Herausgeber:
GEO
Die Welt mit anderen Augen sehen
Gruner + Jahr GmbH & Co KG,
Am Baumwall 11, 20459 Hamburg
www.geo.de/ebooks
eISBN: 978-3-65200-808-2
Geschmeidig bleiben
Von Jörn Auf dem Kampe
Zusatzinfos
Kampf gegen den Schmerz
Einfach vorbeugen
Warum wir Menschen so phänomenal beweglich sind. Und was wir tun können, um Schmerzen zu bekämpfen und unsere Gelenke zu erhalten
Von Jörn Auf dem Kampe
Sein Knie. Irgendwie irre, dieses Ding. Präzise gearbeitet, formschön wie eine Skulptur von Henry Moore. Kühl und schwer, als wäre es für die Ewigkeit gemacht, lag es in den Händen des Chirurgen, bevor dieser es in Reinhard Titzes rechtes Bein einsetzte. Vom Eingriff zeugt heute nur noch eine lange Narbe.
„Is allet jut geworden“, sagt Titze, ein heiterer Mensch aus dem Brandenburgischen, 68 Jahre alt, dichtes weißes Haar. Der pensionierte Informatiker trägt ein Industrieprodukt im Körper, von dem er nichts spürt. Sein Knie besteht aus einer Kobalt-Chrom-Molybdänlegierung, Titan und Polyethylen; Materialwert ein paar Hundert Euro. Nur dank dieser Prothese kann Reinhard Titze endlich wieder ohne Qualen gehen.
Ein Triumph der modernen Medizin. Das ist die eine Wahrheit. Die andere lautet: Das Ersatzteil in Reinhard Titzes Knie ist eben doch nur eine Kopie, und nicht annähernd so gut wie das Original. Wenn der Rentner Glück hat, hält die Prothese 20 Jahre durch, dann steht ein Austausch an.
Was Titzes Knie zerstörte, war die Arthrose, die weltweit häufigste Gelenkerkrankung, eine rätselhafte Demontage von Knorpel und Knochen. Wer den Begriff googelt, stößt auf das Wort „Gelenkverschleiß“, auf Hausmittel wie Kreuzkümmel und Beiträge über die heilsame Wirkung des Joggens. Wer bei seinem Orthopäden vorstellig wird, hört nicht selten von vielen Fragezeichen und einer Gewissheit: Arthrose ereile irgendwann fast jeden.
Seit Jahrzehnten sind Prothesen oft die letzte Antwort der Orthopädie, wenn unsere Gelenke versagen. An jedem Werktag setzen Operateure in Deutschland rund 1600 Nachbauten ein. Aber weil jede Prothese immer nur die zweitbeste Lösung sein kann, hat in der Medizin ein neues Denken eingesetzt: Was wäre, wenn es gelänge, Schäden am Gelenk zu vermeiden? Wenn wir uns auch im hohen Alter noch auf unsere Hüften, Schultern und Knie verlassen könnten? Und wenn die Arthrose am Ende doch nicht unausweichlich wäre?
Es zeigt sich verrückterweise, dass wir gerade erst beginnen, unsere Gelenke zu verstehen. Denn sie sind eine verflixt komplexe Angelegenheit, zudem bei Lebenden äußerst schwer zugänglich.
Aber die ersten Forschungsergebnisse machen Hoffnung: Sie beweisen, dass Gelenke erstaunlich widerstandsfähig sind – und dass der Mensch selbst sehr viel dafür tun kann, beweglich zu bleiben.
Es war dieser eine Moment beim Handball. Eine Spielszene nur, aber sie bedeutete wahrscheinlich das Ende des Knies von Reinhard Titze. Der Pensionär erinnert sich an einen Zusammenprall im Torraum, ein Gegner warf sich ihm aufs Bein: „Einmal voll rinjehaun“, sagt er. Sein Gelenk war anschließend tagelang geschwollen. Jahre später kamen die Schmerzen zurück. Als sie schließlich unerträglich wurden, diagnostizierte sein Arzt Arthrose und riet ihm zur Prothese.