Mit diesem Kapitel habe ich mich ganz besonders schwer getan. Üblicherweise werden an dieser Stelle Anlass und Zielsetzung des vorliegenden Werkes dargestellt. Was aber will ich mit diesem Buch bewirken?
Grübelnd stand ich mal wieder zu Hause vor dem Regal voller Bücher zum Thema Segeln. Da gab es Revierführer, Reise- und Erlebnisberichte, aber auch Lehrbücher. Außerdem standen dort Bücher zu allen technischen Aspekten des Segelns.
Nein, noch so ein Buch sollte es nicht werden, zumal andere das viel besser können als ich und mehr Erfahrung haben. Was dann?
Mal ehrlich, gehören Sie auch zu denjenigen, die im Hafen gerne diese Steggespräche führen? Was ist das für ein Boot, wo kommt es her, wie alt ist es? Was hat es für eine Maschine, wie wurde das eine oder andere technische Problem gelöst? Welcher Lack wurde verwendet, welche Politur?
Ich selbst liebe es, über die Stege zu schlendern und mir Boote auf der Suche nach Anregungen anzusehen. Allein dadurch habe ich schon einige Tipps für Verbesserungen an unserem Boot erhalten. Ist jemand an Bord, kommt es auch vor, dass ich denjenigen anspreche und frage, ob ich mir das Boot einmal ansehen dürfe. Noch nie wurde mir diese Bitte verweigert. Erst einmal an Bord, wird mir alles gezeigt und alle Fragen werden geduldig beantwortet.
Es gibt eine unübersehbare Vielzahl von Serienyachten.
Trotzdem gleicht keine Yacht eines Typs einer anderen desselben Typs aufs Haar. Hier sind Leinen anders geführt, dort Beschläge anders angeordnet. Das setzt sich unter Deck fort, bis aus einem Serienschiff ein Unikat geworden ist, ein Schiff, dass der Eigner nach seinen Wünschen, Vorstellungen und Erfahrungen gestaltet hat, um eines Tages damit seine Fahrten zu unternehmen. Diesen Weg, das ist es, was ich am Beispiel unseres Bootes hier beschreiben möchte. Im Vordergrund steht damit das Boot, weniger die Reisen, die damit gemacht werden. Die kommen aber bestimmt, denn dafür ist das Boot ja schließlich da.
Durch dieses Buch erhebe ich nicht den Anspruch, alles auf die einzig richtige Art und Weise gemacht zu haben, dafür gibt es einfach zu viele Alternativen. Das fängt schon bei der Auswahl des eigenen „Traumbootes“ an. Aber eine Anregung kann es allemal sein!
Es sind jetzt eineinhalb Jahre vergangen und es hat mich ebenso überrascht wie gefreut, dass das Buch tatsächlich Interessenten gefunden hat und gekauft worden ist. Auch habe ich die eine oder andere persönliche Rückmeldung erhalten, die durchaus positiv ausgefallen sind.
Dies habe ich zum Anlass genommen, zum einen die leider trotz häufigen Korrekturlesens immer noch vorhandenen Schreibfehler zu beseitigen, Berichtigungen und Ergänzungen einzuarbeiten und zum anderen einen kleinen Ausblick zu geben, wie es weiter gegangen ist - denn irgendwas ist immer!
Ich komme gar nicht von der Küste. Ich bin Schleswig-Holsteiner mit ostwestfälischem Migrationshintergrund.
Geboren und aufgewachsen in Bielefeld hatte ich, abgesehen von den Sommerferien an Nord- und Ostsee, keinerlei Berührung mit dem Meer. Dort allerdings haben mich die vielen verschiedenen Schiffe und Wasserfahrzeuge jeglicher Art schon immer fasziniert. Im Nachhinein ist es daher für mich völlig unverständlich, dass ich nach dem Wechsel von der Universität Bielefeld zur Christian-Albrechts-Universität Kiel dieser Leidenschaft nicht in irgendeiner Form nachgekommen bin. Drei Jahre lang wohnte ich in Sichtweite der Kieler Förde und habe mir nichts dabei gedacht.
Nach Beendigung des Studiums lernte ich während des Vorbereitungsdienstes für den öffentlichen Verwaltungsdienst meinen Freund Jörg kennen, der bereits damals ein erfahrener Segler und aktives Mitglied im Akademischen Segelverein Kiel war.
Die erste Besichtigung eines Vereinsbootes im Winterlager 1987/88 hat dann gereicht, um in mir den Wunsch nach einem eigenen Segelboot zu wecken.
Nach dem Erwerb eines Segelscheines und ersten Erfahrungen auf Conger- und VB-Jollen machte ich mich auf die Suche.
Das anfänglich sehr bescheidene Einkommen ließ die Traumschiffe in einem schier unüberschaubaren Markt im Laufe der Zeit immer kleiner werden.
1991 war es schließlich soweit. Ein kurzer Artikel in der „Yacht“ fand mein Interesse. Darin wurde die neue Albatros 570 der Firma Albatros-Boote vorgestellt. Die wollte ich mir einmal genauer ansehen. Mit meinem Freund Jörg fuhr ich nach Düsseldorf zur Bootsausstellung. Der Firmenchef, Herr Hänsel, war sehr freundlich und hat sich mehr als eine Stunde Zeit genommen, uns über dieses doch eher kleine Boot ausgiebig zu informieren.
Nachdem ich ein paar Tage darüber geschlafen hatte, nahm ich das Angebot von Herrn Hänsel an und kaufte das Ausstellungsboot der Friedrichshafener Bootsmesse zum Sonderpreis. Damit war ich nun stolzer Bootsbesitzer.
Mit diesem Boot, einem 5,70m langen trailerbaren Kielschwerter befuhr ich die küstennahen Gewässer Schleswig-Holsteins, aber auch den Limfjord und das niederländische Friesland. Den Kauf habe ich nie bereut, es war ein schönes Boot, auf dem ich mich immer sicher gefühlt und mit dem ich viele schöne Erfahrungen gemacht habe. Das Boot befand sich danach noch einige Zeit in Familienbesitz, es wurde von meinem Schwager auf der Schlei gesegelt, heute ist der große Plöner See sein Heimatrevier..
In der Zwischenzeit haben meine Freundin Andrea und ich geheiratet und sind in unser neues Eigenheim in der Nähe der Schlei gezogen. Nach der Geburt unseres Sohnes Erik standen wir vor der Entscheidung, entweder die Albatros zu behalten, dann aber die nächste Zeit nur auf der Schlei segeln zu können, oder aber ein größeres und sicheres, v.a. selbstaufrichtendes Boot mit Platz für uns drei anzuschaffen. Da Andrea ebenfalls segelbegeistert ist, fiel die Entscheidung zugunsten eines größeren Bootes aus.
Diesmal musste ich anders an das Thema herangehen. Das neue Boot sollte uns beiden gefallen, außerdem bedeutete ein größeres Boot höhere Anschaffungs- und Folgekosten. Ein neues Boot wie beim ersten Mal kam aus finanziellen Gründen nicht in Frage und ein Fehlkauf musste unbedingt vermieden werden.
Dazu legten wir ein paar Eckpunkte fest. Das Boot sollte zwischen 7 und 8m lang sein, sicher und stabil für die kleine Familie, für Anfänger geeignet und ca. 25.000 DM kosten.
Mit diesen Vorstellungen wandte ich mich ratsuchend an erfahrene Segler aus unserem Verein. Überraschenderweise fiel das Votum eindeutig aus: wir sollten uns mal eine Bandholm 24 ansehen. Das wäre ein robustes und gutmütiges Boot mit einem gemütlichen Innenausbau aus Teak. Die erste Besichtigung einer BA 24 in der Nähe von Lübeck war ernüchternd. Das Boot war komplett selbst ausgebaut, also nicht, wie damals üblich, mit den Originalteilen von der Werft. Das sah sehr nach „Bananenkiste“ aus. Ein Kocherbrand hatte Teile der Innenverkleidung angesengelt und der Außenborder der Marke „König“ gehörte ins Museum. Gleichwohl reichte uns dieser erste Eindruck um zu erkennen, dass die Bandholm vom Platzangebot und Aussehen (wir sind da eher etwas traditionell veranlagt) zu uns passen würde. Nun kam es darauf an, ein vernünftiges Exemplar aufzutreiben.
Hilfe fand ich bei einem Arbeitskollegen, in dessen Segelverein drei Boote dieses Typs zum Verkauf standen. Schnell fiel unsere Wahl auf eine, deren Zustand als zufriedenstellend bezeichnet werden konnte, und die als einzige über eine Einbaumaschine verfügte. Nach einer Probefahrt und ein bisschen Verhandeln schlugen wir zu und überführten im Juli 1998 unser neues Boot, die „Njord“, von Kiel in die Schlei.
Es folgten schöne und glückliche Jahre, die uns häufig in die Dänische Südsee, aber auch bis Middelfart, Nordlangeland und Flensburg führten. Im Laufe von 13 Jahren führte ich größere und kleinere Veränderungen und Modernisierungen nach meinen Vorstellungen und den gesammelten Erfahrungen durch, ohne das Boot jedoch zu verbasteln. Die teuersten Maßnahmen bestanden im Austausch der alten Segel, der Sprayhood und der Kuchenbude sowie des alten Farymann Einbaudiesels.
Damit war das Boot nach meinen Vorstellungen bestens in Schuss und ausgerüstet und ich beschäftigte mich erstmals mit der Idee, meine Erfahrungen zu Papier zu bringen. Gerade hatte ich angefangen, die ersten Zeilen zu formulieren, da geschah das Unglaubliche, das Unfassbare: wir kauften uns ein neues altes Boot. Ich kann nicht leugnen, dass es sich hier und da schon abzeichnete, zumindest schon andeutete, auch wenn ich es zunächst nicht wahr haben wollte. War ich anfangs sicher, mit unserer BA 24 das „Boot für`s Leben“ gefunden zu haben, stellten wir vor allem in den letzten zwei Jahren fest, dass 24 Fuß für drei Erwachsene (unseren Sohn zähle ich einfach mal dazu, hatte er doch im Alter von 14 Jahren die 1,70 Metermarke längst geknackt) auf einem dreiwöchigen Urlaubsttörn ganz schön eng sein können. Auch für mich mit 2m Körpergröße wurde es zunehmend schwieriger, mit der nur 1,93m langen Koje zurecht zu kommen.
Bei den jährlich stattfindenden Treffen der Bandholm Klassenvereinigung hatten wir mehrfach Gelegenheit, uns eine Bandholm 28 anzusehen. Wow, die bot vielleicht viel Platz. Sie war genauso wie die 24er, nur eben alles etwas größer. Wenn überhaupt ein neues größeres Boot, dann sollte es eine BA 28 werden, da waren wir uns sicher.
Nun war es nicht so, dass wir bewusst und gezielt nach einem neuen Boot Ausschau hielten, hatten wir doch unsere „Njord“ gerade in der letzten Zeit mit erheblichem finanziellen Aufwand modernisiert. Auch musste man erst einmal eine vernünftige BA 28 zu einem fairen Preis finden, wurden von diesem Typ doch nur 110 Stück gebaut.
Sporadisches Stöbern auf den Internetseiten der Bandholm-Klassenvereinigung und auf Scanboat.com führten zu der Erkenntnis, dass in Deutschland nur sehr selten 28er angeboten wurden, die Schiffe in Dänemark aber entweder grottenschlecht oder wahnsinnig teuer waren. Im Oktober 2011 stieß ich zufällig auf eine Anzeige in der „Yacht“. Dort wurde in Sonderburg eine Bandholm 28 zu einem auf den ersten Blick interessanten Preis angeboten. Sollten wir? Sonderburg ist nicht weit weg und fragen kostet nichts. Die Kontaktaufnahme gestaltete sich anfangs etwas umständlich. Bjarne, der dänische Eigner, hatte nach einem Schlaganfall (der auch der Grund für den Verkauf war) sprachliche Probleme, die eine Verständigung trotz unserer vorhandenen Dänischkenntnisse erheblich erschwerten. Der deutsch sprechende Schwiegersohn lebt in Kopenhagen und konnte maximal vermitteln. Besser wurde es, nachdem Bjarne`s Nachbar eingeschaltet wurde. Ole war freundlich, immer gut gelaunt und sehr hilfsbereit. Über ihn wurde eine erste Besichtigung arrangiert, die in der Marina von Sonderburg stattfand, da das Boot sich noch im Wasser befand.
Auf der Fahrt nach Hause waren Andrea und ich uns relativ sicher, dieses Boot nicht gegen unsere schöne „Njord“ einzutauschen. Es hatte einfach nicht richtig „klick“ gemacht. In der nächsten Ausgabe der „Yacht“ zwei Wochen später wurde die BA 28 immer noch angeboten, der Preis war jedoch um sage und schreibe 5.000€ gefallen. Ein Notverkauf? Sollten wir doch? Wir wollten das Boot noch einmal gründlich unter die Lupe nehmen und holten uns für eine erneute Besichtigung Verstärkung. Ich konnte Toni überreden, mich zu begleiten. Toni, in einem seiner früheren Leben auch mal als Bootsbauer tätig, war einer derjenigen, die mir seinerzeit zu einer Bandholm geraten hatten.
Toni ist ein wortkarger Mann. Bevor er lange über eine Sache redet, macht er sie lieber. Umso erstaunter war ich, als er ein Gespräch mit mir begann.
„Weißt du eigentlich, auf was du dich da einlässt?“ fragte er mich. Mit dieser Frage konnte ich nicht so viel anfangen, deshalb fragte ich nach:
„Was meinst du?“