image

WERNER ROSENBERGER

Hietzing

Von Künstlervillen & Künstlerleben

Mit 61 Abbildungen

image

Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

© 2018 by Amalthea Signum Verlag, Wien

Für Sanne. Mein Lebensmensch.
Und obendrein aus Hietzing.
Dieses Buch gehört Dir.

Inhalt

Einleitung

Paradiesische Gartenlandschaften

Die Bergl-Fresken im Schloss Ober-St.-Veit

Wolfrathplatz 1

Mozart in Schönbrunn

Ein Genie am Kaiserhof

Schloss Schönbrunn

Auf der Flucht vor der Französischen Revolution

Élisabeth Vigée-Le Brun – ehrgeizige Malerin im Exil

Ihre Adresse im Frühjahr 1793 ist nicht mehr feststellbar

Wie ein Mythos entsteht

Die Geschichte vom armen Schubert-Franzl

Maxingstraße 18

Eine fürstliche Theaterkarriere

Fräulein Kronau wird Prinzessin Lobkowitz

Hietzinger Hauptstraße 41

Die Ewig-Jugendliche

Stella Hohenfels – eine Frau mit Geheimnis

Hietzinger Hauptstraße 31/Kopfgasse 1

Das »Kammermensch« wird Tragödin

Charlotte Wolter – ein Star des Hofburgtheaters

Trauttmansdorffgasse 33

»Tante Leo« kam bis Hollywood

Leopoldine Konstantin – erste Buhlschaft und Hitchcocks böse alte Dame

Trauttmansdorffgasse 29

Die große Sentimentale von Wien

Lotte Medelsky – moderne jugendliche Heldin an der Burg

Wattmanngasse 47

Die Frau Baronin und der letzte Romantiker

Das Idol von Jungmädchenschwarm Raoul Aslan

Wattmanngasse 28

Die Villa Dollarprinzessin

Leo Fall – das »Enfant terrible« der Wiener Operette

Lainzer Straße 127

Banker, Mäzene, Opernverführer

Die illustre Familiengeschichte des Albert Landau

Hietzinger Hauptstraße 42c

Eine unerhörte Remasuri

Wilhelm Karczag und Hubert Marischka – Exporteure der Wiener Operette

Hietzinger Hauptstraße 42b

Wohnen in Häusern von Adolf Loos

Von Federnfabrikanten, Kniže und einem Bohemien

Larochegasse 3, St.-Veit-Gasse 10

Maler des modernen Wien

Gustav Klimt und Egon Schiele

Feldmühlgasse 11

Hietzinger Hauptstraße 101

Wattmanngasse 6

Ein Leidender an seiner Zeit

Otto Stoessl – Altösterreicher und Malerfreund

Matrasgasse 20

Der Tradition verpflichtet

Otto König – ein Bildhauer für das alte Wien

Neue-Welt-Gasse 11

Modern ist, was uns Freiheit gibt

Die Villa Beer – der Geniestreich von Josef Frank

Wenzgasse 12

Eine Amour fou wird zu Musik

Der Zwölftonkomponist Alban Berg

Hietzinger Hauptstraße 6

Trauttmansdorffgasse 27

Das Haus der Wanderschnecke

Siegfried Trebitsch, Freund und Übersetzer von G. B. Shaw

Maxingstraße 20

Unterschätzt und fast vergessen

Der Maler, Bühnenbildner und Dichter Carry Hauser

Maxingstraße 34, Ecke Tiroler Gasse 1

Trifft der Blau den Grün

Heinrich Eisenbach – ein jüdischer Comedian

Trauttmansdorffgasse 11

Wiener Raunzer und Wortvernuschler

Hans Moser – ein Schwergewicht der leichten Muse

Auhofstraße 76–78

Ein Frauenheld wider Willen

Rudolf Prack – Charmeur und Kavalier der alten Schule

Stoesslgasse 15, Ecke Kupelwiesergasse

Immer Avantgarde – nie modisch

Maria Lassnig – Grande Dame der Malerei

Maxingstraße 12

Resolut und schlagfertig

Hilde Sochor liebte das Komödiantische und das Abgründige

Am Platz 4

Gräber erzählen Geschichten

Spaziergang über den Hietzinger Friedhof

Maxingstraße 15

Literatur

Bildnachweis

Dank

Namenregister

Einleitung

Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert«, sagt der junge Tancredi in Der Leopard von Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Und dann verändert sich alles. Am Ende bleibt nichts, wie es war. Veränderungen finden statt, große und kleine, ständig und stetig, manchmal unausweichlich, manchmal in voller Absicht. Auch Hietzing – der drittgrößte Bezirk Wiens – ist da keine Ausnahme. So vereint er heute im Flair der ehemaligen Vorstadt imperialen Glanz, dörfliche Anmut und das Gutbürgerliche.

Hier, im Hietzinger Cottage, ist noch die Eleganz der Ruhe, der Charme der guten alten Zeit zu Hause. Hier hat die Vergangenheit ihren großen Auftritt. Die Gegenwart mag aufregend sein, die Zukunft vielversprechend. Aber was ist das alles gegen die Melodie der Erinnerung, die ein Straßenmusiker spielt? Gegen das Gestern im Licht der Verklärung, als das Gefühl noch weniger vorherrschend war, dass das Leben so schnell vergeht und man gar nicht dazu kommt, es zu erleben.

Also drehen wir die Zeit zurück in die Vorvergangenheit. Draußen im Grünen, Draußt’ in Hietzing gibt’s a Remasuri, wie es in Wiener Blut von Johann Strauß heißt, also ein Spektakel im großen Tanzsaal in Dommayers Casino in der Hietzinger Hauptstraße 12 (später 10–14). Strauß und Lanner spielen auf. Karossen und Stellwagen rollen aus der Stadt hinaus, um Männer in farbigen Röcken, mit eigenwillig verknoteten Halsbinden über hellen Westen und Frauen in dekolletierten Kleidern mit weit aufgebauschten Ärmeln zu den Konzerten und Ballfesten zu bringen, von denen ganz Wien spricht.

Maria Theresia erklärte Schönbrunn zu ihrem Lieblingswohnsitz, und die vornehme Welt folgte dem Lockruf der Sommerfrische an die Peripherie, ins angeblich schönste Dorf der Monarchie. Eine Ewigkeit später rollt heute die Blechlawine vorbei an der Bauminsel mit dem Kaiser-Maximilian-Denkmal »Am Platzl«, wie die Einheimischen sagen. Und an der Kirche »Maria Hietzing« mit dem schlanken, spitzen Turm. 1253 als Kapelle vom Stift Klosterneuburg angelegt, später ausgebaut und noch später in reichem Barockstil ausgestattet, war die Kirche mit dem Marienbild durch Jahrhunderte ein Ziel der Wallfahrer.

Das Neue ist oft umstritten im Grätzel, in dem sich die Zeit zu verlangsamen und mit nur ganz kleinen Schritten voranzugehen scheint. Am prunkvollen weißen Gebäude von Josef Hoffmann in der Gloriettegasse 14–16, nach den Baujahren 1913–1915 das wohl schönste moderne Haus von Wien, gehen die Leute seinerzeit verärgert am schmiedeeisernen Gitter vorüber und schütteln ungläubig den Kopf: »Dass man so was wie die Villa Skywa-Primavesi überhaupt bauen darf!« Als das Café Wunderer mit Jugendstilambiente, ursprünglich ebenfalls von Hoffmann, in der Hadikgasse 62 im Jahr 2013 einer »Fleischlaberl-Fastfood-Kette« weichen muss, wird dies nur noch mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen.

Alt-Hietzing bleibt Alt-Hietzing. Dort sind noch Traditionen aus jener Zeit lebendig, als die Großväter und Urgroßväter Nachbarn, vielleicht Freunde von Aristokraten, Diplomaten, Künstlern und anderen Persönlichkeiten mit klingenden Namen sind. So viel sich im Lauf der Jahrhunderte auch verändert hat: Wer den Zauber der Gegend spürt, der fühlt, dass es auch unserer schnellebigen Zeit glücklicherweise noch nicht gelungen ist, den schönsten Wiener Gartenbezirk mit so reicher Historie seiner sympathischen Eigenart zu berauben.

Das Village von Wien, das Grätzel zwischen Schönbrunn und Lainzer Tiergarten, ist stets ein Revier der Künstler und Kunstfreunde: Reichtum habe sich in diesem Villenvorort mit interessanten, teilweise weltberühmten Einwohnern seit Kriegsende da draußen angesiedelt, heißt es im Feuilleton vom Neuen Wiener Tagblatt im Sommer 1923. Der Ort wächst allmählich an, und Komponisten, Dichter, Maler, Bildhauer und Schauspieler wohnen zeitweilig, wo Generationen vorher noch Milchbauern den Hof zu Schönbrunn belieferten und Weinbauern am sonnigen Gelände Weinreben pflanzten.

Der Schönbrunner Schlosspark ist großteils bereits seit 1779 fürs Publikum zugänglich – die Menagerie, die Gewächshäuser, die dichten schattigen Alleen und der Zickzackweg zur Gloriette hinauf. In der nächsten Umgebung des Parks, östlich zum Tivoli und gegen Meidling hinüber, wie auch am westlichen und südwestlichen Hang des »Küniglbergs«, werden seit den Tagen Maria Theresias hübsche barocke Landhäuser von Mitgliedern des Hochadels, der Diplomatie oder verdienten Militärs errichtet und von berühmten Botanikern angelegt. Einige stehen noch heute inmitten von Gärten im sogenannten »Alt-Hietzing«, in der Gloriette-, Wattmann- und Trauttmansdorffgasse sowie in Ober-St.-Veit, um das erzbischöfliche Palais und die Kirche gruppiert. Der alte Ortskern um die Altgasse bleibt den eingesessenen Kleinbauern und Taglöhnern, während im neuen Ortsteil zwischen Maxingstraße und Lainzer Straße die »Zuagrasten« wohnen. In der Trauttmansdorffgasse leben vor allem wohlhabende Handwerker, die fast ausschließlich für den kaiserlichen Hof arbeiten.

image

Alte Ansicht von Hietzing um 1850 mit der im Jahr 1419 auf den Titel »Maria Geburt« geweihten Kirche

Adalbert Stifter schreibt in seinen 1844 erschienenen Landpartien: »Da ist zum Beispiel Hietzing, ein Dorf am Ende des Schönbrunner Parks, wo es im Sommer so gedrängt ist, wie fast in keinem Teil der Stadt selbst. Das Dorf vergrößert sich aber auch so, dass es eigentlich eine Stadt ist, mit Gassen, in denen man sich in der Tat vergehen kann.«

Schon 1815 wird zeitweilig ein Stellwagenverkehr nach Hietzing eingerichtet, eine Folge des Wiener Kongresses, der häufige Empfänge im Schönbrunner Schloss und Festlichkeiten aller Art in der Umgebung mit sich bringt. Später fährt ein großer Pferdeomnibus mit Verdecksitzen vom Stephans- beziehungsweise Lobkowitzplatz nach Hietzing. Nun können auch ärmere Familien, die keinen eigenen Landauer, Zeiserl- oder Fleischerwagen besitzen, zum Dommayer pilgern, wo es gutes Essen, Kaffee, Musik und Tanz gibt. Der erst 23-jährige Ferdinand Dommayer vergrößert den 1823 eröffneten Betrieb schon nach kurzer Zeit um einen Tanzsaal, der rasch zur Attraktion für die Gesellschaft wird. Hier finden die Millefleursbälle, Täuberlbälle und Rosenfeste statt, hier dirigieren Johann Strauß Vater und Josef Lanner ihre eigenen Kompositionen, und hier debütiert 1844 Johann Strauß Sohn mit seiner Kapelle. Nach deren Klängen zu tanzen, ist für die Wiener himmlische Seligkeit. In der Trauttmansdorffgasse 18 errichtet der Biedermeier-Architekt Joseph Kornhäusel 1816 ein Sommertheater, in dem Ferdinand Raimund am 17. August 1817 als »Staberl« in Adolf Bäuerles Bürger in Wien gastiert. Auch manche seiner eigenen Stücke werden hier aufgeführt. Im dreistöckigen Nachfolgebau befindet sich bis Mai 1979 das Bezirksgericht. Vor dem Ersten Weltkrieg gibt es sogar den Plan, ein Festspielhaus zu errichten, das Wienern und Fremden die sommerliche Entbehrung der Oper und des Schauspiels ersetzen soll. Aber er bleibt nur ein Sommernachtstraum.

image

Die Welt-Ausstellungs-Concert-Arena »Alhambra« in Schwenders Vergnügungspark »Die Neue Welt«

image

Der Tanzsaal in Dommayers Casino vor dem Abriss 1907

Die »Neue Welt« des Kaffeesieders Carl Schwender ist ab 1861 ein Sommervergnügungspark mit Restaurant, Varieté, Kaffeehaus, Tulpen- und Hyazinthenbeeten, Treibhäusern mit Orangenbäumchen und Kamelienstöckchen, englischem Garten, einem »Feuerwerksplatz« für pyrotechnische Schauspiele, einer Arena für 1000 Zuschauer und Orchesterpavillons zwischen Lainzer Straße, Hietzinger Hauptstraße und St.-Veit-Gasse. Eine besondere Attraktion ist die Alhambra, ein Holzbau im maurischen Stil mit Gasbeleuchtung. Carl Michael Ziehrer komponiert die Neue-Welt-Blümchen-Polka und Josef Strauß einen Neue-Welt-Bürgerwalzer. Bereits 1883, nach dem Niedergang des Vergnügungsetablissements, wird der Grund parzelliert: Die erste der neuen Villen im »Hietzinger Cottage« erhält den Namen »Neue Welt«.

Nach der Jahrhundertwende wird auch das Dommayer, das Etablissement zahlloser rauschender Walzernächte, abgerissen und 1907 an seiner Stelle um drei Millionen Kronen (rund 18 Millionen Euro) von Paul Hopfner das Parkhotel Schönbrunn errichtet, das Gästehaus des Kaisers, über dessen Haupteingang noch heute ein Relief ans alte Casino erinnert.

Vis-à-vis ist das »Kaiserstöckl«, ursprünglich 1754 für Maria Theresias Leibarzt Gerard van Swieten errichtet, später Herberge für Minister und Staatsgäste, wie Staatskanzler Graf Kaunitz, Fürst Metternich und Otto von Bismarck, dann Anfang des 20. Jahrhunderts Residenz des Schönbrunner Parkdirektors.

Längst Geschichte sind das Gasthaus »Zum Weißen Engel«, Am Platz 5, und nebenan das einst von Carl Witzmann 1936 ausgestattete »Café Gröpl« (heute »Café am Platz«), Am Platz 6, in dem unter anderem die Musiker des Schönberg-Kreises und Rainer Maria Rilke zu Gast waren.

Eine amüsante Geschichte, so wienerisch wie ein Witz aus der Fledermaus, soll sich im »Gröpl« abgespielt haben und ist vom Kunstkritiker Ludwig W. Abels, dem Vater der Malerin, Grafikerin und Modeschöpferin Erika Abels-d’Albert, überliefert: Franz, der Markör dieses Kaffeehauses, nebenbei ein geschickter Couplet- und Gelegenheitsdichter, beginnt seine Laufbahn in dem Lokal und ist noch Piccolo, als er durch seine Schlagfertigkeit die Gäste verblüfft. Im ersten Kriegsjahr betritt Pauline Metternich nach einer Komiteesitzung bei der Fürstin Lobkowitz mit mehreren Damen den schattigen Vorgarten, blickt suchend umher und fragt den Burschen: »Sie, Kleiner, haben Sie denn hier kein Konzert?« In den meisten Hietzinger Etablissements gibt es am Nachmittag schließlich Musik. Darauf erwidert der Piccolo, der Pauline gleich erkannt hatte: »Nein, Frau Fürschtin, hier bekommen Sie nur guten Kaffee. Konzert ist jetzt im Schützengraben!« Die Metternich fährt zuerst unwillig auf: »Keck ist der Kerl! Aber macht nichts«, setzt sie dann einlenkend hinzu, da sie aus der Äußerung einen berechtigten Vorwurf heraushörte. »Er hat recht. Und so werden wir halt den Kaffee ohne Musik trinken.«

Der grüne Westen Wiens, die Stille der Gartenstadt zieht Künstler an. Einige der berühmtesten Schauspieler des Hofburgtheaters können es leicht wagen, so weit draußen zu wohnen, hat dieses doch sein eigenes Zeug’l. Die Koryphäen werden zu Proben und Abendvorstellungen im geschlossenen Wagen abgeholt. Später fahren auch sie mit »der Elektrischen«.

Nach Hietzing zu übersiedeln heißt aber keineswegs, von den Einheimischen auch anerkannt zu werden. So verkündet Katharina Schratt entrüstet, als 1919 in ihrer Nachbarschaft, im heute nicht mehr existierenden Prunkpalais in der Gloriettegasse 17, das die Schwiegertochter des berühmten Burgschauspielers Adolf von Sonnenthal geerbt hatte, der Finanzakrobat und Milliardär Sigmund Bosel einzieht: »Was sagen S’, was heut’ schon alles nach Hietzing kommt! Wissen Sie, von wo der Mensch her ist!?« Und unter ihrem altmodischen, violettseidenen Parasol die Gasse auf und ab spähend, bevor sie das unanständige Wort in den Mund nimmt, setzt sie hinter vorgehaltener Hand fort: »Vom Franz-Josefs-Kai ist er! Krawatteln soll er dort vorm Krieg verkauft haben.«

Was hätte die Baronin wohl gesagt, hätte sie noch erlebt, dass sich ein gewisser Johann »Hansi« Hölzl aus der Ziegelofengasse, weltbekannt als Falco (Rock me Amadeus) der Generation »Helden von heute« seinerzeit in der Hietzinger Hauptstraße 109A ein 350 Quadratmeter großes Penthouse kauft?

Da passt Elisabeth Heller, Jahrgang 1914, schon besser ins schrattsche Bild vom großbürgerlichen Milieu. Karl Kraus, Peter Altenberg und Hermann Bahr gehörten zum Freundeskreis ihrer Mutter Lotte. Die Doyenne von Hietzing, in einem von Adolf Loos neu geplanten Domizil in der Elßlergasse 9 aufgewachsen, ist eine elegante Erscheinung, eine Institution, ein Wahrzeichen. »Alle empfinden sie als Ereignis«, sagt ihr Künstlersohn André Heller. Für ihn ist Die Jahrhundertfrau, so der treffende Titel eines ORF-Dokumentarfilms, mit ihrer bestechend pragmatischen Weltsicht die »beste Gelassenheitslehrerin der Welt«.

Direkt unter dem Dach im Schloss Schönbrunn, mit einem 670 Kilo schweren Konzertflügel Bösendorfer Imperial, lebt der Komponist Sylvester Levay, Schöpfer von Musicals wie Elisabeth (1992), Mozart! (1999), Rebecca (2006) oder Marie Antoinette (2006), mit seiner Frau Monika, einer passionierten Sammlerin von Sisi-Memorabilien. Ihr Domizil ist eine ganz normale Mietwohnung – allerdings mit Blick auf Schlossgarten und Gloriette.

Und in der Ecke der Gloriettegasse 9 liegt auch nach mehr als einem Jahrhundert immer noch wie in Dämmerruhe verwunschen das noble, stille Landhaus der Katharina Schratt. Mit feiner Alt-Wiener Fassade, Löwenköpfen aus Messing an den Torflügeln und freundlichen Sphingen am Übergang vom Hof zum Garten, die Katharina Schratt und die Burgschauspielerin Charlotte Wolter darstellen, mutet immer noch alles wie Theaterdekoration an. Dabei ist die Bühne für die Herzdame des Kaisers, die Franz Joseph zum Tratsch in aller Früh Kaffee und Gugelhupf serviert, nie Lebensbedürfnis. Als man sie jedoch nach ihrem Rückzug vom Burgtheater um ihr Wiederauftreten bittet, ist es ihr recht: »Am End’ is es ganz schön, wenn man im Winter am Abend nix zu tun hat, dass man Theater spielt. Net amal für’s Publikum. Ich brauchert keine Zuhörer. Und ins Theater geh’n und schlechte Stücke anhör’n. Da spielt man lieber selber.« Sie sei keine Freundin der modernen Schauspielkunst und Dramatik. Ihrer Ansicht nach sei die Bühne keine Stätte, an der alle Trauer und Scheußlichkeit des Lebens gezeigt werden solle.

Ihre Freude sind die Hunde »Purzel« und »Aicho«, Letzterer auch »Herr von Aichenbaum« genannt, die Frau Baronin auf allen Wegen begleiten – ihr lustiges Gekläff stets Harmonie in den Ohren der Herrin, die Stammbaum und Vaterland der Hunde genau kennt. Ein greis und weiß gewordener Herr besucht die »gnädige Frau«, wie man die Baronin in Hietzing nennt, nach dem Untergang der Monarchie noch gelegentlich in ihrer Villa am Maxinger Berg und erfreut sie dabei mit Fliederbouquets und Orangenbonbons: Exzellenz Kerzl (1841–1919), der langjährige Leibarzt des Kaisers, hat nach Franz Josephs Tod nicht viel mehr zu tun als seine Kakteen zu pflegen und den Efeu zu stutzen, der die halbe Stubenwand am kleinen Stöckel an der Allee vom Schönbrunner Schlosshof zum Meidlinger Tor überwuchert.

»Für die Gesundheit anderer Herrscher sorgen Leuchten der Wissenschaft. Unser Kaiser begnügt sich mit einem Kerzl«, scherzten die Wiener. Aber vorbei sind die Tage, als Kerzl täglich frühmorgens bei Franz Joseph im Arbeitszimmer erschien. Die beiden alten Herren plauderten ein bisschen, rauchten ein bisschen, bis der Arzt nach einer Weile wieder ging. Es gab aber auch Tage, an denen der Monarch seinen Kammerdiener anwies: »Der Kerzl soll mich heut in Ruh lassen. Ich fühl mich net wohl.«

image

Katharina Schratt (1853–1940), Schauspielerin und Geliebte von Kaiser Franz Joseph I.

In der Gloriettegasse bei Frau Schratt umfängt Josef von Kerzl in altmodisch und kostbar möblierten Biedermeiersalons am Ende noch die Atmosphäre des Gewesenen. Er sagt einmal auf die Frage nach einer Definition der Franz-Joseph-Zeit: »Wenn ich mich in dem heutigen Wien schon gar nicht mehr auskenn’, nehme ich meinen Hut und geh’ zu der gnädigen Frau in die Gloriettegasse hinüber. Dort reden wir nicht nur von der alten Zeit, sondern dort lebt man noch in ihr. Nur dort …«

image

Das erzbischöfliche Schloss Ober-St.-Veit von der Gartenseite

Paradiesische Gartenlandschaften

Die Bergl-Fresken im Schloss Ober-St.-Veit

Wolfrathplatz 1

Die einen stehen im Licht, und die im Schatten sieht man nicht. Schloss Schönbrunn in seiner Pracht hat alle Aufmerksamkeit der Welt, während das erzbischöfliche Schlösschen Ober-St.-Veit kaum beachtet auf einer sanften Anhöhe thront. Dorthin, ins Abseits eines großen alten Parks, haben sich Wiens Kirchenfürsten einst aus ihrem Palais in der Rotenturmstraße 2 zurückgezogen, um Tage der Einkehr zu begehen. Als Hietzing noch nicht Großbezirk aus Ober-St.-Veit, Unter-St.-Veit, Baumgarten, Speising, Lainz, Penzing, Breitensee und Hütteldorf war. Und Ober-St.-Veit nur ein Dörfchen, weit weg von der mit Mauern befestigten Haupt- und Residenzstadt. Heute ist die einstige Sommerresidenz der Bischöfe und Erzbischöfe nicht mehr der Welt entrückt.

Der mächtige Bau ist uralt. Die an die Pfarrkirche angebaute Anlage, mehrmals zerstört und wiederaufgebaut, gehört von Anfang an dem Wiener Domkapitel zu St. Stephan. Aber auch Maria Theresia verspürt Lust auf Sommerfrische und kauft 1762 das Schloss Ober-St.-Veit um 85 000 Gulden von Kardinal Christoph Anton von Migazzi, Graf zu Wall und Sonnenthurm (1714–1803), bis es die Kirchenväter 1779 – deutlich verändert – wieder übernehmen. Der kaiserliche Hofarchitekt Nikolaus von Pacassi hatte das alte Gemäuer umgebaut und die Galerie erweitert.

Schloss Schönbrunn, ab 1743 ebenfalls durch Pacassi und Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg zu seiner heutigen Form umgestaltet und ausgebaut, sollte erst in Zukunft zum kulturellen und politischen Mittelpunkt des Habsburgerreiches werden. Mit der Kaiserstraße beziehungsweise der 1764 angelegten Maria-Theresien-Straße entsteht ein neuer Verkehrsweg, im Jahre 1894 – nach der Eingemeindung von Hietzing nach Wien – Hietzinger Hauptstraße benannt.

Durch das Wirken der Herrscherin aus dem Hause Habsburg ist »zu eb’ner Erd’« im Schloss Ober-St.-Veit bis heute ein Schwelgen in Raum und Illusion möglich: verborgene Kostbarkeiten. Die gemalten Tapeten sind ein Blickfang an Wänden und gewölbten Decken: eine Prinzessin, ein von zwei Dienern getragener Fürst, ein Bogenschütze, eine Frau in der Hängematte, Menschen mit Federkronen, ein Kamel mit einem Äffchen auf dem Rücken, ein Lama, ein am Zügel geführtes Pferd, ein Boot am Meeresstrand mit Segelschiff im Hintergrund, Vögel und Fische, Pflanzen und Früchte …

Johann Bergl (1718–1789) stattete 1762 im Erdgeschoß sechs Räume des Nord- und Teile des Westtraktes als »Gartenzimmer« mit Landschaften ferner Länder, fröhlichen Szenen, Tierdarstellungen und Gewächsen auf bemalten Leinwänden aus, die auf Holzrosten aufgespannt wurden. Thematisch sind die Motive zum Teil auf Gobelinvorlagen in der Hofburg zurückzuführen. In zwei Räumen gingen die Bilder von Tierkämpfen bei einer Restaurierung in den 1930er-Jahren verloren.

Diese Fresken – später auch Vorlage für Bergls Folgeauftrag in den gartenseitig gelegenen Räumen im Erdgeschoß des Schlosses Schönbrunn in den Jahren 1769 bis 1778 – sind der erste großflächig raumgestaltende Auftrag und sein Karrieresprungbrett. Diesem Werk, Beispiel für die illusionistische Dekorationsmalerei des Barock, verdankt Bergl seine lange Tätigkeit am Kaiserhof und im Melker Gartenpavillon. Er solle, so die Anweisung, »nach der St. Veiter Art« malen.

Die gleiche Bildsprache der illusionistischen Landschaftsmalerei wendet er 1766 auch bei zwei Räumen in der Hofburg, von denen einer später Kaiserin Elisabeth als Garderobe dient, und im Melker Sommerschloss in Pielach an. Neben Fresken und Altarbildern in der ehemaligen Stiftskirche Kleinmariazell und seiner mehr als 20-jährigen Arbeit für das Benediktinerstift Melk malt er das (nicht mehr erhaltene) Deckengemälde in der Bibliothek des Schottenklosters auf der Freyung und das Deckenfresko in der Kapelle des Melker Hofs in der Schottengasse 3.

Den Kontakt zum Kaiserhof und den Auftrag, die Räume von Schloss Ober-St.-Veit kunstvoll auszumalen, vermittelt ihm vermutlich sein Schwiegervater Johann Bernhard Märsch, der selbst »indianische Wanddekorationen« am Hof gemalt hat. Doch woher hat Bergl die Ideen für seine paradiesischen Gartenlandschaften, die er harmonisch und geschickt in die Raumarchitektur integriert, für die romantischen Szenerien, die in erstaunlich kurzer Zeit entstehen und ihm so leicht von der Hand zu gehen scheinen?

image

Fresken des Malers Johann Bergl (1718–1789) in einem ebenerdigen Zimmer im östlichen Trakt des Schlosses Ober-St.-Veit

Das Interesse für Exotisches ist groß zu seiner Zeit. Man will sich die Stimmung fremder, ferner Länder in die eigenen Wohnräume holen. »Ich mache mir aus nichts auf der Welt was, nur was aus Indien kommt, besonders Lackarbeiten und Tapeten machen mir Freude«, sagt Maria Theresia. Allein an ihrem Hof führen acht bis zehn namentlich bekannte Künstler die Malereien in »indianischer, americanischer oder japanischer Art« aus.

Das Interesse an exotischen Pflanzen und Tieren steigt gleichzeitig mit dem Wunsch, auch eine Auswahl von Fauna und Flora aus den anderen Kontinenten zu besitzen. Die europäischen Herrscherhöfe schicken Expeditionen aus. Bücher mit Vögeln, Blumen und Lebewesen aller Art aus fremden Ländern erscheinen. Dem Vorbild von Versailles folgend, lässt sich schon Prinz Eugen 1719 eine Menagerie im Oberen Belvedere einrichten, wo er vor allem exotische Vögel sammelt. 1752 eröffnet Franz I. Stephan von Lothringen den Tiergarten in Schönbrunn. Zwei Jahre später bringt der Botaniker Nicolaus Freiherr von Jacquin von einer Forschungsreise nach Westindien sämtliche Pflanzen für den botanischen Garten in Schönbrunn mit.

Bergl kann so exotische Pflanzen und Tiere in natura studieren und auf Vorlagen in Musterbüchern zurückgreifen. Zudem existieren schon damals zahlreiche Zeichnungen und Buchillustrationen aus Reiseberichten und Atlanten des 16. und 17. Jahrhunderts. Auch Tapisserien dienen als Vorlagen für die Zimmer in Ober-St.-Veit: Konkret die Nouvelles Indes, die Neue Indienserie genannt, ursprünglich Material von einer Brasilienexpedition. Bergl sieht die Bilder vermutlich bei Graf Colloredo in Wien, der als Förderer der Künste gilt und eine Serie der Nouvelles Indes besitzt. Die Malereien der »Bergl-Zimmer« im Schloss Ober-St.-Veit erinnern stark an die Komposition auf den Gobelins hinsichtlich einzelner Motive sowie der Farbwahl.

Er setzt einzelne Elemente aus verschiedensten Szenen phantasievoll und innovativ zusammen. Ein Erfolgsrezept, das sich auch anderswo anwenden lässt: in den »Bergl-Zimmern« im Parterre von Schloss Schönbrunn, die je nach ihren Bewohnern Maria Theresias Sommer-, später nach den Kindern der Kaiserin auch Kronprinzen- und schließlich Gisela-Appartement in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts genannt werden. Bergl und seine Werkstatt gestalten sämtliche Wände und Decken mit bunter Landschaftsmalerei, bevölkert von fremdartigen Tieren. Ergänzt durch Laubengänge, Balustraden und Rokokovasen reicht der barocke Schlosspark bis in die Räume hinein.

Maria Theresia hält sich im Sommer gern in diesen Zimmern auf, da sie kühler sind als die Räume im ersten Stockwerk. Bergl, ein Schüler des vielleicht bedeutendsten österreichischen Barock-Malers Paul Troger (1698–1762), wird einer ihrer Lieblingsmaler.

Aber nur wenig ist bekannt über das Leben des Künstlers, der aus Böhmen kam. Bergls Freund Franz Anton Maulbertsch (1724–1796) war 1754 Trauzeuge bei seiner Hochzeit mit Theresia Märsch in der St. Ulrichskirche in Wien Neubau und Taufpate zweier seiner acht Kinder. Als Bergl 1789 im »Haus der Sieben Churfürsten« am Spittelberg stirbt, ist sein letzter Wunsch: Das Erbe solle zu gleichen Teilen an seine Kinder Theresia, Anton und Johann gehen. Außerdem sollen »zum Troste seiner armen Seele gleich nach erfolgtem Hinscheiden 100 heilige Messen« gelesen werden.

Mozart in Schönbrunn

Ein Genie am Kaiserhof

Schloss Schönbrunn

Das Wunderkind aus Salzburg zum ersten Mal in Wien. Beim Eintreffen am 6. Oktober 1762 logieren die Mozarts zunächst im Gasthof »Zum weißen Ochsen« am Fleischmarkt 28/Postgasse 11. Und wenn ein Genie vom Kaiser eingeladen wird, dann fährt die Hofkutsche von seiner Majestät vor, und nicht irgendeine Mietdroschke.

So bringt sieben Tage später ein livrierter Kutscher, in einem schwarz lackierten, geschlossenen Wagen, die Künstlerfamilie zum Auftritt des berühmten Buben in die Sommerresidenz der Habsburger: Die Geschwister Mozart – die elfjährige Maria Anna und der erst sechsjährige Wolfgang – spielen auf Geige und Klavier im Spiegelsaal von Schloss Schönbrunn vor der versammelten kaiserlichen Familie: Maria Theresia, Franz I. Stephan von Lothringen und zwölf Erzherzoginnen und Erzherzogen.

Der Kaiser ist begeistert. Wolfgang spielt auch mit verdeckten Tasten bravourös und gibt gleich ein ganzes Konzert des Hofkomponisten Georg Christoph Anton Wagenseil zum Besten. Danach tollen die Mozart-Kinder mit den Kaiser-Kindern durch den Spiegelsaal. Wolfgang rutscht dabei aus, wird von der Erzherzogin Marie Antoinette aufgefangen und soll gesagt haben: »Die will ich heiraten, wenn ich groß bin!«

Leopold Mozart, der als fürsterzbischöflich salzburgischer Hofviolinist und Hofkompositeur früh das Talent seiner Kinder erkannt hat, berichtet über den von entzückender Unbefangenheit geprägten Besuch bei der Kaiserfamilie in einem Brief nach Salzburg: »Der Wolferl ist der Kaiserin auf den Schoß gesprungen, hat sie um den Hals bekommen und rechtschaffen abgeküsst.«

Wolfgang und Nannerl erhalten für ihren Auftritt als Honorar nicht nur 100 Golddukaten, was 450 Gulden entspricht (ein Pferd kostet etwa zehn, ein einfacher Reisewagen etwa 60 Gulden), sondern auch kostbar bestickte Galakleider, die vorher den Kindern Maria Theresias gehörten. Am Kaiserhof ist es zu dieser Zeit durchaus üblich, abgelegte Kindergewänder an Untergebene zu verschenken. So bekommt der kleine Mozart ein lilaseidenes Gewand mit breiten Goldborten, das seinerzeit für Erzherzog Maximilian gefertigt wurde.

image

Hermann Droehmer: Der junge Mozart am Hof der Maria Theresia im Jahr 1762, Stich nach einem Gemälde von Eduard Ender

Als in Paris die Marquise von Pompadour, die ihn vor sich auf den Tisch stellen lässt, sein Entgegenkommen abwehrt, ruft er entrüstet: »Wer ist denn die da, dass sie mich nicht küssen will? Hat mich doch die Kaiserin geküsst.« Und als man ihm an einem kleineren deutschen Hof Mut machen will, erwidert er selbstbewusst, er habe vor der Kaiserin gespielt, und da sei ihm nicht bang.

Sechs Jahre nach diesem ersten Besuch kommt Mozart wieder nach Wien. Am 7. Dezember 1768 wird bei der Einweihung der neuen Waisenhauskirche auf dem Rennweg, in Gegenwart der Kaiserin, ein von Mozart komponiertes Hochamt unter seiner Leitung aufgeführt. Ein weiteres Mal trifft Maria Theresia mit Mozart, der erst im Dezember 1781 wieder nach Wien kommt, um sich niederzulassen, nicht mehr zusammen.

Vergessen hat sie ihn allerdings nie. Als im Oktober 1771 in Mailand die Vermählung ihres Sohnes Ferdinand mit der Erbprinzessin Maria Beatrix von Modena stattfindet, erhält Mozart, durch die Vermittlung des Grafen Firmian, von der Kaiserin den Auftrag, zu dieser Festlichkeit ein passendes Musikstück zu komponieren: Die dramatische Serenade Ascanio in Alba erntet viel Beifall und wird sogar mehrmals, und nicht wie bei Festserenaden üblich nur einmal, aufgeführt. Maria Theresia bekundet dem jungen Maestro ihren Dank mit einer kostbaren, diamantbesetzten Uhr. Erzherzog Ferdinand will den hochtalentierten, 15-jährigen Mozart, so schreibt er der Kaiserin, gar in seine Dienste nehmen. Sie antwortet, um den Erzherzog von überflüssigen Ausgaben abzuhalten, sie glaube nicht, dass ihr Sohn eines »Compositeurs« oder überhaupt »überflüssiger Leute« bedürfe. Wenn es ihm jedoch Vergnügen mache, so wolle sie ihn nicht daran hindern.

In den vielen Briefen der Kaiserin an ihre Kinder und Freunde finden sich kaum Bemerkungen über Theater, Musik und Musiker. Am häufigsten noch gegenüber ihrem Sohn Erzherzog Ferdinand, der seit Oktober 1771 als General-Gouverneur der Lombardei in Mailand lebt, und dessen Gemahlin Maria Beatrix. So schreibt sie im Jänner 1772:

Lasst es bleiben, Euch mit Personen vom Theater abzugeben; man muss nicht einmal ihren Namen außerhalb des Theaters aussprechen, noch weniger sich mit ihnen ernstlich beschäftigen. Ich sage das nicht umsonst; mit fünfzig Jahren hat man Erfahrungen. Ich liebe dich zu sehr, um dich diesen Bagatellen und Fadaisen hingeben zu sehen und eingeweiht in Theater-Intrigen. Wenn sie gut spielen, so sei freigebig gegen sie; im Übrigen sollen ihre Namen und noch mehr ihre Anekdoten dir allezeit unbekannt bleiben. Das kommt von dem eifrigen Theaterbesuch und den leise geführten Gesprächen über ihre Vertraulichkeiten und Aussprüche — welcher Zeitverlust! Sobald man sich den Kopf anfüllt mit diesen Nichtigkeiten, ist der letzte Rest ernsthaften Nachdenkens verscheucht.

In der Orangerie von Schloss Schönbrunn findet am 7. Februar 1786 ein von Kaiser Joseph II. inszenierter musikalischer Wettstreit verschiedener Ensembles beim Frühlingsfest an einem Wintertage statt. Antonio Salieri führt seinen Einakter Prima la musica e poi le parole (zu Deutsch: Erst die Musik und dann die Worte) auf und Mozart sein Singspiel Der Schauspieldirektor.

Am 7. Dezember 1787 wird Mozart endlich, nach dem Tod des Hofkapellmeisters Christoph Willibald Gluck, k. k. Hofkompositeur mit 800 Gulden Jahresgehalt. »Zuviel für das, was ich leiste, und zu wenig für das, was ich leisten könnte«, klagt er über seine geringe Beschäftigung. Denn er ist nur für die Faschingstänze bei den kaiserlichen Maskenbällen in den Redoutensälen zuständig.

Salieri, 1788 zum Hofkapellmeister bestellt, »war ein treuer Diener seines Herren. Er komponierte nichts, was das Kaiserhaus nicht brauchte. Den Markt bediente er dabei nicht, ehrgeizig war er auch nicht, und sich selbst hat er schon gar nicht vermarktet«, sagt Otto Biba, Archivdirektor der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. »Er war auch nicht enttäuscht, als der Kaiserhof vier seiner Opern ablehnte. Salieri war einfach ein Rad in der Musikmaschinerie. Sein einziger Ehrgeiz bestand darin, gute Schüler auszubilden.«

Bezeichnend ist die Aussage Salieris, der in Mozart instinktiv den starken Konkurrenten fürchten musste, nach dessen Tod 1791: »Es ist zwar schade um ein so großes Genie, aber wohl uns, dass er tot ist; denn hätte er länger gelebt, wahrlich, man hätte kein Stück Brot für unsere Kompositionen gegeben.«

Auf der Flucht vor der Französischen Revolution

Élisabeth Vigée-Le Brun – ehrgeizige Malerin im Exil

Ihre Adresse im Frühjahr 1793 ist nicht mehr feststellbar

Eine berühmte Französin erinnert sich an Wien »Huitzing«: Élisabeth Vigée-Le Brun (1755–1842) ist Marie Antoinettes Hof- und Lieblingsmalerin. Sie orientiert sich an Rubens, Rembrandt und Van Dyck und porträtiert die Königinnen und Prinzessinnen des 18. Jahrhunderts, das zu den unruhigsten der europäischen Geschichte zählt. Als Paris brennt, flieht sie mit ihrer Tochter Julie im Oktober 1789 vor der Revolution ins Exil, zunächst Richtung Italien. Für höchstens sechs Monate, so glaubt sie. Aber es sollte eine mehr als zwölf Jahre dauernde unfreiwillige Reise quer durch Europa werden.

Die Tochter eines bekannten Pariser Pastellmalers ist schön, kultiviert und so talentiert, dass sie mit 23 Jahren offiziell nach Versailles berufen wird: Die gleichaltrige Marie Antoinette sitzt ihr Modell vor der Staffelei. Am Hof unter Ludwig XVI. entsteht alsbald das erste von vielen Porträts: Das Bild der letzten französischen Königin mit einer Rose in der Hand in großer blauer Hoftoilette ist bis heute sehr bekannt. Auf einem anderen trägt sie ein weißes Mousselinekleid und einen Strohhut. Unkonventionell sind manche Bildkompositionen der Monarchin. Aber dass sie dabei die Kleidung ihrer Privatsphäre trägt, wird ebenso kritisiert wie die Darstellung der Königin als Familienmutter in freier Natur mit ihren Kindern. Also wird ein anderes Gemälde in Auftrag gegeben, das Marie Antoinette zu Hause zeigt, umgeben von ihren Kindern. Sie scheine Sorge statt Freude zu zeigen, und die leere Wiege symbolisiere den Tod ihrer Tochter Sophie von Frankreich, sagen diesmal die Kritiker und nennen Marie Antoinette einmal mehr Madame Déficit.

Im Selbstbildnis präsentiert sich die Malerin Vigée-Le Brun als junge Frau mit Pinsel und Palette sowie einem lässig in die Locken drapierten Tuch. Sie heiratet früh – einen Kunsthändler, der ihr Geld am Spieltisch vergeudet. Als sie schwanger ist und die in Frankreich so unbeliebte Österreicherin malt, fallen ihr bei einer Sitzung die Farben herunter. Da bückt sich die Königin und sammelt sie wieder auf. So erzählt es Vigée-Le Brun in ihren Memoiren Souvenirs.

image

Élisabeth Vigée-Le Brun: Selbstbildnis, 1790

Sie ist eine Revolutionärin der Kunst, weil sie der Aristokratie ein natürliches Gesicht voller Lebensfreude gibt, und als Künstlerin im Frankreich der Revolution gleichzeitig eine Chronistin ihrer Epoche, der gesellschaftlichen Moden und Konventionen. Aber als Liebling der Reichen und Mächtigen steht Vigée-Le Brun 1789 am Beginn der Französischen Revolution auf der anderen Seite als Lieblingsporträtistin des Ancien régime, des Establishments, der Machthaber und vor allem ihrer Frauen.

Die Adeligen und »grandes familles« wollen – lange vor Erfindung der Fotografie – unbedingt in Öl verewigt werden, und das möglichst vorteilhaft. Vigée-Le Brun lässt sich das große Bedürfnis der Selbstdarstellung teuer bezahlen und das sterbende Frankreich schön aussehen. Ihre Bildnisse sind oft auch Psychogramm, genau beobachtet sie Gesten und Haltung der ihr Modell sitzenden Persönlichkeiten. Vor allem aber ihren Blick, der brav und unschuldig, überrascht oder impertinent, verführerisch oder sogar erotisch sein kann.

»Kein Künstler hat sie je darin übertroffen, das Leuchten einer glücklichen jungen Frau wiederzugeben«, befindet die australische Kunsthistorikerin Germaine Greer. Denn es sind wache und selbstbewusste Gesichter, die frontal aus einer Farbensymphonie herausschauen und Zähne zeigen – beim Lächeln. Unter den insgesamt rund 700 Porträts neben etwa 200 Landschaftsbildern erregt jenes von Lady Hamilton – sie ist nach der Mode der Zeit als Nymphe dargestellt – so großes Aufsehen, dass die Malerin es fortan im Reisegepäck immer mit dabei hat.

Mit dem Sturm auf die Bastille im Juli 1789 und einer der dramatischsten Nächte in der Geschichte Europas kündigt sich die Revolution schon an, aber noch rollen keine Köpfe. Dennoch bricht Vigée-Le Brun in großer Eile Richtung Italien auf, da ihr durch die Nähe zur königlichen Familie Gefahr für Leib und Leben droht. In Rom, Neapel, Florenz und am Comer See verbringt sie drei Jahre. Auf Initiative des österreichischen Gesandten in Mailand, Johann Josef Maria Graf von Wilczek, und seiner Frau Therese kommt sie im Sommer 1792 über Tirol nach Wien: Die hohe Gesellschaft empfängt sie mit offenen Armen, ebenso Kaiserin Marie Therese, die Tochter der Königin Marie Caroline von Neapel, Enkelin Maria Theresias und Gemahlin von Kaiser Franz II., die Vigée-Le Brun schon in Neapel porträtiert hat.

»In Wien gibt es drei Todesursachen«, sagt sie nach dem Besuch mehrerer Bälle in der Donaustadt, »den Wind, den Staub und den Walzer, der so rasend getanzt wird.« Beim gern undiplomatisch polternden ehemaligen Staatskanzler Fürst Kaunitz, der ihre Konversation schätzt, ist sie im Palais in der Johannesgasse 5 mehrmals zum Diner eingeladen. Willkommener Gast ist sie auch bei den Soireen der Gräfin Thun, in deren Salon sich französische Emigranten zu treffen pflegen – etwa der Herzog von Richelieu, die Comtesse de Sabran oder die Herzogin von Guiche.

Freundschaftlich ist Vigée-Le Bruns Beziehung auch zum regierenden Fürsten Louis Liechtenstein. Bei ihren Besuchen in Schönbrunn entdeckt sie die idyllischen Ruhepunkte auf den Anhöhen an den Grenzen des Parkes. Ganz in der Nähe mietet sie im Frühjahr 1793 ein kleines Haus und malt dort die jugendliche Fürstin Karoline Liechtenstein, geborene Gräfin Manderscheid-Blankenheim, als Iris, bloßfüßig in den Wolken schwebend. Als das Porträt in der Galerie aufgestellt wird und man sich über die nackten Füße wundert, lässt Fürst Liechtenstein ein Paar zierliche Schuhe mit der Bemerkung dazustellen, sie seien eben heruntergefallen. So als hätte sie die Fürstin verloren, als sie sich in die Lüfte erhob.

image

Karoline von Manderscheid-Blankenheim als Iris von Élisabeth Vigée-Le Brun, 1793

Über ihr Leben in Wien erzählt Élisabeth Vigée-Le Brun:

Wien, dessen Ausdehnung beträchtlich ist, wenn man seine 32 Vororte dazurechnet, ist erfüllt von sehr schönen Palästen. Das kaiserliche Museum besitzt Bilder der größten Meister, die ich oft bewundert habe, ebenso jene beim Prinzen Liechtenstein. Seine Galerie besteht aus sieben Sälen, wovon einer nur Bilder von Van Dyck enthält. In den anderen befinden sich mehrere schöne Tizian, Caravaggio, Rubens, Canaletti. (…) Der Prater, eine der schönsten Promenaden, die man kennt, besteht aus einer langen und prachtvollen Allee, in der eine große Zahl von eleganten Wagen zirkulieren. Und zu beiden Seiten der Allee sitzen viele Leute, so wie man es in der großen Allee der Tuilerien sieht. Aber was den Prater noch angenehmer und malerischer macht, ist, dass seine Allee zu einem Wäldchen führt, wo wenig Schatten ist, und in dem sich so zahme Hirsche vorfinden, dass man sich ihnen nähern darf, ohne sie zu erschrecken. (…) Ich war so glücklich in Wien wie es nur möglich ist, wenn man fern von den Seinen und seinem Vaterland weilt. Im Winter bot mir die Stadt eine der liebenswürdigsten und glänzendsten Gesellschaften Europas, und als die schöne Zeit wiederkehrte, genoss ich mit Entzücken den Reiz der Zurückgezogenheit.

Im Exil in Wien trifft die Malerin schöner Frauen auch wieder auf eine langjährige Freundin: Gabrielle de Polignac (1749–1793), geborene Polastron, war am Hof von Versailles als Nachfolgerin der Marie-Louise de Savoie-Carignan, Fürstin von Lamballe, die engste Vertraute der Königin Marie Antoinette, dann deren Erste Kammerfrau und später Gouvernante des Thronfolgers. Auch König Ludwig XVI. schätzte sie und erhob ihren Mann 1780 – und damit auch sie – in den Herzogstand.

Auf die Gier des sich am Hof hemmungslos bereichernden Polignac-Clans ist es zurückzuführen, dass man in Anspielung auf die Königin vielerorts ein Wort des Hasses zischte: »L’Autrichienne!« Bis zum Wahnwitz reizte die Polignac, vielfach angefeindet und verleumdet, Neid und Eifersucht der Adeligen, die sie als Parvenu verachteten und ihr die Privilegien missgönnten. Bei den Revolutionären war die Herzogin als Symbol der Günstlingswirtschaft und Verschwendungssucht des Ancien Régime verhasst.

Alle in der Familie Polignac forderten ihren Anteil der Beute. Einer wollte Minister sein, ein anderer Botschafter, ein dritter Bischof oder Abbé mit fetter Pfründe. Über die »Plünderung« schrieb Graf Mercy-Argenteau, der österreichische Gesandte von Maria Theresia am französischen Hof, nach Wien. Die Beutelschneiderei belaufe sich auf mehr als fünf Millionen, später war von bis zu acht Millionen die Rede. Und die Mutter hörte nicht auf, der Tochter ins Gewissen zu reden. Denn über alles, was in Versailles vorging, war Schönbrunn bestens informiert. Der Botschafter hatte um die Person der jungen Königin geradezu einen Überwachungsdienst eingerichtet. Maria Theresia erfuhr alles. Ihre Aufregung steigerte sich von Brief zu Brief. Immer eindringlicher klang ihre warnende Stimme. Das tragische Ende konnte sie natürlich nicht voraussehen. Doch sie hatte eine Ahnung davon, dass so viel Leichtsinn in wirtschaftlichen Angelegenheiten zur Katastrophe führen musste.

Der Sturm brach prompt aus. Das Volk, seit Jahren durch geheime Flugschriften, Karikaturen oder Spottgedichte aufs Äußerste provoziert, tobte am heftigsten gegen die Königin und ihre Freundin. Letztere verließ Paris am Folgetag des Sturms auf die Bastille. Die Polignacs waren die ersten prominenten Emigranten. Sie flohen eilig in die Schweiz, dann nach Italien. In Venedig gab es sogar ein Fest: Der ältere Sohn heiratete. »Zweifeln Sie nie an meiner zärtlichen Freundschaft, sie gehört Ihnen bis in den Tod«, schrieb Marie Antoinette am 12. August 1789 der flüchtenden Herzogin de Polignac.

Zuletzt geht es nach Wien. Von der alten Kaiserstadt aus verfolgt die Freundin der Königin die letzten Akte des Revolutionsdramas. In der Hofburg macht man kein Geheimnis aus der Abneigung gegenüber der Polignac. Aber sie hat auch hier Fürsprecher, die sie verteidigen, wie Feldmarschall Karl Joseph Fürst de Ligne oder Graf Breteuil, den französischen Botschafter in Wien. Man habe ihr viel Unrecht getan, ihr zahllose Liebhaber und allerlei Ungeheuerlichkeiten angedichtet, bei denen die Lüge meilenweit zu riechen sei. In Wahrheit sei die Polignac eine liebenswürdige Person, allerdings so schwach wie gutmütig – vor allem aber ein Kind ihrer Zeit. »Nie gab es einen vollkommeneren Charakter, nie ein süßeres Zusammenleben wie das unsrige«, schreibt der Mann der Herzogin nach ihrem Tod – in voller Kenntnis ihrer ehelichen Untreue.

image

Élisabeth Vigée-Le Brun: Porträt der Herzogin von Polignac, 1782/83

Verbürgt ist zumindest einer ihrer Liebhaber: Graf Vaudreuil. Dieses Verhältnis hat die lange Zeit seiner Dauer geheiligt. Unter vornehmen Leuten genoss eine freie Verbindung – mehr noch als jede regelrechte Ehe – das gesellschaftliche Vorrecht allgemeiner Anerkennung, war sie nur dauerhaft genug. Nach dem Tod der erst 44-jährigen Polignac am 9. Dezember 1793 in ihrer Villa in Hietzing, acht Wochen nach Marie Antoinettes Hinrichtung, so erzählt Vicomte de Reiset, treten Gatte und Tochter diskret in den Hintergrund, und das Beileid, das sich von allen Seiten herbeidrängt, richtet sich fast ausschließlich an Vaudreuil, den Liebhaber. Ihm gelten die Kondolenzen, die Sympathien, die rührende Anteilnahme zartfühlender Zeitgenossen, die seine Tränen zu trocknen versuchen.

Er heiratet bald darauf eine kleine Person, die ihn so tyrannisch behandelt, wie Vaudreuil einst die Polignac. Die böse Zunge der Gräfin de Boigne erzählt, mit welcher knabenhaften Kopflosigkeit er die Zeitereignisse beurteilt und wie er, sooft vom Kaiser Napoleon die Rede war, stets achselzuckend hinwirft: »Der dumme kleine Wicht!« Auf die tote Geliebte, von ganz Frankreich verflucht und von Mercy-Argenteau als Hauptursache des gegen Marie Antoinette tobenden Volkshasses bezeichnet, lässt er allerdings nichts kommen: »Sie hatte sich nie einen schlechten Rat, nie eine schädliche Handlung vorzuwerfen.«

Mancher nickt zustimmend. Seine Geliebte hätte nie einen bösen Gedanken gehabt, »weil sie überhaupt keinen Gedanken hatte, weil sie in dumpfer Gedankenträgheit dahinlebte, apathisch, mit unbewusster Gleichgültigkeit die Ereignisse herankommen ließ, nicht einmal den Instinkt des Vogels besaß, dem sich beim nahenden Sturm das Gefieder sträubt«, urteilt die Neue Freie Presse.

Ohne es zu wollen, noch zu wissen, ward die Freundin der Königin zum Verderben des Königtums, und es ist eine, wenn auch seltsame, doch wohl tiefbegründete Wendung der Geschichte, dass vierzig Jahre später unter persönlichster Einwirkung ihres Sohnes, des Prinzen von Polignac, Ministers Karls X., sich dasselbe Trauerspiel wiederholte. Ihr Sohn war ihrer Art: Ahnungslos wurde er zum Totengräber der Restauration. Ein gutmütiger Schwächling auch er, der Aufgabe, vor die die Zeit ihn stellte, in keiner Weise gewachsen, voll der besten Absichten, aber ein Knabe, wo ein Mann von nöten, und deshalb auch er schuldlos schuldig dem Untergang geweiht.

Madame Vigée-Le Brun will Wien eigentlich schon im März 1795 Richtung St. Petersburg verlassen. Da überredet sie Karl Joseph Fürst de Ligne, dem sie seit ihrem Aufenthalt in Brüssel freundschaftlich verbunden ist, ihre Abreise auf eine mildere Jahreszeit zu verschieben. Der charmante, weltgewandte Fürst – beliebt als geistreicher Plauderer und Spötter – verbringt viele Abende bei seiner Tochter, Fürstin Christine Clary, im Palais Mollard-Clary in der Herrengasse 9, wo auch Vigée-Le Brun häufig zu Gast ist. In ihrem Salon treffen während des Wiener Kongresses 1814/15 und noch lange Jahre später geistvolle Frauen auf Staatsmänner und Diplomaten.

Als einer der wichtigsten Gastgeber der Wiener Emigrantenkolonie, und nach der französischen Eroberung Belgiens selbst Vertriebener, lädt de Ligne die Künstlerin in sein Klostergebäude auf den Kahlenberg ein, das ihm von Kaiser Joseph II. geschenkt wurde. Begeistert von der Idylle und dem schönen Blick auf die Donau, bleibt sie drei Wochen und nützt die erste Frühlingssonne, um ein paar landschaftliche Skizzen für ihr Album zu entwerfen, bevor sie sich am 19. April 1795 auf den Weg nach Russland macht.