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Der neue Sonnenwinkel
– 26 –

Verliebt in ein Phantom

… doch ein Graf darf es nicht sein?

Michaela Dornberg

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74092-934-3

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Dr. Roberta Steinfeld, die coole Ärztin, die jeder Situation gewachsen war, fühlte sich in diesem Augenblick komplett überfordert.

Sie hätte mit allem gerechnet, damit nicht.

Sie hatte es sich immer gewünscht, erhofft, aber nicht wirklich erwartet.

Und nun sollte ihr Traum wahr werden?

Sie konnte immer nur auf den Gegenstand blicken, den Lars in der Hand hielt, und das war eindeutig ein Ring, ein wunderschöner Ring, das erkannte sie auf den ersten Blick.

Und das bedeutete …

Sie war aufgeregt!

Und diese Aufgeregtheit erinnerte sie an ihre Kindheit, wenn sie an Weihnachten darauf gewartet hatte, vom Christkind beschenkt zu werden.

Ring …

Dafür gab es nur eine einzige Erklärung.

Lars würde ihr gleich einen Antrag machen, etwas, was sie nicht erwartet hatte, und sie … sie würde die glücklichste Frau auf der ganzen Welt sein.

In ihrem Kopf spielte sich ein Feuerwerk von Gedanken ab.

Sie blickte ihn erwartungsvoll an, natürlich würde sie direkt ›JA‹ sagen, hoffentlich nicht schon, ehe er seinen Antrag beendet hatte.

Sie würden heiraten …

Manchmal wurden Träume wahr, und sie, Roberta Steinfeld, befand sich in einem Traum, der niemals enden sollte!

Als Lars zu sprechen begann, hielt sie den Atem an.

»Als ich bei dem Juwelier vorbeikam und im Schaufenster diesen Ring entdeckte, da wusste ich, dass er keiner anderen Frau als nur dir gehören durfte. Es ist ein Unikat, das heißt, es gibt ihn kein zweites Mal auf der Welt. Und das ist gut so, denn keine andere Frau kommt nur annähernd an dich heran, du bist einmalig, und ich bin ein großer Glückspilz, weil du ausgerechnet mir deine Liebe schenkst. Roberta, ich liebe dich, du bist mein Zuhause …«

Er sprach noch viele wundervolle Worte aus, bei denen ihr Herz normalerweise vor Freude gehüpft wäre. Jetzt musste sie alles tun, um ihre Enttäuschung nicht zu zeigen. Es gab keinen Antrag, Lars hatte den Ring einfach so gekauft. Normalerweise müsste sie das freuen. Normalerweise … normalerweise … vermutlich war sie jetzt undankbar, weil sie nur geheuchelte Freude zeigen konnte.

Sie war sich so sicher, dass ein Antrag folgen würde …

Lars steckte ihr den Ring an den Finger. Er passte perfekt, und er war wirklich außergewöhnlich. Roberta hatte ein so schönes Schmuckstück noch nie zuvor gesehen. Lars musste ein Vermögen dafür ausgegeben haben. Roberta verstand nicht viel von Brillanten, doch diese hier mussten lupenrein sein, denn sie funkelten verheißungsvoll, hatten einen besonderen Glanz.

Sie riss sich zusammen.

»Danke, Lars, du beschämst mich. Ich habe doch keinen Geburtstag, und auch sonst steht nichts an, um …«

Er unterbrach sie einfach.

»Es braucht keinen Anlass, um dem Menschen, den man über alles liebt, eine Freude zu machen. Ich bin ohnehin jemand, der zwar gern Geschenkte macht, aber nicht zu Weihnachten.«

Er nahm sie zärtlich in seine Arme, hielt sie fest umfangen. Und sofort war sie wieder da, die Magie, die es zwischen ihnen gab, und die auch keine Worte brauchte, und wenn sie ehrlich war, auch keinen Antrag. Ob nun verheiratet oder nicht, ihre Liebe konnte nicht größer werden, das Vertrauen konnte sich nicht mehr verfestigen. Sie wäre von ihm halt gern gefragt worden, weil das einfach der Traum einer jeden Frau war, ob sie nun eine tüchtige, beliebte Ärztin war oder eine ganz einfache Frau. Da gab es keinen Unterschied.

Sie presste sich an ihn, fühlte sich unglaublich wohl in seiner Umarmung, und sie tat alles, um wieder herunterzukommen aus ihrer Anspannung. Sie musste nicht enttäuscht sein, es hatte überhaupt keine Anzeichen dafür gegeben, dass Lars ihr einen Heiratsantrag machen würde. Sie hatte es erwartet. Und in diesem vertrauten, intimen Augenblick war sie fest entschlossen, sich endlich von den Gedanken zu befreien, ihn zu heiraten und mit ihm Kinder zu haben. Es war schön, doch es war nicht alles. Sie liebten sich, sie liebten sich sehr. Und dafür musste sie dankbar sein.

Irgendwann küsste er sie sanft und zärtlich, flüsterte ihr ins Ohr: »Es ist so schön, dass es dich gibt. Ich kann es dir nicht oft genug sagen, und ich werde niemals begreifen, dass eine Frau wie du an meiner Seite bist. Du könntest doch alle Männer der Welt haben.«

Ihr Lars …

»Ich will aber nur dich«, sagte sie einfach, und das wurde prompt mit einem innigen Kuss belohnt.

Dann aber sagte Lars: »Ich denke, jetzt sollte ich nach dem Essen sehen. Ich habe für uns gekocht, etwas Besonderes, denn es gibt einen Grund zu feiern. Die Korrekturfahnen sind wieder in der Druckerei. Nun kann das Buch gedruckt werden. Die Arbeit ist getan, und es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht. Dieses Buch über die Eisbären wird mir immer in ganz besonderer Erinnerung bleiben. Es war wirklich aufregend und spannend zugleich. Doch das alles ist nichts, es ist nichts, was mein Leben verändert hat, auch nicht der Erwerb den kuscheligen kleines Hauses. Nein, es war die Begegnung mit dir. Erinnerst du dich, wie du mit deinem Auto in meines hineingefahren bist? Das hatte so sein müssen, das war Magie. Das war der Beginn unserer großen, tiefen und unglaublich schönen Liebe. Dass man so lieben kann, das hätte ich niemals für möglich gehalten. Ich kann dir immer wieder dafür danken, dass du die Größe besitzt, mich mein Ding machen zu lassen. Und dafür liebe ich dich noch viel mehr, wenn es überhaupt noch eine Steigerung gibt.«

Lars hätte gewiss noch eine ganze Menge mehr gesagt, wenn nicht vom Herd ein Signal gekommen wäre. Augenblicklich ließ er sie los.

»Wenn du gleich schön essen möchtest, dann muss ich mich jetzt kümmern, auch wenn ich viel lieber deine Nähe genießen würde.«

Er warf ihr einen liebevollen Blick zu, ehe er sich um das Essen kümmerte. Roberta blickte ihm hinterher. Wie sehr sie ihn doch liebte. Er war wirklich ihr Mr Right. Und ja, auch wenn sie eigentlich nicht daran glaubte, wenn das eher das Ding ihrer Freundin Nicki war, sie wusste, dass das Schicksal sie zusammengeführt hatte in diesem Augenblick ihrer Unachtsamkeit. Das Schicksal ging manchmal seltsame Wege. Vielleicht wären sie sich sonst niemals begegnet.

Roberta setzte sich aufs Sofa, und dann blickte sie auf den Ring an ihrer Hand. Er war wirklich unglaublich schön, ganz besonders.

War sie undankbar, dass sie sich nicht von Herzen freuen konnte? Sie musste erst einmal mit ihrer Enttäuschung fertig werden, weil ihre Erwartungshaltung sich nicht erfüllt hatte.

Roberta wurde sehr schnell klar, dass es nichts mit dem Ring, dem nicht erfolgten Heiratsantrag zu tun hatte. Nein, sie hatte Angst vor dem, was kommen würde. Das Thema Eisbären war vorbei, jemand, der so ruhelos war wie Lars, würde sich niemals beschaulich zurücklehnen und ein ruhiges Leben führen. Er hatte doch bereits ein neues Angebot von International Geographic, ein Buch über die Highlandtiger zu schreiben, jene seltene Art von Wildkatzen, die in den Highlands von Schottland lebte und kaum gesichtet wurde. Das war etwas für ihren Lars, und für sie war es tröstlich, sollte der Deal zustande kommen, dass seine Recherchen ihn diesmal nicht bis in die Arktis führen würden, sondern nur bis Schottland. Nein, wenn sie ehrlich war, dann war es nicht tröstlich, und sie zeigte auch keine Größe, weil sie ihn sein ungebundenes Leben führen ließ, sondern sie hatte keine andere Wahl. Ihn mit seiner Arbeit teilen, oder ihn verlieren. Eine andere Alternative gab es nicht. Und so blieb ihr überhaupt keine andere Wahl, als sich mit dem zufriedenzugeben, was sie von ihm bekam.

Sie zuckte zusammen, als er sich neben sie setzte, sie umarmte. »Wenn du magst, können wir jetzt essen. Doch vorher möchte ich dir gern etwas sagen, und danach möchte ich dich natürlich küssen. Roberta Steinfeld, du bist mein Leben, und ich war noch nie zuvor in meinem Leben so glücklich wie mit dir.«

Sie hätte ihm gern eine Antwort gegeben, doch dazu kam es nicht, denn er setzte seine Worte in die Tat um und küsste sie. Sanft, zärtlich und dann immer leidenschaftlicher.

Sie klammerte sich an ihn, erwiderte seine Küsse, und all ihre Gedanken lösten sich auf in einem Nebel.

Lars und sie, sie waren ein Dreamteam. Er war ein einsamer Wolf, und es würde immer wieder Abschiede geben, lange Zeiten der Einsamkeit. Aber das Wiedersehen, das war jedes Mal ein Fest.

Sie musste sich keine weiteren Gedanken machen.

»Ich liebe dich«, sagte sie, überwältigt von ihren Gefühlen, und diese Worte belohnte Lars Magnusson mit einem langen, langen Kuss.

*

Rosmarie Rückert hatte sich erstaunlich lange nicht mehr im Sonnenwinkel blicken lassen. Es war auch kein Wunder. Es gab ja in der Villa Rückert nicht nur einen zweiten Hund, die unglaubliche Missie, sondern Rosmarie genoss die Zweisamkeit mit ihrem Ehemann Heinz.

Ja, sie genoss die Zweisamkeit!

Es hatte sich zwischen ihnen etwas verändert, sie waren sich nähergekommen, verbrachten viel Zeit miteinander, und sie machten gemeinsame Spaziergänge. Sie hatte Beauty an der Leine, die wunderschöne Beagledame, und Heinz führte, stolz wie Oskar, den schwarzen Mischling Miss Marple, genannt Missie, an der Leine. Missie war eine unglaubliche kleine Hundedame, sie hatte das Herz von Heinz zum Schmelzen gebracht. Sie hatte sich einfach so in sein Herz geschlichen, und er hatte doch tatsächlich das ganze Dach des Tierheims bezahlt.

Heinz, ihr Ehemann, der eigentlich in erster Linie daran interessiert war, das Geld auf seinem Konto zu vermehren, nicht, um es auszugeben, und das schon gar nicht für ein Tierheim. Missie …

Es war tatsächlich Missie gewesen, die frischen Wind in ihre Beziehung gebracht hatte.

Heute war es auf jeden Fall an der Zeit, sich endlich mal wieder bei Inge Auerbach zu zeigen. Sie hatte viel zu erzählen, außerdem hatte sie eine Frage an Inge. Rosmarie kam mit der französischen Grammatik noch nicht ganz zurecht, und niemand konnte besser erklären als Inge.

Wenn man so recht überlegte, hätte Inge viel mehr aus ihrem Leben machen können. Sie war klug, war eine geborene von Roth. Namen zählten beim Karriere machen auch. Aber nein, Inge hatte sich damit zufriedengegeben, den Professor Werner Auerbach zu heiraten, der am Anfang ihrer Ehe lange noch kein Professor gewesen war. Sie war die starke Frau an seiner Seite, sie hatte Werner den Rücken frei gehalten, und sie hatte dafür gesorgt, dass er ungestört Karriere machen konnte, während sie sich um die Kinder gekümmert hatte, um Henrike, die jeder immer nur Ricky nannte, um Jörg, um Hannes. Und dann hatten sie noch die kleine Pamela adoptiert. Eine Bilderbuchfamilie, die man beneiden konnte. Es hatte niemals einen Riss bei den Auerbachs gegeben, bis auf das eine Mal, als die arme Pamela zufällig von Fremden erfahren musste, dass sie keine richtige Auerbach war. Inge und Werner hatten versäumt, Pamela, damals noch Bambi genannt, beizeiten von der Adoption zu erzählen. Aber kein Mensch war perfekt. Hannes, der Jüngste, hatte Pamela einfach mit nach Australien genommen, und das war ihm hoch anzurechnen. Ein junger Mann, Mitinhaber einer Surf- und Tauchschule, Miterfinder des Surfbretts ›Sundance II‹, meistfotografiert in Fachzeitschriften, band sich normalerweise nicht einen solchen Klotz ans Bein. Er hatte es getan, freiwillig, und Pamela hatte die Zeit in Australien gut überstanden und war jetzt glücklich in den Sonnenwinkel zurückgekehrt. Etwas, was Hannes niemals mehr tun würde. Nach dem Abitur hatte er sich für ein knappes Jahr mit dem Rucksack auf dem Rücken die Welt angesehen, und dann war er für ein ›normales‹ Leben verloren gewesen, hatte die Erwartungshaltung seines Vaters nicht erfüllt. Trotz eines fantastischen Abiturs hatte er nicht angefangen zu studieren. Er machte erfolgreich sein eigenes Ding und ging seinen eigenen Weg. Ja, ja, die Auerbach-Kinder waren schon besonders, und Rosmarie konnte sich nur die Hände reiben, weil Fabian, ihr Sohn, klug genug gewesen war, die Ricky zu heiraten. Die hatte zwar keine besondere Karriere gemacht, aber sie war für die Kinderschar eine wundervolle Mutter, und Fabian und Ricky liebten sich wie am ersten Tage. Eine Bilderbuchehe, eine Bilderbuchfamilie. Und Fabian war zwar nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten, war nicht Notar geworden, aber er hatte seine eigene Karriere gemacht, und er war der Direktor eines großen, sehr bekannten Gymnasiums. Dass Fabian ein gestörtes Verhältnis zu seinen Eltern hatte, dafür konnte er nichts, darüber war Rosmarie sich längst klar. Heinz und sie waren keine guten Eltern gewesen, und nun bekamen sie dafür die Quittung. Ein wenig besser war ihr Verhältnis zueinander ja geworden, und Fabian hatte es voller Erstaunen begrüßt, dass sie einen zweiten Hund aus dem Heim geholt hatten und dass Heinz das Dach des Tierheims bezahlt hatte. Sie näherten einander mit behutsamen Schritten. Nein, Fabian war nicht das Problem. Das war Stella, die sich bei ihnen noch immer nicht gemeldet hatte, um sie endlich darüber zu informieren, dass sie sich von Jörg Auerbach getrennt hatte, um mit einem anderen, einem älteren Mann in Belo Horizonte glücklich zu werden. Musste es ausgerechnet Brasilien sein? Außerdem baute man sein Glück nicht auf dem Unglück eines anderen Menschen auf. Stella würde ihre Quittung noch bekommen. Wie töricht von ihr, einen Mann wie Jörg zu verlassen. Aber es war wohl wirklich so, dass der Esel aufs Eis ging, um zu tanzen, wenn es ihm zu wohl war. Jörg hatte alles für seine Frau und für seine Kinder getan. Wie bitter musste es für ihn gewesen sein, sie zu verlieren. Er hätte ja versuchen können, das Sorgerecht für die Kinder zu erhalten, und gewiss hätte er es auch bekommen. Aber die Kinder hingen auch an Stella, und für Kinder war nun mal die Mutter die wichtigste Bezugsperson, und dem hatte Jörg Rechnung getragen und verzichtet.

Rosmarie war vor dem Haus der Auerbachs angekommen, das wirklich das schönste im ganzen Sonnenwinkel war. Das lag teilweise daran, dass es schon gestanden hatte, ehe die Siedlung gebaut worden war. Es war größer, individueller. Es passte auf jeden Fall zu den Auerbachs. Sie hatten die richtige Entscheidung getroffen, auch wenn Werner zunächst seine Familie überrascht und das Haus allein in einer Nacht- und Nebel-Aktion erworben hatte. Es war richtig gewesen, auf jeden Fall. Rosmarie wollte, sie könnte das auch von sich behaupten. Sie, Heinz und die Kinder hatten wunderbar gewohnt, und nachdem Fabian und Stella weg waren, hatten sie sich diese große Villa bauen lassen. Den ›Palazzo Prozzo‹, wie Fabian die Villa verächtlich nannte.