Inhalt

  1. Cover
  2. Über dieses Buch
  3. Titel
  4. Impressum
  5. Einleitung
  6. Noch einmal meine Mutter sehen
  7. »Zana, sag deiner Schwester guten Tag.«
  8. »Warum kann ich nicht so leben wie meine Schwestern?«
  9. Zwei Schritte dahinter
  10. Das Außenministerium
  11. Rettung?
  12. Der Steuerberater und der Finanzbeamte
  13. »Eine großartige Geschichte!«
  14. Mo
  15. »Sie hat’s gesagt, oder?«
  16. »Freunde in hohen Positionen?«
  17. »Mach dir keine Sorgen, Mum.«
  18. Epilog

Über dieses Buch

Zana Muhsen ist die Flucht aus dem Jemen gelungen. Acht Jahre lang war sie in einer Zwangsehe gefangen, die von ihrem Vater arrangiert worden war. Nun ist sie zurück im heimatlichen England, doch ihr Kampf ist noch lange nicht vorbei. In der bewegenden Fortsetzung von Noch einmal meine Mutter sehen schildert Zana den verzweifelten Kampf um ihren Sohn und ihre Schwester, die sie im Jemen zurücklassen musste und denen sie das Versprechen gab: »Ich werde nicht aufgeben, bis auch ihr eure Freiheit zurückerhalten habt!«

ZANA MUHSEN

VERSCHLEPPT
IM JEMEN

Die verzweifelte Suche
nach meiner Schwester Nadja

Aus dem Englischen von Ursula Pesch

BASTEI ENTERTAINMENT

Einleitung

Der Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen und die Ausbeutung von Kindern gehört meiner Meinung nach zu den wichtigsten Aufgaben der modernen Zivilisation. In westlichen Ländern hat man in beiden Bereichen große Fortschritte erzielt. Frauen haben nun in praktisch allen Lebensbereichen das Recht auf Chancengleichheit. Kinder werden durch eine Vielzahl von Gesetzen und Kontrollen vor Ausbeutung geschützt.

Was sich hinter verschlossenen Türen in den Familien abspielt, ist jedoch manchmal eine ganz andere Geschichte. Noch immer gibt es Männer, die ihre körperliche Überlegenheit nutzen, um ihre Partnerinnen zu beherrschen und ihre Kinder zu tyrannisieren. Die sexuelle Ausbeutung von Kindern ist ein Verbrechen, das jedermann mit Abscheu erfüllt. Doch immer wieder machen neue Enthüllungen deutlich, wie weitverbreitet dieser Missbrauch ist.

Während der Kampf gegen die Unterdrückung der Frau und die Ausbeutung von Kindern in den Industriestaaten fortgesetzt wird, hält man in vielen Ländern der Dritten Welt an Bräuchen fest, die Millionen von Frauen und Kindern praktisch zu Sklaven machen. Die Ärmsten der Welt werden oft schon mit erbärmlich kleinen Summen dazu gebracht, ihre Kinder, vor allem Mädchen, in die Prostitution oder in die Ehe zu verkaufen. In manchen Ländern ist es noch heute üblich, Kinderbräute im Alter von elf oder zwölf Jahren zu ihren Ehemännern zu schicken. Dagegen können sie sich nicht wehren. Sie werden einfach von ihren Vätern den Vätern ihrer zukünftigen Ehemänner übergeben.

Die meisten dieser Mädchen führen ab diesem Zeitpunkt das Leben einer Sklavin. Sie leisten sexuelle Dienste, die ihre Gesundheit gefährden, und gebären ihren Ehemännern in viel zu jungen Jahren Kinder. Sie arbeiten von morgens bis abends, um ihren Männern und älteren Mitgliedern der Gemeinschaften, in denen sie leben, zu dienen, und sie altern vor ihrer Zeit. Sie sind ohne finanzielle Mittel und haben keine Möglichkeit, ihrem Schicksal zu entfliehen. Im Grunde genommen hätten sie rechtlich gesehen natürlich die Freiheit, ihr Zuhause zu verlassen, wenn sie das wollten. Aber wo sollen sie hingehen? Wie sich ernähren? Und was wird aus ihren Kindern?

Die meisten dieser Frauen bleiben bei ihren Kindern, bis auch diese in die Ehe verkauft werden, und sind inzwischen dann zu alt oder zu müde, gegen die Ausbeutung einer weiteren Generation junger Leute anzukämpfen. (Wenn man zwanzig oder dreißig Jahre lang wie eine Sklavin gearbeitet hat und gesundheitlich stark angeschlagen ist, wird man wahrscheinlich dankbar sein, wenn der Sohn mit einer gesunden, kräftigen jungen Frau verheiratet wird, die einem einen Teil der Arbeit abnehmen kann und es einem ermöglicht, sich auszuruhen.)

Welch grauenvolles Leben diese Menschen führen, erfahren wir im Westen erst, wenn ein Mädchen aus einem Industriestaat sich als Sklavin in der Dritten Welt wiederfindet, schließlich freikommt und ihre Geschichte erzählen kann.

1980 wurden Zana und Nadja Muhsen, zwei Mädchen aus Birmingham in England, von ihrem Vater zu einer »Urlaubsreise« in den Jemen mitgenommen, wo er sie als Kinderbräute an zwei seiner Freunde verkaufte. Zana gelang acht Jahre später die Rückkehr nach England, doch musste sie ihren kleinen Sohn zurücklassen. Vor ihrer Abreise versprach sie ihrer Schwester Nadja, von England aus alles dafür zu tun, sie und die Kinder aus dem Jemen herauszuholen.

Zana bat mich, ihr dabei zu helfen, die Erfahrungen der Schwestern in einem Buch festzuhalten. Noch einmal meine Mutter sehen erregte internationales Aufsehen. Über zwei Millionen Exemplare wurden verkauft, Millionen Menschen in Europa erfuhren über Fernsehen und Zeitungen von dem Schicksal der Mädchen. Die Empörung war groß. Zana hoffte, all das würde dazu führen, dass Nadja und die Kinder sofort nach Hause gebracht würden. Aber das geschah nicht. Nadja kehrte nicht nach England zurück. Sie saß genauso hoffnungslos in der Falle wie alle anderen Kinderbräute in der Dritten Welt.

In diesem Buch, Verschleppt im Jemen, beschreibt Zana, wie sie und ihre Mutter Miriam in den vergangenen zehn Jahren den Kampf um Nadja fortgesetzt haben. Ihre Geschichte erzählt auch davon, wie ein Großteil der ärmsten Frauen und Kinder der Welt leben müssen.

Zana berichtet von ihrer Auseinandersetzung mit der jemenitischen und der britischen Regierung. Sie erzählt von Menschen, die sie mit vorgetäuschten Hilfsangeboten um das Geld brachten, das sie mit ihrem ersten Buch verdiente.

Während die Politiker weiterhin jegliche Verantwortung von sich weisen und die internationale Gemeinschaft sich darüber streitet, wer für Nadja zuständig ist, kämpft diese um ihr Leben. Zana und Miriam suchen noch immer nach einer Möglichkeit, Nadja zu erreichen, bevor sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Die beiden Frauen hoffen auch, dass Zana ihren Sohn sehen kann, bevor er erwachsen geworden ist.

Verschleppt im Jemen ist eine ergreifende Geschichte über Ineffizienz und Korruption, Betrug und Diebstahl, die jedes Vorstellungsvermögen übersteigt. Sie zeugt von dem Mut und der Hartnäckigkeit, die Zana, ihre Mutter und ihre Familie bei dem Kampf an den Tag legen, Zanas Versprechen einzulösen, und enthüllt, auf welche Weise noch heute Frauen und Kinder täglich versklavt werden.

Es ist eine Geschichte von Hoffnung und Verzweiflung. Hoffnung, dass sich durch den Kampf um Gerechtigkeit von Menschen wie Zana Muhsen die Dinge zum Besseren wenden werden, und Angst davor, dass es nicht rechtzeitig gelingen wird, Nadja aus der Hölle zu befreien.

Im Verlauf dieses Berichtes versucht Zana auch, die Fragen tausender Menschen zu beantworten, die ihr nach Noch einmal meine Mutter sehen geschrieben haben und wissen wollten, wie sie es schafft, sich in England wieder ein Leben aufzubauen.

ANDREW CROFTS