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© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020
© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020
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Projektleitung: Barbara Fellenberg
Lektorat: Barbara Kohl
Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München
eBook-Herstellung: Christina Bodner
ISBN 978-3-8338-7685-1
1. Auflage 2020
Bildnachweis
Coverabbildung: Jochen Arndt
Fotos: Adobe Stock, Beat Ernst, Getty Images, GU Archiv/Nicolas Olonetzky, Imago, iStockphoto, Juniors/Wildlife, Mauritius Images, Okapia, Plainpicture, Shutterstock, StockFood, Thomas Dürr, Unsplash
Syndication: www.seasons.agency
GuU 8-7685 08_2020_02
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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Einfache, wirksame Selbstbehandlung.
Natürliche Linderung ohne Nebenwirkungen.
Akutem Schmerz den Stachel nehmen.
Endlich Besserung bei chronischen Schmerzen.
Das Beste aus Garten, Küche, Apotheke und traditioneller Medizin nutzen.
Innere und äußere Ressourcen aktiv nutzen.
Auch den mentalen Aspekten von Schmerz auf die Spur kommen.
Das Leben befreit und unbeschwert genießen.
Schmerz wurde schon oft besungen, romantisch ist er jedoch in den seltensten Fällen. Kleine und große Schmerzen können das Leben überschatten, vor allem, wenn sie nicht mehr weggehen. Die Natur bietet Abhilfe und Unterstützung.
Die Autorin ist seit 2006 Heilpraktikerin, lebte lange Zeit in Berlin, arbeitete in eigener Praxis und lehrte als Dozentin an einer Heilpraktikerschule. 2015 kehrte sie der Großstadt den Rücken und lebt seither mit Mann und Tieren auf einem kleinen Resthof an der Elbe. Sie schreibt weiterhin Bücher und bietet Seminare an. Für den GRÄFE UND UNZER VERLAG schrieb sie unter anderem »Pflanzliche Antibiotika«, »Gesund älter werden« und »Natürliche Anti-Allergika«.
Mit sieben Jahren hatte ich meine erste Migräneattacke. Die Lehrer in der Schule beschlossen damals zu behaupten, dass ich simuliere, der Arzt hatte keine Worte für das Phänomen. Fortan hatte ich immer bei einem Wetterumschwung von Sonne zu Regen so starke Kopfschmerzen, dass ich mich übergeben musste und es nur in einem abgedunkelten Zimmer aushielt. Dem Kinderarzt fiel keine Lösung ein und er prophezeite, in der Pubertät würde es schlimmer werden und dagegen wäre buchstäblich kein Kraut gewachsen. Meiner Mutter, die sich mit der Diagnose nicht zufrieden gab, und meinem Onkel, der schon lange erfolgreich als Heilpraktiker tätig war, habe ich es zu verdanken, dass diese schlimmen Kopfschmerzen mit der Zeit immer seltener auftraten und in der Pubertät ganz verschwanden. Seither bin ich zum Glück von größeren Schmerzen im Leben verschont geblieben – dennoch kann ich mich nur zu gut an diese Zeit erinnern.
Es ist schlimm genug, Schmerzen zu haben, aber noch schlimmer ist doch das Gefühl, nichts dagegen unternehmen zu können und dem Schmerz hilflos ausgeliefert zu sein. Es ist nicht mein Anliegen, die Mittel der Schulmedizin abzuwerten – im Gegenteil, sie können bei sehr starken Schmerzen wertvolle Hilfe leisten. Dieses Buch setzt bei leichten und mittelstarken akuten wie chronischen Schmerzen an. Aber auch wenn starke Schmerzen Sie plagen und Sie bereits synthetische Schmerzmittel anwenden, können Sie deren Dosierung unter Umständen durch die natürlichen Mittel reduzieren.
Nutzen Sie die Ressourcen der Natur, um sich von Schmerz zu befreien!
Wenn es wehtut, will der Körper uns natürlich nicht ärgern, sondern warnen und schützen. Deshalb ist es so wichtig, Schmerzen richtig zu deuten und dem Körper zu geben, was er braucht.
Von Anfang bis Ende begleiten sie unser Leben. Schmerzen sind machtvoll und senden starke Signale, sie können nerven, zermürben, rastlos oder lethargisch machen, uns den Atem rauben. Manche Menschen haben nur gelegentlich Kopfweh, einen verstauchten Knöchel, Bauchgrummeln, einen aufmuckenden Zahn. Andere leben tagein, tagaus mit Schmerzen. Intensive Schmerzerlebnisse können tiefe Spuren an Körper und Psyche hinterlassen. In diesem Buch finden Sie Rat und natürliche Hilfen. Damit die Maßnahmen optimal wirken, sollten Sie wissen: Was ist Schmerz und wofür ist er gut, wie läuft die Schmerzwahrnehmung ab, warum wird ein Schmerz chronisch und welchen Einfluss hat die Psyche? Je besser wir Schmerz verstehen, desto besser können wir mit ihm umgehen.
Die international anerkannte Definition des Begriffes Schmerz von der IASP (International Association for the Study of Pain) lautet: »Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit einer aktuellen oder potenziellen Gewebeschädigung einhergeht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.« Schmerz ist also ein Frühwarnsystem des Körpers und soll uns vor Schaden bewahren – zunächst einmal eine sinnvolle und nützliche, bisweilen lebensrettende Einrichtung. Durch die Empfindung von Schmerzen werden wir gezwungen, Ursachenforschung zu betreiben, wenn es an offensichtlichen Ursachen wie Verletzungen mangelt. Schmerz kann uns dazu bringen, uns trotz eines gefüllten Terminkalenders zu schonen und schädliche Verhaltensweisen und Gewohnheiten zu ändern.
Menschen, die aufgrund einer Nervenschädigung ein vermindertes Schmerzempfinden haben, sind viel anfälliger für Verletzungen, Entzündungen und degenerative Prozesse im Gewebe. Absolute Schmerzfreiheit ist also nicht wünschenswert. Akuter Schmerz signalisiert, dass etwas ins Ungleichgewicht geraten ist, und hilft uns, auf uns zu achten. Macht sich der Schmerz allerdings selbstständig, indem er bleibt, obwohl der Bezug zu einem direkten Auslöser nicht mehr gegeben ist, dann ist er zu einer eigenständigen Erkrankung geworden. Man spricht nun von chronischem Schmerz (siehe >).
Jeder Mensch nimmt Schmerzen anders wahr. Wir beschreiben unterschiedliche Schmerzqualitäten zum einen mit Begriffen der Sinneswahrnehmung, also als stechend, bohrend, klopfend, hämmernd, ziehend, reißend, dumpf … Dieses persönliche Empfinden interessiert auch den Therapeuten bei der Untersuchung und gibt ihm wichtige Hinweise. Zum anderen verwenden wir emotionale Begriffe. So kann ein Schmerz zum Beispiel mörderisch, erschöpfend, quälend, lästig sein. Nicht ohne Grund dient Schmerz seit jeher auch in der Kunst als Motiv, auch Fernsehkommissare und Romanhelden bleiben nicht von ihm verschont. Hier zeigt sich in besonderer Form die Ambivalenz von Schmerz: Einerseits stört und quält er uns, andererseits kann er uns aber auch wach halten, kann Mahner oder gar Inspiration und Anreiz sein.
Das Schmerzgeschehen im Organismus ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Um sie möglichst gut zu verstehen, muss man sich auch mit den verschiedenen Schmerzformen und -definitionen beschäftigen. Zu diesen will ich nun einen Überblick geben.
Johann Wolfgang von Goethe, »Iphigenie auf Tauris«
Der lateinische Begriff bedeutet, dass wir etwas Schädigendes wahrnehmen. Den typischen akuten Schmerz kennt jeder aus dem Alltag, wo er oft von Flüchen begleitet wird: etwa, wenn wir beim Gemüseschneiden den Finger erwischen oder uns zum x-ten Mal den Kopf an der Dachschräge anhauen. Schon als Kinder kamen wir in den zweifelhaften Genuss von aufgeschrammten Knien und von akutem Bauchweh. Während hier meist eine fachgerechte Wundversorgung oder Kräutertee und eine Wärmflasche sowie Ruhe und Trost halfen, muss zum Beispiel bei einem (meist sehr schmerzhaften) Knochenbruch der Arzt ran, samt Röntgen, Schienen und eventuell einem antientzündlichen Schmerzmittel. Immer fordert uns ein solcher Schmerz also dazu auf, schnell die richtigen Maßnahmen zu ergreifen – und es möglichst beim nächsten Mal besser zu machen.
Die Nozizeptoren oder Schmerzrezeptoren sind freie Nervenendigungen im Gewebe, die durch eine Schädigung desselben direkt erregt werden. Sie sind also auf Schmerzreize spezialisiert. Man unterscheidet hier somatische und viszerale (Eingeweide-)Schmerzen. Zu Ersteren gehören Schmerzen der Haut und Schleimhaut mit ihren bekannten, eher »hellen« Schmerzen, aber auch tiefergehende, »dumpfe« Schmerzen der Muskeln, Gelenke und Knochenhaut. Bei viszeralen Schmerzen sind eher die inneren Organe betroffen. Auch dieser Schmerz ist stumpf und oft dazu noch schwer zu lokalisieren, zumal er in andere Bereiche ausstrahlen kann.
Nozizeptoren haben zwei Ausläufer, wovon einer als Sensor in Haut oder Organ sitzt, während der zweite in das Rückenmark geht, sich mit einer anderen Nervenzelle über den Stand der Dinge bespricht, die dann die gewonnene Erkenntnis ans Gehirn weiterleitet.
Die Nozizeptoren sind über das Rückenmark auch mit motorischen Nervenfasern im Kontakt. Das hilft zum Beispiel dabei, blitzschnell die Hand von der heißen Herdplatte zu nehmen. Dieser gesamte komplexe Vorgang der Informationsweiterleitung und daraus folgenden angemessenen Reaktion spielt sich in einem Bruchteil einer Sekunde ab.
Sobald ein Schmerzsignal unser Gehirn erreicht, schlägt es Alarm. Im Rahmen der dadurch ausgelösten Stressreaktion kann in Ausnahmesituationen das Schmerzempfinden durch die Ausschüttung von Endorphinen kurzfristig so weit herabgesetzt sein, dass wir trotz Verletzungen handlungsfähig bleiben, etwa nach einem schweren Unfall. Gleichzeitig erhöhen sich Puls und Blutdruck, wir sind »im Tunnel«, auf das Überleben fokussiert. Sobald der Körper wieder etwas zur Ruhe kommt, klingt die Stressreaktion ab, wir sehen wieder die Gesamtsituation und müssen nun entscheiden, was als Nächstes zu tun ist.
Manche Schmerzen entstehen nicht durch äußere Umstände, sondern infolge einer Schädigung des Nervensystems, ob im Bereich des zentralen Nervensystems (ZNS), also Gehirn und Rückenmark, oder im Bereich außerhalb davon (peripheres Nervensystem, PNS). Beide sind eng miteinander verknüpft.
Hier geht der Schmerzimpuls nicht mehr von den Nervenenden aus, die sich im Gewebe befinden (Nozizeptoren), sondern zieht entlang einer Nervenbahn bis ins Gehirn. Ausgelöst werden diese Schmerzen auch durch leichte Berührungen und / oder in Ruhe.
Typisch für diese Schmerzen ist, dass sie uns anfallsartig erwischen, Betroffene beschreiben sie als einschießende, sehr starke, brennende oder schneidende Schmerzattacken.
Hierzu gehören zum Beispiel Schmerzen durch einen Schlaganfall oder multiple Sklerose, Neuralgien, diabetische Polyneuropathien, Rückenmarksverletzungen, Gürtelrosen und Nervenschmerzen nach Amputation, sogenannte Phantomschmerzen (siehe Kasten >).
Manchmal überschneiden sich die Schmerzformen, zum Beispiel bei einem Bandscheibenvorfall oder wenn ein Tumorwachstum gleichzeitig Nervengewebe beeinträchtigt.
Oft spüren Menschen nach einer Amputation chronische Schmerzen, Jucken oder Brennen in dem Bereich, der nicht mehr existiert, und können die Empfindungen sehr genau lokalisieren. Häufig verstärken diese sich, wenn der Betroffene unter Stress steht. Auch wenn jemand dem nicht mehr existenten Bereich zu nahe kommt, können Schmerzen ausgelöst werden. Wie kann das sein? Früher nahm man diese Leiden nicht ernst, tat sie als Hirngespinst ab. Heute geht man davon aus, dass das Gehirn, weil es nach einer Amputation vergeblich auf Informationen aus dem fehlenden Bereich wartet, nach einer Weile mit der Umstrukturierung beginnt. Läuft bei diesem Umbau etwas falsch oder ist er unvollständig, wird der unbesetzte Bereich von einem Nachbarbereich gekapert und Empfindungen aus anderen Bereichen werden in den nicht mehr existenten Bereich projiziert. Die Nervensignale kommen also aus der betreffenden Nachbarregion.
Behandelt wird der Phantomschmerz ähnlich wie andere neuropathische Schmerzen mit Medikamenten, die das Nervensystem beeinflussen. Daneben ist es wichtig, die Umstrukturierung des Gehirns möglichst rückgängig zu machen. Das kann zum Teil mit einer Prothese geschehen, auch ein Training vor dem Spiegel oder gezielte Visualisierungen helfen dem Gehirn, den Schmerz wieder richtig zu lokalisieren. Die geeignete Therapie finden Betroffene in Zusammenarbeit mit dem Arzt und / oder in einer Schmerzambulanz oder Schmerzklinik (weiterführende Internetlinks siehe >).
Kehren Schmerzen immer wieder, zieht das Nervensystem seine Schlüsse und baut beteiligte Nervenverbindungen (Synapsen) weiter aus. Jetzt reagiert das Gehirn noch schneller und empfindsamer auf entsprechende Reize, das Schmerzempfinden ist nun chronisch.
Einen wichtigen Anteil an der Chronifizierung hat die bei Schädigungen von Gewebe im Körper ablaufende Entzündungsreaktion. Die ist im Prinzip eine gute Idee des Organismus: Eine Entzündung ist ja eine Reaktion des Immunsystems, sie ruft im Eiltempo Abwehrzellen auf den Plan, die Durchblutung wird gesteigert, Wärme entsteht, Schmerz ist spürbar. Die herangeeilten Immunzellen fahren alles an Waffen auf, was ihnen zur Verfügung steht, um dem Feind (Bakterien, ein eingetretener Glassplitter …) zu Leibe zu rücken. Im besten Fall war es das dann schon. Neues Gewebe wird gebildet und so gut es geht dem früheren Gewebe angepasst.
Wichtig für diesen Prozess ist eine gute Blutversorgung, damit die unterstützenden Zellen schnell zum Zielort gelangen. Wir können uns das etwa wie den öffentlichen Nahverkehr in der Stadt und auf dem Dorf vorstellen: Muskeln und Haut sind wie die Stadt. Hier sind überall Straßen, der Bus fährt oft und kommt fast überall vorbei. Auf dem Land gibt es viel Gegend und wenig Straßen, Busse kommen nur selten am Tag und halten nur an einer Stelle, den Rest müssen wir laufen. Diejenigen Gewebe mit weniger guter Blutversorgung wie Bandscheiben, Bänder oder Knochen sind also wie der öffentliche Nahverkehr im Dorf – sie brauchen länger zur Heilung als gut durchblutete Haut oder Muskeln.
Im Normalfall vermindert sich mit fortschreitender Heilung des Gewebes der Schmerz. Das Gewebe ist geschützt, der Schmerz hat seine Aufgabe erfüllt. Schwierig wird das Ganze, wenn die Entzündung nicht nachlässt oder die Nervenzellen zunehmend empfindlicher auf Schmerzen reagieren. Hier kommt das Gehirn zu der Schlussfolgerung, dass weiterhin Gefahr besteht und das abgeheilte Gewebe noch nicht auf Schutz verzichten kann. Der Informationsaustausch hakt. Auch die anderen Systeme hauen in diese Kerbe. Wir achten verstärkt auf Schmerzen, nehmen immer mehr eine Schonhaltung ein, die dem Körper signalisiert: »Achtung, gleich tut es weh«, und ihrerseits schmerzhafte Verspannungen zur Folge hat. Bewegungen werden vorsichtiger und weniger spontan, Schmerzen beginnen das Leben zu bestimmen.
Damit aus akuten keine chronischen Schmerzen entstehen, kann es ratsam sein, als erste Maßnahme dem Schmerz mit einem schulmedizinischen antientzündlichen Schmerzmittel entgegenzuwirken (siehe >), denn so wird die Schmerzerwartung nicht erfüllt und wir können lernen umzudenken.
Eigentlich sind Sie gar nicht zimperlich, aber wenn Sie sowieso rasende Kopfschmerzen haben, treibt Ihnen bereits ein leichtes Anstoßen des Knies am Schrank die Tränen in die Augen? Das ist nicht so ungewöhnlich, denn inzwischen ist bekannt, dass weiterleitende Nervenzellen sensibler auf Schmerzen reagieren, je länger und stärker die Schmerzen sind. Das hat zur Folge, dass schon leichte Berührungen oder leichte Reize irgendwann als Schmerz wahrgenommen werden. So entsteht ein Teufelskreis, denn unsere Schmerzen verstärken sich quasi selbst.
Je sensibler die Nervenzellen reagieren, umso eher senden sie auch dann Signale an das Gehirn, wenn es eigentlich gar keinen Reiz in der Peripherie gegeben hat. So kann sich aus einem akuten Schmerz ein chronischer Schmerz entwickeln; man spricht hier auch vom Schmerzgedächtnis.
Noch ist unklar, warum bei einem Menschen aus einem akuten Schmerz ein chronischer wird, bei einem anderen mit ähnlichem Krankheitsbild nicht. Wieder einmal sind auf jeden Fall die Gene (mit)verantwortlich. Großen Einfluss hat auch unsere Bewertung des Schmerzes: Je stärker Schmerzen mit Gefühlen verknüpft sind, desto größer ist die Gefahr, dass ein Schmerz chronisch wird. Nachgewiesen wurde zudem, dass psychosoziale Aspekte unser Schmerzempfinden beeinflussen: Je stabiler unsere sozialen Bindungen sind, je sicherer wir uns in unserem Leben, am Arbeitsplatz und im privaten Umfeld fühlen, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass aus einem akuten Schmerz ein chronischer wird. Menschen, die unter Depressionen oder Ängsten leiden, neigen eher zu chronischen Schmerzen. Umgekehrt beeinträchtigen die ständigen Schmerzen natürlich erheblich die Lebensfreude und erhalten beziehungsweise verstärken sich somit selbst.
In der Medizin spricht man von chronischen Schmerzen, wenn sie länger als 3 bis 6 Monate anhalten oder immer wiederkehren und dabei mindestens 15 Tage im Monat bestehen. Betroffene leiden doppelt, denn zugleich bröckeln soziale Strukturen wie Familie und Freundeskreis, die berufliche Perspektive schrumpft.
Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. nennt eine Häufigkeit chronischer Schmerzen von 10 bis 20 Prozent, was 8 bis 16 Millionen Menschen in Deutschland ausmacht. Etwa 50 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre chronischen Schmerzen direkte Auswirkungen auf ihren Beschäftigungsstatus haben, 39 Prozent sagen, dass ihr Zustand negative Auswirkungen auf Familienleben und Beziehungen hat, 21 Prozent fühlen sich gesellschaftlich isoliert.
Hier leiden die Betroffenen unter quälenden Schmerzen, für die keine körperliche Ursache gefunden wird. Schmerzempfinden spielt sich an verschiedenen Stellen des Gehirns ab, unter anderem auch in dem Bereich, in dem Gefühle entstehen. Der Schmerz des Körpers und der Schmerz der Seele sind also eng miteinander verbunden, sodass sozialer Stress, Mobbing, Trennung, Tod eines Nahestehenden oder traumatische Erlebnisse zu einem realen Schmerzgeschehen führen können. Besonders schwer ist diese Form des Schmerzes, weil Hilfesuchende oft als Spinner oder Hypochonder abgetan werden und nicht selten ein wahres Ärzte-Hopping hinter sich haben – ohne eine klare Diagnose.
Jeder, der einen geliebten Menschen verloren hat, weiß, dass Schmerz auch ohne körperliche Symptome unerträglich sein kann. Gedanken und Gefühle sind ein wichtiger Aspekt, wenn es um Schmerzempfinden geht, denn das Gehirn entscheidet über Schmerz. Man weiß, dass bei einer Schmerzerfahrung viele Teile des Gehirns aktiviert werden, und der gefühlte Schmerz ist eine Antwort unseres Hirns auf entsprechende Informationen. Wie stark und an welcher Stelle im Gehirn diese Antwort formuliert wird, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Wenn wir die Hand reflexartig von der heißen Herdplatte nehmen, haben wir den Schmerz meist noch gar nicht bewusst wahrgenommen, denn unser Gehirn muss das Geschehen erst einmal als Schmerz interpretieren und richtig lokalisieren. Idealerweise lernen wir dann auch noch aus dem Geschehen und wissen bei der nächsten heißen Herdplatte, dass wir die Finger lieber von dort weglassen.
Trotz einiger Bemühungen ist es der Wissenschaft bisher nicht gelungen, eine Standardisierung für Schmerzen zu erstellen. Schmerz scheint nicht objektiv messbar zu sein, dafür ist er aber sehr komplex. Es ist zwar möglich, sein Vorhandensein zu messen und sichtbar zu machen, das Gefühl der Betroffenen bleibt jedoch subjektiv und damit individuell, und was der eine achselzuckend wegsteckt, bringt den anderen schier zur Verzweiflung. Die großen Schmerzen bei einer Entbindung werden durch die Vorfreude (und die reichlich im Körper kursierenden Hormone) dann doch gerade noch aushaltbar.
Wie wir den Schmerz wahrnehmen, entscheidet das limbische System, jener Teil unseres Gehirns, der für die Verarbeitung unserer Gefühle zuständig ist. Ärgern wir uns maßlos über die eigene Ungeschicklichkeit, weil zum wiederholten Male der Hammer auf dem Daumen statt auf dem Nagel landet, erleben wir den Schmerz intensiver, als wenn wir gelassener gegenüber unserem Missgeschick sind. Sind wir wie in einem Rausch, weil wir sportliche Höchstleistungen errungen haben, nehmen wir den Schmerz in unserer Hüfte weniger wahr, als wenn wir schlecht gelaunt die verhasste Kellertreppe mit den viel zu hohen Stufen runtergehen müssen.
Auch einen wiederkehrenden Schmerz nehmen wir unterschiedlich wahr. Während wir gestern noch vor Schmerzen die Wände hochgehen hätten können, stehen wir heute demselben Schmerz mit mehr Gelassenheit gegenüber. Vielleicht sind wir ausgeruhter und ausgeschlafener, hatten gerade ein Erfolgserlebnis, nehmen die Welt heute etwas heller wahr, haben den Jackpot geknackt oder einfach bessere Laune. Was auch immer zu der veränderten Wahrnehmung führt: Schmerz ist nicht gleich Schmerz, sondern hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Außerdem reagiert der Körper nach einer längeren Schmerzphase empfindlicher auf Reize: Ein Schmerz, der anfangs noch einigermaßen gut auszuhalten war, wird deshalb mit der Zeit oft unerträglich.
Ein weiterer Aspekt ist die genetische Veranlagung. Auch die Beschaffenheit unseres Gewebes oder die unterschiedliche Ausschüttung von Neurotransmittern macht jedes Lebewesen einzigartig, gerade im Hinblick auf das Schmerzempfinden.
Schrammen oder Muskelkater schmerzen weniger, wenn sie Trophäen sportlicher Abenteuer sind.
Um den Schmerz in Worte beziehungsweise Zahlen zu fassen, ist bei aller Individualität eine Art subjektive Objektivität möglich: Auf einer Skala von 0 bis 10 sollen Schmerzpatienten ihre Schmerzen einschätzen. Ziel ist es, das Schmerzempfinden mittels Therapie mindestens zu halbieren. Ob es an der Stelle auch verlässliche und objektive Werte bei einer Schmerzmessung im Gehirn geben würde, wäre für die Wissenschaft sicher interessant, für die Betroffenen ist es unwichtig. Wichtig ist nur, dass der Alltag nicht mehr von Schmerzen bestimmt wird.