Ein Werk (Buch) fürs Leben

Als der Forstmann Herbert Krebs im Jahr 1940 sein Lehrbuch »Vor der Jägerprüfung« veröffentlichte, konnte er gewiss nicht ahnen, dass dieses gerade einmal 180 Seiten schmale Büchlein mit seinen immerhin schon 636 Prüfungsfragen als »der KREBS« zu dem Standardwerk und Klassiker der Jagdausbildungsliteratur werden sollte.

Schon 1941 folgte die 2., »verbesserte«, Auflage. In den Jahren danach ging Ausgabe auf Ausgabe in Druck. Dabei passten Herbert Krebs und seine Mitautoren (wie bis heute auch alle ihnen nachfolgenden Bearbeiter) das Lehrbuch beständig den jeweils neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, den steigenden Anforderungen an das Wissen der Jägerprüfungsaspiranten und den sich wandelnden Einstellungen der Gesellschaft zur Jagd an.

Ein wichtiger Schritt war die Erweiterung des Titels im Jahr 1960 in den bis heute vertrauten Namen »Vor und nach der Jägerprüfung«. Damit wollte Herbert Krebs hervorheben, dass ein Jäger, eine Jägerin, im Prinzip nie aufhört, zu lernen. Denn die erfolgreich bestandene Jägerprüfung ist nur ein erster Schritt. Aus diesem Grund enthält der KREBS auch weit mehr Informationen, als zum Bestehen der Jägerprüfung notwendig sind. Er ist ein Nachschlagewerk für das gesamte jägerische Leben, ein Praxisleitfaden für das Handwerk Jagd.

Heute ist die Jagd technischer geworden; moderne Zieloptiken und Nachtsichtgeräte erobern insbesondere die Hochwildreviere, auch um Antworten auf die herannahende Afrikanische Schweinepest geben zu können. Außerdem gab es noch nie mehr die Nutzung von Natur und Landschaft einschränkende Vorgaben als heute. Zu den klassischen, bekannten Gesetzen von Bund und Ländern sind europäische Richtlinien und Verordnungen hinzugetreten, die ihre örtliche Umsetzung insbesondere durch Naturschutz- und Landschaftsschutzgebietsverordnun­gen erfahren. An all diese Vorschriften müssen sich Jägerinnen und Jäger genau halten. Dazu müssen sie sie ­natürlich kennen.

Kennen müssen Jägerinnen und Jäger nicht nur den rechtlichen Rahmen, sondern die gesamte Natur und insbesondere das ihnen anvertraute Wild. Die einzelnen Wildarten sicher ansprechen zu können und innerhalb der Wildarten entscheiden zu können, welches Stück der Wildbahn entnommen werden darf, ist die große Aufgabe, die nur gelingen kann, wenn Jagende sich sicher sind, das richtige Stück auszuwählen. Dies kann nur mit Wissen und Erfahrung in weidgerechter Weise erfolgen. Um das Wissen zu vermitteln, soll dieses Buch nicht nur in der Ausbildung, sondern auch immer wieder im aktiven Jägerleben hilfreich sein. Die für die erfolgreiche Jagd erforderliche Erfahrung kann kein Buch liefern; sie muss mit viel Zeit, Sitzfleisch und guten Jagdfreunden im Revier erworben werden.

Liegen Wissen und Erfahrung vor, können sich Jägerinnen und Jäger so verhalten, wie die Gesellschaft es von ihnen erwartet: weidgerecht, nachhaltig und verantwortungsbewusst.

Wenn wir Jagende diese Erwartungen erfüllen, dürfen wir davon ausgehen, unserer Passion auch in Zukunft nachgehen zu dürfen und den Kritikern der Jagd dauerhaft konstruktiv entgegenzutreten.

 

Mein Dank gilt allen, die an dieser Auflage mitgewirkt und mich unterstützt haben.

Christian Teppe

AEthik und Brauchtum

Jagd gestern und heute

Die Entwicklung des heutigen Menschen konnte wohl nur deshalb stattfinden, weil sich frühere Entwicklungsformen dazu entschlossen haben, tierisches Eiweiß zu sich zu nehmen, das sie durch Jagd erbeutet hatten. Die Entwicklung zum Homo sapiens ist also untrennbar mit der Jagd verbunden; nun gilt es jedoch, diesem menschlichen Anspruch in der heutigen Jagd auch gerecht zu werden.

Während die Jagd mit der Domestikation wilder Tiere für die Bauern an Bedeutung verlor, führten Überpopulationen zu empfindlichen Wildschäden an den ohnehin mageren Ernten vergangener Jahrtausende. Eine kleine Gruppe Privilegierter erfreute sich jedoch an der hohen Wilddichte, bot doch die Jagd für weite Teile des Adels und für spätere, weniger edle Machthaber Zeitvertreib, Spiel und gesellschaftliche Anerkennung unter ihresgleichen. Diese Zeiten sind nun – zumindest in Deutschland – vorbei.

Schon seit dem Mittelalter ist man im christlichen Abendland bemüht, den spielerischen Umgang mit dem Tod wilder Tiere durch verantwortungsbewusste Jagd abzulösen. Der berühmteste Aufruf zur Umkehr zur Verantwortung geht wohl mit der Sage vom Heiligen Hubertus einher, der bis zur Erscheinung eines Hirsches mit Kreuz im Geweih wenig Rücksicht auf die Mitgeschöpfe genommen hatte, danach aber geläutert war. Erfreulicherweise wird diesem Schutzheiligen der Jäger am 3. November jeden Jahres konfessionsübergreifend durch Hubertusmessen gedacht. Dabei werden örtliche Jäger und Jagdhornbläser in die Gottesdienste einbezogen. Es kommt zu besonders feierlichen Gottesdiensten, die ein positives Licht nicht nur auf die Kirche, sondern auch auf die Jäger scheinen lassen. Dort, wo solche Messen angeboten werden, sollte sich jeder Jäger fragen, wie er sich einbringen kann; denn bessere Öffentlichkeitsarbeit für das verantwortungsvolle Tun der Jägerschaft kann es kaum geben. Dort, wo diese Messen noch nicht abgehalten werden, sollten Jäger die Initiative ergreifen und zusammen mit den örtlichen Kirchengemeinden Hubertusmessen ins Leben rufen.

Neben den christlichen Ansätzen, den »Schöpfer im Geschöpfe zu ehren«, gibt es, nach der ­Aufklärung und dem kantschen kategorischen Imperativ, seit dem 19. Jahrhundert auch in der Gesellschaft einen zunehmenden Anspruch auf Schutz der natürlichen Ressourcen, der Natur und speziell der Tiere. Der Gesetzgeber reagierte darauf durch Erlass verschiedenster Gesetze und insbesondere des heute in weiten Teilen noch geltenden Jagdgesetzes, dass seine Wurzeln bereits in den 1920er-Jahren hat.

Weidgerechte Jagd

Die Voraussetzung für weidgerechtes Jagen ist, dass wir Jägerinnen und Jäger bei unserem jagdlichen Tun ethisch handeln. Jäger sein, das bedeutet viel mehr als nur Beute machen, das ist mehr als nur Trophäen sammeln. Jagen heißt, die Zusammenhänge in der Natur erkennen, die Natur lieben und schützen. Jagen ist nicht die Beute. Jagen ist sehen und erleben. Die Jagd erfordert einen aufrechten, ehrlichen und auch demütigen Menschen, einen Menschen, der aufgeht in der Bewunderung der Natur und der im Laufe seines Jägerlebens die Natur in ihrem geistigen Inhalt verstehen lernt und sich schließlich in Demut vor ihr verneigt. Viele Jagdgegner verkennen, dass die Jagd im Kreislauf des Werdens und Vergehens nichts Verwerfliches ist. Diese Fehleinschätzung hat ihren Grund in einem falsch verstandenen Mensch-Tier-Verhältnis, in der zunehmenden Vermenschlichung von Tieren (Anthropomorphismus), die den Jäger als Mörder brandmarkt. Solange wir die Jagd mit Anstand und tierschutzgerecht ausüben, dürfen wir uns unbesorgt als kultivierte Jägerinnen und Jäger bezeichnen.

Wenn wir heute von der Jagd getrost als wertvolles Kulturgut sprechen können und dürfen, dann haben wir das unserem jägerischen Idealismus, unserer Liebe zum Freisein und unserer Achtung vor den Mitgeschöpfen zu verdanken, ohne die es keine weidgerechte, keine ethisch einwandfreie Jagdweise und auch keine Menschlichkeit geben kann. Es ist daher für uns Jägerinnen und Jäger unerlässlich, uns eine ethische Grundeinstellung zu eigen zu machen.

Weidgerechtigkeit – kein leeres Wort

Die Weidgerechtigkeit ist für Jäger keine leere Worthülse und darf auch nicht dazu verkommen; schließlich ist sie zentraler Begriff des Bundesjagdgesetzes (§ 1 Abs. 3). Danach sind alle Jagenden verpflichtet, die allgemeinen Regeln der Weidgerechtigkeit einzuhalten. Um diesem unbestimmten Rechtsbegriff Inhalt zu geben, müssen wir Jägerinnen und Jäger uns die Frage stellen, ob unser Verhalten der Natur, dem Wild, dem Mitjäger, aber auch der Öffentlichkeit und damit anderen Naturnutzern und an der Natur interessierten Menschen gerecht wird. Konkret bedeutet dies:

Was du nicht kennst, das schieß nicht tot!

Nur wenn der Jäger sich zu 100 % sicher ist, das richtige Stück Wild im Absehen zu haben, darf er den Finger krumm machen und das Stück er­legen. Nur so werden Fehlabschüsse, die Ordnungswidrigkeiten oder bei führenden Stücken sogar Straftaten bedeuten können, verhindert.

Jagd ohne Hund ist Schund

Jedem Revier muss ein brauchbarer, also geprüfter Jagdhund, zur Verfügung stehen. Dabei sollten sich Revierinhaber nicht auf andere ver­lassen, sondern die Mühe auf sich nehmen, mindestens einen eigenen Hund auszubilden. Jungjäger, die einen Hund ausbilden, werden durch ihn schnell jagdlichen Anschluss finden.

Todsünde Jagdneid

Der Charakter des Mitjägers offenbart sich im ­Erfolg des anderen. Deshalb ist es dringend ge­boten, dem erlegten Tier und dem Erleger aufrichtiges »Weidmannsheil« auszusprechen. (Nur) in diesem Fall lautet die korrekte Erwiderung »Weidmannsdank«. Der Erfolg des anderen sollte statt Neid auszulösen, Ansporn sein, seine jagdlichen und Schießfertigkeiten zu optimieren. Mit dem Jagdglück klappt es sicher. Irgendwann.

Jäger als Naturschützer

Nicht nur, weil die Jagdverbände als Naturschutzverbände anerkannt sind, sondern weil jeder einzelne Jäger dieser Anerkennung gerecht werden muss, gilt es, dieser auch Taten folgen zu lassen. Sei es die Anlage von Blühstreifen, Streuobwiesen oder Schonungen, das Aufhängen von Nistkästen oder Rettung von Gelegen oder Kitzen vor dem Ausmähen, es gibt jede Menge zu tun! Auch andere Naturschutzverbände dürfen das in Feld und Wald und damit auch in Jagdrevieren. Anstatt sich gegenseitig oder die von anderer Seite zu schützenden Arten wie Greifvögel oder Wolf als Konkurrenz und voller Argwohn zu betrachten, sollte dringend der Dialog gesucht und der Konsens oder zumindest der Kompromiss gefunden werden. Wer die Kommunikation jedoch nicht führt, wird nie feststellen, ob es eine Einigung gegeben hätte.

Jägersprache? Ja bitte! Unter Jägern!

Wer sich als Jäger unter Jägern über Jagd unterhalten möchte, kommt an der korrekten Anwendung jagdlichen Sprachgebrauchs nicht vorbei. Doch ebenso wie man seinen behandelnden Arzt verstehen möchte, möchten Nichtjäger auch den Grünrock verstehen. Doch mit Begriffen wie Anstreichen, Abstreichen, Gesperre oder Überläufer können sie häufig nichts anfangen.

Zur Gesellschaftsjagd mit halbautomatischer Waffe?

Wer – insbesondere zum ersten Mal – zu einer Treib- oder Drückjagd eingeladen ist, sollte die klassischen Waffen wie Repetier- bzw. Doppelbüchse oder (Bock-) Doppelflinte dazu führen. Selbstladebüchsen bzw. -flinten sind auf den meis­ten Gesellschaftsjagden verpönt, denn sie führen zu Fehlschüssen und damit zu vermeidbaren Nachsuchen, die den Zeitplan strapazieren. Wenn äußerst erfahrene Schützen Selbstlade­waffen benutzen, um aus einer Rotte Sauen auch noch das 3. und 4. Stück herauszuschießen und der Jagdherr dieses schätzt, ist hingegen alles in Ordnung. Der Jungjäger allerdings sollte sich ­zunächst zurückhalten und zunächst die jeweili­gen Gepflogenheiten beobachten, um sich ihnen dann anzupassen.

Lass Blumen sprechen!

Seit jeher freuen sich Jagende gemeinsam über die Jagderfolge. Zu besonderen Ereignissen sollte daher zum »Tottrinken« eingeladen werden. Ob im Kreise der Jäger eines Reviers oder unter mehr oder weniger zahlreichen Jagdfreunden – den Feierlichkeiten sind nur räumliche und finanzielle Grenzen gesetzt. Der Gastgeber freut sich dabei besonders, wenn ihm Hilfe bei der Vorbereitung (Dekoration, Wildversorgung, Getränkebeschaffung) angeboten wird. Die Akzeptanz solcher Anlässe beim nichtjagenden Ehegatten, der stets unbemerkt die meiste Last zu tragen hat, darf gerne durch auf ihn abgestimmte Gastgeschenke erhöht werden. Diese Zeichen der Wertschätzung vergrößern die Chance auf Wiederholung einer gelungenen Feier.

Sei hilfreich und gut!

Jagd lebt von Gemeinschaften: Ob Jagdverband, Kreisguppe, Hegering, (Hochwild-) Hegegemeinschaft, Jagdgenossenschaft oder Pächtergemeinschaft bzw. Begehungsscheininhaber, überall muss miteinander für die Jagd gewirkt werden. Nur, wenn sich alle einbringen, können die Gemeinschaften zum Wohle der Jagd und der den Jägern anvertrauten Natur wirken.

Auf gute Nachbarschaft!

Was für Wohnungsnachbarn gilt, gilt erst recht für Jagdnachbarn: Wer neu ist, stellt sich seinen Nachbarn vor, denn spätestens bei der Wildfolge gilt es sich abzustimmen. Aber auch für die Frage nach revierübergreifender Drückjagd oder die Nutzung des Jägernotweges sollte die Abstimmung mit dem Nachbarn umgehend erfolgen. Dadurch werden Irritationen vermieden. Bei Drückjagden gilt: Alle stimmen sich ab und treffen sich idealerweise anschließend zum gemeinsamen Streckelegen und Schüsseltreiben. Wer sich ausschließt und sich stattdessen an die Reviergrenze setzt, um abzustauben, handelt nicht nur unsolidarisch, sondern nicht weidgerecht!

Ethisch eingestellter Jagender sein, das muss heißen, Freund zu sein, Kamerad zu sein. Das muss bedeuten, bereit zu sein, auch mit den anderen Naturliebhabern zu teilen, egal ob Fischer, Wanderer oder Pilzsucher. Und es muss bedeuten, gastfreundlich zu sein, denn die Gastfreundschaft ist Zeichen eines hohen ethischen Bewusstseins.