Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
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1. Auflage, Dezember 2020
© 2020 beim CSW-Verlag,
Hauffstr. 10, 71364 Winnenden
www.csw-verlag.com
Lektorat: Ulrike Floßdorf, Alexander Ehmann
Umschlaggestaltung: Scott Saslow, Enno Coners
Layout und Satz: Enno Coners, Constantin Gillies
Schriften: Thesis von LucasFonts, Compacta von Fred Lambert,
C64 Pro Mono von Style
ISBN 978-3-941287-79-2
eISBN 978-3-941287-80-8
SCHRÖDERS LETZTER FALL

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*** NACHWORT ***
*** DANKSAGUNG ***

Wenn Alexei Pawlowski an diesem Morgen nicht etwas früher zur Arbeit gefahren wäre, würde vermutlich kein Video des Einschlags existieren. Der Elektriker hatte sich schon um kurz vor halb sieben – eine Viertelstunde vor seiner üblichen Zeit – auf den Weg in die Werkstatt gemacht, eher aus Schlaflosigkeit denn aus zeitlichen Erwägungen. Einen Stau braucht Pawlowski in seiner Heimatstadt Kurtschatow nicht zu fürchten. In dem Ort in der kasachischen Steppe wohnen keine zehntausend Seelen, zudem sind die Straßen großzügig dimensioniert.
Pawlowski stieg ins Auto und schaltete die Dashcam ein. Er hatte die Videokamera nach einem kleinen Auffahrunfall mit einem alkoholisierten Fahrer angeschafft und sich angewöhnt, noch vor dem Starten des Motors den roten Aufnahmeknopf zu betätigen. Seine Entscheidung war auf ein Modell mit mehreren Kameras gefallen, von denen eine das Geschehen vor dem Auto und die andere das Wageninnere filmt – ein Detail, das den Grundstein zu Pawlowskis kurzem, aber intensivem Ruhm der kommenden Wochen legen sollte.
Der Meteorit erschien am Himmel, kurz nachdem die Ampel auf Rot gesprungen war.
Pawlowski hatte an einer Kreuzung angehalten und trommelte – so sollte es das Video später dokumentieren – ungeduldig auf dem Lenkrad herum. Plötzlich blitzte am Horizont auf der Fahrerseite ein heller Lichtpunkt auf, ähnlich der Signalrakete eines in Seenot geratenen Schiffes, nur nicht rot, sondern weiß.
Schneller als jedes Flugzeug schoss das Licht über den Horizont, während sein Leuchten immer intensiver wurde. Auf der Höhe des Mittelstreifens brannte es schon heller als die Morgensonne und tauchte die leere Kreuzung in ein unwirkliches Licht. Die Ampel war immer noch rot.
In diesem Moment tat der junge Mann mit den zerzausten Haaren und dem unrasierten Gesicht etwas, was ihm – zumindest für ein paar Tage – weltweite Prominenz bescheren sollte: Er klappte mit stoischer Ruhe die Sonnenblende herunter.
Offensichtlich war Pawlowski von dem Spektakel, das sich am Himmel abspielte, völlig ungerührt. »Zero fucks given!« und »Badass!« jubelten die Massen später im Netz, wo sich das Video rasend schnell verbreitete. »In Russland ist der Meteorit geschockt, dich zu sehen.« Pawlowski war ab sofort der Russian Meteor Guy.
Weniger Schlagzeilen als der Zeuge machten die Folgen des Einschlags. Der Meteorit setzte seinen Sturzflug fort und schlug etwas außerhalb der Stadt in der Steppe ein. Die Druckwelle war so gewaltig, dass selbst einige Kilometer entfernt noch Fenster zu Bruch gingen. Menschen kamen nicht zu Schaden. Die Kommentatoren konzentrierten sich darauf, anzumerken, dass solche Ereignisse im Flächenland Russland normal seien und durch die allgegenwärtigen Dashcams jetzt erst sichtbar würden.
Dass Kurtschatow einmal eine geschlossene Stadt war, erwähnte niemand.
Warum kann sie nicht einfach sagen, was los ist?
Harry ist wie eins dieser modernen Betriebssysteme, die kein »file not found« mehr rausrotzen, sondern alles weichspülen, jede Nachricht pseudo-kumpelhaft verpacken, von wegen »Sorry, ich kann leider gerade nicht finden, wonach du suchst«. Einfach ekelhaft.
Was – will – sie?
»Schröder … weißt du …«
Oh nein, sie legt den Kopf schief und knipst das Fernlicht an. Das ist so was von unfair. Dieser Blick ist echt ihre Geheimwaffe. Sie weiß, dass ich ihr nichts, was sie gleich fordern wird, abschlagen kann, dieses Biest.
»Wir könnten jemanden wie dich echt brauchen.«
Unfassbar, sie will mich wirklich einstellen.
Harriet Thorborg und Schröder sollen wieder in ein und demselben Team spielen. Fucking unfassbar.
Mindestens so unfassbar ist allerdings, dass sie das mit ihrem Business überhaupt hingekriegt hat. Kaum war sie bei der Forensecura letztes Jahr wegen der Aktion in Bangkok rausgeflogen, hatte sie schon ihren eigenen Laden am Start: Thorborg und Partner, Forensic Investigations, Ihr kompetenter Partner in IT-Sicherheitsfragen, wir begrüßen Sie gerne in unseren repräsentativen Büros direkt am Flussbogen.
Kleine Streberin.
Sie zieht die Sache wohl zusammen mit irgendeiner Anna-Lena hoch, was vom Namen her verdächtig nach einer üblen Weltverbessernden Anfang zwanzig klingt. Schon nach einer Woche haben sie angeblich einen dicken Auftrag an Land gezogen, eine ganze Reihe von Sicherheits-Audits bei einer Krankenhaus-Kette oder so.
Hut ab. Andererseits – klar, schließlich hat sie ja beim Besten gelernt.
Sooo prall scheint ihr Business allerdings auch nicht zu laufen, sonst würde sie sich nicht in den Staub werfen, damit ich bei der Chose mitmache.
Das muss alles ein Witz sein.
»Ja, aber, wie stellste dir das vor, Harry? Soll ich Partner werden, oder was?«
Sie schaut verlegen runter.
»Na ja …« Aha, jetzt kommt der Haken! »Also angesichts … also das Startkapital, das kommt ja von uns, also von der Anna-Lena und mir.«
Was im Übrigen noch viel fucking unfassbarer ist: Wie schafft sie es, Geld für eine Firmengründung beiseitezulegen, während jeder normale Mensch die Kohle raushaut wie ein besoffener Matrose? Wobei es keineswegs finanziell unmündig ist, am Anfang des 21. Jahrhunderts ein Monatsgehalt in einen fabrikneuen SX-64 zu investieren!
»Also, da du ja kein Kapital mitbringst, Schröder …«
Bitte keine unnötigen Höflichkeiten, Frau Thorborg.
»Korrekt, ich bringe nichts mit. Und deshalb wärst du dann die Chefin?«
Bam, sie läuft knallrot an. Süß.
»Nein! Also doch. Aber nur auf dem Papier, und …«
Ich würde also unter ihr arbeiten. Da lassen sich Beavis und Butthead im Hinterkopf natürlich ein »Ch-ch« nicht nehmen.
Auf eine kranke Art macht es Spaß, dabei zuzusehen, wie sie sich windet.
Was für eine totale Schnapsidee, dass ich in ihrer Firma anfangen soll! Dagegen sprechen so unendlich viele Gründe, mindestens eine Million, zum Beispiel, zum Beispiel …
»Harry, meinst du wirklich, dass das eine gute Idee ist – ich, du und Anna-Lisa?«
»Anna-Lena.«
Und schon wieder ein genervtes Augenrollen kassiert.
»Okay, Anna-Lena eben. Allein der Name … Die ist doch bestimmt superjung, und ganz ehrlich, Harry: Ich kann diese Kids nicht mehr aushalten, die sind mir alle einfach … zu jung. Also nur so zum Beispiel: Deren Vorstellung von Hi-Fi ist es, ihr Handy beim Musikabspielen auf ein Glas zu legen, weil’s dann lauter wird. Und das Ganze feiern sie dann noch – hach-hui – als tollen Life-Hack. Nee echt, Harry, mit der Generation kann ich nix anfangen. Und überhaupt …«
»Schröder …«
»Diese Anna-Lena ist bestimmt so eine, die sich überall im Schneidersitz hinsetzt, oder?«
»Schröder …«
»Also im Casa, da bedient auch so eine Tante aus dieser Generation, und die fragt mich immer, ob ich den Cappuccino mit Kuhmilch haben will, und dabei betont sie das Wort immer, als wäre Kuhmilch so was wie Meth, weil in dem Scheiß-Ökoladen ja jeder seinen Kaffee nur noch mit veganer Sojabrühe runterwürgt. Also mit diesen jungen Frauen, also das könnte – rein beruflich –, also da …«
»Schröder! Anna-Lena ist fünfunddreißig – und verdammt kompetent! Alles klar?«
Ihre Stimme überschlägt sich – höchste Zeit, die Klappe zu halten.
»Meinte ja nur …«
»Och, Schröder.«
Ja, och Schröder. Warum muss sie das wieder so sagen und dabei enttäuscht den Kopf hängen lassen? Da kann ich doch nix für. Warum müssen alle Diskussionen mit ihr nach spätestens zwei Minuten mit einem »Och Schröder« enden – und mit diesem Blick, der zu gleichen Teilen aus Wut und Resignation besteht. Mir ging es doch nur darum, hier im Vorfeld ein paar potenzielle intergenerationelle Konfliktherde anzusprechen.
Unser Spaziergang ist eigentlich viel zu schön, um ihn sich mit einem Och-Schröder-Vortrag zu versauen.
»Okay, ich denk drüber nach, Harry.«
Pling, ihre Lampen sind wieder an.
»Danke.«
Und schon nimmt sie wieder das volle Harriet-Thorborg-Marschtempo auf, das sich hart an der Grenze zum Joggen bewegt. Wird sie jedes Jahr schneller – oder werde ich nur immer unfitter? Mit diesem Persönchen, wie Oma gesagt hätte, kann ja keiner mehr mithalten.
Eigentlich war dieser Spaziergang eine sehr schöne Idee. Sie kam natürlich von ihr: Nach monatelanger Funkstille hatte sie gestern einfach so mir nichts, dir nichts angerufen und vorgeschlagen, man könne doch mal rausfahren und so.
Mutter hätte uns so eine Aktion unter dem Label »mal ordentlich durchpusten lassen« verkauft. Dass man durchaus vierzehn Stunden am Tag Beach Head zocken kann, ohne auch nur das kleinste Durchpustbedürfnis zu verspüren, überstieg damals ihre Vorstellungskraft.
Nach einer ausführlichen Bedenkzeit von einer Femtosekunde habe ich zugesagt. Wenn Seven of Nine ihre Gesellschaft anbietet, ist Zögern fehl am Platz.
Vorhin habe ich sie dann, ganz Gentleman, mit dem Mirth Mobile eingesammelt, und wir sind raus zu diesem Parkplatz, wo dieses alte Wanderschild hängt, auf dem der Typ einen Hut trägt und bei der Tante die Haare nach hinten wehen, weil sie so stramm marschiert. Lustig, eigentlich wie Harry.
»Schön hier, Schröder, oder?«
Dass sie bei dem Tempo überhaupt noch reden kann.
»Hm.«
Sie wird auf ihre alten Tage doch nicht so ein Outdoor-Fanatiker? Viele Leute in unserem Alter radikalisieren sich ja total und fangen an, den ganzen Scheiß zu lieben, den sie als Kind gehasst haben: spazieren gehen, sich durch Museen schleppen, sich mal ordentlich durchpusten lassen.
Harrys Look sieht jedenfalls verschärft nach Stockholm-Outdoor-Syndrom aus: Sie trägt eine grüne Jacke mit Cordkragen und so eine Schiebermütze, wie sie englische Lords im Fernsehen immer beim Jagen aufhaben. Ihr persönlicher Feldzug gegen die – Zitat Harry – »nachlässige Kleidung« in der IT-Branche nimmt langsam groteske Züge an, das reinste Rosamunde-Pilcher-Cosplay. Nein, sie sieht aus wie aus dieser neuen Serie, wie heißt die noch mal? Irgendwas mit Downtown …
Doch ich will mal nicht so sein, denn sie trägt Stiefel.
Hohe Stiefel aus Wildleder. Die knapp überm Knie enden. Und sie sieht so unfassbar heiß aus. Was zur Hölle ist an hohen Stiefeln so unfassbar heiß? Das sollten diese Anthropologie-Nerds mal erforschen. Warum ist man ab einer bestimmten Stiefelhöhe nicht mehr in der Lage, klar zu denken? Oder nur an die andere Art von ordentlichem Durchpusten ...
Oh Gott, hört diese Pubertät denn nie auf?
Konzentration.
Es. Ist. Schön. Hier.
Wir marschieren wie ein altes Pärchen den Feldweg lang, lassen unsere Gesichter von der Sonne wärmen und machen mit unserem Atem so kleine Wölkchen.
Der Boden ist überall da, wo die Sonne hinkommt, schon total aufgetaut und matschig, aber im Schatten, hinter jeder Hecke und jedem Matschklumpen, liegt noch Raureif.
Die Situation verlangt dringend nach sozial kompatiblem Geplauder.
»Fühlt sich richtig, äh, frühlingshaft an.«
Mutter wäre stolz.
Harry kneift die Augen zusammen, als könnte sie nicht fassen, dass ich das wirklich gesagt habe.
»Ja … das tut es, stimmt.«
Tja ja, der Schröder kann nämlich auch romantisch.
Sie macht ein paar Sprünge nach vorne, rüber zu einer Traktorspur, die mit Wasser vollgelaufen ist. Obendrauf ist sie zugefroren, aber das Eis ist nur hauchdünn, sodass man sehen kann, wie drunter die Wasserblasen rumwabern.
»Guck mal!«
Sie drückt die Spitze ihres Stiefels vorsichtig gegen das Eis, bis es leise knackt.
»Habt ihr das als Kinder auch immer gemacht?«
Nope. Wir hätten in so eine Pfütze einen D-Böller reingesteckt und das Eis in die Luft gejagt. So wie wir nach Silvester zwei Monate lang in so ziemlich alles einen D-Böller reingesteckt haben, um es in die Luft zu jagen.
Süß, Harry fährt richtig auf diese Eisschicht ab. Sie beißt sich konzentriert auf die Unterlippe, während sie weiter drauf rumdrückt.
»Irgendwie kann man nicht anders, als so lang zu drücken, bis …«
Krach!
Tja, Kleine, da war die Pfütze wohl doch tiefer als gedacht, jetzt ist der schöne hohe Stiefel vorne nass.
Sie lacht toll. Da kann man stundenlang zuhören, weil ihre Lache ein bisschen zu laut ist und auch ein bisschen undamenhaft. Doch, doch, wenn sie will, kann Seven of Nine richtig menschlich sein.
Von mir aus könnte der Weg jetzt noch ein Stück weitergehen, gerne auch ewig. Tut er aber leider nicht. Gleich kommt der uralte, rot-weiß gestreifte Schlagbaum und dahinter der Stacheldrahtzaun, der mit Schildern gepflastert ist. Militärischer Sicherheitsbereich, Vorsicht! Schusswaffengebrauch!
Wir sind am Rosengarten angekommen.
Leines und ich waren vor Jahren mal hier, bei einem dieser sinnlosen Ausflüge im Zeichen des Kalten Krieges, die er in regelmäßigen Abständen verordnet. Angeblich hat die Stasi auf diesem Gelände einen Horchposten betrieben, um die Alliierten im Westsektor zu bespitzeln – quasi das Gegenstück zum Teufelsberg bei uns drüben. Die ganzen Ost-Leute haben da rund um die Uhr vor den Empfängern gehockt und den Klassenfeind abgehört. Rosengarten war der Codename, den die HVA für den Laden benutzt hat.
Der Ausflug hierher, Leines sprach damals von »Feldforschung«, endete wie die meisten dieser Trips: vor einem unüberwindbaren Zaun, also in diesem Fall vor diesem Zaun.
Wir standen da und glotzten in den Wald rein. Zu sehen gab’s und gibt’s nicht viel: Oben aus den Tannen guckt die obere Hälfte einer weißen Radarkugel raus, mehr nicht. Mehr ist vom gloriosen Relikt des Kalten Krieges nicht übrig.
Klar sieht das Ding geheimnisvoll aus, und wenn man sich sehr konzentriert, kann man sich einbilden, dass über so eine Radarkugel mal der erste Kontakt zu Aliens zustande kommen könnte, doch letztlich ist es nur ein abgefucktes Haus im Wald.
Das Problem war das Schild mit dem Schusswaffengebrauch. Im D-Böller-Alter mag dieses Wort noch irgendwie verlockend klingen, in den Ohren von zwei erwachsenen Männern eher nach einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch oder so. Außerdem könnte der Stacheldrahtzaun ja unter Strom stehen, theoretisierten wir.
Also entschieden wir uns gegen weitere Ermittlungen. Leines hat noch halbherzig ein paar Fotos vom Zaun geschossen, aus »Dokumentationsgründen«, wie er sagte, und wir sind zurück zum Parkplatz. Im Prinzip war der Trip zum historischen Brennpunkt Rosengarten ein Reinfall. Leines fand alles trotzdem »Porno«, was in den frühen Nullerjahren wohl mal ein Jugendwort für »toll« war; mittlerweile benutzt das außer ihm bestimmt keiner mehr.
Der Ausflug war – objektiv gesehen – scheiße. Aber wenn man mit einer Frau wie Azra verheiratet ist, findet man wahrscheinlich alles großartig, wofür man das Haus verlassen darf.
Was ist denn jetzt los?
Ausgerechnet jetzt, wo Harry und ich hier so frühlingshaft durch die Gegend flanieren, muss das beschissene Handy losgehen. Ihres auch, sie tastet schon ganz aufgeregt ihre Moorhuhnjagd-Jacke ab. Okay, wenn sie nachschaut, darf ich auch.
Die Pawlow’schen Hunde kramen und wischen, als würde gleich die Welt untergehen. Sie grinst verlegen.
»Sorry …«
Ach, der ganze Aufwand nur für diesen bekackten News-Service, der in Wirklichkeit nichts als Promi-News bringt.
KATASTROPHE IN RUSSLAND.
So what, ist da nicht jeden Tag eine?
Wie wenig von einem Menschenleben übrig bleibt.
Jesko von Neumann stellt den kleinen braunen Karton vorsichtig auf den Tresen. Chuck war sein bester Freund, viele Jahre lang zudem sein einziger, gerade in der Anfangszeit, als er neu in diesem Land war und über keine sozialen Kontakte verfügte.
Und das soll nun Chucks gesamter Nachlass sein.
Von Neumann nimmt seine Baseballkappe ab, tupft sich mit einem Taschentuch den Kopf ab und legt die Kappe beiseite. In geschlossenen Räumen die Kopfbedeckung abzunehmen gehört zu diesen europäischen Marotten, die er nicht ablegen kann und für die er sich von seinen Kollegen oft hatte aufziehen lassen müssen.
Er schiebt den Zeigefinger unter den Deckel des Kartons und wirft einen vorsichtigen Blick durch den Spalt. Von einem halben Jahrhundert Freundschaft scheint nur ein Haufen elektronischer Schrott übrig geblieben zu sein.
»Good morning, Hon.«
Jesko von Neumann spürt, wie sich Gladys auf seiner Schulter abstützt. Er fühlt ihren Atem am Ohr und muss lächeln. An das öffentliche Bekunden von Zuneigung wird er sich wohl nie gewöhnen. Vielleicht ist er zu sehr der Mann aus der Alten Welt, der steife Fritz, wie ihn seine Kollegen im Lab immer nannten. Der bewahrt in jeder Lage die Contenance. Er hatte sich vorgenommen, daran zu arbeiten und lockerer zu werden, gerade im Umgang mit dieser wunderbaren Frau.
Neumann dreht sich um und legt seine dünnen Arme auf die Schultern der Kellnerin.
»Good morning, Gladys.«
Ihre hellbraunen Augen strahlen ihn an. Oder zumindest vermutet er, dass sie ihn anstrahlen, denn seine Augen weigern sich schon lange, auf nahe Dinge zu fokussieren. Alles, was er von ihren Sophia-Loren-Augen sieht, sind verschwommene Schatten.
Gut erkennen kann er nur noch, was mindestens zwei Armlängen entfernt ist, in diesem Moment zum Beispiel die Durchreiche zwischen dem Gastraum und der neonbeleuchteten Küche. José reißt die Augen mit gespielter Entrüstung auf, grinst – und wendet sich wieder seinen Pancakes zu.
Diese Reaktion hat Neumann schon mehrfach beobachtet. Ein verliebtes Paar in ihrem Alter zaubert vielen Leuten ein Lächeln ins Gesicht, vereinzelt entfährt den Umstehenden sogar dieses »Awww«, mit dem die Amerikaner alles auch nur entfernt Anrührende kommentieren.
Obwohl Neumann spürt, wie seine Wangen glühen, versucht er, Gladys’ Blick standzuhalten. Aber natürlich kann er ihr nichts vormachen. Sie spürt seine Nervosität und entlässt ihn – kopfschüttelnd – aus der Umarmung.
»I’ll be right back. Help yourself.«
Sie formt ihre Lippen zu einem angedeuteten Kuss.
Neumann steuert – sichtbar erleichtert – die Lücke im Tresen an, durch die man vom Gastraum in die Küche kommt und neben der die Kaffeemaschinen stehen.
Früher, als er hier nur Gast war, hätte er sich das nie getraut, schließlich befindet sich hinter dem Tresen das Revier der Kellnerinnen. Doch seit fast einem Jahr ist alles anders.
Neumann lässt ein wenig Kaffee in die braune Steinguttasse plätschern, nippt daran und beobachtet über den Rand der Tasse hinweg, wie die Kellnerin durch die schwarz-weiß gekachelten Gänge des Coffeeshops eilt.
Gladys hat sich kein Stück verändert. Sie ist im Kern das gleiche Mädchen geblieben, das ihm hier vor Ewigkeiten seinen ersten amerikanischen Kaffee gereicht hat, ihm, diesem Sonderling fresh off the boat, der mit seinem harten Akzent klang wie die Nazis in den Hollywood-Filmen.
Die Bewegung, mit der sie nach dem Aufnehmen der Bestellung ihren Kugelschreiber hinters Ohr klemmt, hat nichts an Zackigkeit eingebüßt. Zugegeben, sie trägt ihr Haar etwas kürzer als früher, und auch ihre Kleidung wählt sie eher nach praktischen Erwägungen aus: kein hellblaues knielanges Kleid mit Schürze mehr, sondern Jeans und T-Shirt. Doch ihre alte Uniform würde ihr zweifelsohne noch passen.
Neumann grinst in seine Tasse.
Er ist ein alter Narr – aber ein glücklicher alter Narr. In manchen Momenten schämt er sich sogar fast für sein Glück, gerade angesichts der Sache mit Chuck.
Es sei nur ein hit and run gewesen, sagten die Polizisten, Unfallflucht. Wahrscheinlich stand der Fahrer unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen oder Schmerzmitteln. Das Auto erfasste Chuck und schleuderte ihn dreißig Fuß durch die Luft. Weil sich der Unfall weit draußen in der Wüste ereignete, kam die Ambulanz viel zu spät. Noch bevor sie das Krankenhaus erreichten, war Chuck tot. D.O.A., dead on arrival. Dieses Land ist ungeschlagen darin, Unangenehmes in Abkürzungen zu verpacken.
Er hatte die Geschichte von der Fahrerflucht nie geglaubt. Selbst auf die Gefahr hin, wie dieser merkwürdige Thomas Leinhart mit seinen Verschwörungstheorien zu klingen: Es kann kein Unfall gewesen sein, dafür gab es zu viele Ungereimtheiten. Warum sollte jemand eine Person auf einer einsamen Wüstenstraße ohne nennenswerten Verkehr aus Versehen überfahren? Es hätte reichlich Platz gegeben, um eine Kollision zu vermeiden.
Er hatte seine Bedenken natürlich gegenüber dem Sheriff’s Department geäußert, dort jedoch hatte man ihn geflissentlich ignoriert. Der Fall wurde zu den Akten gelegt und Chuck Gardner zu einem weiteren indirekten Opfer der Opioid-Krise erklärt.
Neumann atmet durch und klappt den Karton komplett auf.
Das ist also sein Nachlass.
Sie habe sich entschlossen, zurück zu ihrer Familie nach Pennsylvania zu ziehen, hatte Peggy am Telefon gesagt, und sie wisse nicht, wohin mit Chucks Sachen. Es war eine Frage der Höflichkeit, ihr sofort seine Hilfe anzubieten. Er, der gute Hausfreund, der den Gardner-Kindern beim Zelten immer diese schrecklich-schauerlichen Geschichten vom »Ruubessahl« erzählt hatte, war im Obligo. Er konnte Peggy unmöglich etwas abschlagen – so gerne er die Geschichte mit Chuck auch hinter sich gelassen hätte.
»Sure, I’ll take care of it«, bot er pflichtbewusst an.
Angesichts des lächerlichen Kartons, den sie dann schickte, schämte er sich, auch nur einen Moment gezögert zu haben.
Neumann zieht ein gerahmtes Bild aus dem Karton, das ganz obenauf liegt. Offensichtlich eine analoge Aufnahme, erkennbar an der starken Körnung, aus der Zeit der Pathfinder-Mission. Abgelichtet sind Chuck, er und das restliche Team des Jet Propulsion Laboratory, wie sie stolz neben dem spinnenbeinigen Sojourner-Rover posieren. Damals hatten alle feuchte Augen, als der Pathfinder sich das erste Mal aus dem Ares Vallis meldete.
Neumann lächelt.
Mein Gott, was waren Chucks Haare grau. Obwohl die Aufnahme aus den Neunzigern stammen muss, sieht er mit seinem strengen Scheitel und dem kurzärmeligen weißen Hemd wie ein Vorzeigewissenschaftler der Apollo-Ära aus.
Daran, wie das Foto entstanden ist, kann er sich noch erinnern: Sie hatten den Fotografen bei einem offiziellen Termin um ein Extrabild gebeten, als Erinnerung an eine großartige Zeit, vielleicht die beste ihres Lebens.
Neumann legt das Bild vorsichtig zurück.
Warum musste er nur sterben?
Verdammte Goldknopfsakko-Pissnelke!
Thomas Leinhart spürt, wie die wenigen übrig gebliebenen Haarsträhnen auf seiner verschwitzten Kopfhaut festkleben.
Wahrscheinlich sieht er wieder wie ein verschissener Kojak aus, doch das könnte in diesem Moment kaum egaler sein.
»Was soll das heißen, Andrew?«
Spuckefetzen schießen aus Leinharts Mund. »Wovon reden Sie? Chapter Eleven?«
Während er sein Handy ans Ohr presst, knetet er mit der freien Hand die Sorgenfalte zwischen seinen Augenbrauen, die – obwohl er seit Jahrzehnten keine Sorgen mehr hat – immer tiefer zu werden scheint.
Das konnte alles nicht wahr sein. NuWork, diese supertolle Ami-Firma, die mit ihren Mietbüros in den letzten zwei Jahren die ganze Welt erobert hat, soll kurz vor der Pleite stehen? Dabei sei die doch ein »reinrassiges Powerhouse«, hatte Andrew geschwärmt, mit einem charismatischen CEO, der seine Leute dazu zwingt, in Meetings die ganze Zeit Unterarmstütze zu machen. NuWork sei das nächste Einhorn, ganz sicher, der nächste Milliardenkonzern! Und diese Investment-Gelegenheit wollen Sie sich doch nicht entgehen lassen, Herr Leinhart, oder?
Und jetzt? Chapter Eleven, Zahlungsunfähigkeit. Andrew hat nur Bullshit abgesondert.
Doch was viel schlimmer ist: Er, Thomas Leinhart, der total abgebrühte Dotcom-Selfmade-Millionär, hat diesem kleinen Londoner Wichser geglaubt und ihm die Kontrolle über sein Portfolio gegeben. Er hat ihm erlaubt, alle Eier in ein Nest zu legen, auf Diversifikation zu pfeifen. Weil der große Leinhart den Hals mal wieder nicht vollkriegen konnte.
Und der Idiot Andrew hat wirklich nichts anbrennen lassen. Hat sofort die ganzen soliden Werte verscherbelt, die der Familie Leinhart so lange einen bombigen Lebensstil beschert hatten, um die Kohle in Start-ups »mit einer besseren Wachstums-Story« zu stecken, wie er sagte. Berkshire Hathaway raus, NuWork rein.
Die Adern an Leinharts Hals treten wie Stromkabel hervor.
»Hören Sie auf mit Ihrem verdammten Scheiß und sagen Sie mir endlich, was los ist!«
Leinhart versucht, die zitternde Hand in der Tasche seiner Leinenhose zu verbergen. Das paradiesische Panorama vor seinen Augen nimmt er nur noch wie durch einen Nebel wahr. Die lange Marmortreppe runter zum See, die roten Blumen auf dem Geländer, das Glitzern der Wellen – nichts dringt in sein Bewusstsein vor.
Azra wollte die Bude unbedingt kaufen, damit sie zu Hause erzählen kann, dass sie jetzt die Nachbarin von diesem Espresso saufenden, absurd gut erhaltenen Hollywood-Schnösel ist.
Für Leinhart war ausschlaggebender, dass er von der Terrasse der Villa aus die Einflugschneise des Aero Club Como sehen könnte. Seine Vision für die Zukunft hatte nichts mit den prominenten Nachbarn zu tun. Er würde sich mit einer Cohiba zurücklehnen und die Wasserflugzeuge beobachten, wie sie dröhnend Fahrt aufnehmen und vor der Villa Olmo langsam abheben.
Das kann er sich jetzt abschminken.
Von Sekunde zu Sekunde sinkt Leinhart stärker in sich zusammen, als hätte ihm jemand einen Rucksack umgeschnallt, der jetzt nach und nach mit Steinen gefüllt wird. Von dem, was ihm der Leiter seines Family Office in London mitteilt, bekommt Leinhart kaum noch etwas mit. Rein akustisch versteht er zwar jedes Wort, er registriert jede Feinheit des ihm so vertrauten Finanzjargons, doch sein Hirn weigert sich, die Bedeutung zu erfassen.
Plötzlich bäumt er sich auf und reißt die Hand hoch wie ein Polizist, der ein Auto stoppt.
»Augenblick-Augenblick-Augenblick, was heißt hier Nachschusspflicht? Sie wollen mir sagen, dass …«
Tatsächlich, Andrew hat sie gesagt, die drei bösen Worte: Negative Net Worth. Die Summe der Verbindlichkeiten übersteigt das Vermögen.
Alles ist weg.
Er, der umjubelte Star der New Economy, Titelheld der »Wirtschaftswoche«, steht wieder da, wo er 1998 angefangen hat. Er ist wieder bei Day One.
Mit leerem Blick lässt Leinhart das weiter vor sich hin krächzende Handy sinken. Sein Puls hämmert, seine Gedanken rasen durch die Vermögensaufstellung. Er wird alles verkaufen müssen, allem voran ihre Home Base an der Außenalster. Diese Immobilien-Schmierlackel mit ihren gekauften Adelstiteln werden sich die Hände reiben …
Danach müsste das Chalet in Courchevel verkauft werden, was bedeutet: nie wieder Jagertee trinken und dabei diese Last-Christmas-Video-Aussicht genießen. Das Objekt an der Côte wird ebenfalls weggehen wie nichts. Er kann nie wieder den Countach durch die Haarnadelkurven vor Sainte-Maxime prügeln.
Autsch.
Aber im Prinzip alles kein Problem, solange die Allowance der Mädchen in London gesichert ist. Wenn für die kein Geld mehr übrig ist, können sie nicht ihren Abschluss auf diesem Hogwarts für Nachwuchskapitalisten machen, und das wäre eine Katastrophe. Für ihre Kohle muss er bis aufs Blut kämpfen! Sie sollen nicht leiden müssen, nur weil ihr alter Herr den Hals mal wieder nicht vollkriegen konnte.
Alles weg.
Vor vielen Jahren hatte er Azra mal gefragt, was sie tun würde, wenn er nicht mehr »die Mittel« hätte, wie sie sich gerne ausdrückt.
»Davon hat der Pfarrer bei der Hochzeit aber nichts gesagt!«, protestierte sie. Dann entstand eine ziemlich peinliche Pause, bevor sie in etwas zu schrilles Lachen ausbrach. Der Moment war irgendwie beklemmend, daran kann sich Leinhart noch erinnern. Doch er war auch schnell wieder vorbei, und nach einem Hugo für sie und einem grandiosen Blowjob für ihn hatte sich das Thema erübrigt.
Nein, ohne »die Mittel« leben zu müssen, wird Azra nicht gefallen.
Er hört ihre High-Heels auf dem Kiesweg hinter sich knirschen.
Neumann schiebt den Kaffee beiseite und wendet sich dem Karton mit Chucks Habseligkeiten zu. Plötzlich ist dieses Gefühl wieder da, dieses Hämmern in der Brust, dieses Gefühl, ohne erkennbaren Grund aufgeregt zu sein.
You shouldn’t worry.
Das hatte die Ärztin gebetsmühlenartig wiederholt, als sie ihm die Ergebnisse der Untersuchung telefonisch durchgab. Es bestünde kein Anlass zur Sorge. Ihre Ausführungen klangen allerdings so, als müsse er sich durchaus Sorgen machen. Coronary-artery disease, eine seiner Arterien ist verstopft, zu 70 Prozent. »That sounds like it’s quite a lot«, hatte er eingewendet. Doch die Ärztin sprach in ruhigem Ton weiter und kündigte lapidar an, weitere Tests machen zu wollen. Alles sei für sein Alter nicht ungewöhnlich. Der Befund habe sogar einen eigenen Namen, Widow’s Block, die Blockade der Witwe.
Neumann war über die Präzision der volkstümlichen Diagnose erstaunt. Wie viele Jahre waren seit Marys Tod vergangen? Zu seiner Schande musste er sich eingestehen, seit einiger Zeit nicht mehr nachgerechnet zu haben. Früher konnte er den Zeitraum jederzeit auf die Woche genau angeben.
Das Herz also. Dabei hatte er nie etwas gespürt, keinen Schmerz, nicht einmal Kurzatmigkeit.
»What am I supposed to do?«, hatte er gefragt.
»Nothing. Just relax.« Er konnte hören, wie die Ärztin über seine für einen Amerikaner viel zu steife Formulierung lächelte. Es folgten einige medizinische Erläuterungen, in der das unangenehm klingende Wort »Angioplastie« vorkam. Dabei achtete die Medizinerin auffällig genau darauf, nur von einer »condition« zu sprechen, von einem »Zustand«, nicht von einer Krankheit.
»Don’t google it«, lautete ihre abschließende Empfehlung.
Daran hat er sich gehalten, er hat nichts im Internet recherchiert, sondern sich seinem Schicksal gefügt.
Neumann spürt die Ecken der Tablettenschachtel in seiner Hosentasche.
Die Präparate klingen wie die Namen von weit entfernten Planeten, Rosuvastatin Teva zum Beispiel. Er nimmt sie alle mit preußischer Disziplin ein, regelmäßig und exakt zum vorgeschriebenen Zeitpunkt. Und sollte wirklich ein Eingriff nötig sein – die Ärztin hatte von »Stents« gesprochen –, würde er ihn durchführen lassen. Er würde tun, was man ihm rät, er würde stur den Behandlungsplan abarbeiten, wie die ganzen anderen Checklisten, die er in seinem Leben schon abgearbeitet hat. Entscheidend war, von der condition nicht sein Leben bestimmen zu lassen.
Chuck hatte offenbar ähnliche Probleme gehabt.
Neumann entwirrt einige Kabel, für die keine passenden Geräte im Karton liegen, und zieht ein schwarzes Plastikarmband hervor. Offensichtlich hat Peggy alles überhastet zusammengeworfen.
Ein Fitness-Armband.
Neumann hat von den Geräten gehört. Beim letzten Treffen mit den ehemaligen Kollegen vom Lab trugen viele diese Armbänder. Offensichtlich kämpfte dort fast jeder mit der ein oder anderen condition. »You should get one, too«, ereiferten sich die älteren Herren. Die Bänder würden den Puls überwachen und bei Unregelmäßigkeiten Alarm schlagen.
Neumann hörte interessiert zu, hielt sich jedoch zurück. Er wollte nicht in den Chor der Versehrten einstimmen. Wenn ihm etwas zuwider ist, dann Altersgenossen, die alle Welt mit ihren Krankheiten behelligen.
Nun ja, ein schwaches Herz war sicher nicht die Ursache für Chucks Tod …
Neumann legt das Armband zurück und tastet den Boden des Kartons ab. Weitere Kabel und Adapter, die ermöglichen, dass kleine Stecker in große Buchsen passen oder umgekehrt. Halt – was ist das?
Ein Schlüssel.
Neumann hält das schwarze Klötzchen, aus dem ein kurzer Bart ragt, ein Stück vom Körper weg, um es besser erkennen zu können.
Zu klein für eine Haustür, zu groß für einen Briefkasten. Wäre Chuck Europäer gewesen, läge die Vermutung nahe, dass es sich um einen Fahrradschlüssel handelt. Doch auf dieser Seite des Atlantiks fährt nahezu niemand aus seiner Generation mit dem Rad.
Der Schlüssel könnte zu einem Vorhängeschloss passen, die Sorte, mit der man seinen Waffenschrank gegen unbefugte Zugriffe sichert, doch auch dergleichen besaß Chuck nicht. Vermutlich hatte Peggy den Schlüssel beim Aufräumen einfach aus Versehen in dem Karton deponiert. Er wird sie bei Gelegenheit darauf ansprechen. Zwischen all diesen Gerätschaften jedoch droht der Schlüssel endgültig verloren zu gehen, er sollte ihn sicherer aufbewahren.
Neumann steckt den Schlüssel in die Feuerzeugtasche seiner Jeans.
In dem Karton ist nur Schrott – auch wenn er das Peggy natürlich nicht sagen kann. Keine Witwe hört gerne, dass ihr Mann der Welt – ökonomisch gesehen – nichts von Wert hinterlassen hat. Es sei denn …
Neumann zieht ein silbernes Gerät aus dem Kabelgewirr. Immerhin ein Laptop, wenngleich sicher kein Spitzenmodell. Er hatte solche Rechner schon bei Walmart gesehen, wo sie – zu großen Pyramiden aufgetürmt – am Eingang angeboten wurden. Im Prinzip handelt es sich um Wegwerfprodukte. Neumann löst vorsichtig einen gelben Haftnotizzettel ab, den jemand auf dem Deckel des Rechners angebracht hat. DOESN’T WORK? – Peggys Schrift. Sollte ihre Diagnose stimmen, würde es seine Theorie bestätigen, dass Chucks Erbe gänzlich wertlos ist.
Neumann legt den Laptop zurück und drapiert die Kabel darüber so sorgfältig, als würde er Blumen in einer Vase arrangieren. Dann schiebt er den Karton von sich weg.
Im Prinzip kann er alles wegwerfen.
Doch das ist keine Option. Er muss eine bessere, würdevollere Lösung finden. Vielleicht lässt sich der Laptop ja reparieren und der Inhalt seiner Festplatte wiederherstellen? Und vielleicht beweisen die Daten, dass Chuck eben nicht das zufällige Opfer eines Verkehrsunfalls war?
Neumann schließt die Augen.
Wenn er nur nicht so müde wäre.
Sein Pflichtgefühl sagt ihm, dass er jeder noch so kleinen Spur, die zur Aufklärung von Chucks Tod beitragen könnte, nachgehen muss. Gleichzeitig ist da diese immense Sehnsucht nach einem Abschluss. Er ist jetzt mit Gladys zusammen, und wenn die condition keine Probleme macht, stehen ihnen noch etliche gemeinsame Sommer in Kalifornien bevor. Warum sich mit der Vergangenheit belasten? Warum an alten Laptops herumschrauben, wenn man in der gleichen Zeit gemeinsam über den Farmers’ Market flanieren kann?
Schröder!
Natürlich, das ist die Lösung.
Er hat zwar schon seit Monaten nichts mehr von ihm gehört, aber sie waren das letzte Mal on good terms auseinandergegangen. Sie hatten sogar locker verabredet, im Sommer gemeinsam einen Ausflug nach Peenemünde zu machen, falls er seinen lange geplanten Urlaub in der alten Heimat tatsächlich realisieren würde. Und da Schröder Deutscher ist, hatte diese Absichtserklärung durchaus Gewicht, sie war geradezu eine Freundschaftsbekundung.
Schröder ist der perfekte Mann für den Job! Schließlich gehört es zu seiner täglichen Arbeit, die Rechner anderer Menschen zu analysieren. Ihm wird es ein Leichtes sein, Chucks Laptop wieder in Gang zu bringen.
Noch heute wird er den Karton von einem Expressdienst abholen lassen, mit etwas Glück sollte ihn Schröder schon am Dienstag auf dem Schreibtisch haben. Und sollte sich Peggy wirklich nach dem Verbleib der Dinge erkundigen, könnte er, der gewissenhafte Hausfreund, mit Fug und Recht behaupten, alles Mögliche getan zu haben.
Neumann zuckt zusammen.
Ach, nur dieser verdammte Fernseher!
Aus dem Gerät über der Theke dröhnt die aufgeregte Stimme eines Nachrichtensprechers.
Ein Schandfleck, dieser Bildschirm! Wozu überhaupt einen Fernseher in so einem schönen Lokal aufstellen? Seit wann reicht ein anregender Dialog mit dem Gegenüber nicht mehr als Unterhaltungsprogramm?
Obwohl Neumann weiß, wie alt ihn diese Bewegung erscheinen lässt, kann er sich ein angedeutetes Kopfschütteln nicht verkneifen.
Wenn er etwas an Gladys’ Arbeitsplatz mag, dann, dass hier die Zeit stillsteht. Fast alles ist noch wie an dem Tag, als er hier nach seinem ersten Arbeitstag einkehrt war. Alles verströmt den Stil und die Ruhe der Apollo-Ära: das zur Straße hin abgeschrägte Dach, die sorgsam mit Naturstein verkleidete Seitenwand, die gemütlichen Sitzecken. Es riecht nach Klimaanlage und Frühstücksspeck. Altes Amerika, altes Kalifornien.
Bisher ist es dem neuen Besitzer nicht gelungen, dieses Flair gänzlich zu zerstören, obwohl er weiß Gott hart daran arbeitet, zuletzt mit der Installation dieses schrecklichen Fernsehers.
Die heisere Stimme eines Mannes dröhnt aus dem hinteren Sitzbereich nach vorne zur Theke.
»Hey, Jes. One of your fellow rocket scientists?«
Neumann hebt dankend die Hand.
Mike, der örtliche Klempner, einer der Stammgäste. An sich ein netter Kerl, vielleicht eine Spur zu laut und jovial. Das ließe sich allerdings über viele der Gäste sagen.
Widerwillig schaut Neumann zum Fernseher hoch.
Ein Mann in einem weißen Kittel tritt ins Bild, sichtlich überfordert von dem Blitzlichtgewitter, das ihn umgibt. Die Worte Russian Academy of Sciences laufen am unteren Bildschirmrand vorbei. Der grauhaarige Mann – seiner Kleidung nach ein Wissenschaftler – gestikuliert aufgeregt, während aus seinem Mund ein Stakkato an Worten kommt. Zusammen mit der darübergelegten Simultanübersetzung entsteht ein akustisches Chaos, das die dünnen Lautsprecher des Flachfernsehers hörbar überfordert.
Plötzlich ein Schnitt, Bilder von einer Kamera, die aus einem Auto heraus filmt. Das Fahrzeug wartet vor einer roten Ampel. Unversehens taucht am Himmel ein heller, weißer Punkt auf und rast quer durchs Bild, einen dünnen Schweif hinter sich herziehend. Ein zweites, zusätzlich eingeblendetes Bild zeigt einen jungen Mann, offenbar der Fahrer des Wagens. Er klappt ungerührt die Sonnenblende herunter. Sekundenbruchteile später wird das Bild komplett weiß.
RUSSIAN TOWN HIT BY METEOR.
Neumann legt die Stirn in Falten.
Hoffentlich kein Ereignis der Tunguska-Kategorie – das wäre für die Menschen dort schrecklich.
Du hast einfach keinen Style, Alter! Deshalb wird dir die Kleine auch niemals die Gurke frittieren.
Das waren die Worte von Thomas Leinhart, dem letzten Menschen in der BRD, dessen Wortschatz sich, seit man noch BRD gesagt hat, nicht weiterentwickelt hat. Und der stolz darauf ist.
Auf die Frage, was ich denn ändern müsste, um meine Gurkenfrittierchancen zu steigern, fielen Leines’ Tipps eher unkonkret aus.
Weiß nicht, Alter, erst mal musst du was an deiner Bude ändern. Dieser ganze Nerd-Scheiß muss raus, darauf stehen die Ladys nicht. Das Ganze muss modern aussehen, eher so Bond-Bösewicht-mäßig. Leer, nur ein bisschen Bauhaus-Kram und ’nen Glastisch, verstehste?
Es folgten wirre Ausführungen darüber, dass die Bösewichte im Film immer am besten eingerichtet sind, was ja auch irgendwie stimmt. Die wohnen immer in einem riesigen Penthouse, wo nix drinsteht, außer einem Aquarium mit tödlichen Kampffischen vielleicht.
Leines kam richtig druff bei seiner Style-Beratung.
Genau! Du brauchst solche Gravity Boots wie Richard Gere in »American Gigolo«, mit denen du dich an die Decke hängen kannst, um Sit-ups zu machen.
Sagte der Mann, der seine letzten Sit-ups, oder besser gesagt: Klappmesser, im Sportunterricht anno dreiundachtzig machen musste und der mittlerweile den BMI von Jabba the Hutt hat, weil er sich von seiner Dotcom-Kohle ständig dry-aged Steak gönnt.
Und natürlich brauchst du einen Cray-Computer als Sitzecke, dazu eine coole Beleuchtung. Mal überlegen … genau! Ein paar CM-5 von Thinking Machines, du weißt schon, diese geilen Schränke mit den blinkenden LED-Bändern am Rand, die sie auch bei »Jurassic Park« hatten.
Es folgten noch etliche Tipps dieses Kalibers, die komischerweise alle seine Style-Regel Nummer eins – kein Nerd-Scheiß – verletzten. Lag wohl daran, dass er sich, was das angeht, zuhause nicht ausleben kann.
Azra trimmt ihn ja immer auf Business-Kasper, mit Manschettenknöpfen und standesgemäßen Hobbys. Im Suff hat er mir mal gestanden, dass er kleine Revell-Bausätze im Lambo dabeihat und manchmal heimlich auf ’nen Parkplatz fährt, um da in Ruhe eine Me 109 zusammenzukleben. Azra sagt er dann, er wäre Golf spielen gewesen. Trotz seiner Kohle ist er eine arme Sau.
Im Prinzip ist Leines’ Tipp ja nicht schlecht. Es schadet sicher nicht, ein bisschen an der Einrichtung zu arbeiten beziehungsweise: überhaupt eine Einrichtung zu haben und nicht nur ein paar Kubikmeter zusammengestellten Elektroschrott. Und auch das Gequatsche von wegen alles muss leer sein, ist kein völliger Unsinn. Wenn nicht so viel Zeug rumliegt, wirkt schon alles ein bisschen cooler.
Leer ist die Bude jedenfalls. Und das war ja auch der Sinn der ganzen Umzugsaktion: Neustart, raus aus dem Nerd-Sumpf.
Als ich das letzte Mal in meinem Zimmer den Boden sehen konnte, war Kohl noch Kanzler und meine Mutter hatte geschrien: »Aufräumen, junger Mann!« Diese Ausnahmesituation hat sich seitdem nicht mehr wiederholt. In der letzten Bude war der Boden mit so hässlichem Wirtschaftswunder-Linoleum ausgelegt, aber das konnte man nie erkennen, weil jeder Quadratzentimeter mit alten Ausgaben von »Elektor« und »Aktueller Software Markt« gepflastert war.
Die sind jetzt alle im Keller, genau wie der Rest der Einrichtung: die alten PC-Tower, der Fisher-Ghettoblaster mit dem abgenudelten Turrican-Soundtrack, mein geliebter GRiD Compass, einfach alles Schöne ist verschwunden. Jetzt ist der Boden leer und man sieht dieses ach so praktische Laminat, das sich am Arsch echt kalt anfühlt.
Du brauchst diese schwarzen Ledersessel, die Bateman in »American Psycho« in seinem Apartment hat. Weißte, in der Huey-Lewis-Szene, wo er dem Typen mit der Axt die Birne …
American Psycho, American Gigolo – was seine Vorbilder angeht, ist Leines auch in BRD-Zeiten stehen geblieben: Alles muss aus Amiland sein, sonst isses Shit. Punkt. Englische Sachen gehen notfalls noch, aber eigentlich taugt alles von dieser Seite des großen Teichs nichts. So richtig abgeschüttelt haben wir das alle noch nicht.
Zumindest einen Vorteil hat der leere Boden: Man sieht jetzt, wie die Sonne beim Untergehen diese goldenen Quadrate auf den Boden wirft, das gäbe ’ne gute Zeitrafferaufnahme.
So sieht also Schröders großer Respawn aus: ohne den abgeranzten Flur mit Lichtschaltern aus Adolfs Zeit, ohne die Patrick-Nagel-Zeichnung von der Duran-Duran-Platte, ohne Greg, der sich nebenan die Rübe wegdampft, während er an der Playsi den Dritten Weltkrieg austrägt.
Das aufgeräumte Apartment eines erwachsenen Menschen.
Irgendwie seelenlos.
Aber es hilft nichts: Grand Nerd Island hat dichtgemacht, für immer. Schröder hat jetzt Style, bei dem ist der Boden so blank, dass man gefahrlos eine Herzverpflanzung drauf durchführen könnte.
Was Harry wohl zum neuen Schröder sagt?
Okay, nach meiner Vorstellung vorhin wird sie hier wohl nicht mehr aufschlagen und den geballten Style in Augenschein nehmen. Es war trotzdem gut, sie wiederzusehen, nach diesem beschissenen Jahr bei meinem neuen Arbeitgeber.
Finanzbuchhaltungs-Software coden – echt die Höchststrafe.
Oder besser gesagt: Finanzbuchhaltungs-Software debuggen, die jemand vor zehn Jahren geschrieben hat. Und bei diesem Jemand handelte es sich – nach der Qualität zu urteilen – um drei Schimpansen, die man vor ein Keyboard gesetzt hat.
Natürlich gibt’s zum alten Code keinen Fitzel Dokumentation, aber das sei »ja wohl kein Thema«, findet Carsten, der Big Boss aus der Hölle, der sich für superqualifiziert hält, weil er im letzten Jahrtausend mal eine Flash-Animation zusammengekloppt hat. Schreit die ganze Zeit »Wir brauchen ein Emm-Wie-Pieh!«, was Minimum Viable Product oder auf Deutsch unausgereifter Schrott bedeutet.
Für Harry zu arbeiten kann nicht schlimmer sein.
Es wäre vermutlich großartig, aber der Zug ist ja nun abgefahren.
Dabei war beim Spaziergang vorhin fast alles wie früher bei der Forensecura: Harry, die ewige Klugscheißerin, und Schröder, das grantige Legacy System, spielen sich locker gegenseitig die Bälle zu, tauschen Nerdigkeiten aus.
Wie viele Frauen gibt es wohl auf dieser Erde, die auf »Darmok und Jalad auf Tanagra« mit »Temba! Seine Arme weit!« antworten? »Star Trek TNG« gehört zu den wenigen essenziellen Sachen, die sie in ihrer offenbar ziemlich traurigen Jugend gesehen hat. Sogar bei meinen ausgelutschten Insider-Jokes über Achselhöhlen-Inspektionen hat sie sich ein Lächeln abgequetscht.
Wenn man mal drüber nachdenkt, sind wir eine fleischgewordene Vorabendserie aus den Neunzigern: Harry und Schröder, das ungleiche Ermittlerduo. Das Ganze bräuchte nur noch einen total flippigen Untertitel, so was in Richtung »Das IT-Girl und der Schnüffler«. Im Vorspann würden wir – ordentlich weichgezeichnet – Rücken an Rücken stehen und total ungezwungen in die Kamera lächeln.
Dabei wollte ich ihr eigentlich die Wahrheit sagen: dass es großartig ist, sie mal wieder zu sehen und so. Aber dann kam nur dieser ganze Scheiß von Anna-Lena und Sojamilch dabei raus und jetzt ist der Moment vorbei. Ich Idiot hätte wieder jeden Tag neben ihr sitzen können, neben Seven of Nine! Thorborg hätte mich ass-similiert!
Sie jetzt noch mal anzurufen und zu fragen, ob das Jobangebot noch gilt, geht natürlich nicht. Das wäre gegen die Ehre. Mister Worf würde sich lieber das Bat’leth in seinen Wanst rammen, als so was zu machen.
Andererseits sind Klingonen vielleicht nicht die besten Lebensratgeber.
Och, Schröder …
Es klingelt. Dieser generische Spießer-Neubau-Gong, nicht mehr der wimmernde Dreiklang des legendären SAB0600-Chips von Siemens …
Wer kann es um die Zeit sein? Bisher hat doch keiner meine neue Adresse.
Bitte, lass es Harry sein, die vor der Tür steht.
Noch zwei Wochen, dann wird sie auffliegen.
Behutsam klappt Harriet Thorborg den Laptop zu. Ein Teil von ihr würde den Deckel gerne mit aller Kraft zuschmeißen, doch Wut – plus ein Hardware-Schaden – würden ihre Situation nur noch verschlimmern und am Ergebnis nichts ändern.
Ihr kleines Experiment ist gescheitert.