Über Erwin Strittmatter

Erwin Strittmatter wurde 1912 in Spremberg als Sohn eines Bäckers und Kleinbauern geboren. Mit 17 Jahren verließ er das Realgymnasium, begann eine Bäckerlehre und arbeitete danach in verschiedenen Berufen. Von 1941 bis 1945 gehörte er der Ordnungspolizei an. Nach dem Kriegsende arbeitete er als Bäcker, Volkskorrespondent und Amtsvorsteher, später als Zeitungsredakteur in Senftenberg. Seit 1951 lebte er als freier Autor zunächst in Spremberg, später in Berlin, bis er seinen Hauptwohnsitz nach Schulzenhof bei Gransee verlegte. Dort starb er am 31. Januar 1994. Zu seinen bekanntesten Werken zählen sein Debüt »Ochsenkutscher« (1950), der Roman »Tinko« (1954), für den er den Nationalpreis erhielt, sowie die Trilogie »Der Laden« (1983/1987/1992).

Informationen zum Buch

Die Trilogie einer Epoche

Mit Poesie, Menschenkenntnis und Humor schildert Erwin Strittmatter in seiner zwischen 1957 und 1980 entstandenen Trilogie den dornenreichen Weg eines Bäckergesellen zum Schriftsteller. Er schuf damit eines der großen und meistdiskutierten Werke der deutschen Literatur: Der letzte Band konnte erst nach einem langen Kampf mit der DDR-Zensur erscheinen.

»Ich glaube doch, dass es in der Ordnung war, die Geschichte eines Dichters in unserer Zeit zu schreiben, zu beschreiben, wie arm er dran ist, und ich schreib das, obwohl ich weiß, dass der Dichter zu keiner Zeit ›reicher‹ dran war.« Erwin Strittmatter am 25. April 1978 in seinem Tagebuch

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Erwin Strittmatter

Der Wundertäter

Roman-Trilogie

Inhaltsübersicht

Erwin Strittmatter

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Erster Band

I Wenn die Bäckervögel singen …

1 Stanislaus kommt in Waldwiesen zur Welt, verbraucht vor seiner Geburt teures Winterholz, und sein Vater Gustav verprügelt die Hebamme

2 Stanislaus erhält den Namen eines Glasfressers. Der Pastor umsorgt seine Seele und versetzt Mutter Lena in Teufelsangst

3 Stanislaus erhält reiche Patinnen, wird abgetauft, erstickt und wieder ins Leben gerufen

4 Stanislaus ißt täglich dreizehn Läuse und nasführt den Tod

5 Stanislaus erzürnt einen Vogt, weilt ein Weilchen beim Tode und bringt die Büdner-Leute um die Winterkartoffeln

6 Stanislaus verschlingt einen Rehkopf, und Lehrer Klügel wächst von innen her über seine Ränder hinaus

7 Stanislaus verbessert die Geschichte des Jünglings zu Nain, und Lehrer Gerber wittert einen Heiligen auf evangelischer Seite

8 Stanislaus prophezeit seiner Schwester Elsbeth ein Kind und treibt seinen Eltern leise Schauer über die Rücken

9 Stanislaus hilft einen Mord klären und wird fortan für einen Hintergesichtigen gehalten

10 Stanislaus zähmt die Vögel unter dem Himmel, wundert sich über die Gewohnheiten reicher Leute und wird von der Gräfin zum Millionär gemacht

11 Die Büdner-Kinder fliegen aus. Stanislaus wird konfirmiert und scheintötet die Hühner seines Vaters

12 Stanislaus heilt ein altes Weib von der Kreuz-Pein, soll einem Manne das Augenmuckern vertreiben, stößt dabei auf den Gendarmen und prophezeit den Verlust eines Säbels

13 Stanislaus’ Säbelprophezeiung trifft ein. Der Graf läßt ihn aus Waldwiesen vertreiben

14 Stanislaus erlernt die Backkunst und den Zentralen Blick. Er zaubert Schaben auf den Buckel einer Magd

15 Stanislaus heilt einen Bäckerlehrling von der Rauchsucht und hext einem Meisterweibe die Geilheit an den Leib

16 Stanislaus begegnet einem weißen Fürsten, überwacht vergeblich die Polizei und erhält einen Brief der Großindischen Elefantenpost

17 Stanislaus wird ein Bote des Himmels und kommt mit einer bleichen Heiligen ins Gespräch

18 Stanislaus wird fromm und eines Engels ansichtig

19 Der Engel führt Stanislaus in den Stadtwald und heißt ihn mehrere Wunder verbringen

20 Stanislaus wird von der Menschheit verkannt und bereitet sich auf das Kreuzopfer vor

21 Stanislaus wird verschachert. Der Heilige Geist der Dichtkunst beginnt aus ihm zu sprechen, und seine Leidenszeit beginnt

22 Der Geist der Dichtkunst fährt fort, aus Stanislaus zu sprechen, und eine Versucherin sucht ihn in seiner Kammer zu versuchen

23 Stanislaus weint über seine Unwissenheit und leistet einem Meisterweibe Liebesdienste

24 Stanislaus wird eines theologischen Kamels ansichtig. Seine Dichtkunst wird von der bleichen Heiligen verschmäht, und er wünscht sich den Tod

25 Stanislaus wird einer Gasleiche ansichtig, wird von seiner Todessehnsucht geheilt und kann den Sinn von Gespenstern nicht begreifen

26 Stanislaus spricht mit einem Agenten Gottes und übt sich in Ergebenheit

27 Stanislaus geht auf Wanderschaft, wird auf Leberflecke abgeprüft und trifft einen verliebten Heiligen

28 Stanislaus schreibt letztmals an die bleiche Heilige. Er studiert die Liebe, aber das Leben spottet seiner Bücherweisheit

29 Stanislaus wird eines menschlichen Schmetterlings ansichtig und tritt den Geist der Ergebenheit mit Füßen

30 Stanislaus kleidet eine Sünderin. Gott läßt ihn züchtigen und lähmt ihn

31 Stanislaus studiert die Geschichten der Heiligen und wundert sich über die Gottesehe der Nonne Vineta

32 Stanislaus trifft auf den Herrn der Salzstangen, dringt in die Geheimnisse der Urnebel und verstößt ein Taubenmädchen

33 Stanislaus erzürnt den Herrn der Salzstangen, begegnet einem Seidenbandgemüt und hält sich eine Meisterswitwe mit einem Hammer vom Leibe

34 Stanislaus trifft einen Schüttler, flieht vor seinem Mitleid und wird über den höheren Sinn der Dichtkunst belehrt

35 Stanislaus stößt auf Gustav unter der Hutkrempe, staunt über die Vielverwendbarkeit von Kleie und wundert sich über einen Menschen ohne Papiere

36 Stanislaus bezahlt die Hochzeit eines Denkmalbenässers, erkennt Gustav unter der Hutkrempe und erlernt die höhere Kunst des Kartenspiels

37 Stanislaus steht kopf vor Freude, verliert seinen wirklichen Vater, fällt in Einsamkeit und beschließt, cand. poet. zu studieren

38 Stanislaus lernt, die Welt mit Hilfe der Wissenschaft zu zerstückeln, wird vom Kommißbrot-Mephisto heimgesucht und verführt, alsdann aber von einem Meisterweibe gerettet

39 Stanislaus erfährt das Versagen der Götter der Gelehrsamkeit, huldigt aufs neue der Dichtkunst, und ihm erscheint das Rehmädchen in der Holzmehlwolke

40 Stanislaus kommt zum Vater des Rehmädchens, schaut in die Winkel einer Dichterseele und stürzt sich durch Küsse in einer Küche in neue Leiden

41 Stanislaus wird eifersüchtig auf einen Mann mit weißen Handschuhen und beschließt, Ordnung in sein Gedankenleben zu bringen

42 Stanislaus kämpft vergeblich gegen die Unordnung in seinem Gedankenleben, marschiert unter der Brezelfahne und wird von einem Mondgesicht zum Zittern gebracht

43 Stanislaus verarbeitet seinen Kummer zu Gedichten, beschließt, ein Buch mit goldenen Rosen zu machen, und wird wieder in die Liebe zurückgerissen

44 Stanislaus wird, wie der Papagei der Gräfin, an einen goldenen Ring gefesselt, in einen Familienkäfig gestopft und feilt an der Munition der goldenen Rosen

45 Stanislaus’ Schuß mit den goldenen Rosen geht nach hinten los. Er studiert die alkoholischen Dünste, gibt einer Mädchenlaune nach und mischt sich unter die Marschierer

II Mancher ist lange unterwegs …

Vorspiel, worin von Männern die Rede ist, mit denen Stanislaus künftig sein Leben und Leiden verbringt

1 Stanislaus soll sich bei den stolzen Reitern selbst beschimpfen, verweigert es und wird mit Mauersteinen gewalkt

2 Stanislaus übersteht die Malträtiererei, wird dafür in den Karzer gesteckt, erhellt das Karzerdunkel mit einem Liebeslämpchen und hofft auf die Einsicht eines preußischen Rittmeisters

3 Stanislaus trifft einen wahren Kameraden und erkennt ihn nicht. Seine Liebe erstirbt an einem Drahtzaun, und seine Liebste wird von einem gespornten Ochsen gefressen

4 Stanislaus sucht nach der Menschenfreiheit, wird von seinem Kameraden Weißblatt auf die schneeigen Höhen des Geistes gezerrt und schaut von dort auf die Moraste des Lebens

5 Stanislaus muß einen Zigarrenstummel anbeten, macht Bekanntschaft mit dem Vater des Übermenschen und schwört den Weibern ab

6 Stanislaus kämpft mit Gespenstern, sucht nach dem Übermenschen und wird zu einem Junghabicht ohne Beinfedern

7 Stanislaus wird vom Kriege überfallen, läßt sich ein Schicksal anfertigen und erlebt das Wunder der Fernzeugung

8 Stanislaus wird ein Sechstel Pferd, erkennt die Unzulänglichkeit menschlicher Begriffe und trifft auf eine Gottbetrügerin

9 Stanislaus rettet einen brennenden Mann, wird für seine Guttat bestraft und beschließt, sich das Herz mit einer Heirat zu erwärmen

10 Stanislaus wartet auf seine Hochzeit, spickt einen Schreiber und erfährt, daß er fernverheiratet werden soll

11 Stanislaus wird von einem Mörder getraut und feiert sein Hochzeitsfest auf merkwürdige Weise in einer Lehmgrube

12 Stanislaus fährt aus der Fremde in die Fremde, soll sich über das Kind seines Feldwebels freun und fühlt, wie sich das große Nichts vor ihm auftut

13 Stanislaus friert vor Einsamkeit in der großen Stadt Paris, zitiert den Wein-Neck und rettet aus Zorn auf die Feldwebel ein Liebespaar

14 Stanislaus sucht nach neuen Lebenszielen, bezweifelt die Zulänglichkeit der Philosophen und wird in die Niederungen der Kleinkunst gestoßen

15 Stanislaus wird ein weitgereister Magier, beköstigt fünf Feldwebel mit Wasser und erhält Beifall für seine Kleinkunst

16 Stanislaus betrachtet die Frauen aus philosophischen Höhen und sieht einen gipsernen Engel zur Erde fahren

17 Stanislaus heißt den Tod willkommen, wird vom Beinernen verschmäht und durch ein merkwürdiges Liebespaar wieder dem Leben zugeführt

18 Stanislaus zweifelt an seiner Dichtermission und geht in die Gilde der verhinderten Dichter

19 Stanislaus reist durch eine Feldwebelseele, erhält eine Kostprobe Krieg und wird eines Verrückten ansichtig

20 Stanislaus bekommt Ehrfurcht vor einem noch nicht geschriebenen Buch, wird in ein Geheimnis eingeweiht und in Zweifel gestürzt

21 Stanislaus hilft August Bogdan eine Hexe binden, enttäuscht seinen väterlichen Freund Rolling und macht aus ihm eine Sumpfleiche

22 Stanislaus erhält einen Brief aus dem Himmel, ertappt sich bei Haßgedanken und sieht seinen Schützling, den Dichter, ins Verderben rennen

23 Stanislaus zaubert einen Zettel in das Brot eines Todeskandidaten, vollbringt eines seiner einfachen Wunder und entfacht einen Kleinkrieg zwischen zwei hochstehenden Männern

24 Stanislaus läßt gegen seinen Willen dem Kameraden Kraftczek die Mutter Gottes erscheinen und wird von seinem Freund Weißblatt über die Voraussetzungen aufgeklärt, die nötig sind, um ein Buch zu schreiben

25 Stanislaus macht Bekanntschaft mit dem Kriege, kriecht einem großen Weinen nach und entdeckt, daß die Kriegführer sich selber bekriegen

26 Stanislaus verwandelt sich zu Zittergras und zweifelt leise an der Mission seines Dichterschützlings

27 Stanislaus nimmt Abschied von seinem Pferd und wird auf die glückseligen Inseln des Odysseus verschlagen

28 Stanislaus hält sich für einen Kadaver, der auf Umwegen zu Grabe getragen wird. Der Geist der Dichtkunst übermannt ihn unerwartet, und sein Leben lichtet sich

29 Stanislaus spricht mit einem fremden Priester, faßt Liebe zu einem fremden Mädchen und verhindert, daß zwei fremde Hirten verhöhnt werden

30 Stanislaus sieht seine Geliebte entfahren, seine Hoffnungen entfallen, und seine Worte werden bitter wie Aloe

31 Stanislaus erfährt, daß Menschlichkeit nicht unbelohnt bleibt, verwandelt sich in einen Mönch und wandert neuen Wandlungen entgegen

Zweiter Band

Vorspiel Zwei fremdländische Männer betreten die Stadt Dinsborn; der eine segnet, der andere treibt schwarzen Handel und entpuppt sich als Sohn einer Prinzipalin

1 Zwei nackten Männern werden die Gewänder von einem Mädchen genommen; und das Mädchen wird dafür mit der Lust gestraft, einen der Männer zu küssen

2 Ein Expriester träumt von den Küssen zweier Frauen, ein anderer promeniert wie Adam vor einem Mädchen und wird von einem sagenhaften Weibe bespien

3 Stanislaus sucht nach dem Sinn des Lebens und entwickelt ein Selbstunterrichtssystem für die Dichtereiarbeit, um in dieses Handwerk einzuwachsen

4 Stanislaus kämpft gegen seine fallsüchtige Hose, bekommt die antike Götterwelt erklärt und erlebt den Start eines holzenen Raumschiffs

5 Stanislaus denkt über den Sinn des Lebens und fehlende Hosenträger nach und trifft auf einem Zementplatz einen Engel, der durch Leihjacken hindurchsieht

6 Ein Prinzipal sucht Bedürfnisse zu erwecken, aber die Bedürfnishäuschen läßt er zunageln, und er selber hat Bedürfnis nach einem Nachfolger

7 Ein Mädchen namens Rosa, das die Naslöcher bläht wie eine Ziege, braucht die Erlaubnis seines Onkels, um sich von Stanislaus für beschaffte Hosenträger entlohnen zu lassen

8 Stanislaus stellt fest, daß der Rhein aus einem Ei schlüpft, und Rosa muß ihm den Lohn für gelieferte Hosenträger entreißen

9 Stanislaus wird von einem unbeweisbaren Wesen heimgesucht, beschließt herauszufinden, wozu er lebt, und giert nach dem Mädchen Rosa

10 Stanislaus soll in die ZEMENTBESORGE eingeweiht werden und gelangt über den DENKER von Rodin zu merkwürdigen Denkergebnissen über den Prinzipal

11 Stanislaus sieht eine Liebespostkarten-Dame, wird von ihr »musikalisch umrahmt« und plantscht in der Bibliothek eines Edelhofes

12 Stanislaus wird die Arbeitswilligkeit von unbekannten Mächten verübelt; er durchsucht eine Kirche vergeblich nach Rosa und tröstet sich bei der Herstellung eines Hilfsschemas zur Klassifizierung der Menschheit

13 Weißblatt entdeckt den »weltgänzlichen Übersinn«, gründet den Santorinischen Bruderorden und macht sich zum Popignore Johannis I

14 Stanislaus lernt den Nacherfinder des Stehenden Seiles kennen, wird ein Arbeitnehmer von Arbeitnehmern und erfährt vom Popignore Johannis I., daß er Essays geschrieben hat

15 Stanislaus betrifft Rosa mit einem Jack-London-Doppelgänger, baut sich eine Gedichthöhle, wird aber von Rosa in eine Bücherhöhle und in Peinlichkeiten gestoßen

16 Stanislaus wird in ein Büro betoniert, kämpft gegen die Geruchsstrahlen von Schwefel und soll von einer Papiermücke verführt werden

17 Der Popignore stößt beim Durchgrasen von Zeitungen auf seine vormalige Gespielin, und Stanislaus erscheint zum zweiten Male auf dem Edelhof, um über einen Zitronenfalter zu referieren

18 Rosa erfährt, daß die Kunst ein überflüssiges Rad am Weltwagen ist. Stanislaus spaziert mit einer Papiermücke und demütigt Rosa

19 Der Popignore und der Prinzipal plaudern an einem Heimspringbrunnen über einen hohen Geldbetrag. Stanislaus wird zum Anlaß eines mißglückten Selbstmordes, und es erscheint ihm eine nixenbeinige Rosa

20 Der Popignore trifft auf eine Adelsdame und das Nachtleben von Düwelsheim. Er versucht zwei Damen zu expropriieren. Von Stanislaus wird berichtet, daß er erbschleicht

21 Stanislaus fertigt Linealstriche und symbolträchtige Gedichte und geht zum Stelldichein mit einer Papiermücke, das vom Prinzipal zu einem Entlassungsgespräch umgeformt wird

22 Stanislaus verläßt in angenehmer Gesellschaft die WEISSBLATTSCHE BETONBAU PP., hört die Sommernacht reden und wird von Rosa degradiert

23 Stanislaus wird vom Meisterfaun auf die ewigen Gesetze der Kunst aufmerksam gemacht und stellt aus Protest Trümmerlyrik her. Rosa erstattet Osero Falschbericht

24 Stanislaus, der Edelhofhausdichter, verweilt beim Buchstaben A, stellt ein alogiales Gedicht her und eignet sich Kenntnisse über den Zündkerzenfunken an

25 Rosa erwägt, ob Kommunarden einander fürchten dürfen. Stanislaus wird zum Diener degradiert, macht Bekanntschaft mit der hyperprogressiven Dichtkunst und soll Ordensdichter werden

26 Stanislaus hat wieder eine Präsidiumssitzung mit dem Meisterfaun. Er soll Rosa wiedersehen und greift voll Dankbarkeit darüber zu Rilkeschen Praktiken

27 Stanislaus trachtet zu erforschen, inwieweit es im Leben vorangeht, zwei Männer verhandeln über Rosa, und Frau Mautenbrink beraumt eine Herbstbeginning-Party an

28 Stanislaus sieht, wie sich auf einer Edelhof-Party Froschzehen recken, sieht Julia auf der Bühne und Rosa neben sich

29 Stanislaus tanzt zum ersten Male mit Rosa, wird eingeladen, für die Bühne zu dichten, wird von Schaman Rishi aufs neue beleidigt und nimmt Rache

30 Stanislaus erlebt die plötzliche Ernüchterung einer Unbetrunkenen und soll im Anschluß an eine MEDIALREISE vergewaltigt werden, entfleucht aber

31 Stanislaus mischt sich unters fahrende Volk und versucht sich in der Maßkonfektion von Theaterstücken

32 Stanislaus verlegt seine Dichtereiwerkstatt ins Bett und wird von seiner Mitarbeiterin unvorteilhaft beeinflußt

33 Stanislaus meditiert über die Austauschbarkeit des Menschen, streicht Geld ein, das er mit »eigenem Kopfe« verdiente, und wird über das »proletarische Element« aufgeklärt

34 Stanislaus erkauft sich schreibgünstige Ruhe mit einem Mantel und wird als Blinder einer Erscheinung ansichtig, die Rosa gleicht

35 Stanislaus beheizt einen Kanonenofen mit einer Kriminaltragödie, entheiratet sich mit der Lund und beunflatet den Meisterfaun

36 Stanislaus läßt die literarischen Geister Staniro und Rosaria erscheinen, und der Autor des Romans teilt sich den Damen vom Theater mit

37 Stanislaus erlebt, was Gestalten, die er anfertigte, unter den Menschen ausrichten; Rosa erscheint ihm, doch er wird von anderen Damen gehindert, sich ihr beizugesellen

38 Stanislaus durchsucht eine Winternacht nach Rosa und empfängt die ersten Nadelstiche öffentlicher Kritik

39 Stanislaus wird wieder seßhaft, rutscht wie ein DÄUMLING in die Eingeweide eines Riesenschafes und wird dort zu einem Pampel

40 Stanislaus lehrt seine Finger das Sehen und lernt beim Warten auf einen Brief von Rosa eine eigene Dichtereiarbeit auswendig

41 Stanislaus wird von einem kleinen Gott beobachtet. Der Popignore verunglückt bei einer Expropriierung und enttitelt sich

42 Stanislaus singt in vielen Tonlagen, spricht in fremden Sprachen und macht aus einer Anakonda eine Ringelnatter

43 Stanislaus wird von Rosa in die Spezies der Affen eingereiht, während er entdeckt, daß er bisher ein Erdchauvinist war

44 Stanislaus wird in eine Maschine eingebaut und trifft einen »guten Menschen«; er wird der sehende Anführer einer Blindenbrigade und trifft auf einen karelischen Bekannten

45 Stanislaus erscheint in seiner Heimat Waldwiesen, macht seinen Künstlerhut zum Kartoffelkorb und sieht, wie seine Essays verbrennen

46 Stanislaus bringt seinen Eltern einen Koffer voll Nichts, kleidet seinen Bruder und wird zum Erfinder von Gedankenflugzeugen

47 Stanislaus soll eine Advokaterei mit Zahnarztstuhl betreiben, doch er will Kammer-Romanschreiber werden

48 Stanislaus erhält von seinem Vater Gustav ein »Dichtungsbüro«, schreibt über sieben weiße Hühner und wird auf neue Weise wundertätig

49 Stanislaus feiert ein Frühlingsfest und erfährt dort, daß er verarmt und der Onkel eines Franzosenjungen ist. Er hat einen unzulässigen Traum

50 Stanislaus’ Dichtkunst läßt ihn für das Amt eines Gemeindesekretärs geeignet erscheinen. Er wird um Kuhmilch mit dem Tode durch Erstechen bedroht

51 Stanislaus soll mit Schweineschinken vom Wege der Gerechtigkeit gelockt werden. Er besiegt seine Furcht und zieht gegen ein nackthinteriges Bauernweib in den Kampf

52 Stanislaus wird vom Bürgermeister zum Eintreten eingeladen. Er wirkt brechreizend auf seine Mutter Lena und macht ein Fahrrad zur Aktentasche

53 Stanislaus wird von seiner Schwägerin eines unkeuschen Lebenswandels und von seiner Mutter der Eselei bezichtigt. Seine Dichtkunst stößt mit einer Klistierspritze zusammen

54 Stanislaus wird gewahr, daß er fünfundsiebzig Papierseiten mit Tinte ornamentierte, verdächtigt den Meisterfaun geheimer Hurerei und macht sich auf, seine Kindheit zurückzuholen

55 Stanislaus wird von Stangenbiel bis zum Wecken beurlaubt, schlägt einem Kreissekretär vertraulich aufs Knie und beweist ihm, daß ein Künstler, der die Wahrheit sagt, leicht zuschanden werden kann

56 Stanislaus trifft mit seinem Abrieb zusammen, erfährt, daß er eine Leiche ist, wird überraschenderweise von seiner Frau geküßt, dann aber ideologisch verdammt

57 Stanislaus erfährt, daß er über Großnichten verfügt, und wird von Reinhold gewarnt, auszusprechen, was er denkt

58 Stanislaus liebt unter den Sternen dahin, überwacht das Kuhausmelken und erhält das Versprechen, daß man ihn nach seiner Beerdigung besonders ehren wird

59 Stanislaus kommt in den Geruch eines Radikalen, versucht ein bleiches Mädchen unter drei Birken zu trösten und wird mit dem Dienstgrad eines Heiratsschwindlers belehnt

60 Stanislaus wird in Lilians Parteiliebe eingeschlossen und in die Kaste der Bäcker zurückgestuft. Er wird der Meister eines weiblichen Gesellen, aber es gefreut ihn nicht

61 Stanislaus wird vom Glück gelullt, soll dafür aber Alimente zahlen. Er wird von einem sanften Weibe aus seiner Schreibhöhle verwiesen, und ein kleiner Versucher versucht ihn in die Gefilde der Ehrsamkeit zu locken

62 Der parteilose Stanislaus erhält beim Brotwirken einen Parteiauftrag, seine Schwester nimmt ihn nicht ernster als einen Züchter von Grashüpfern, und er erhält den ersten seiner achtundsiebzig Fragebogen

63 Stanislaus erfährt von Gustav, daß in seinem Roman zuwenig Regenbögen auftreten, erkennt die Zweckmäßigkeit des Buddhismus und weigert sich, ein Widerstandskämpfer gewesen zu sein

64 Stanislaus hilft einem weiblichen Schiff seinen Hafen finden, wird von Sitzungen besessen gemacht und läßt zum ersten Male Spiritistengeister aus sich reden

65 Der Parteischüler Stanislaus belehrt eine Krankenschwester über Zigeuner, wird von seinem einstigen Eheweibe aufs neue verleumdet, trifft eine Totgeglaubte und wird »Referendar«

66 Stanislaus trinkt aus den Wissensquellen und versucht sich in der »Erstellung« eines Gedichtes, mit dem er aus dem Rahmen einer »kulturellen Umrahmung« fallen will

67 Stanislaus fertigt eine Präambel und wundert sich etwas zu spät über den Dichter Jo Ostra. Er wird eines Frauenräubers ansichtig und für einige Dozenten in den Adelsstand erhoben

68 Stanislaus entdeckt die Unzulänglichkeit der Eisenbahnbenutzer und erkennt seinen Heimatort Waldwiesen nicht wieder. Er kämpft mit einer Ziege um ein Flugzeug und versieht seinen Romanhelden mit Ostereierfarben

69 Stanislaus findet eine schönere, aber noch rätselhaftere Rosa, gibt sein Jawort zu Katharinas Verheiratung und lernt seinen ersten Sohn kennen. Er weiß verschiedene Rätsel nicht zu deuten, doch er nimmts von neuem mit dem Leben auf

Dritter Band

Vorspiel Büdner geht unter die Zeitungsmacher, tauft sich Stabü, vergeht sich an Goethes »Faust« und politisiert das Belecken von Zuckerschnecken

1 Büdner gebärdet sich wie ein Hofhahn, mißfällt einem Theatermann und einigen Stadtvätern und bemerkt erstaunt, wie sich ein Zuckerschneckenbelecker infolge Zeitungskritik zum Halsabsäufer entwickelt

2 Ein »prickelndes Novum« wird von einem Intendanten geschmäht und von einer Ärztin gerühmt. Der Meisterfaun warnt, der Klassenfeind belästigt Büdner, aber der läßt eine Taube gen Himmel fliegen

3 Büdner heilt einen Sprach-Stolperer, fertigt ein unjarowisiertes Gedicht an und wird einer Selbstkritik enthoben, weil Goethe pressefeindlich war

4 Büdner politisiert eine Bettlerfigur, erfreut sich eines nicht lispelnden Othello und wird zur Anfertigung eines Braunkohlenhelden herangezogen

5 Büdner wird vom Klassenfeind geschmäht, von Waker-Leuten »hoch eingeschätzt«; der Versucher erscheint ihm in Gestalt einer Doktorin, und der Nimbus eines Braunkohlenhelden wird von einem Invaliden-Gehstock zertrümmert

6 Büdner bezweifelt die Unerschöpflichkeit der Erde, wird dafür gerügt, erfährt, daß er unerwünscht auf Erden wandelt, und fürchtet Verständigungsschwierigkeiten mit Welt-Raum-Menschen

7 Büdner singt auf einer Weihfeier rund, gewahrt, wie Menschen sich hinter Liedern verstecken, entdeckt den kleinen Tod in seiner Mutter, wird mit Sommerstrümpfen beladen und trifft auf die Fata Morgana seines Weibes Rosa

8 Büdner lernt die liebreiche Romantheorie seines ehemaligen Dorfbräutleins kennen, berichtet von einem Prügelkonto, soll geküßt werden, treibt eine Sekretärsgattin auf einen Tisch und wird zu einer Maus mit Stirnglatze

9 Büdner versieht die Frau seines Bezirkssekretärs mit einem imaginären Kind, erfindet das jus primae question, mischt sich durch einen Briefkasten in die Angelegenheiten großer Politiker und verhindert die Ausbreitung von Seuchenkäfern im Volksblatt

10 Zwei Damen bringen Büdner in zwei verschiedenen Ausführungen aus dem Gleichgewicht; er wird eines Ehe-Krach-Opfers ansichtig und »findet« sich mit einer Doktorin auf einem Salonfußboden

11 Büdner wird vom Meisterfaun über sozialistischliberale Misch-Ehen aufgeklärt, erfährt, daß Formkanäle weder im Walde wachsen noch in der Zeitung erscheinen dürfen, und stellt fest, daß ein geheimnisvolles Es beim Romanschreiben mitwirkte

12 Büdner erfährt, daß auch die heißeste Ideologie zugunsten von Handel und Wandel zurückgestellt werden kann. Er macht einen Kulturredakteur zu seinem West-Onkel und leistet Beihilfe zur Entführung gefüllter Schnellhefter

13 Büdner lernt den Segen des Vorglücks kennen, erwirbt im Wachtraum das »Buch der gelösten Lebensrätsel«, und hinter den Kulissen seines Lebens wird neues Schicksal für ihn angefertigt

14 Büdner schreibt eine Geschichte gegen Selbstbetrug und Taschenlügnerei, verwirft sie, da ihm Schmeichelhaftes widerfährt, wird der eifrigste Leser seiner selbst und erlebt, wie ihm ein Vorglückstraum zerschellt

15 Büdner stürzt seinen Kreissekretär in literaturtheoretische Schwierigkeiten, verhilft einem anderen Sekretär unbeabsichtigt zu einem Necknamen und erwirbt sich dessen treue Feindschaft

16 Büdners Roman beschäftigt die Leser, die Leser beschäftigen sich mit seinem Roman, und er wird geschmäht. Vater Gustav stellt fest, daß sein Sohn Stanislaus trotzdem kein Imperialist ist

17 Büdner wird durch sein berufsfremdes Tun vor das Tribunal seiner Kollegen gebracht. Er verurteilt sich selber und wird durch eine zufällige Ansammlung von Friedensfreunden zu der Erkenntnis gebracht, daß es sich bei seinem Roman, der ihn leiden macht, um eine lächerliche Privatsache handelt

18 Büdner erwartet einen Knall und erfährt, wie sich ein Kreissekretär durch das Buch eines Kaisers trösten ließ. Eine Versucherin stürzt Büdner in neue Konflikte; er sucht ihrer durch einen Mordversuch am Meisterfaun Herr zu werden

19 Büdner soll Lebenshilfe und neuerlei Schulung von seinem Bezirkssekretär werden, doch das großzügige Hilfsanerbieten kommt zu spät

20 Büdner wird von seiner Wirtsfrau zum schreibwütigen, doch einigermaßen brauchbaren Menschen erklärt; ein von ihm angefertigter Held sagt gut für ihn aus; ein Kreissekretär spricht ihm die Merkmale des Genies ab

21 Büdner dringt ins Erd-Innere, ist dort aber nicht gern gesehen. Er legt sich in eine Grube, arbeitet an seinem eigenen Begräbnis, zapft das Kräfte-Reservoir der Heiligen an, gelangt halbtot nach über Tage und wird eines Schutz-Engels ansichtig

22 Büdner soll seine wunden Hände mit Dachsfett behandeln, behandelt sie aber mit eigener Tinktur; seine Dichter-Antennen fahren wieder aus; er wird von seinem Arbeitskollegen für den Abgesandten einer ausländischen Stadt gehalten

23 Büdner hört die Erde auf ihrem Tropfenklavier spielen, vernimmt, daß sein neuer Arbeitskollege einen Drachen als Haustier hält, und erfährt von seiner Kostfrau ein Geheimnis, das jeder in Finkenhain kennt

24 Kleinermann sucht einen Vermißten und entschuldigt sich wider die Norm bei einem Parteimitglied. Büdner entgeht der Trunksucht und der Gefahr, in ein neues Fiebertraum-Kapitel hineingezogen zu werden

25 Büdner geht zu Katharinas Geburtstag, erlebt einen Zigarettenbagger und eine Genossin, die der Verbannung entgeht. Er wird von seiner ehemaligen Dorfgespielin überrumpelt und verzürnt sich mit Reinhold

26 Büdner verfällt der Schreibsucht wieder, wird vom Meisterfaun verwarnt, eilt, seine Mutter zu begraben, wird vom Vater des »verfehlten« Romans wegen in das siebente Glied des Trauerzuges verwiesen und erfährt, daß die Kunst ein Wunder ist

27 Lekasch wird nach Finkenhain geladen; er kommt, küßt die Finkenhainer und macht sich mit Büdner bekannt. Es wird eine große Versammlung anberaumt und musikalisch eingeleitet, um Lekasch wieder auszuladen

28 Lekasch liegt mit Schuhen im Bett und macht Lenka Meura an seinem Dichtertum zweifeln. Lekasch und Kleinermann zeigen einander die »schwarzen Flecke« ihrer Parteileben; Büdner widerfährt trotz allem Freude

29 Büdner befindet sich wieder im schwebenden Zustand, trifft auf seinen verschütteten Freund Friede, versucht ihm zu helfen, der Tiefbau-Geist tatzt auch nach ihm, und er erhält einen weißen Boxhandschuh

30 Büdner erfährt, daß der Tod die Rückseite des Lebens ist, hält Audienzen ab, hilft seiner Schwester, durch den Verlust von zwei Fingern, ihren Geliebten zu ehelichen, und wird von Katharina entbunden

31 Büdner wird ein Haspler; Zufriedenheits-Kristalle schießen in ihm an, doch er fertigt sich zwei Ersatzfinger und treibt neuen Unruhen entgegen

32 Büdner ist vom Leben der Zarobas angetan. Er frönt seiner Eitelkeit, liest die Geschichte von Risse vor drei Leuten, doch sein dritter Zuhörer verschwindet

33 Büdner wird von einem Geheim-Genossen des Umgangs mit einem Agenten der Reichen beschuldigt, und der Meisterfaun rät ihm, von Risse abzustehen

34 Büdner blickt ins vertrackte Leben eines polnischen Hunteschmierers. Friede Zaroba sucht zu erfahren, was die Bäume denken, und zu verhindern, daß sein Haus zu einer unzuverlässigen Herberge gemacht wird

35 Die Kunde vom Tode eines Weltvaters gelangt zu den Unterirdischen. Ein schwarzer Platz wird in einen roten Platz verwandelt

36 Büdners Roman kommt als Buch zu ihm und bringt verschiedene Leute in Verlegenheit. Der Autor hält eine Morgen-Lob-Rede auf die Schönheit der Welt, und ein Ringeltäuber stimmt ihm zu

37 Büdner wird seiner Parteistrafe auf merkwürdige Art ledig; Wummer kommt ihm mit Pferdehändlermanieren; Vater Gustav läßt sich von ihm die Dichter-Vaterschaft bescheinigen; Lenka Meura erhöht sein Kostgeld, und er steigt wieder in eine Schicksalskutsche

38 Büdner macht das Kinogehen zu seinem Beruf, läßt sich einen Windsorknoten binden und läuft Gefahr, von einer Autogrammjägerin erlegt zu werden

39 Büdner schreibt einen Film-Fahrplan. Ein Sekretär bietet ihm sein Leben »zwecks schriftstellerischer Auswertung« an

40 Büdner soll einen angehenden Filmhelden revolutionieren; speist in einem Restaurant für Schlipsträger, schluchzt im Theater und übernachtet im Hotel Adlon

41 Büdner verliert den Meisterfaun, soll mit Sturmwind und Gespenstern für eine wilde Ehe gekirrt werden und wird eines marmornen Engels ansichtig

42 Büdner erhält Auftrieb vom marmornen Engel, erwartet vergeblich dessen zweites Erscheinen und muß sich mit einem Brief seines ehemaligen Bräutchens nottrösten

43 Büdner dringt in fremde Häuser und Küchen, versucht den Geist der Wahrheit zu verbreiten und empfängt selber Belehrung mancher Art

44 Büdners Herz wird von der Sawade überwacht; seine Kindheit ein zweites Mal veröffentlicht. Er küßt Rosa vor Raswan, und Katharina nutznießt von seinem Ruhm

45 Büdner wird verführt, im Schriftstellerverband über Kartoffelpreise zu reden, und findet damit Anklang beim großen Lukian List

46 Büdner versäumt durch ein rüpeliges Telegramm seiner Schwester, Lukian List zu besuchen; sein toter Vater Gustav beschäftigt zwei Redner; Katharina bezichtigt ihn und Reinhold des Brahmanentums

47 Büdners Fehltod wird entdeckt. List setzt ihn den Verführungen des Klassen-Satans aus und macht ihn mit der Theorie der Bedürfnislosigkeit bekannt

48 Büdner wird von eineiigen Zwillingen umbuhlt und von Lukian List zum Teilhaber einer Romanfabrik gekürt

49 Wie die Leisegang sich hinter dem angsthäsigen Weißblatt versteckte und barocke Holz-Heilige fand, und wie Weißblatts Betrieb für die Herstellung von Pseudo-Literatur Konkurs machte

50 Weißblatt erfindet eine Nachnahme, wird vom ehemaligen Fräulein Mück gespeist, von seiner ehemaligen Gespielin abgespeist und von John Samsara bevorschußt

51 Büdner entdeckt seinen dritten Blickwinkel und bekommt Kenntnis vom »Jüngsten Gericht«

52 Büdner erlebt eine menschliche Kernspaltung, und es widerfahren ihm zwei Wunder

53 Rosa bricht Ehe, läßt sich schein-interviewen und nimmt an einer Theaterpremiere in Halle teil, die in der Großmeister-Allee stattfindet

54 Büdner erfährt, daß das Leben ein Schnittmusterbogen ist, und Katharina fragt ihn, wo die Tage hingeklungen sind

55 Büdner schüttelt sich vor Glück über gelungene Verhandlungen, und Rosa schraubt ohne Gebrauchsanweisung am Schicksals-Chronometer

56 Büdner erfährt, daß es lohnt, als Leiche noch umzusiedeln, daß ein toter Liebhaber seine Geliebte noch glücklich zu machen vermag und daß es ein Glück sein kann, als Millionär für einen Kontrolleur gehalten zu werden

57 Rosa teilt ihrem staunenden Vater mit, daß er von Besitzenden regiert wird, beschafft Unschuldsbeweise und verstrickt sich in Schuld

58 Osero empfängt Rosa mit Statuten, und Rosa versucht, ihn in einem erdachten Gespräch zu belehren; zwei Männer sprechen von ihr, als wäre sie ein Kind

59 Lukian List wird an ein Gedicht über rüchige Weibsfüße erinnert, wird »schlesischer Barbar« geschimpft und macht sich zum Belehrer seines Lehrers in der Weltwissenschaft

60 Büdner befristet einen Trauerbrief wie eine Nachnahme, wird gerockt und gerollt, sieht Rosa reden und hört nicht

61 Büdner spielt einen Bettler und einen Weisen, bekommt den »dialektischen Punkt« gezeigt und verschickt eine Warnung

62 Büdner stößt auf die Gefährlichkeit von Ersatz-Göttern, wird um seine Meinung gebeten, hat keine und produziert Gerbsäure

63 Büdner entwirft ein Rasse-Gretchen; Reinhold läßt ihn auffordern, wieder einzutreten; ein List-Zwilling macht sich mit ihm verwandt

64 Lekasch trinkt auf Büdners »Rasse-Töchter«, aber Haupt-Amts-Leute schütteln sie hin und her, und sie fallen durchs Sieb

65 Raswan korrigiert historische Gesichtspunkte; Rosa befragt ihn peinlich, macht journalistische Entdeckungen und mißtraut der »Zange der Dialektik«. Büdner wird der Gleichmacherei bezichtigt

66 Büdner wird von einer Kassandra für schreibunfähig, von Lukian List zum Metaphysiker erklärt und wirft seine Postbotenmütze ins Nachtdunkel

Nachspiel

Impressum

Erster Band

Für Eva

I
Wenn die Bäckervögel singen …

1

Stanislaus kommt in Waldwiesen zur Welt, verbraucht vor seiner Geburt teures Winterholz, und sein Vater Gustav verprügelt die Hebamme.

Der Herr der Wälder hob die Hand. »Halt!« Die hagere Hand pendelte zwischen den Baumzweigen wie eine gespenstische Frucht. Der Mann mit dem Handwagen blieb stehn. Furcht duckte ihn, er sah auf das Waldgras vor seinen Füßen. Den blinkenden Tau an den Halmen sah er nicht. Der Kuckucksruf wehte ungehört an seinem Ohr vorüber.

Der Förster verließ sein Fichtenversteck und ging auf den Mann zu. Seine Blicke schienen das Leseholz auf dem Handwagen auseinanderzukratzen. Der Mann war der Glasmacher Gustav Büdner; der Handwagen gehörte ihm und enthielt seine letzte Leseholzfuhre für jenes Jahr.

Der Förster entdeckte unter dem Leseholz einen zersägten Trockenstamm. Nun zog er sein Notizbuch und schrieb etwas hinein. Gustav Büdner starrte auf den langen Nagel am Zeigefinger des Försters. Wozu braucht ein Mensch einen so langen Fingernagel? Braucht er ihn zum Ausräumen seiner Baumelpfeife? – Der Förster ging bis zu einem Baum am Waldrand, bückte sich dort und ritzte mit dem langen Fingernagel ein Kreuz auf den Waldboden. »Hier abladen!«

Es kam ein Strafschein über einen Taler: »… wegen des Versuchs, aus den gräflich Arnimschen Waldungen ein Viertel Klafter Nutzholz zu entwenden … Waldwiesen, 12. July 1909. Der Amtsvorsteher: Duckmann.« – Auf Nimmerwiedersehn, du liebes Talerstück!

Der Straftaler brachte die schmale Haushaltskasse der Büdners in Unordnung. Es konnte keine Erlaubnis zum Blaubeerensammeln von der gräflichen Forstverwaltung gekauft werden. Lena, die Frau, mußte die drei Mark in der Blaubeerzeit mit täglichem Angstschweiß bezahlen. Sie fürchtete den schnüffelnden Forsteleven, und dabei pochten zwei Herzen in ihrem Leibe.

Sollte Gustav Büdner den Taler ohne Zucken und Mucken rollen und das Holz des Trockenstammes, die letzte Fuhre Leseholz liegenlassen, wo sie lag? Nein. Gustav spielte an einem Sonntag mit den Kindern Auto. Jedes Kind schnurrte in einer anderen Tonart. Gustav war der Herr, der die Autos in alle Welt aussandte. Er ließ sie zu einer ganz bestimmten Stelle schnurren, zu der Stelle, an der der Förster mit langem Fingernagel ein Kreuz in die Erde geritzt hatte. Jedes ausgesandte Auto mußte einen Knüppel Leseholz von dort mitbringen. Für die Sägstücke des Trockenstammes stellte Gustav sogar ein Lastauto, ein kräftiges Lastauto aus zwei Kindern, zusammen. Er mußte das den Kindern lange erklären; sie hatten das hochrädrige Auto des Grafen, aber noch kein Lastauto gesehen. Solche Wirrnis um das Winterholz, solche Ungelegenheiten!

Der Mensch Gustav Büdner hing durch eine Reihe lebenskräftiger Väter wie durch eine gute Nabelschnur an der Welt. Sein Vater, Gottlob Büdner, hatte Gustavs Großmutter, die eine Magd war, zu früh zur Kindsfreude hingestoßen. Sie war noch nicht reif für diese Freude, noch nicht bemannt, noch nicht auf Muttersorgen gerichtet gewesen. Deshalb sollte und sollte er nicht sein. Er aber trotzte den giftigen Absuden, die sie trank, dem heißen Rotwein mit Nelken, den Sprüngen vom Melkschemel im Kuhstall und selbst dem kühnen Griff der Abtreibemuhme.

Er kam in diese Welt und ließ sich nicht zurückhalten.

Der Vater des Gottlob Büdner trotzte sein Leben dem preußischen Prügelstock des Grafen Arnim ab. Er entsprang dem Sterbelager, auf das ihn gräfliche Ziemerhiebe geworfen hatten, mit einem Humpelbein.

Der Großvater des Gottlob Büdner entrann den Pocken mit einem narbigen Gesicht, und dessen Vater hinwiederum steuerte sein hartholzenes Lebensboot durch die Pestwogen. Kurzum, die Büdners trotzten Tod und Verderben wie die Unkräuter am Wegrand, deren Lebenskraft der Stunde ihrer Entdeckung und Verwendung zuharrt.

Drei Wochen nach dem Einbringen der letzten Leseholzfuhre hastete Gustav Büdner eines Abends von der Arbeit. Fünf schnelle Schritte, dann ein Sprung! So kam er aus dem Wald in die Feldmark. Der Waldweg war schattig, auf dem Feldweg glitzerte der Sand in der Sonne. Büdner kniff die Augenlider zusammen und sah zu seinem Kartoffelstück hinüber, einem Streifen Sandland, auf dem die Stauden kümmerten. Am Feldrand sollte ein beladener Handwagen stehn. Büdner wollte ihn heimzerren. Es stand kein Handwagen dort. Seine Lena hatte kein Unkraut für die Ziegen gerupft! Im Walde hatte Gustav noch ein dummes Liedchen gepfiffen: »Ein Vogel singt vor Lust und Lieb, doch ist sein Nest erst voll Gepiep, ists mit dem Singen aus …« Jetzt aber nistete sich der Ärger wie eine schwarze Waldspinne zwischen seinen Gedanken ein.

Da lag das Vorwerk – fünf Häuser stark –‚ und bei jedem Haus in einem Nest von Bäumen ein kleineres, ein Hausjunges, der Stall. Aus dem Schornstein auf Büdners Hausdach stieg eine zerzauste Qualmwolke. Die Lena verpraßte also das Winterholz, das teure, umständlich erworbene Winterholz! Die schwarze Ärgerspinne übernetzte Gustavs Gedanken ganz und gar. Am liebsten wäre er wie ein Tier auf allen vieren getrabt, um schneller daheim zu sein. Wie oft hatte er Lena anbefohlen, die Futterkartoffeln mit dem Mittagbrot zusammen abzukochen. Wieder hatte sie es unterlassen und kochte nun volldämpfig, um ihre Nachlässigkeit zu verbergen. Oh, die verdammte Nähfummelei! Ach, die verfluchte Lesewut seiner Frau! Er hatte nichts gegen das Nähen. Es mußte sein. Der Mensch konnte nicht mit bläkenden Löchern in seinen Kleidern unter dem hellen Himmel einhergehen. Er hatte auch nichts gegen das Lesen. Das Lesen half zuweilen die zwickenden Nöte vergessen. Er hatte aber gegen Nähen und Lesen etwas, wenn es am Tage geschah. Nähen war eine Ausruhbeschäftigung für den Abend, und den nagenden Nöten konnte man am Tage durch strenge Arbeit entkommen. – Der Zorn lag Gustav wie ein praller Sack im Rücken. Er stolperte auf dem glatten Fußsteig, da rief eine dunkle Kinderstimme: »Brauchst nicht zu sputen; er ist noch nicht da!«

Seine Tochter Elsbeth saß in der Wildfliederhecke. Gustav hielt so plötzlich ein, daß der Rest Gerstenkaffee in der Rucksackflasche gluckste. »Wer ist nicht da?«

»Der Neue.«

»Welcher Neue?«

»Ich hab die Tante Schnappauf holen müssen. Sie wartet mit der Mutter auf den Storch.«

Gustav lief schon wieder. War auf die Weiber Verlaß? Lena hatte auch den Decktag der jungen Ziege nicht aufgeschrieben.

Geschrei und Gekreisch. Gustav fuhr herum wie ein Wetterhahn bei Sturm. Hinter ihm trappelten seine sechs Kinder und schubsten einander; jedes wollte den neuen Jungen zuerst sehn. Herbert plumpste in den Mahlsand und schrie. Paul stolperte über ihn und kreischte. Elsbeth rannte zu Hilfe und barmte. Gustav fuchtelte. »Zurück, zurück zum Flieder! Erst wenn ich pfeife, kommt ihr!«

»Was wirst du pfeifen?«

»Der Jule hat sein Geld verjuxt …«

Das Hoftor breit auf, die Gartenpforte breit auf.

»Das sieht nach Zwillingen aus. Gott, sei ein Kerl und steh mir bei!« räsonierte Gustav.

Die Viehkartoffeln lagen gekocht im Futtertrog. Aus dem Schornstein qualmte es fort und fort. Man siedete das Badewasser. Gustav raffte rohe Kartoffeln ein. Weshalb sollten nicht auf der gleichen Glut Viehkartoffeln für den nächsten Tag kochen? Den Topf vorn, den Rucksack hinten – so ging Gustav in die Küche und der Geburt eines weiteren Kindes entgegen.

Der Schlüssel knirschte im Schloß. Die Hebamme kam aus der Schlafstube. Sie war dick und rotgesichtig – die Gesundheit selber –‚ eine Mutter des Lebens. »Ein schöner Junge wieder, Gustav!«

Für Gustav war die Hebamme mit dem Totengräber verwandt. Anderer Leute Leid – ihre Freud. Hebamme und Totengräber arbeiteten auf die Länge des Lebens Hand in Hand; sie holte die Menschen in die vertrackte Welt, jener schaffte sie hinaus. Bezahlen mußten die anwesenden Weltbewohner. – Gustav rückte die Töpfe auf dem Herd zurecht und sah die Zubringerin des Grabgräbers nicht einmal an. »Geh mir los, Windelhexe!«

Die Hebamme plantschte lustig im dampfenden Wasser. »Neun Pfund der Junge diesmal, Gustav!«

Gustav fuhr sich mit einem ausgebrochenen Kamm durch seinen Haarstutz. »Gib zu, daß dich die kleinen Leute nähren!«

Die Hebamme trocknete sich die Hände ab. Ihr Gesicht glich dem eines Pferdehändlers, der gut verkauft hat. »Jeder Erdenmensch dankt Gott, schenkt der ihm Kinder mit gesunden Gliedern.«

Gustavs Hand zitterte. Der Scheitel in seinem Haarklecks über der Stirn wurde schief. »Gesteh, daß dich die kleinen Leute fröhlich machen!«

Das Gesicht der Hebamme wurde purpurn. »Nein!« Sie warf ihre Instrumente hastig in die Tasche.

»Dann zahlen andre besser, hä?«

»Ich weiß von keinen andren. Halt das Maul!«

»Ich meine die, die schon im zweiten Monat nach dir schicken.«

An der Nasenwurzel der Hebamme erschien ein Zornwulst. Gustav kämmte vor Aufregung sogar sein Bärtchen. »Bekenne, daß du Engel und Menschen aus Weiberleibern holst, je wann man dich bezahlt, früh oder spät.«

Die Hebamme streifte die Ärmel wieder hoch. »Wie meinst du das?«

»Bar auf der Hand ersetzt den Verstand. Von kleinen Leuten wird Verstand verlangt, aus deinen Bündelkindern rechte Menschen herzurichten.«

Die Hebamme packte Gustav. Gustav packte die Hebamme. Sie rangen miteinander, bis an der Hebammenjacke die Knöpfe absprangen. Die dicken Brüste der Wehmutter quollen aus dem Hemdlatz.

»Das schreckt mich nicht!« schrie Gustav und packte das dralle Weib bei den Hüften. Die Wehfrau krallte sich blauwütig in Gustavs frischgesträhltes Haarbüschel. Geächz und stummes Ringen – ein Wassereimer schepperte zu Boden. Das kalte Wasser beschwappte die Kugelwaden der Wehmutter. Sie kreischte: »Dank deinem Gott, daß ich von Amts wegen keine langen Fingernägel nicht haben darf!«

Die Schlafstubentür sprang auf. Lena erschien bei den Raufenden, Lena – zitternd mit wäschebleichem Gesicht. Gustav und die Hebamme flogen wie Kampfhähne auseinander. Die Hebamme fuhr zerzaust in ihre Amtsobliegenheiten. »In dein Bett, Lena! Mit dem da werd ich fertig, zur Leiche dresch ich ihn!«

Lena weinte nicht. Es war keine Träne mehr in ihr. Sie wrang die Hände; ihre ausgelaugten Lippen zitterten. Gustav packte sie, bevor sie umsank.

Der zerkratzte Mann saß auf dem Bettrand bei der Wöchnerin. »Man wird doch noch die Wahrheit sagen dürfen.«

»Nicht immer.«

»Immer nicht?«

»Die Wahrheit braucht ein gares Feld zum Keimen.«

»Woher nun diese Weisheit wieder, Frau?«

»Aus einem Buch.«

»In Büchern ist das Leben zahnlos.« Gustav streichelte die Hand seines Weibes. Sein Daumen hatte einen Hornbuckel. Das Blasrohr in der Glashütte hatte ihn herausgefordert. »Wie halten wir’s jetzt mit der Taufe?«

Lena schloß die Augenlider. Aus ihrem blutleeren Körper kam Musik. Nur für sie. Gustav hockte wie ein Holzklumpen auf der karierten Zieche und dachte. Er konnte nicht denken, ohne zu reden. »Taufe, Taufe … wozu muß ein Mensch getauft sein, hä? Damit sich andre bei der Feier vollfressen? Ich hab einen gekannt, den hatte kein Pfarrer aus dem Taufstein benäßt. Er hatte nicht mehr zu leiden als unsereiner. Er stand mit mir in der Fabrik und kam aus Polen oder da woher. Man hatte ihn vergessen abzutaufen. Er war sogar von Gott begünstigt und fraß Glas. Sobald er einen sitzen hatte, ernährte er sich spielend. Vorspeise meist ein Schnapsglas, die Hauptmahlzeit ein Bierglas. Die Gaffer zahlten ihm die Gasthauszeche. So sparte er sich manches Mittagessen.«