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Irene Pietsch

Jabo Port

Mandamos Verlag

© 2017 Irene Pietsch

Umschlag, Illustration: Irene Pietsch

Verlag:

Mandamos Verlag UG (haftungsbeschränkt)

Alte Rabenstr. 6, 20148 Hamburg

Herstellung und Vertrieb:

tredition GmbH,

Halenreie 42, 22359 Hamburg

ISBN

PaperbackISBN 978-3-946267-36-2
HardcoverISBN 978-3-946267-37-9
e-BookISBN 978-3-946267-38-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

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Herr Grotschy sitzt nach mehr als einem Jahr gespannter Erwartung erneut einem der beiden Inhaber von der Spezial Agentur „GAVAST“ in Hamburg gegenüber und klopft erregt auf einen Stapel Papier vor sich, auf dem der Brief liegt.

„Sie erlauben mir, dass ich eine andere Prioritätenliste angefertigt habe, als Sie mir vorgekaut zu servieren beliebten, als ob Sie mit einem aus dem Nest gefallenen Jungvogel zu tun hätten, der mit Gewöll geatzt werden muss.“

Herr Grotschy sprüht förmlich vor aufgeladener Energie. Beinahe stehen ihm die Haare zu Berge, was durch ein Festigergel verhindert wird.

„Danke vielmals für die Aufmerksamkeit! Mit Verlaub: das, was Sie mir auf einer dürftigen Seite bieten, ist ausgelutschtes Zuckerrohr in einem hübschen Zellulose Tütchen!“

Herrn Grotschys Energie lässt nicht nach. Das Festigergel in seinem Haarschopf genauso wenig. Sein Gegenüber hat sich hinter verschärfter Abwartehaltung mit einstudiertem Lässigkeitseffekt verschanzt, was Herr Grotschy einerseits bemüht ist zu übersehen, andererseits als Adrenalinanreiz willkommen ist.

„Schlimmer noch, verehrter Herr Gavast…“

„‚Smaragd‘“, kommt es wie aus der Pistole geschossen aus der Abwartehaltung, was Herrn Grotschy zu einer neuen Höchstleistung animiert.

„Bitt′schön, verehrter Herr Smaragd, das mit Ihrem Zweieinhalbzeiler ist Weingummi als Pausenfüller aus nichts als Ersatzstoffen.“

Herr Grotschy provoziert Herrn Smaragd mit ein paar weiteren interessanten Kleinigkeiten aus dem narrativen Anschauungsmaterial Wiener Zuckerbäckerei und assoziierten Produktionszweigen, und fordert damit beim Herrn Smaragd eine Schwindel erregende Steigerung dazu heraus.

Herrn Grotschy, der sich gerne stimmgewaltig redegewandt produziert, legt daraufhin den Rückwärtsgang ein und schweigt zu der Schlagfertigkeit des Herrn Smaragd in Hamburg.

„Von Zeit zu Zeit kann es sein, verehrter Herr Smaragd“, umschmeichelt er in Gedanken seinen Gesprächspartner, „dass ich mit einem Strandsegler unterwegs bin, um den staatlicherseits eingestellten Aktentransportdienst von Haustür zu Haustür zu bewerkstelligen, weswegen es Ihrem Verständnis anheim gestellt ist, warum ich mich soeben angesichts des Megapuzzles um das „gelbe Haus“ am Harvestehuder Weg und die Warburgstraße echauffiert habe.“

Herr Grotschy schweigt bedeutungsvoller denn zuvor. Die Handflächen nach außen gekehrt, betrachtet er rechts und links im Vergleich Kopflinie, Herzlinie und Lebenslinien. Danach kommt er zur Kernaussage seiner Gedanken:

„Trotz aller Übereinstimmung in rhetorischen Fertigkeiten, muss ich, verehrter Herr Kollege Smaragd…“

Herr Grotschy nickt mit dem Kopf dem verehrten Herrn Kollegen Smaragd zu.

„… ein, zwei kleine Beanstandungen loswerden, die unser Verhältnis unter keinsten Umständen trüben dürfen.

Erstens, Sie haben mir damals nichts davon gesagt, dass Sie Smaragd heißen.“

Herr Smaragd denkt gar nicht daran zu trüben.

„Ich heiße nicht nur Smaragd, ich bin ein Smaragd. Genau genommen Bertil Smaragd.“

„Bitt′schön. Zweitens…“

Herrn Smaragds Augen sind Braungrün, könnten jedoch vermutlich bei besonderer Gelegenheit zur Farbbereinigung in die eine oder andere Intensität wechseln, was genau zu diesem Zeitpunkt eintritt, wie der Regenbogen bei Schauer begleitetem Sonnenschein.

„Zweitens – leider kann ich nicht umhin, es zu erwähnen, obgleich es auf den ersten Blick mangels Masse nicht erwähnenswert scheint - ist kaum mehr als ein Wort zu der Frau Wykunda mit Tochter gefallen – oder sollte das Ihnen im Eifer der Wort- und Inhaltsverkürzungen entgangen sein?“

„Was sollte mir entgangen sein?“

„Dass ich Ihnen persönlich gar nicht zu nahe treten will, keinerlei Partikularinteressen verfolge, sondern versucht habe, aus Ihnen heraus zu kitzeln, ob in Hamburg Bilder oder andere Kunstgegenstände - sagen wir mal: im weitesten Sinne des Wortes - gegen Dienstleistungen in Zahlung genommen wurden oder werden und Ihnen auch nicht unterschlagen habe, dass mein…“

Herr Smaragd sieht aus, als wolle er auf der Stelle Herrn Grotschys Einlassungen per Strandsegler von Haus zu Haus befördern, sobald dieser ihm die Zündschlüssel und die Bordpapiere überlässt und ihn in den Wissensstand versetzt, ob es beim Harvestehuder Weg und der Warburgstraße als Zustelladresse bleibt oder unter Umständen noch benachbarte Laane und Furten mit einbezogen werden müssen, um einen allseits zufrieden stellenden Erfolg erzielen zu können. Er zieht die Augenbrauen angestrengt zusammen, was den Vorschriften für einen Strandseglerkurier entspricht, der zwar über einen Führer- aber keinen Segelschein für Fahrzeuge mit Außenbordmotor verfügt.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, verehrter Herr Smaragd…“

Herr Grotschy entnimmt dem Pochet seiner feinen Tuchjacke den obligatorischen Fächer mit Straußenfedern und wedelt sich damit den Wiederbelebungsversuch des Gesprächs zu.

Herrn Smaragds Augen funkeln schwarz und glimmen grünlich.

„…ich komme auf die Frau Wykunda mit Anhang noch zurück. Sie haben doch Zeit?“

„Jede Menge. Wer Stammesbrüder sucht, hat als Lebensinhalt beinahe nichts anderes mehr als unterirdische Pfadfinderei.“

Tatsächlich sieht Herrn Smaragds Kombination aus Wetter unabhängig strapazierter Jacke und ebensolcher Hose nach einigen Entbehrungen aus.

„Vintage“, sagt Herr Grotschy.

„Unsinn, Grunge“, korrigiert Herr Smaragd die Anspielung auf die Zeitlosigkeit seiner Kleidung.

„Darf ich Ihnen angelegentlich bei einer Auffrischung behilflich sein? Ich habe gute Beziehungen in den Handel. Da kann schon das eine oder andere Prozentchen Preisnachlass bei herauskommen.“

„Danke! Ich bunkere immer für mehrere Jahre im Voraus.“

„Das habe ich gelesen, was Sie gebunkert haben. Nicht schlecht, aber noch bei weitem nicht genug, was ich Ihnen aus Gründen der Fairness nicht vorenthalten möchte.“

Die Grotschy-eigene Augenfarbe hat von Hellblau ins Graugrüne gewechselt. Es funkelt oder glimmt nirgendwo. Seine Augäpfel gleichen vielmehr weiß-blauen Murmeln mit geheimnisvollen Schattierungen, die bei Wettmurmlern gefragte Sammlerstücke sind.

„Ihre Recherchen habe ich in den Kontext mit meinen gebracht, der Sie vielleicht hier und da überraschen wird.“

Pause.

„Sie sagen nichts dazu?“

Herr Grotschy betrachtet seine Uhr am rechten Handgelenk. Sie wird von einem noblen Lederarmband gehalten. Herr Smaragd betrachtet die seine aus nicht minder noblem Material.

„Wie ein verdammtes Muli habe ich malocht.“

Pause.

Die festigergegelten Haare des Herrn Grotschy wippen, der Fächer mit Straußenfedern steckt erlahmt im Pochet.

„Wissen′s was, verehrter Herr Kollege Smaragd? Das ist ungeheuerlich…“

Herr Grotschy aktiviert seinen Fächer, klappt ihn mehrmals energisch auf und zu, schlägt schließlich wie mit einem Zauberstab kurz auf die Tischkante und lässt nach der Vorführung das Utensil in der Fächerdestination verschwinden, von wo es mit allen zehn Federn keck über den Rand des Pochets schaut.

„Was ich in Erfahrung bringen musste, übertrifft alles aus meinem bisherigen Berufsleben!“

Herr Grotschy nimmt seine Armbanduhr vom rechten Gelenk und legt sie links vor sich auf den Tisch.

„Hat das etwas zu bedeuten?“

„Was, bitt′schön?“

„Dass Sie Ihre Armbanduhr rechts abnehmen und links vor sich hinlegen?“

„Ich will die Lebenslinien und Venushügel schonen. Sehen′s, Herr Kollege Smaragd, vielleicht ist es Ihnen nicht bewusst, obwohl es Ihnen bewusst sein müsste, aber Sie sitzen in Ihrem geschätzten Grunge auf Ihrem werten Namen und die ganze Welt macht sich Gedanken, wo Sie wohl in Ihrer Vorratsspeicherung damit abgeblieben sind.“

Pause.

„Soll ich nun im Gegenzug meine Patek abnehmen?“

Herr Grotschy antwortet darauf nicht. Stattdessen feuert er eine unerwartete Kanonade an Fragen zu dem erwähnten werten Namen ab:

„Übrigens - seit wann schreiben Sie ‚Smaragd‘ mit ‚C‘ wie Cäsar und nicht mehr mit ‚S‘ wie Siegfried?“

Pause