G.F. Barner – 127 – Der legendäre Puma

G.F. Barner
– 127–

Der legendäre Puma

G.F. Barner

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74093-356-2

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Ward Yuma ist ein Junge von zwölf Jahren, mit krausen und schwarzen Haaren, die er von seinem Vater geerbt hat. Sein Vater ist Salem Yuma und besitzt die Keota-Ranch zwischen dem Sieben-Kreuze-Hügel und dem Pawnee Bergmassiv im nördlichen Colorado. Seine Mutter heißt Sabrina Yuma und lernte Salem Yuma in Raton, New Mexico, kennen. Sie heirateten, bevor der alte Ben Yuma starb und sein Sohn nach Hause kommen musste, um die Ranch zu übernehmen.

In der Nähe am North-Pawnee-Creek wohnt Amber Hilarry. Er kam erst in das Land, als die Indianer friedlich waren. Und böse Zungen sagten, dass er die Yumas erst mal die dreckige Arbeit tun ließ und dann sechzigtausend Hufe in das Land brachte. Er kaufte sogar das Land, auf dem ein Teil der Yuma-Rinder herumlief. Das gefiel dem alten Ben nicht sehr. Aber er war nun zu alt, um nochmals in den Krieg zu ziehen. Und außerdem hatte Hilarry eine mächtig raue Mannschaft aus Kansas mitgebracht.

*

»Nur friedlich, Leute«, ermahnt Hilarry seine Raureiter. »Greift bloß nicht zu den Revolvern! Den bekomme ich auf andere Art. Mit dem Revolver ist ihm nicht beizukommen. Da sind Vic Maroun und Clark Segralle. Er hat zwei fürchterliche Schießer geholt. Lasst die Finger davon, ich denke mir schon was aus. Der Bursche hat verdammt die bessere Weide und das bessere Gras, den besseren Platz im Winter, und ich will ihn haben.«

James Hartcorn, sein schnellster Mann, sagt: »Ich habe ihn neulich beim Schießen beobachtet, Amber. Ich sage dir, er ist schneller, als ich jemals einen Mann ziehen sah. Er ist sogar verteufelt schnell.«

»Fang mir nichts an«, sagt Hilarry noch einmal finster. »Ich werde mir schon den richtigen Weg einfallen lassen. Nur immer mit der Ruhe. Ich werde freundlich sein zu ihm, und er wird denken, dass ich ein friedlicher Bursche bin. Lasst mich nur machen.«

Da ist Kid Gallivan, der jüngste und giftigste Bursche, den Amber jemals erlebt hat.

Er ist zwanzig Jahre alt. Und er ist wie eine giftige Natter. Der Blick ist starr, und seine Haare glatt, wie mit Pomade eingeschmiert. Er trägt zwei Eisen seltsam tief in Kreuzgurten.

»Ich kann ihn schaffen«, sagt Kid Gallivan mit völlig ruhiger Stimme. »So schnell ist er nicht, Boss. Gib mir tausend Harte, und morgen ist er tot.«

Aber Amber Hilarry schüttelt nur den Kopf, während James Hartcorn zischend sagt:

»Kid, du hast ein zu großes Maul. Hier bin ich vorläufig noch der schnellste Mann.«

Kid Gallivan lehnt an der anderen Seite des Vorbaues und sieht träge über Hartcorn hinweg. Er zieht nur etwas die Augenbrauen hoch und sagt ruhig:

»Bist du das wirklich, James? Ich bin gar nicht sicher, ob du das bist?«

Den drei Männern bei ihnen läuft es kalt über den Rücken, als Kid es sagt, wobei seine Stimme völlig gleichgültig klingt.

»Du junger Dachs«, sagt Hartcorn scharf. »Halte dein Maul, wenn ich dich nicht eines Tages verprügeln soll. Du bist ein Killer und eine Klapperschlange. Ich stutze dich gleich auf die richtige Größe zusammen.«

»Seid friedlich«, knurrt Amber Hilarry dazwischen. »Verdammt, seid nur friedlich.«

Niemand auf der Ranch kann Kid Gallivan leiden. Seine Art ist ihnen so unheimlich, dass sie ihn lieber gehen als kommen sehen.

Kid Gallivan bewegt sich träge und aufreizend langsam. Er behält die Zigarette im Mund und steht frei auf der anderen Seite des Vorbaues.

»Du bist längst über deine beste Zeit hinaus, Großmaul«, sagt er verletzend. »Du redest nur noch und tust so, als wenn du hart bist. Du bist gar nichts wert, Möchtegern. Versuch doch mal, wie schnell du bist?«

»Zum Teufel«, keucht Hilarry wütend. »James, sei friedlich. Und du, Kid, hörst auf zu sticheln. Sofort, sage ich euch.«

»Sei still, Amber!«, faucht Hartcorn grimmig. »Dieser junge Narr reibt sich schon die ganze Zeit an mir. Ich will gleich sehen, wie schnell er ist.«

Er macht einen Schritt zur Seite, und Amber Hilarry sieht die Katastrophe kommen.

»Ihr verdammten Narren!«, sagt er heiser, und da kracht es schmetternd und brüllend. Aber es ist Kid, der zuerst schießt, und erst eine halbe Sekunde darauf kracht James Hartcorns Colt wummernd. Hartcorn dreht sich, und seine Eisen fallen auf die Dielen. Die Dielen beginnen sich um ihn zu drehen, und er kracht auf die Bretter.

Kid Gallivan hält den linken Colt auf die Männer und Freunde Hartcorns gerichtet. Er hebt den rechten Colt an und bläst langsam in die Mündung.

Stöhnend liegt James Hartcorn auf den Brettern, und Blut läuft aus seiner Schulterwunde. Die Kugel hat den Muskel getroffen, und er hat keine Chance mehr, an seine Eisen zu kommen.

»Weißt du es nun, Hartcorn?«, fragt Kid sanft und höhnisch. »Ich hätte dich auch erschießen können, aber ich wollte mir Amber nicht vergrämen. Bedanke dich bei ihm, dass du noch lebst.«

»Verdammt, verdammt«, sagt Amber Hilarry keuchend. »Wenn du das noch mal machst, Kid, kannst du gehen. Du schießt deine Partner zu Krüppeln. Das gibt es nicht wieder.«

»Er ist kein Krüppel«, erwidert der Killer kalt. »Er hat nur eine Weile Zeit, über seine Narrheit nachzudenken. Das ist alles, Boss. Einmal mussten wir ja wissen, wer schneller von uns ist.«

»Das vergesse ich dir nicht«, keucht Hartcorn stöhnend. »Das vergesse ich dir nie!«

»Erinnere dich nicht daran, wenn du meinen Rücken einmal vor dir siehst«, warnt ihn der Killer sanft. »Ich schieße dann nicht nur in die Schulter. Sei nur friedlich.«

Er steckt seine beiden Revolver ein, dreht sich um und geht über den Hof. Er holt seinen pechschwarzen Gaul und steigt in den Sattel. Sie sehen ihm nach, wie er kalt und ungerührt über den Hof reitet, die Fenz umrundet und in Richtung Fort Morgan verschwindet.

Als die Staubfahne über dem Weg träge zerflattert, sagt Jim Neals, einer der Freunde Hartcorns, heiser:

»Das ist der reinste Satan und Gift in Pulverform. James, er hat genau dort getroffen, wo er seine Kugel hinsetzen wollte.«

»Er zog genau den Bruchteil einer Sekunde schneller«, keucht Hartcorn. »Er war darauf eingestellt, ich dachte nicht, dass er ziehen würde.«

Sie bringen ihn ins Haus und verbinden ihn.

*

Kid Gallivan reitet in die Stadt.

Ich werde es ihnen schon zeigen, denkt er und grinst wie der Teufel selber. Diese Narren, glauben die etwa, ich ducke mich, weil sie älter sind und ein paar Kämpfe mehr hinter sich haben? Da haben sie sich geirrt.

Sein pechschwarzes Pferd läuft weiter. Kid grinst schief vor sich hin, als er die Stadt vor sich liegen sieht und über die Brücke des South Platte Rivers reitet.

An der anderen Seite beginnt die Stadt mit ihrer breiten Main Street. Hinter der Stadt liegt Fort Morgan auf einem Hügel.

Kid Gallivan sieht den Sheriff, einen älteren Mann, der ziemlich klobig wirkt und der mit den Fäusten besser als mit dem Colt umgehen kann.

Kid Gallivan hält vor dem Pawnee-Saloon und betrachtet die drei Pferde am Holm. Er reitet ein gutes Pferd, er weiß, dass diese drei Pferde noch ein ganzes Stück schneller sind und viel länger ein scharfes Tempo durchhalten als sein nervöses Vollblut.

Vielleicht macht ihn das allein schon wütend, denn er verträgt es nicht, wenn irgendein Mann bessere Waffen, ein besseres Pferd, oder überhaupt besser ist als er.

Er geht langsam die Stufen hoch, und seine Sporen singen auf dem Vorbau. Er hält seine Hände stets in der Nähe der Eisen und tritt mit dem Fuß gegen die Schwingtür, die krachend auffliegt.

Am Tresen stehen Salem Yuma, Vic Maroun und Clark Segralle. Während sich Segralle und Maroun bei dem Krachen umwenden, blickt Salem nur in den Spiegel und sieht Kid Gallivan.

»Seid ruhig«, sagt Salem Yuma leise. »Der Bursche kommt nicht ohne Grund hier herein. Sonst sind Harrys Leute doch im Dear-Trail-Saloon. Ich will keinen Ärger mit diesem Killer.«

»Immer, wenn ich den Schleicher sehe, wird mir speiübel«, erklärt der schwarzhaarige, schlanke Vic Maroun grimmig. »Der Bursche stinkt auf eine Meile nach Killer. Ich hätte nicht übel Lust, ihm einmal beizubringen, wie klein er eigentlich ist. Er ist frech wie eine Elster und feige wie eine Ratte. Sicher ist er schnell, aber nicht schnell genug für einen von uns. Ich muss einen Schluck trinken, sonst wird mir noch ganz und gar schlecht.«

Und Clark Segralle, ein blonder und ziemlich schwer gebauter Mann, sagt leise:

»Ich möchte ihm erst seine Revolver aus den Fingern schießen und ihn dann solange gegen die Wand werfen, bis er ein Loch in den Dielen sucht, durch das er wegkriechen kann.«

Der Killer geht aufreizend langsam auf den Tresen zu. Er ist Rechtshänder und stellt sich deshalb links hin. Obwohl er zwei Eisen trägt, vertraut er mehr auf seine rechte Hand.

»Partner«, sagt Vic Maroun schleppend zu Clark Segralle. »Rück ein Stück weiter. Hier gefällt es mir nicht. Da steht etwas, das mich ärgert.«

»Mir will doch plötzlich der Whisky nicht mehr schmecken. Bruder, hier ist verdammt etwas verkehrt, schätze ich.«

Kid sieht in den Spiegel, und sein Blick trifft sich mit den Blicken der beiden Männer. Vic Maroun verdreht die Augen, und Clark Segralle grinst. Sie rücken ein Stück weiter, und da sagt Salem Yuma leise:

»Seid friedlich, ihr beiden, ich will keinen Streit.«

Trotzdem ist es so, dass einer dem anderen nie Vorschriften gemacht hat. Sie reden sich niemals in etwas hinein und lassen jeden tun, was er gerade will. Das weiß auch Salem, und seine Stirn zieht sich in Falten.

Er steht ganz links und seine beiden Freunde weiter rechts. Deshalb hat er auch Kid Gallivan an seiner Seite.

Vic und Clark grinsen breit und sehen sich an. Dann schiebt sich Vic den Hut nach hinten, und Clark Segralle steckt sich einen Zahnstocher in den Mund.

»Erinnerst du dich an Joker Bush?«, fragt Segralle und grient sich ein. »Du erinnerst dich doch sicher an den alten Säufer, was, Bruder?«

Aber Vic kann sich nicht erinnern, jemals von einem Mann gehört zu haben, der so heißt. Und es ist bezeichnend für die lautlose Verständigung zwischen ihnen, dass er trotzdem sagt:

»Sicher erinnere ich mich. Was hat er nun wieder angestellt?«

»Er wollte doch neulich Fische fangen«, beginnt Clark. Und dabei schielt er zu dem Killer, der auch in den Spiegel sieht und sich wahrscheinlich nun schon sagt, dass sie ihn durch den Spott ihrer Worte treffen wollen.

»Das war so«, fährt Segralle fort, und sein Grinsen wird noch tiefer und gefährlicher, als er die Augen des Killers auf sich liegen sieht.

Und die anderen Männer halten den Atem an.

»Er ging doch an den River und wollte einen Fisch fangen. Nur einen, weißt du, denn er isst ja nicht viel, er trinkt lieber. Na, und da hat er zwei Tage gesessen, und keiner wollte ihm an die Angel gehen. Schließlich warf er die Angel ins Wasser und hatte genug. Was meinst du, passierte dann?«

»Wie soll ich das wissen?«, fragt Maroun. »Ich war nicht dabei, Bruder.«

»Stell dir vor, er hatte zwei Tage keinen Schwanz gesehen.« Segralle grinst. »Und dann spießt er mit der Angel doch glatt einen mächtigen Fisch auf.«

»Donnerwetter«, sagt Vic. »Das nenne ich Zufall.«

»Ja, das war es auch«, sagt Clark grinsend. »Er hatte bloß Pech, denn das Vieh war schon tot. Es war schon halb verfault, und seine Augen waren ganz milchig. Er zog ihn ans Land, und da traf er einen Blinden. Was hat er wohl gemacht?«

»Wie soll ich das wissen?«

»Na, er setzte ihm die Fischaugen ein, und der Blinde konnte wieder sehen«, sagt Clark grienend. »Du weißt ja, er war früher mal ein ganz ordentlicher Doc.«

»Das stimmt«, bestätigte Vic. »Ich erinnere mich an diesen … Na, wie hieß er denn bloß? Dem hat er doch eine neue Nase angesetzt. So einen richtigen Adlerschnabel. Die Nase war bald größer als das ganze Gesicht.«

»Ja, so war es«, erwidert Segralle und sieht die gelben Funken in Kids Augen. »Das war vor einem guten Jahr. Und er sagt, er hätte den Mann sagen gehört, dass er in diese Ecke wollte. He, war es nicht derselbe, der mit der Adlernase? Er sagte doch mal, dem fehlten nur ein paar neue Augen, dann würde es besser mit ihm sein.

Stell dir vor, der Kerl soll sich dauernd verirren. Kennst du jemand, der sich dauernd verirrt, zum Beispiel in diesen Saloon?«

»Teufel auch, Bruder«, entsetzt sich Vic Maroun und schüttelt sich. »Du willst doch nicht sagen, dass dieser Strolch sich eines Tages in die Gesellschaft von Gentlemen begeben könnte? Mann, male den Teufel nicht an die Wand. Ich würde ihn doch gleich an seiner Nase und den Fischaugen erkennen.«

Und da hat Kid Gallivan genug. Er sieht im Spiegel, wie verschiedene Männer in ihre Gläser sehen und zu grinsen beginnen.

»Yuma!«, sagt er giftig und sieht Salem an. »Ich denke, du bist der Boss deiner Leute. Willst du ihnen sofort sagen, dass sie mit ihrer Stichelei aufhören, oder soll ich erst wild werden? Ein schöner Boss, der seinen Leuten nichts zu sagen hat, schätze ich?«

»Ich weiß nicht, was du willst?«, fragt Salem Yuma grinsend. »Haben sie von dir gesprochen, Mister? Vielleicht irrst du dich und entschuldigst dich lieber.«

»Dein Glas, Kid«, sagt Mike Spru­sher hastig und will auf diese Art den Killer besänftigen. »Kid, dein Glas.«

Der Killer sieht ihn kurz an, und der Wirt zuckt wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Er stiert in die kalten Augen und beginnt trotz der Wärme im Saloon zu frieren. Kid greift mit der linken Hand nach dem Glas. Und dabei sagt er zischend:

»Sie haben mich gemeint, wenn Sie auch meinen Namen nicht genannt haben. Willst du ihnen sagen, dass sie ihr verdammtes Grinsen aufstecken sollen, oder nicht? Der Teufel soll dich holen, wenn du es nicht machst! Das ist ein Befehl, Mann!«

Salem Yuma sieht langsam und fast zu gemütlich den Killer an, und seine Augenbrauen furchen sich. Er betrachtet ihn neugierig und nicht ohne Spott, während hinter ihm Vic Maroun sagt:

»Salem, überlass den Großsprecher mir. Er gefällt mir nicht, und ich werde ihn ein wenig zur Ader lassen, besser als ein Doc es könnte. Geh ein wenig zur Seite, Bruder.«