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© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020
© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020
Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.
Projektleitung: Dr. Sarah Rafajlovic
Bildredaktion: Nadia Gasmi
Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München
eBook-Herstellung: Christina Bodner
ISBN 978-3-8338-7459-8
1. Auflage 2020
Bildnachweis
Coverabbildung: Getty Images
Illustrationen: Markus Voll
Fotos: Adobe Stock; Dahn, Lara-Sophie; Gasmi, Nadia; Getty Images; iStockphoto; Mauritius Images/Masterfile; Plainpicture; Science Photo Library; Shutterstock; Stocksy; Westend61; WHO
Syndication: www.seasons.agency
GuU 8-7459 06_2020_02
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DAS BRINGEN SIE:
Einen angstfreien Umgang mit Essen
Auswege aus der Perfektionsfalle
Eine ausgewogene Versorgung Ihres Kindes
Hilfreiche Esstrukturen
Eine entspannte Atmosphäre am Familientisch
Ein Kind muss essen, um sich gesund zu entwickeln. Das »Richtige« auf dem Teller soll es sein und auf keinen Fall zu wenig. Dabei ausgewogen, frisch, regelmäßig und abwechslungsreich. Aber was, wenn ein Kind da so gar nicht mitspielt? Woran liegt’s, was tun und wann sollten wir uns wirklich Sorgen machen?
studierte Kulturwissenschaften in Frankreich, Deutschland und den USA. Sie arbeitet als freie Journalistin, Dozentin und Autorin mit dem Schwerpunkt Familie und betreibt eine Fortbildungsplattform für Fachpersonal der Elternarbeit. Mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie auf einem Bauernhof in Norddeutschland. Besuchen Sie Tatje unter www.tatjebartigprang.de
Seit vielen Jahren begleite ich Familien in Einzelberatungen und Workshops. Oft begegneten mir Mütter, Väter und Kinder mit schwerem Gepäck: Ein älteres Kind ist ein sehr wählerischer Esser, ein sogenannter Picky Eater, und die Eltern machen sich Sorgen, dass sich dieses stressige Essverhalten nicht später bei dem Neugeborenen wiederholt. Vielleicht könne man da ja bereits in der Beikostzeit etwas drehen? Und ob ich nicht vielleicht auch Tipps für das »schlecht« essende größere Geschwisterkind hätte?
Andere Familien kontaktieren mich direkt mit älteren Kindern – entweder war deren Essverhalten schon immer heikel oder alles lief unproblematisch, bis sich das Blatt plötzlich wendete. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Stillberaterin hatte ich auch immer wieder Berührungspunkte mit Fütterproblematiken und staunte anfangs, wie lange frühe, negative Füttererfahrungen bei Eltern und Kindern nachwirken können. In der überwältigenden Mehrzahl der Fälle gibt es aber weder beim kleinen Picky Eater noch bei den Eltern irgendein therapiebedürftiges Problem. Meist sind die Erwartungen einer Familie durch gut gemeinte Ratschläge und die Darstellung von »korrekter« Ernährung in den Medien so beeinflusst, dass sie ein Essverhalten erwarten, welches völlig gesunde Kinder gar nicht liefern können. In Zeiten von Facebook und Instagram bekommen Eltern aber vorgespiegelt, alle anderen – außer ihnen – bekämen das mit der perfekten Ernährung unendlich viel besser hin als sie selbst.
Mit diesem Buch möchte ich Ihnen helfen, aus der Perfektionsfalle auszusteigen, sich und den Bedürfnissen Ihres Kindes zu vertrauen und wieder entspannte gemeinsame Mahlzeiten genießen zu können.
Alle sitzen am Esstisch und sind schwer begeistert vom liebevoll zubereiteten Biogemüse in dreierlei Farben. Nur bei einem gibt es ein langes Gesicht und den Ruf nach Schokolade oder Nudeln »ohne alles«. Warum ist das Essen mit diesem Kind immer so stressig?
Den Beginn der Nahrungsaufnahme verbinden wir häufig mit der Einführung von Beikost beim Baby; allerdings setzt diese schon viel früher beim Fötus im Bauch der Mutter ein: Vom Tag unserer Zeugung an bereiten wir uns also aufs Essen vor. Wenn alles glattläuft, können wir uns von unserem allerersten Lebenstag an mit etwas Unterstützung, aber auf jeden Fall selbstständig, aus der mütterlichen Brust ernähren. Später können wir an den Familienmahlzeiten teilnehmen und uns noch ein paar Jahre danach das Essen selbst beschaffen. Soweit die Theorie.
Allerdings kann der Weg dorthin mit einigen sehr wesentlichen Hindernissen gepflastert sein. An irgendeinem Punkt in der Entwicklung des Säuglings kann die Nahrungsaufnahme dann aus den unterschiedlichsten Gründen nicht so reibungslos ablaufen wie im Normalfall. Tatsächlich treten gar nicht mal so selten Besonderheiten auf, die den Prozess einer ungestörten und vor allem freudvollen Nahrungsaufnahme des Kindes empfindlich oder sogar auf Dauer stören können.
Und die allermeisten beeinflussen das Essverhalten glücklicherweise auch nicht dauerhaft. Noch weniger stellen eine körperliche, gesundheitliche Bedrohung dar.
Am Anfang unseres Lebens stehen Befruchtung und Empfängnis. Mit der Einnistung dieser Zelle in die Gebärmutter beginnt die Schwangerschaft. Der Embryo teilt und spezialisiert sich nun immer weiter und nach nur drei Wochen setzt sein Herzschlag ein. Relativ schnell bilden sich weitere Organe aus und bereits in der 19. Schwangerschaftswoche fängt das Baby an, seinen Mund zu öffnen und Fruchtwasser zu schlucken. Das winzige Verdauungssystem nimmt seine Arbeit auf und auch die Geschmacksknospen im Mund entwickeln sich jetzt: Die Nahrungsaufnahme hat begonnen.
Schon im Mutterleib können Babys unterschiedliche Geschmäcker kennenlernen.
Das Baby »isst«. Und das Baby schmeckt. Im Lauf der Zeit kann es im Fruchtwasser immer mehr Geschmacksrichtungen wahrnehmen, die wiederum durch die Ernährung der Mutter beeinflusst werden. In den letzten Schwangerschaftswochen nimmt es ganze 400 Milliliter Fruchtwasser täglich zu sich. Allerdings scheidet das Baby diese beträchtliche Menge nicht komplett über die Harnwege aus. Der Löwenanteil wird bereits im Darm aufgenommen und später über die Plazenta, die mit dem mütterlichen Blutkreislauf verbunden ist, ausgeschieden. In dem Maß, wie sich die Nieren des Babys weiterentwickeln, wird auch immer mehr Urin ins Fruchtwasser entleert, allerdings müssen wir uns nicht vorstellen, dass das Ungeborene in seinem Pipi schwimmt. Die Plazenta übernimmt nach wie vor den Hauptteil. Der kindliche Urin ist wenig konzentriert und das Fruchtwasser wird ständig vom Körper erneuert.
Heute vermuten wir, dass das Schlucken von Fruchtwasser im Mutterleib mehreren, wichtigen Zielen dient: Das ungeborene Baby nutzt den Bauch als eine Art Trainingslager. Denn direkt nach der Geburt wird ein überaus komplexes Zusammenspiel von Muskeln notwendig sein, um an der Brust anzudocken und einen guten Milchtransfer zu erzielen. Diese Muskeln müssen trainiert werden.
Lange nahm man an, dass das Fruchtwasser vollkommen steril wäre. Seit einigen Jahren wissen wir aber, dass die mikrobielle Besiedelung des Darms bereits im Mutterleib beginnt. Diese Flora besteht vor allem aus verschiedensten Bakterien, die für uns Menschen lebensnotwendig sind. Das sogenannte Mikrobiom ist heute noch nicht ausreichend verstanden. Wir wissen allerdings, dass die Art und Weise, wie es sich ausbildet und besiedelt wird, wahrscheinlich lebenslange Auswirkungen auf uns hat. Wir sehen also: Schon in Mamas Bauch bedeutet die Nahrungsaufnahme für ein Baby mehr als eine reine Versorgung mit Energie und Nährstoffen.
Das Baby ist da – endlich! Vor einigen Jahrzehnten dachte man, dass für eine gesunde Ernährung nach der Geburt bestimmte Körperhaltungen, spezielle Zeitabstände oder genau vorberechnete Nahrungsmengen nötig wären, um einem Säugling einen guten Stillstart zu ermöglichen. Heute wissen wir, dass bei einem reif geborenen, gesunden Kind nichts davon notwendig ist und dass sie die Stillbeziehung von Mutter und Kind sogar nachhaltig schädigen können.
Die Notwendigkeit, eine bestimmte Stillposition einzunehmen und das Baby dabei in eine vordefinierte Haltung zu manipulieren, besteht in aller Regel nicht. Wenn wir von einer normalen Geburt ausgehen, findet ein gesundes Baby seinen Weg zur Brust und die günstigste Stillposition selbst am besten: Sitzt die Mutter bequem zurückgelehnt mit erhöhtem oder leicht erhöhtem Oberkörper, so setzt der unmittelbare Haut-zu-Haut-Kontakt ein Zusammenspiel aus Reflexen und Reaktionen frei: Das Baby findet selbst zur Brust und beginnt eigenständig zu trinken.
Dieser Vorgang wird auch als »breast-crawl« bezeichnet – zu Deutsch: »Brustkrabbelgang« – als zurückgelehntes oder babygeleitetes Stillen. Auch wenn direkt nach der Geburt nicht die Möglichkeit bestand, das erste Stillen babygeleitet zu gestalten, können Mutter und Kind diese Erfahrung jederzeit nachholen. Babygeleitetes Stillen ist auch später eine wunderbare Möglichkeit, dass der Säugling Gegebenheiten wie einen starken Milchspendereflex oder eine besondere Brustwarzenform selbst ausgleichen kann.
Auch von strikt vorgegebenen Stillabständen wissen wir heute, dass sie ein wesentlicher Baustein zum frühen Abstillen sind. Egal, ob drakonische Vier-Stunden-Abstände oder die etwas modernere Varianten von ein bis zwei Stunden und nicht mehr als soundso viele Stillmahlzeiten täglich: Es gibt keinen physiologischen Grund, dem Kind die Brust vorzuenthalten oder das Stillen hinauszuzögern. Und ja, falls ein Baby jeden Tag viele, viele Stunden an der Brust verbringt, kann das tatsächlich auf Probleme hindeuten. Dabei geht es aber um die Gesamtverweildauer und nicht um die Häufigkeit der Mahlzeiten.
Bei Stillkindern können wir darüber hinaus in regelmäßigen Abständen »Clusterfeeding« erwarten. Dann wird zu bestimmten Tageszeiten oder auch in besonderen Phasen über einen gewissen Zeitraum hinweg besonders viel gestillt. Entweder, weil sich das Baby einen guten Vorrat für den Schlaf anfuttern möchte, um vielleicht bald nachts seltener wach zu werden, oder, weil es die Milchmenge der mütterlichen Brust steigern will, da es für seine aktuelle Entwicklungsphase mehr Kalorien gebrauchen kann.
Glücklicherweise steht Familien, die nicht stillen möchten, können oder dürfen, heute, im Gegensatz zu früher, industriell hergestellte Säuglingsanfangsnahrung in einer hochwertigen Qualität zur Verfügung. Sie sorgt auch für ein gutes Gedeihen Ihres Babys.
Die Gabe von Säuglingsanfangsnahrung der Kategorie sogenannter Pre, die noch am stärksten angepasst ist, kann und sollte natürlich ebenfalls babygeleitet erfolgen: Auch die Flasche wird also nach Bedarf gegeben.
Außerdem wird die Flasche nicht von irgendjemandem verabreicht, sondern immer von einer vertrauten Bezugsperson. Nur, weil nicht gestillt wird, ist die Nahrungsaufnahme immer ein Prozess, der von Nähe, Intimität und Vertrauen geprägt sein sollte. Flaschenernährte Babys haben keine Lust, herumgereicht zu werden wie ein Wanderpokal.
Eine Flasche ist ein Brustersatz und wird, genauso wenig wie eine Brustwarze, in das Mündchen hineingestopft, sondern das Baby darf aktiv den Sauger umschließen. Bei Säuglingsanfangsnahrung, die als »Pre« ausgewiesen ist, ist bei gesunden Kindern keine Mengenbeschränkung nötig. Es hat sich sehr bewährt, kleine Portionen anzumischen und bei Bedarf noch etwas nachzubereiten. Bewusste, aber auch unbewusste Signale der fütternden Person, die eine bestimmte Trinkmenge vom Baby erwartet, können sonst ungewollt zu Überfütterung anregen.
Um den dritten oder vierten Lebensmonat herum, berichten viele Eltern von abweichendem Stillverhalten – oft verbunden mit Anschreien der Brust durch das Baby. Manchmal wird dieses Verhalten als »Brustschimpfphase« betitelt – quasi Picky Eating in Frühform. Lange nicht jedes Baby durchlebt allerdings diese Phase, und das Anschreien der Brust hat immer einen Grund. Manchmal kann das ein sehr starker Milchspendereflex der Mutter sein oder auch nur ein lautes Geräusch, das das Baby beim Stillen erschreckt hat, vielleicht auch ein neues Duschgel der Mutter. Häufig genug werden Sie den Grund niemals erfahren. In den meisten Fällen bewährt sich ein konsequentes Entstressen der stillenden Mutter, eventuell verbunden mit einem Blick ins Familiengefüge und professioneller Hilfe (siehe >).
Egal, ob Sie Ihr Baby nun gestillt haben oder nicht, können Sie all diese Muster auch auf sein späteres Essverhalten und die Nahrungsaufnahme am Familientisch übertragen: Jedes Kind ist individuell und der Alltag oft komplex und unvorhersehbar, sodass wir uns keine vorgefertigte Meinung über exakte Bedarfsmengen für unser Kind erlauben sollten. Unser bester Ratgeber darf in aller Regel das Hunger-Satt-Gefühl des Kindes sein. Außerdem behalten wir am besten schon hier im Hinterkopf, dass das »Was« an Nahrung vor dem »Wie« in den Hintergrund tritt. Die Esssituation und der Grad, bis zu dem sich das Kind hier selbst einbringen darf, wozu es angehört, begleitet und unterstützt wird, haben Vorrang vor der Menge und der Zusammensetzung einer Mahlzeit.
Bis zum Ende der Stillzeit steht Ihnen Ihre Hebamme zur Beratung und Begleitung zur Verfügung. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Darüber hinaus können Sie sich der Hilfe ehrenamtlicher oder professioneller Stillberaterinnen versichern. Geduld, Liebe und Entspannungseinheiten, gern in Form von immer wieder gemeinsam im Bett Haut-an-Haut-Kuscheln, helfen oft aus schlechten Phasen heraus.
Der Beikostbeginn ist einer der wichtigsten Punkte in der persönlichen Essgeschichte eines Menschen, obwohl wir uns nicht bewusst daran erinnern. Wenn wir von unseren Eltern erfahren, wie und vor allem wann wir mit der ersten Kost außer Milchnahrung versorgt wurden, schütteln wir wahrscheinlich stirnrunzelnd den Kopf: Besonders in den 1970er- und 1980er-Jahren war es in Deutschland noch üblich, wenige Wochen alte Babys bereits mit Brei- und Gemüsesaftzubereitungen aus der Flasche zu ernähren. Das hatte sicher damit zu tun, dass nur wenige Frauen stillten, aber auch mit der fehlenden Ausbildung von Fachpersonal in den Bereichen Stillen und Babyernährung.
Beikost sollte immer unter dem Schutz der Muttermilch eingeführt werden, um ein Allergierisiko für das Kind nicht zu erhöhen. Empfehlungen, ab dem abgeschlossenen vierten Lebensmonat eines Babys mit Beikost zu beginnen, unterstützt die WHO aus triftigen Gründen nicht: Ein unnötiges, verfrühtes Abstillen birgt nachweislich eine Vielzahl gesundheitlicher Risiken für Mutter und Kind.
Für die Beikosteinführung sind für Deutschland in erster Linie die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) relevant. Sie gelten für alle Länder, nicht nur für die, in denen eine potenziell kritische Versorgungssituation herrscht. Die WHO empfiehlt die Beikosteinführung bei gestillten oder ersatzweise mit einer Säuglingsanfangsnahrung ernährten Babys mit einem halben Jahr. Dieser Zeitpunkt wird leider oft um bis zu zwei Monate nach vorne verschoben, ohne dass für diese Empfehlung überzeugende medizinische Belege existieren.
Wenden Sie sich deshalb bei Stillproblemen, Fragen rund ums Stillen, aber auch mit dem Wunsch nach Abstillen vertrauensvoll an eine Stillberaterin: Ehrenamtliche Stillberaterinnen der La Leche Liga, der AfS oder Stillberaterinnen der DAIS oder Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC stehen Ihnen gern zur Seite, um Sie Ihren persönlichen Wünschen entsprechend zu begleiten.
In manchen Fällen kann eine verfrühte Beikosteinführung tatsächlich den Grundstein für ein problematisches Essverhalten legen. Als Eltern sind wir davon beflügelt, nur das Beste für unser Kind zu wollen. Wenn uns nun vielleicht gesagt wurde, dass eine Beikost schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt nötig wäre, versuchen wir oft alles, um unser Baby zum Essen zu bewegen. Macht es gut mit, merken wir erstmal nichts Negatives, aber die Probleme mehren sich, wenn das Baby den Brei vom Löffel verschmäht. Strategien wie das aktive Hineinstecken des Löffels in den Mund des Kindes, das Ablenken oder Zum-Lachen-Bringen, um das Esswerkzeug zwischen die Lippen zu befördern oder ein Festhalten der Ärmchen sind dann allzu schnell und nur aus bester Absicht bei der Hand. Bei empfindlichen Kindern entstehen aber auf diese Weise oft Widerstandsmuster, die manchmal nur schwer wieder ausgeglichen werden können.
Unter der Beikostreife versteht man die motorischen und kognitiven Fähigkeiten eines etwa sechs Monate alten Babys. Nun ist es in der Lage, sein Ernährungsspektrum langsam immer weiter auszudehnen.
1. Das Baby kann im Hochstuhl oder leicht unterstützt auf dem Schoß sitzen.
1. Rumpfkontrolle: Ihr Kind kann für die Dauer einer Mahlzeit seinen Oberkörper gut kontrollieren und sackt im Sitzen nicht mehr in sich zusammen.
2. Es kann selbstständig mit seinen Fingern nach Nahrung greifen und sie zum Mund führen.
2. Auge-Hand-Mund-Koordination: Ihr Kind kann etwas sehen, ergreifen und sich zum Mund führen.
3. Der Schutzmechanismus der Zunge gegen feste Nahrung ist verschwunden.
3. Kein Hinausstoßen mit der Zunge: Ihr Kind stößt das Essen nicht mehr reflexartig aus dem Mund.
Ist nun jedes Kind gleichermaßen mit exakt einem halben Jahr bereit für Beikost? Nein! Genauso wie Kinder zu verschiedenen Zeiten sprechen und laufen lernen, variiert auch der Zeitpunkt der sogenannten Beikostreife (siehe >). Um die individuell jeweils unterschiedlich ausfallenden Reifezeitpunkte mit einzubeziehen, gibt es Empfehlungen von WHO und UNICEF, wonach auf drei bestimmte Entwicklungszeichen geachtet werden sollte. Diese müssen immer gemeinsam auftreten, um bei einem gesunden Kind den Beikoststart einläuten zu können:
Das Kind sollte für die Dauer der Mahlzeit im Rumpf stabil sein und auch seinen Kopf schon sicher halten können, sodass es sich zum Beispiel auf dem Schoß der Person, die es füttert, mit ein wenig Unterstützung aufrecht halten kann, ohne beim Essen in sich zusammenzusacken.
Außerdem soll es einen Gegenstand in seiner unmittelbaren Umgebung – zum Beispiel etwas zu Essen – sehen, ergreifen und selbstständig zum Mund führen können: funktioniert mit Nahrung oder Spielzeug.
Schließlich soll das Kind auch in der Lage sein, das Essen herunterzuschlucken. Ein Baby, das Essen automatisch wieder mit der Zunge aus dem Mund schiebt, ist noch nicht beikostreif. Das Hinausschieben von Speisen ist nichts, was von Eltern trickreich überwunden werden muss, sondern ein Schutzmechanismus.
Der erste Geburtstag eines Babys ist für manche Familien der Tag, an dem die Unsicherheit in Sachen »richtiger Ernährung« noch größer wird: Was darf das Kind denn nun essen? Alles vom Familientisch? Oder doch lieber die mikrowellengeeigneten »Kindermenüs«, »Kindernudeln«, »Kindermüslis« und »Kinderjoghurts«, die geschäftstüchtige Babybreihersteller nach der Gläserkost für die Kleinen bereithalten? Und was, wenn alle Familienmitglieder bereit für die Speisen auf dem Esstisch sind, aber das Baby weiterhin nur Brei möchte?
Häufig wird gerade von Babynahrungsherstellern geraten, die Konsistenz des Essens nur sehr langsam von flüssig zu fest zu steigern. Dabei verunsichert diese langsame Steigerung das Baby oft noch mehr. Es rechnet ja immer mit der gewohnt homogenen Konsistenz seiner Mahlzeit ohne Stückchen auf dem Löffel. Wenn sich dann plötzlich eine Nudel darauf findet, können wir das mit dem Schreckerlebnis vergleichen, wenn wir eine Cola trinken, in der unvermutet eine Nudel schwimmt. Wahrscheinlich würden auch wir uns ganz gehörig verschlucken.
Bei einigen Kindern ist auch die Umstellung von der Brust beziehungsweise Flasche auf das Mit-dem-Löffel-Füttern und dann auf das Selbstessen einfach ein Schritt zu viel. Besonders, wenn die Einführung des Löffels problembehaftet war, stellt der nächste Wechsel des Fütterungsmodus in Richtung autonomer Nahrungsaufnahme eine höhere Schwelle dar.
Die Freude über das – manchmal mühsam errungene – selbstständige Essen, kann schon kurze Zeit später auf eine harte Probe gestellt werden. Denn irgendwann im zweiten bis vierten Lebensjahr beginnt die sogenannte Trotzphase.
Wenn ein Kind alles selber machen will und etwas mal nicht klappt, reagiert es in der Trotzphase mit Wut.
Dabei ist das Wort »Trotz« entwicklungspsychologisch nicht negativ besetzt. Im Gegenteil! Trotz bedeutet im eigentlichen Wortsinn nichts anderes als Standhaftigkeit, Selbstbehauptung oder Gegenwehr.
Wir kennen diese Bedeutung aus Wendungen wie »allen Zweiflern zum Trotz« oder »einem Angriff trotzen«. Erwachsene, die einer Sache trotzen, gelten als besonders standfest, mutig und nicht leicht unterzukriegen. Während diese Charaktereigenschaften bei uns selbst also positiv besetzt sind, denken wir bei trotzenden Kinder oft anders. Sie sollen vor allem funktionieren und das tun, was man ihnen sagt. Selbstbehauptung will aber jetzt für später gelernt sein!