhundert gingen die Hermunduren durch Verschmelzung mit eingewanderten Angeln und Warnen in den Thüringern auf.

Um 380 n. Z. wurden sie erstmalig in der römischen Geschichtsschreibung (z. B. bei Flavius Vegetius Renatus) unter dem Namen „Thoringi" erwähnt.

Der Legende nach besuchte Tacitus das Gebiet und nannte die dort ansässige Bevölkerung, ihrem Glauben nach, die „Söhne Thors".

Ich mache das Bett“ – eine bekannte Redewendung. Der Ausdruck stammt aus einer Zeit, in der wirklich jeden Tag ein Bett „gemacht“ werden musste. Ein großer Sack wurde voll Stroh gestopft und diente als Matratze. Die Zudecke war oft ein Schaffell oder ein Mantel. Am nächsten Morgen holte man das Stroh aus dem Sack, um es zu trocknen, abends „machte“ man ihn wieder neu.

Das Land beschrieb er als „Thoringia". Der Name Thüringen lässt aber auch andere Deutungen zu. Thüringen könnte auch einfach nur vom keltischen Wort für Volk (Teurier) abgeleitet sein.

Dialekte

Die Mundarten sind kein „verdorbenes“ Hochdeutsch, wie vielleicht einige Menschen glauben. Sie waren lange vor dem Hochdeutschen da.

In den Mundarten spiegeln sich historische Kulturräume wider. Die einheimische Bezeichnung „Platt“ ist somit auch nicht herabwürdigend.

Abbildung 3: Die Verbreitung von Dialekten in der Rhön. Quelle: [2)

Neben den ober- und niederdeutschen Dialekten unterscheidet man den mitteldeutschen Dialekte. Zu Letzterem gehört der ostmitteldeutsche Dialekt, der in Teilen des Harzes, Thüringen, der Rhön und an der Saale gesprochen wird.

Sprachgrenzen in der Rhön

Die Rhön teilt sich in zwei große Mundartgebiete: Die Mundarten der West- und Nordwest-Rhön, die zum Hessischen gehören, und die Mundarten der Ost- und Südost-Rhön, die zum Ostfränkischen zählen. Quer durch die Rhön verläuft also die Sprachgrenze zwischen den mitteldeutschen und den süddeutschen Mundarten. Betrachtet man die Region noch etwas genauer, so tun sich vier Mundart-Bereiche auf: der hessische, hessisch-fuldische, der südwest-thüringer und der fränkischhennebergische Bereich auf (vgl. Abb. 3). Stadtlengsfeld gehört zu letzterem, wobei durchaus Thüringerisch einfärbt.

p-pf-Grenze

Die sprachlichen Übergänge zwischen dem Hessischen und dem Ostfränkischen sind fließend. Als eigentliche Grenze nimmt man die unterschiedliche p-pf-Lautung an. Das Ostfränkische hat im 5. Jahrhundert die Verschiebung vom germanischen „p“ zum neuen „pf“ mitgemacht, das Hessische hat das alte germanische „p“ behalten. Zum Beispiel lautet „Ein Pfund Äpfel" nordwestlich der p-pf-Grenze „e Pond Äppel" oder ähnlich. Die damals neue Form „Apfel" mit „pf“ ist in den Mundarten nur bis zu den Höhen von Spessart und Rhön vorgedrungen.

Doppelvokal-Grenze

Doppelvokale wie „au“, „eu“ oder „ei“ waren im Althochdeutschen noch nicht vorhanden. An ihrer Stelle standen „u“, „ü“ und „i“. Diese alten Vokale „u“, „ü“ und „i“ sind in den Mundarten der Nord- und Nordwest-Rhön, also im "Einzelvokalgebiet", erhalten geblieben, während sie im Süden zu „au“, „eu“ oder „ei“ geworden sind. Im Beispiel werden die "Mäuse im weißen Haus" im „Doppelvokalgebiet" zu „Müs im wisse Hus". Diese Verschiebung von „u“, „ü“ und „i“ zu „au“, „eu“ oder „ei“ begann etwa im 11. und 12. Jahrhundert im Süden und breitete sich rasch nach Norden aus und hatte im 14. Jahrhundert die Rhön erreicht.

Diminutivgrenze

Etwas südöstlich von der Doppelvokalgrenze verläuft durch die Rhön die sog. „chen-lein-Grenze“. Südöstlich davon wird die Verkleinerungsform der Hauptwörter durch Anhängen von „-lein“ gebildet, das in der Mundart als „-le“ oder „-la“ erscheint, z.B. Häusle oder ähnlich. Die übrige Rhön (inkl. Stadtlengsfeld) hängt „-chen“ an, das in der Mundart hier als „-je“ oder „-ee“ erscheint, in Stadtlengsfeld z. B. „Gaißje“ für junge Ziege.

Sälz‘che, Schmälze, Bodderweckche, Keehdräckche – gille, gille, gille.

Kinderspruch

Präterital-Grenze

Das Präteritum ist die grammatische Form der ersten Vergangenheit, z. B. „ich ging“, „ich dachte“ usw. In der Südost-Rhön (und in ganz Süddeutschland) ist das Präteritum in den Mundarten verloren gegangen, stattdessen wird hier die Form der 2. Vergangenheit verwendet: „ich bin gegangen“, „ich habe gedacht“ usw. In der Mundart heißt es dann „ich geeng“, „ich doachd usw. (ich ging, ich dachte).

Vokal-Entrundung

Entrundung und Senkung sind bei den deutschen Mundarten im Osten, Süden und Westen häufige Spracherscheinungen. Rundung und Entrundung betreffen die Lippenstellung: Um „ü“ und „ö“ zu sprechen, bedarf es gerundeter Lippen, deshalb nennt man „ü“ und „ö“ gerundete Vokale. Bei „i“ und „e“ ist die Lippenstellung breiter. Daher nennt man „i“ und „e“ entrundet.

Das Rhöner Entrundungsgebiet liegt um Fulda, Spahl und Geisa. Sprachbeispiele: Kieh (Kühe), Debbe (Töpfe), schee (schön) usw. Auch das „ü“, das im Hochdeutschen als „eu“ erscheint, ist hier entrundet, z.B.: „Leute“ – „Lüt“ – „Liet“ usw.

Nun zur Senkung: Hebung und Senkung betreffen die Zungenlage. Man nennt „i“, „ü“ und „u“ gehobene Vokale, weil dabei die Zunge höher liegt, während „e“, „ö“ und „o“ gesenkte Vokale heißen. Das Rhöner Senkungsgebiet umfasst die nördliche und nordwestliche Rhön. Hier sind fast alle im Hochdeutschen gehobenen Laute („i“, „ü“ und „u“) zu „e“, „ö“ und „o“ gesenkt. Beispiele: „Keng“ (Kinder), „Breef“ (Brief), „School“ (Schule) oder „Glögg“ (Glück).

Infinitiv

Eine typische Sprachform in der Rhön und in Franken ist der Infinitiv, wovon es drei Formen gibt:

Weitere Besonderheiten

Bei Fragewörtern ist das „w“ zu „b“ geworden: „bär“ (wer), „boos“ (was), „bou“ (wo), „bouhi“ (wohin), „bouhär“, „berömm“ (warum), „bänn“ (wann), „benner“ (welcher) oder „bee“ (wie). Der Rhöner setzt in einigen Fällen vor „R“ ein „U“ statt eines „O“: „Duurf“ (Dorf), „Wuurd“ (Wort), „Uurd“ (Ort).

Die Praxis

Genug der Theorie, nun folgen einige Reimereien, Heimat- und Kirmeslieder aus Stadtlengsfeld und Weilar, die zwischen 1760 und 1840 entstanden sind. Sie wurden von Heinz Xylander aus Stadtlengsfeld gesammelt und von seiem Sohn, Wulf Xylander, der in Tissa bei Stadtroda lebt, 2018 an den Autor weitergereicht. Sie geben den früheren Dialekt von Stadtlengsfeld am besten wider:

Dos Toschemässer

Zom Holzverkaaf im Geiser Wald

Wollt Schwarzes Käsper geh.

Den Wengerbrahnd hebei ze houn,

Es neimals es ze freh.

Sie Frau, de Ewelies, de mocht

Des Frehsteck ihmm gerächt.

En Ränke Brot on Schwoartewurscht,

Es wärrlich goar net schlaächt.

E Kännche Branntewie derzo,

Hot Käsper igestockt.

On hot sich morgens in der Freh,

No of den Wäg gemocht.

Doch kaum woar hä zum Hof enus,

Druckt ebbes ihnn im Schook.

Schockschwerenot, was es dä dos?

Der Käsper fir sich soog.

Hä heckelt of dem Wäg dohin,

Dos Loufe mocht ihmm Plog.

Hä flucht on wättert fir sich hin,

Dos drücke lätt net noch.

Als hä im Schlog woar ogelangt,

Ställt sich der Honger ie.

Drem greff hä nooch der Schwoartewurscht

On au zum Branntewie.

Als hä well noch dem Mässer griff,

Do hot hä’s net dabei.

Hä söecht de gonze Toasche us,

Wahrschienlich leits dehei.

Hä kauwelt of der Wurscht erem,

On bräckselt ob dos Brot,

Denn mit drei Zähn nur im Mull,

gaht’s Ässe goar net goat.

Wie hä no gloecklich onge hett,

Dos Brot on au de Wurscht,

Tränk hä noch eine Branntewie,

Denn Schwartewurscht macht Durscht.

Inzwesche woarn de Liet all do,

Der Holzverkaaf fengt oh.

Der Käsper heinckelt imm mit,

Doch endlich woar hä do.

Sächs Meter Buchenschietholz kont

Der Kasper no gekauf.

No konnt ich doch min Winterbrahnd,

On konn no heim gelof!

Was do nur in min Stiebel leit?

Brommt fir sich hin der Pleß.

Wos dos nur es, dos mich so dreckt,

Dos mecht ich doch geweß.

Hä stibbert of den Stäckel sich,

Hä setzt sich on den Rai.

Hä knirwelt dauerntfir sich hin,

Oach wär ich erscht dehei.

Doch endlich woar der Hof erreicht.

Sie Fraau kam us der Stool.

Wie se den Käsper heenckeln soch,

Toat se en lute Brohl.

Dou wirscht doch net gefalle sein,

Wos es dä mit dim Foß?

Komm Käsper, in die Stubbe rie

On zeh den Stiebel us.

Der Käsper sotzt sich of den Bahnk,

Zog schnäll den Stiebel us.

Do fell, Kreizdunerwätter jo,

sie Toaschemässer rus!