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Für Willi

TINA KÖPKE

175
Tage mit dir

New Adult Romance

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175 Tage mit dir

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Tina Köpke

© 2018 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH
8712 Niklasdorf, Austria

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

Epilog

Playlist – 175 Tage mit dir

Danksagung

Die Autorin

Leseprobe

Prolog

1. Kapitel

Tag 1 bis 3

»Verdammt!«

Ich zerknüllte den Zettel in meiner Hand und warf ihn in den Mülleimer, der neben dem schwarzen Brett stand. Es war bereits mein dritter Versuch gewesen, eine Annonce zu verfassen, und jedes Mal war ich daran gescheitert, meine Vorstellungen auf diese sechs Zeilen zu beschränken. Dabei waren meine Ansprüche überschaubar, ja fast schon lächerlich.

Ein Zimmer oder eine kleine Wohnung. Keine übertrieben hohe Miete. Keine perversen Wichser, die Kameras im Badezimmer installierten, wie das letzte Arschloch, bei dem ich für eine Nacht gepennt hatte. Nachdem ich inzwischen auf mehreren Gästesofas und sogar auf zwei Luftmatratzen geschlafen hatte, stand für mich der Entschluss fest, dass ich bis zum Sommer nicht drum herumkam, mir eine dauerhafte Bleibe zu suchen. Ich konnte mich nicht zu weit von Denver entfernen, ohne dass meine Dads Wind davon bekommen und Fragen stellen würden. Fragen, die ich – soweit es möglich war – nicht beantworten wollte.

Die umliegenden Städte hatten sich bereits als Sackgasse erwiesen. Gerade die größeren Orte wie Loveland, Fort Collins und Longmont waren entweder voll oder so teuer, dass meine erste Reaktion bei den Preisen ein herzliches Lachen gewesen war – bis ich realisiert hatte, dass es kein Witz gewesen war. Als ich zum Beginn meines Studiums im Studentenwohnheim des Denver Colleges gelebt hatte, hatte ich mir um so was noch keine Sorgen machen müssen. Selbst als ich wenige Wochen später zu meiner Ex in die Wohnung zog, waren meine Kosten noch relativ niedrig geblieben. Einen Collegerauswurf und eine beendete Beziehung später hatte sich das schlagartig geändert. Nun musste ich mich selbst in kleineren Ecken Colorados, wie zum Beispiel Little Springs, wo ich mich gerade aufhielt, nach günstigen Wohnmöglichkeiten umsehen.

Die verschneite Kleinstadt lag direkt vor den Toren der Rocky Mountains. In dieser Gegend gab es alles, was das Herz eines jeden Mädchens zum Schmelzen gebracht hätte: Hübsche Läden mit alten Schildern über den Türen, warme Lampen, die den dunklen Winter erträglicher machen sollten, und Schnee in so großen Mengen, dass ich mir nicht sicher war, ob es meinem alten Motorrad, das ich vor Jahren liebevoll Betty getauft hatte, hier gefallen würde. Am meisten hatte der Altersdurchschnitt mich überrascht, bis ich erfahren hatte, dass ein kleines College für die Fülle an jungen Erwachsenen verantwortlich war. Nachdem ich bereits überlegt hatte, zurück nach Vermont zu fahren und meinen Eltern alles zu beichten, hatte ich beschlossen, mich mit meinem derzeitigen Schicksal zu arrangieren und Little Springs zumindest eine Chance zu geben.

Nun stand ich also hier, mitten im Green Grocers, einem Supermarkt für überwiegend regionale Lebensmittel. Mein Motorradhelm ruhte auf der kleinen Sitzbank vor dem schwarzen Brett, während über meinem Kopf eine weiße Leuchtstoffröhre flackerte. Mein Blick wanderte bereits zum zweiten Mal über die Wand mit den gefühlt dreilagig gepinnten Zetteln. Ich beugte mich etwas vor, strich mir eine blonde Strähne hinters Ohr, die aufgrund der Kürze meiner Haare immer wieder hervorrutschte und mir hartnäckig ins Gesicht fiel.

»Verkaufe Kinderwagen«, las ich leise und sprang mit dem Blick zum nächsten Aushang. »Suche interessierte Mitmenschen für Impro-Theatergruppe.« Ich holte tief Luft, schloss die Lider und ließ meinen Zeigefinger wahllos über die Wand wandern. Das nächste Gesuch würde mein Leben verändern. Das spürte ich. Leise summte ich die Anfangsmelodie zu Send Me on My Way von Rusted Root, ehe ich wie ein Adler auf eine Notiz zielte. Noch einmal atmete ich tief ein und wieder aus, ehe ich die Augen öffnete und den Zettel von der Wand riss.

»Ü40 mit viel zum Lieben sucht nette wie attraktive junge Frau für den Kampf gegen die abendliche Einsamkeit.« Ich blinzelte ungläubig. Zwei Sekunden später lachte ich, schüttelte den Kopf und konnte nicht glauben, dass es so schwer war, einen Platz zum Schlafen zu finden.

Vier Wände, ein Bett, keine Perverslinge, bezahlbar.

Mehr wollte ich nicht.

Aber zumindest wusste ich jetzt, wie ich meine hochgesteckten Vorstellungen kurz zusammenfassen konnte.

Ich griff erneut nach einem leeren Blatt für die Suchanzeigen, setzte mich auf die Bank und lehnte das Ende des Kugelschreibers an meine Lippen, bevor ich auf meinem Oberschenkel etwas ungeschickt den winzigen Fragebogen ausfüllte.

»Bitte einmal die Füße heben«, hörte ich eine Stimme vor mir. Ein Mopp kreuzte mein Blickfeld und ehe ich verstand, worum es ging, hob ich reflexartig meine Füße, die immer noch in den Boots mit den matschverdreckten Sohlen steckten. Ohne es bemerkt zu haben, hatte jeder meiner Schritte eine Spur bis zu meinem momentanen Sitzplatz hinterlassen.

»Sorry«, entschuldigte ich mich bei dem Typen, der gerade dabei war, hinter mir herzuwischen.

»Nicht schlimm, dafür werde ich immerhin bezahlt.« Ich sah hoch und direkt in sein Gesicht, das ein angestrengtes Lächeln zeigte. Danach richtete er den Blick wieder auf den Boden und wischte über die Fliesen.

»Hoffentlich gut?«, fragte ich, im Hinterkopf daran denkend, dass ich nach einer Wohnung auch noch einen Job finden musste, der mich die nächsten Monate über Wasser hielt.

Überrascht von meiner Frage unterbrach er sein Tun und stützte sich auf dem Stiel des Wischmopps ab. Jetzt, wo er nicht mehr so gebeugt dastand, wirkte er deutlich größer. Eine blonde Strähne fiel ihm in die Stirn, die er beiläufig zurückschob. »Es ist okay, ich muss davon ja keine dreiköpfige Familie ernähren.« Er zuckte mit der Schulter. »Wieso fragst du? Suchst du einen Job?«

Ich sah auf meinen Zettel und wog meinen Kopf von einer Seite zur anderen. »Auch, ja.« Demonstrativ hob ich mein krakeliges Gesuch empor. »Vorzugsweise erst mal ein Dach über dem Kopf, aber es scheint fast unmöglich zu sein, hier was zu finden.«

»Ja, das stimmt. Die meisten Unterkünfte sind belegt. Hast du es im Studentenwohnheim probiert? Die Warteliste soll zwar recht lang sein, aber zwei Freundinnen von mir sind gerade ausgezogen. Wenn du schnell bist, dann …«

»Ich studiere nicht mehr«, unterbrach ich ihn. »Wohnheim ist keine Option. Entweder ich finde eine Bude oder … ich muss mich auf diesen anonymen Ü40-Romeo mit viel zum Lieben einlassen.«

Mein Gegenüber runzelte verwirrt die Stirn, woraufhin ich ihm die Anzeige reichte, von der ich vor wenigen Minuten noch gedacht hatte, sie würde vielleicht mein Leben verändern. Die Gesichtszüge des Fremden lockerten sich und er lachte. »Menschen gibt es«, murmelte er und gab mir die Notiz zurück. »Aber ich würde dir davon abraten, immerhin sucht die weltbeste WG noch einen Mitbewohner.«

Ich wurde hellhörig. »Die weltbeste WG

»Vor zwei Wochen bin ich mit meinen beiden Freundinnen in eine Wohnung gezogen. Wir hätten noch ein Zimmer frei.«

»Das heißt, ihr seid bereits zu dritt?«, hakte ich noch einmal nach. Meine Freude über die weltbeste WG erhielt einen Dämpfer. Ich war eigentlich kein großer Fan vom Sardinendosen-Leben mit Menschen, die ich nicht kannte, aber mir war inzwischen klar geworden, dass ich mir nicht erlauben konnte, wählerisch zu sein.

»Ja. Die Wohnung hat vier Schlafzimmer, ein großes Bad, einen gemütlichen Wohnbereich und eine offene Küche. Genug Platz ist also da.«

»Das sind trotzdem echt viele Menschen«, erwiderte ich und verzog dabei nachdenklich den Mund.

»Aber diese Menschen sind wirklich cool und sehr nett.«

Zugegeben, die Hartnäckigkeit meines Gegenübers beeindruckte mich. Ich starrte in seine blauen Augen, die zu seinen strohblonden Haaren passten. Mit den breiten Schultern und dem markant gezeichneten Kiefer hätte er lieber irgendwo als Kellner oder Model arbeiten sollen anstatt als Aushilfe im Supermarkt.

»Okay«, lenkte ich nach einer kurzen Pause erleichtert ein. »Vermutlich immer noch besser als der Ü40-Romeo. Was kostet die Miete und wann kann ich einziehen?«

»Moment.« Er hob die Hand, um mich auszubremsen. »Ich kann das natürlich nicht allein entscheiden. Meine beiden Mitbewohnerinnen haben da leider auch ein Wörtchen mitzureden und so wie ich sie kenne, machen sie von diesem Recht Gebrauch.« Ich stöhnte leise. Das wäre auch viel zu einfach gewesen. »Wir treffen uns übermorgen gegen neunzehn Uhr im Carlo’s. Wenn du magst und noch Interesse hast, kannst du gerne dazustoßen.«

»Du meinst dieses Carlo’s Little Springs Diner?« Ich erinnerte mich vage daran, das quietschbunte Leuchtschild aus der Ferne gesehen zu haben. Da ich aber genug damit zu tun gehabt hatte, meine Betty über den festgefahrenen Schnee der Straße zu lenken, blieb diese Erinnerung eben genau das – vage.

»Wir nennen es das Carlo’s. Das Leben ist immerhin zu kurz für so lange Namen.« Er grinste und es war diese Sorte Grinsen, die ansteckend wirkte, weil es so lebensbejahend war, dass man seine Probleme für den Bruchteil einer Sekunde vergaß. »Apropos Namen – ich bin Riley. Riley Hutcherson.« Er wischte sich die Hand an seiner Jeans ab und reichte sie mir.

Ich tat es ihm gleich und erwiderte den Handschlag. Seine Haut war angenehm warm und im Gegensatz zu den meisten Männern war diese Geste weder zu fest, um mir seine Stärke zu beweisen, noch zu locker, um mich als Mädchen zu verschonen. Sein Händedruck war genau richtig. »Amelia Bloom.«

»Wie die Pilotin Amelia Earhart?«, fragte er mit einem interessierten Funkeln in den Augen.

Jetzt war ich diejenige, die grinste. »Die einzig Wahre. Meine Väter sind große Fans von ihr, aber wie kommst du darauf? «

»War nur ein erster Gedanke.«

»Sie beeindrucken mich, Mr Hutcherson.«

Unsere Hände lösten sich voneinander. »Wird hoffentlich nicht das letzte Mal sein, Miss Bloom. Wir sehen uns Donnerstag?«

»Donnerstagabend um neunzehn Uhr«, bestätigte ich und sah dabei zu, wie er mir zum Abschied zuwinkte, sich den Eimer mit dem Wischwasser schnappte und in einem Gang verschwand, wo vermutlich das nächste Putzdesaster auf ihn wartete. Für einen Moment blickte ich ihm nach und spürte ein warmes Kribbeln in der Brust.

Für den restlichen Tag gab ich die Suche nach anderen Wohnungen auf und quartierte mich in einem Bed & Breakfast ein, dessen Zimmer von oben bis unten mit schrecklicher Blümchentapete, floraler Bettwäsche sowie Rüschenkissen dekoriert waren. Wäre meine problematische Wohnsituation nicht gewesen, wäre ich umgedreht, hätte mir Betty geschnappt und diese Stadt verlassen, denn Menschen, die Schlafräume so gestalteten, besaßen das Potenzial, zum nächsten Jack Torrance aus The Shining zu werden.

Ich hielt mich zum Glück nicht länger als zum Schlafen und Frühstücken dort auf. Am nächsten Morgen, einem grauen und milden Mittwoch, der die weiße Schneeschicht der Straße zum Tauen gebracht hatte, verließ ich diesen gruseligen Ort zügig, um erneut auf die Suche zu gehen. Auch wenn die Wohnsituation nicht vollständig geklärt war, war ich mir sicher, dass ein Job meine Chancen nur verbessern konnte.

Es fiel mir schwer, das zu glauben, aber was noch schwerer war, als eine Wohnung zu finden, war eine Arbeit.

Offensichtlich war so ziemlich jede freie Stelle von irgendwelchen unterbezahlten Studenten besetzt, denen der Lohn für ihre Partys ausreichte. Jetzt, wo ich temporär zur arbeitenden Bevölkerung gehörte, ärgerte mich das, obwohl ich noch vor wenigen Wochen genauso drauf gewesen war.

So schnell konnte sich das ändern.

Langsam fuhr ich über den matschigen Schnee. Betty, meine alte, aber wunderschöne Harley Davidson Shovelhead, hatte mit dem Untergrund zu kämpfen. An einer Kreuzung rutschten wir beinahe zur Seite, aber ich schaffte es, mein schweres Baby gerade so auf den Rädern zu halten.

»Hey«, hörte ich eine Stimme neben mir, untermalt von dem sanften Tuckern eines Autos. »Brauchst du Hilfe?«

Ich schob das Visier meines Helmes hoch und sah zu dem Fremden, der in einem feuerroten Dodge Challenger Rallye saß und seine Scheibe heruntergekurbelt hatte. »Geht schon«, erwiderte ich und richtete meinen Blick auf die Ampel, die immer noch auf Rot stand.

»Wirklich? Ich kann dich mitnehmen, wenn du willst.«

Tief Luft holend, starrte ich nach vorne auf die Straße. »Nein, danke. Wir kommen klar.«

Er lachte. Es klang nicht herablassend oder arrogant, wie ich es von Männern auf der Straße gewohnt war, die eine Frau auf einem Motorrad für die Gelegenheit ihres Lebens hielten. »Wen meinst du denn mit wir?«, hakte er nach.

Ich drehte meinen Kopf erneut in seine Richtung. Außer einer schwarz getönten Sonnenbrille und dunklen Tattoos, die sich an seinem Hals bis hoch zu seinen Ohren schlängelten, konnte ich von dem neugierigen Fahrer nicht viel erkennen. »Wir sind meine alte Betty und ich.«

Er trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. »Du hast deinem Bike einen Namen gegeben?«

»Hast du ein Problem damit?«

Schmunzelnd beugte er sich zu seinem Beifahrersitz rüber, wo er für den Bruchteil einer Sekunde im Schatten des Wagens verschwand. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie sich eine der letzten Fahrspuren leerte. Gleich würde die Ampel umschalten.

»Ich find’s cool.« Er setzte sich wieder auf und streckte sich jetzt aus dem Fenster, um mir eine Karte hinzuhalten. »Hier, falls du mal einen Mechaniker brauchst. Mein Onkel Joseph besitzt eine Werkstatt.«

Skeptisch nahm ich ihm die Visitenkarte ab, auf der Joseph’s Garage und eine Adresse sowie eine Telefonnummer standen. Bevor ich etwas sagen konnte, heulte der Motor des Dodge auf und der Fremde, dessen Namen ich nicht kannte, rauschte in der Sekunde über die Haltelinie hinweg, als die Ampel von Rot auf Grün sprang.

»Netter Wagen«, sagte ich leise. Ich wendete die Karte ein letztes Mal, ehe ich sie in der Gesäßtasche meiner Jeans verstaute und weiterfuhr. Erst nach erfolglosen Besuchen in einem Blumenladen, einer kleinen Boutique, erneut dem Green Grocers, wo meine neue Bekanntschaft Riley heute scheinbar nicht arbeitete, und einer Bar namens Louis, holte ich das gute Stück erneut hervor. Ich wusste nicht, ob die Idee, die mein Gehirn wie auf einer Schnellstraße passiert hatte, irgendwie realistisch war, aber ich hatte nichts zu verlieren. Scheinbar wollte mich niemand in dieser gottverdammten Stadt anstellen und die Benzin- und Ölgerüche waren mir wenigstens durch die Arbeit in der heimischen Werkstatt meiner Väter vertraut.

Nach meinen hoffnungslosen Versuchen fuhr ich zu der Adresse, die auf der Karte stand. Es war bereits später Nachmittag, die Sonne längst untergegangen und ein kalter Wind ließ den matschigen Schnee wieder gefrieren. Es glich einem Wunder, dass ich ohne Unfall bei Joseph’s Garage ankam, die etwas außerhalb von Little Springs lag und bereits aus der Ferne mit einem warmen Licht lockte. Der Schuppen war ein kastenförmiger Bau, der vermuten ließ, dass er notdürftig aus Wellblechresten zusammengeschustert worden war. Drum herum parkten Autos und Motorräder, darauf wartend, wieder abgeholt oder repariert zu werden.

Ich stellte Betty direkt vor einer Eingangstür ab. Ähnlich wie bei meinen Dads führte mich diese zu dem Empfangsbereich für die Kunden. Teppich unter meinen Füßen, blasse Deckenbeleuchtung, Glasvitrinen mit Fotos der Angestellten und kleinen Modellautos, Poster von halb nackten Frauen und weiteren Karren, ein Tresen, hinter dem nur ein wilder kurzer Lockenkopf zu sehen war, und über mir eine kleine Glocke, die meine Ankunft ankündigte. Es war in vielerlei Hinsicht vertrauter, als ich es erwartet hatte.

»Hallo?« Ich klemmte den Motorradhelm unter meinen Arm. Der Lockenkopf hinter der Theke glitt nach oben und gehörte einer älteren Dame, deren Brillengläser so dick waren wie der Boden einer Bierflasche.

»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie so träge, dass ich Sorge hatte, sie würde dabei gleich einschlafen.

»Ähm.« Ich stockte und sortierte meine Gedanken. Wenn ich die Lady jetzt fragen würde, würde sie mich sicherlich sofort abwimmeln. Das war ihr Job. Kunden an das Geschäft binden und Klinkenputzer freundlich, aber bestimmt vom Hof jagen. »Ich suche einen Typen. Er fährt einen Dodge und ist tätowiert.«

»Oh nein«, stöhnte die Dame genervt und rollte mit einem Drehstuhl hinter dem Tresen hervor. Vor einer geöffneten Tür zu ihrer Rechten hielt sie an. »Marcus«, schrie sie so laut, wie ich es ihr gar nicht zugetraut hätte, »du hast Besuch.« Danach wandte sie sich auf dem Weg zurück zu ihrem Arbeitsplatz wieder mir zu. »Süße, tu dir einen Gefallen. Marcus ist ein netter Kerl, aber plane nicht gleich eure Hochzeit und die Namen eurer Kinder. Er liebt nur seinen Dodge und egal, was ihr miteinander hattet …«

»Sue, betreibst du schon wieder Aufklärungsarbeit?«

Der Typ vom Vormittag stand im Türrahmen und wischte sich gerade seine beschmutzten Hände an einem Tuch ab, das nicht viel sauberer war als er. Im Licht des Vorraumes erkannte ich seine lässige Frisur, die daraus bestand, dass er die Seiten kurz rasiert hatte und das Oberhaar länger und nach hinten gelegt trug. Das allein wäre mir sicherlich nicht ins Auge gefallen, aber die Tattoos, die sich über seinen Hals bis zur Grenze seiner Ohren zogen, waren schon vorhin sehr auffallend gewesen. Ich fragte mich, ob sich diese Art von Kunst über seinen ganzen Körper erstreckte, denn dort, wo die Ärmel seines schwarzen Shirts endeten, zogen sich dunkle Linien über seine hellbraune Haut bis runter zu seinen Händen. Aus der Ferne erkannte ich nur wenige Motive im Detail. Der Kopf einer Bulldogge, der aus dem Ausschnitt seines Shirts herausschaute, Big Ben, den er auf seinem angespannten Bizeps trug, dazu ein paar Muster, die ich asiatischer Herkunft zuordnete. Vermutlich konnte man Stunden damit verbringen, seinen trainierten Oberkörper nach Bildern abzusuchen und ihre Geschichten dahinter zu erfahren.

Nur interessierten die mich nicht.

Stattdessen bemühte ich mich, sein Lächeln, das sofort auf seinen Lippen aufgetaucht war, als er mich erblickt hatte, zu erwidern.

»Ah, die Lady mit der Harley namens Betty.« Er – dessen Name offensichtlich Marcus war – kam langsam auf mich zu, bis er mit der Entfernung eines Schrittes vor mir stehen blieb und mir seine nach wie vor verschmutzte Hand hinhielt. Ich zögerte nicht und schlug ein, um den festen Händedruck zu erwidern.

»Amelia«, stellte ich mich vor, ohne seinem Blick auszuweichen.

Sein Lächeln wurde breiter. »Schöner Name.«

»Schöner Dodge«, konterte ich, ehe unsere Hände sich voneinander lösten.

»Danke. Gehört meinem Onkel Jo. Er hat ihn aufwendig restauriert und hasst es, wenn ich damit durch die Stadt fahre.«

»Wäre auch echt schade, so ein Schmuckstück in der Garage versauern zu lassen.«

Marcus’ Schmunzeln zeigte mir, dass wir uns verstanden. Das kurze Schweigen, als wir einander ansahen und die Absichten des jeweils anderen einzuschätzen versuchten, war mir dagegen nicht wirklich behaglich. Gott sei Dank schob mein Gegenüber seine Hände in die Taschen der Jeans und ergriff das Wort.

»Wie kann ich dir denn helfen, Amelia?«

»Ich brauche einen Job«, sagte ich, ohne um den heißen Brei herumzureden. »Und ich möchte hier arbeiten.«

Er stieß ein Schnaufen aus, das belustigt, aber nicht unfreundlich klang. »Hier? In der Werkstatt?«

»Hier. In der Werkstatt.«

»Hast du denn irgendwelche Erfahrungen?«

»Lade mich zu einem Vorstellungsgespräch ein und du wirst es herausfinden.«

Wieder schnaufte er, als könnte er nicht glauben, was er gleich sagen würde. »Hast du jetzt Zeit?«

»Klar«, stimmte ich zu und beobachtete Marcus dabei, wie er die Arme vor der Brust verschränkte. Unter der Anspannung seiner Muskeln dehnten sich die schwarzen Linien auf seiner Haut.

»Gut, was kannst du denn vorweisen?«

»Ich habe zwei Dads, die eine Werkstatt in Montpelier besitzen.«

Marcus hob eine Augenbraue. »Wie, du hast zwei Dads?«

Es war klar, dass er von allem, was ich zu sagen hatte, genau darüber sprechen wollte. So ging das bereits mein ganzes Leben lang. »Okay, hier die Kurzfassung: Meine jüngere Schwester Taylor und ich sind die Kinder zweier Männer, die in ihren Ehen unglücklich waren und sich ineinander verliebt haben. Sie sind ein verheiratetes, homosexuelles Paar und wir sind bei ihnen, nachdem sie und unsere Mütter in Frieden auseinander gegangen sind, aufgewachsen. Vor fünfzehn Jahren haben sie die besagte Werkstatt aufgemacht, wo sie vornehmlich Oldtimer und Motorräder reparieren. Alles, was ich über Bikes und Karren weiß, haben sie mir beigebracht, und du wirst dir ziemlich in den Arsch beißen, wenn du diese Gelegenheit für eine erstklassige Mechanikerin nicht nutzt.«

Seine Mundwinkel hoben sich zu einem amüsierten Ausdruck. »Kann gut sein. Zugegeben, wir könnten Hilfe gebrauchen. Unser dritter Mann Javier hatte vor drei Wochen einen Unfall und wird noch eine Weile ausfallen. Allerdings herrscht hier eine strickte Keine-Weiber-in-der-Werkstatt-Regel.«

»Das ist ziemlich sexistisch.« Abschätzig hob ich die Augenbraue und verstärkte den Griff um meinen Helm. Wie ich so was hasste. Als ob Frauen keine guten Mechaniker sein konnten. Ich hatte teilweise die Wagen meiner besten männlichen Freunde wieder zum Laufen gebracht, während diese zuvor stundenlang nach den Fehlerquellen hatten googeln müssen. Lediglich der Drang, im Leben mehr zu erreichen, als eine eigene Werkstatt im Niemandsland zu besitzen, hatte dafür gesorgt, dass ich lieber studieren gegangen war.

»Reiner Schutz der Firma. Stell dir vor, du und ich würden was anfangen und es würde nicht gut ausgehen. Mein Onkel hat keinen Bock auf solche Dramen.«

Jetzt war ich diejenige, die schnaufte, nur definitiv nicht belustigt. »Marcus, darf ich dir eine Frage stellen?«

»Klar.«

Ich beugte mich ein Stück zu ihm vor und senkte meine Stimme auf das leiseste Niveau, das er noch verstehen würde. »Wie oft hast du die gute Sue schon gevögelt?«

»Bitte was?«

»Du hast meine Frage schon verstanden.« Ich lächelte zufrieden und schob meine freie Hand in die Jackentasche. »Denn ähnlich oft werden wir in der Kiste landen. Nicht ein einziges Mal. Du magst gut aussehen, aber glaub mir eins: Ich nehme den Scheiß hier sehr ernst. Wenn du deinen Schwanz in der Hose behalten kannst, braucht ihr euch keine Sorgen um ein Drama zu machen. Ich erledige meinen Job und das verdammt noch mal sehr gut.«

Zugegeben, ich hatte etwas hoch gepokert. Wenn Marcus einer dieser Kerle war, der sich nicht gerne etwas sagen ließ, würde ich binnen zwei Sekunden wieder in der kalten Luft stehen.

»Okay«, stieß er aus und angelte aus der Gesäßtasche einen zerknitterten Block und einen Kugelschreiber heraus. »Ich werde mal mit meinem Onkel reden. Gib mir deine Nummer und ich melde mich morgen bei dir.«

Schnell notierte ich meinen Namen und die Handynummer und reichte ihm danach meine Hand. »Danke.«

Er schlug mit mehr Kraft als zuvor ein. »Bedank dich erst, wenn ich gute Nachrichten für dich habe.«

»Ruf mich aber nicht an, weil du nachts einsam bist.« Wir grinsten beide einander an, wissend, dass eine Zusammenarbeit sicherlich witzig werden würde. Zumindest war das mein Gedanke. Marcus’ Blick, der seine angriffslustige Flirterei unterstrichen hatte, wurde aufgeweicht und ließ mich hoffen, dass er das ähnlich platonisch nahm wie ich.

Von außen betrachtete ich die babyblaue Einrichtungshölle, die zum Carlo’s gehörte. Es war Donnerstagabend, kurz nach neunzehn Uhr, und das Diner war recht gut besucht. Durch die Glasfront konnte ich zahlreiche kleine Sitzkabinen erkennen, in denen Freunde und Pärchen Milchshakes schlürften, Waffeln mit Kirschsoße aßen oder sich über laminierte Speisekarten hinweg angeregt unterhielten. Das Klientel, soweit für mich einsehbar, reichte von kleinen Kindern bis zum Bauarbeiter, der seinen verdienten Feierabend-Burger aß.

Seit gut fünf Minuten haderte ich mit mir, dort reinzugehen, was dazu führte, dass ich bereits spät dran war. Ich war kein sehr nervöser Mensch, außer, wenn wichtige Dinge von etwas abhingen, das ich nicht beeinflussen konnte. Dann mutierte ich zum introvertierten Wesen, das mit allem überfordert war, bis ich mich an die Umstände gewöhnt hatte. Und von diesem Treffen hing eine ganze Menge ab.

Vor zwei Stunden hatte mich Marcus angerufen und darüber informiert, dass ich am Montag meinen Hintern in aller Herrgottsfrüh in die Werkstatt schwingen sollte. Das Vorhaben, einen Job zu finden, hatte funktioniert, weil ich die Fähigkeiten für diese Stelle besaß. Das hatte nichts mit Sympathie zu tun. Das Zimmer in dieser WG mit diesen wildfremden Leuten zu ergattern, war eine ganz andere Sache, denn es hing davon ab, dass sie mich mochten. Und da war ich mir nicht so sicher, denn ich gehörte nicht unbedingt zu denen, die sich mit ihrer Art schnell Freunde machten – oder Mitbewohner.

Ich schloss die Augen, zählte von zehn herunter und öffnete die Glastür des Diners. Über mir erklang unerwartet ein Läuten und bevor ich mich orientieren konnte, rauschte eine Kellnerin im türkisen Kleid an mir vorbei.

»Such dir schon mal einen Platz, Liebes«, flötete sie gehetzt, aber gut gelaunt, ehe sie zu einem Tisch in einer hinteren Ecke verschwand. Ich konnte gar nicht schnell genug reagieren, so sehr waren meine Sinne der Reizüberflutung ausgesetzt. Die hellblaue Inneneinrichtung überforderte meine Augen, während meine Nase von den köstlichen Düften geärgert wurde. Meine Haut, die von der Kälte des Winters in Little Springs taub war, glühte unter der schlagartigen Hitze des Gästeraumes. Entgegen des Taktes der Popmusik, die leise aus Lautsprechern dudelte, raste mein Herz.

Wem machte ich etwas vor? Ich hatte mich bisher selten in große Gruppen fügen können. Das letzte Mal war im sechsundsechzig Meilen entfernten Denver gewesen und das hatte mir am Ende nach dem ersten Semester einen Rauswurf aus dem College eingebrockt. Für mich gab es nur eine Sorte Menschen, mit denen ich auf lange Sicht auskam. Die, die Probleme wie Magnete anzogen. Die, die mir ähnlich waren. Und von denen musste ich mich fernhalten.

Ich drehte mich um und wollte das kleine Restaurant gerade wieder verlassen, als ich meinen Namen hörte.

»Amelia.«

Ertappt wandte ich den Kopf zur Seite und erblickte Riley, der von einem Stuhl an einem proppenvollen Tisch aufstand. Voll von Menschen. Neben ihm zwei Mädels und zwei Typen, die mich allesamt anstarrten, als wäre ich der Weihnachtsmann oder Osterhase höchstpersönlich. Irritiert sah ich kurz an mir hinab. Ich hatte mich für schwarze Boots, eine dunkle Jeans, meine Lederjacke und darunter für ein hellgraues Shirt mit dem Zungenlogo der Rolling Stones entschieden. Für die kurze Strecke von meiner Unterkunft zum Carlo’s hatte das völlig ausgereicht, aber jetzt, wo die Blicke der anderen auf mir klebten, war ich mir nicht sicher, ob das wirklich angemessen war.

»Schön, dass du doch gekommen bist«, stellte Riley, der es geschafft hatte, sich durch die Reihen der anderen Gäste zu quetschen, fest. Ich nickte, erschlagen von allem, und ließ mich von ihm zu dem Tisch führen, wobei ich immer wieder darauf achten musste, dass ich nicht irgendwelche Dinge von anderen Tischen riss. »Leute, das ist Amelia.«

Und da saßen sie plötzlich alle vor mir. Große Augen, die mich freundlich, aber neugierig musterten. Flüchtig hob ich die Hand zum Gruß. Als wäre das das Startsignal, auf das sie gewartet hatten, brach Unruhe aus.

»Amelia, toller Name! Besitzt du eine Einhorn-Farm?« Ich blinzelte die Blondine mit den rosafarbenen Haarspitzen verwirrt an, ehe sich ein Typ vorbeugte und mir die Hand entgegenstreckte.

»Ignorier Grace, sie ist ein bisschen verrückt. Ich bin Liam.«

Das Mädchen namens Grace rutschte ein Stück unter den Tisch, ehe dieser einmal kräftig ruckte, das Geschirr darauf zum Klirren brachte und Liam ein qualvolles Stöhnen von sich gab. »Ich bin nicht verrückt.«

»Nur ein bisschen, aber das lieben wir an dir«, erwiderte der dritte Typ im Bunde, der am Fenster saß und mit seinen lockigen braunen Haaren und einer Lücke zwischen den Schneidezähnen irgendwie ganz niedlich aussah. Grace’ Wangen färbten sich daraufhin in ein zartes Rosa, während er mir zuwinkte und sich vorstellte. »Jacob.«

»Beruhigt euch mal.« Ein anderes Mädchen mit dicken braunen Haaren, die sie zu einem unordentlichen Knoten am Hinterkopf zusammengebunden hatte, gebot der Gruppe Einhalt. »Ihr verschreckt sie.« Ihr aufmunterndes Lächeln wirkte ein bisschen wie Baldrian auf mich und bevor ich etwas sagen konnte, stellte Riley hinter mir einen Stuhl ab.

»Gar nicht so leicht, noch einen Sitzplatz zu bekommen«, erklärte er und deutete mir an, mich darauf niederzulassen. In diesem unruhigen Haufen von Menschen hatte er etwas von einem Felsen in der Brandung.

»Danke«, murmelte ich und öffnete die Lederjacke, nachdem ich das Gefühl bekommen hatte, hier drin allmählich zu verglühen. Wenn man bei jedem Wetter mit dem Motorrad unterwegs war, gewöhnte man sich an kühlere Temperaturen und starb bei jedem Grad, das mehr ins Warme ging, einen kleinen Hitzetod.

»Du möchtest also unser viertes Zimmer beziehen.« Grace musterte mich aus blauen Augen. Ich nickte zur Antwort. Wenn ich nicht viel sagte, würde mich vermutlich auch keiner so schnell hassen, weil ich jemandem auf den Schlips getreten war. »Cool. Aber wir können nicht jeden einfach einziehen lassen. Die letzten Bewerber waren gelinde gesagt …«

»Anstrengend?«, warf das andere Mädchen mit den braunen Haaren in die Runde, woraufhin Grace nickte.

»Das, was Harper sagte. Sie waren anstrengend oder echt sehr seltsam drauf. Erinnert ihr euch noch an diesen Satanisten-Verschnitt?« Alle Anwesenden stöhnten zustimmend auf. »Daraufhin haben wir beschlossen, ein bisschen kritischer in unserer Auswahl zu sein.«

Na wunderbar, dachte ich. Gegen anstrengende Satanisten war ich ja fast schon harmlos. Hoffte ich zumindest.

»Ich beantworte euch alle Fragen«, stellte ich klar, nachdem ich mich dazu entschieden hatte, die Arschbacken zusammenzukneifen und um diese vier Wände, die sich mir hier ermöglichten, zu kämpfen.

»Studierst du?«, fragte Harper, die nach einer Tasse mit dampfendem Inhalt griff und daran nippte.

»Nicht mehr. Aber ich habe seit ungefähr zwei Stunden einen Job in Joseph’s Garage

»Hey, wie praktisch«, stieß Jacob aus. »Dann weiß ich ja, wohin ich meinen Wagen bringen kann.«

Harper verzog den Mund. »Du meinst außer zum Autohändler, um dieses Umweltmonster gegen einen Hybrid einzutauschen?«

»Solang du eine Tonne Haarspray benutzt, um deinen Pony in Form zu halten, darfst du nichts gegen mein Auto sagen.«

Harper und Jacob warfen sich jeweils einen finsteren Blick zu, ehe sie lachten und sich wieder zurück in die blauen Polster der Sitzbänke lehnten. Ich bewunderte die Stimmung an diesem Tisch. Trotz aller Neckereien schienen sie die Witze des anderen nicht böse zu nehmen. Die lockere Atmosphäre wirkte ansteckend und ich merkte, wie mein Körper sich endlich etwas entspannte.

»Du hast also einen Job gefunden«, nahm Riley das Gespräch neben mir auf.

»Ja, es war Gott sei Dank einfacher als gedacht.« Ich rang mir ein Lächeln ab, das er erwiderte.

»Dann ist die Hürde also auch überwunden. Du bist keine Satanistin oder ähnlich schräg veranlagt, nicht wahr?«, fragte Liam, der einen Arm um Harpers Schultern gelegt hatte und mit den Fingern behutsam, fast schon geistesabwesend, über ihren freien Oberarm strich. Er sah ganz gut aus. Dunkles Haar, das an den Seiten auf wenige Millimeter abrasiert war. Ein Drei-Tage-Bart zierte die Kinn- und Wangenpartie und dazu schien er noch recht viel Zeit damit zu verbringen, seinen Körper in Form zu halten. Liam strahlte etwas sehr Selbstbewusstes, aber auch Arrogantes aus. Lediglich die Art, wie er mit den anderen sprach oder mit Harper agierte, ließ mich hoffen, dass er kein ganz so großes Arschloch war.

Ich grinste schmal. »Nein, eigentlich nicht. Aber …« Mein Zögern ließ die bunt gemischte Gruppe hellhörig werden. »… ich habe einen Back-Spleen.«

»Oh«, stieß Grace aus. »Was heißt das?«

»Wenn ich Stress oder Langeweile habe, dann … backe ich.«

»Also, keine Ahnung, wie es euch geht«, sagte sie an die anderen am Tisch gewandt, »aber ich habe echt keine Probleme mit regelmäßigen Törtchen und frischem Brot im Haus.«

»Definitiv nicht«, stimmte Harper nickend zu, während ihre Hand zu Liams wanderte und diese umschloss. Ganz eindeutig das Paar der Runde, schlussfolgerte ich.

»Willst du dauerhaft einziehen?«

Ich sah zu Riley, dessen blonde Haare sich markant von denen der anderen Typen am Tisch abhoben, und schüttelte den Kopf. »Nur temporär. Im Sommer werde ich zurück ans College gehen.«

Ein Ausdruck von Enttäuschung machte sich auf seinem Gesicht breit. »Stimmt, du hattest gesagt, du studierst nicht mehr. Was ist passiert?«

»Hast du so viel gebacken, dass alle dick und rund wurden und geplatzt sind?« Grace’ Grinsen wirkte mittlerweile so aufgedreht, dass ich fast geglaubt hätte, sie wäre das menschgewordene Duracell-Häschen.

Ein flüchtiges Lachen rutschte mir über die Lippen. »Nein, das wäre wenigstens lustig gewesen«, gab ich zu und überlegte, ob ich es sagen sollte oder nicht. Ich entschied mich dazu, einen Teil geschönte Wahrheit zu erzählen und den Rest, der mich vielleicht als Problem einstufen würde, für mich zu behalten. »Ich habe mich von meiner Freundin getrennt. Es war eine echt schwierige Beziehung und da wir beide das Denver besucht haben und auch ein paar Kurse zusammen hatten, wollte ich es uns möglichst leichtmachen und bin gegangen.«

»Frauenprobleme … das kenn ich«, sagte Liam und seufzte theatralisch, woraufhin Harper ihm mit dem spitzen Zeigefinger in die Seite piekte. Sein Körper zuckte bei der Berührung.

»Deine Frauenprobleme waren selbstgemachte, mein Lieber«, wandte Harper mit gehobener Augenbraue ein.

»Ja, ja, ich weiß. Und dann kamst du und hast der Damenwelt einen Dienst erwiesen, indem du mich vom Markt geholt und gezähmt hast. Wann wollten sie dir noch mal den Nobelpreis überreichen?«

»Gott, seit die beiden wieder zusammen sind, sind sie super kitschig«, kommentierte Grace, die sich zu mir gebeugt hatte. Ihr fröhlicher Gesichtsausdruck passte absolut nicht zu dem zynischen Unterton ihrer Stimme. Scheinbar wieder eine dieser Neckereien.

»Warum waren sie denn getrennt?«, fragte ich leise.

»Das soll dir Harper lieber später selbst erzählen, aber so diabeteserregend sie auch sind – es ist gut, dass sie endlich zusammengefunden haben.«

Ich stutzte. »Heißt das, ich kriege das Zimmer?«

Grace sah zu Riley, der sich eher im Hintergrund hielt. »Rey, was meinst du?«

Für einen Augenblick starrten er und ich uns schweigend an, mutmaßend, was im Kopf des anderen vor sich ging. Kurz befürchtete ich, dass ich ihn falsch eingeschätzt hatte. Dass er gar nicht auf meiner Seite stand und eigentlich die schwere Nuss darstellte, die es zu knacken galt. Sein schmales Lächeln ließ mich erleichtert aufatmen. »Von mir aus keine Einwände.«

Grace schaute zu dem Platz ihr gegenüber, wo Harper und Liam immer noch angeregt über irgendwelche Frauenprobleme und die sexistische Behaftung dieses Wortes diskutierten. »Harper?«

»Hm?«

»Kann Amelia einziehen?«

»Klar, aber wir sollten in den Mietvertrag eine Backklausel aufnehmen. Wenigstens einmal am Wochenende muss es frische Waffeln oder Pancakes geben.«

»Oh, das finde ich gut«, stimmte Grace zu, ehe sie zu mir sah und dabei von einer zur anderen Wange strahlte. »Passt das für dich?«

Ich wollte ihr gerne entgegenrufen, ob sie verrückt wäre, mir diese Frage überhaupt zu stellen. Immerhin löste sich ein Großteil meiner momentanen Probleme damit in Wohlgefallen auf. Mehr als ein »Das ist super, frische Waffeln oder Pancakes kriege ich hin«, brachte ich nicht heraus, aus Sorge, doch noch etwas Falsches zu sagen. Das war aber auch gar nicht nötig. Nachdem die Wohnsache geklärt war, bestellte Grace noch eine Runde Milchshakes, wobei Harper mir ausschweifend erklärte, dass Schokolade-Minze – eine Kombination, bei deren bloßem Gedanken mir schon schlecht wurde – lieber ein Katergetränk bleiben sollte, während Salted Caramel besser als jeder Orgasmus wäre.

»Dann hattest du noch keine guten Orgasmen und ich hätte etwas falsch gemacht«, zweifelte Liam und fing sich sowohl von Harper als auch Grace ein Sturm an Entrüstungen ein. Belustigt behielt ich die Gruppe im Auge, ehe ich eine warme Hand auf meinem Oberarm spürte.

»Hey«, machte Riley sich bemerkbar. »Brauchst du Hilfe mit deinen Sachen beim Einzug?«

»Es ist nicht viel«, gab ich mit einem dankbaren Lächeln zu. »Das kriege ich allein ins Zimmer. Aber danke dir. Für alles.«

Er erwiderte mein Lächeln und zeigte ein paar Ansätze von Grübchen, die ihm etwas sehr Unschuldiges verliehen. Danach fügte er sich wieder in das aufgeregte Gespräch der Clique ein und lachte über etwas, das einer der Jungs gesagt hatte. Jetzt, wo sich die Aufmerksamkeit von mir auf die alltäglichen Dinge verlagert hatte und ich endlich so etwas wie Erleichterung verspürte, konnte ich Riley zum ersten Mal richtig mustern. Er passte für mich irgendwie nicht zu Liam und Jacob, die beide in all ihren Gesten und Aussagen vor Selbstsicherheit und Selbstüberzeugung nur so strotzten. Keine Frage, Riley sah mindestens genauso gut aus wie sie, aber er war ruhiger, schien lieber zu beobachten. Trotzdem hatte er bisher nicht den Anschein erweckt, irgendwie schüchtern zu sein. Es war schwer, ihn zu beurteilen, aber ich beschloss, dass er einer der Guten war. Jemand, mit dem ich durchaus zusammenleben konnte, und wenn ich mir den Rest der Leute an diesem Tisch so ansah, dann traf das auch auf sie zu.

Hoffentlich.

2. Kapitel

Tag 5 bis 6

Am Samstag zog ich mit allem ein, was ich besaß. Mein nötigstes Hab und Gut, das ich während meines Auszuges bei Lilah auf die Schnelle eingepackt hatte, passte in einen Outdoor-Rucksack. Ich müsste bald noch ein paar Dinge wie zum Beispiel meinen Studienkram bei ihr abholen, aber da ich erst ab dem Sommer wieder die Chance haben würde, eine Vorlesung live und in Farbe zu erleben, eilte das Wiedersehen mit meiner Ex nicht. Wichtiger waren mir meine Klamotten, ein paar wenige Erinnerungsstücke von Zuhause und meine Betty gewesen. Mehr konnte ich momentan nicht mein Eigen nennen, was den Einzug in die neue Wohnung deutlich leichter gestaltete. Ich freute mich darauf, zumindest für kurze Zeit ein neues Kapitel aufzuschlagen und es so zu gestalten, wie ich es wollte und derzeitig konnte.

Wie sich zeigte, war die Wohnung wirklich größer, als ich befürchtet hatte. Von außen sah das Gebäude wie eine alte Fabrik aus, von innen zeigte sich jedoch, dass diese Zeiten längst vergangen waren. Ein Fahrstuhl brachte mich in den dritten Stock und ein kurzer Flur von dort aus zu einer bereits geöffneten Wohnungstür. Plötzlich stand ich mit schwitzigen Händen und einer ungewohnten Nervosität mitten im Wohnbereich, der von deckenhohen Fenstern lichtdurchflutet wurde.

Von der Januar-Kälte war in der WG nichts mehr zu spüren. Ich wurde mit offenen Armen von Harper, Grace und Riley empfangen, die bereits auf mich warteten. Bevor auch nur im Ansatz unangenehme Stille aufkommen konnte, hakten sich meine beiden Mitbewohnerinnen bei mir unter, um mir mit Riley als Gruppenführer die Wohnung zu zeigen.

»Das Wohnzimmer ist noch nicht ideal eingerichtet, aber wir wohnen auch erst seit knapp vier Wochen hier«, erklärte er, während mein Blick über eine bequeme, aber abgenutzte Ledercouch wanderte und bei ein paar Zimmerpflanzen sowie einem Fernseher hängen blieb.

»Sieht doch gut aus«, gab ich zu und musste an die vier Wände denken, die ich mir mit Lilah geteilt hatte. Das Wohnzimmer der WG wirkte gegen all den Schnickschnack, der aus Lilahs Schränken irgendwann herausgequollen war, fast schon spartanisch. Allein der Gedanke daran löste klaustrophobische Gefühle in mir aus. Wie hatten wir das nur auf so wenig Raum aushalten können? Die Antwort war einfach: Gar nicht.

»Die Küche«, Grace und Harper drehten mich gleichzeitig einmal um hundertachtzig Grad, damit mein Blick auf eben jenen Teil des Raumes traf, »ist gefährlich. Harper hat in der zweiten Woche die Wohnung fast abgebrannt, als sie versuchte, Spaghetti zu kochen.«

»Ich habe euch gewarnt – ich kann nicht kochen«, warf Harper ein.

»Das hat sie und in der Tat kann sie nicht kochen«, stimmte Riley zu. »Seitdem ist die oberste Regel in der Küche: Siehst du Harper kochen, hol sie vom Herd weg oder lauf, so schnell du kannst.«

Ich grinste. »Aye, aye.«

Die Besichtigung führte uns weiter zum Badezimmer, das mit zwei Waschbecken, einer Dusche und einer Toilette eher praktisch eingerichtet war, und danach zu den Schlafzimmern. Zuerst zeigte mir Grace ihr Reich. Es war eines der beiden kleineren Räume und lag zum Innenhof der Anlage hin. Völlig unerwartet sah es aus wie aus einem Möbelkatalog. Viele helle Farben, weiche Decken, Lichterketten, eine ganze Zimmerwand nur mit Polaroidfotos, eine Staffelei, deren Leinwände zwischen einem Schreibtisch und einer Wand klemmten. Es war beeindruckend, wie viel Geschmack in diesem aufgedrehten Menschen steckte.

Harpers Zimmer lag gegenüber von Grace’ und war eher dunkel gehalten, obwohl durch das Fenster genauso viel Sonne hereinschien wie in den Gemeinschaftsbereich. Unweigerlich erinnerte mich der Raum bei dem Anblick an eine Bibliothek. Er war überaus ordentlich gehalten und an zwei der vier Wände reihten sich Regale mit Büchern auf. Dazu gab es auch hier Fotos. Über ihrem Bett steckten hinter einer Glasscheibe viele Polaroids, auf denen ich meine neuen Mitbewohner und ihre Freunde erkannte. An der letzten freien Wand hing dagegen ein großes Brett, an das nicht nur Bilder, sondern auch Gegenstände wie ein weißes Shirt mit einem hellbraunen Fleck angepinnt worden waren. Ich wusste nicht, was es damit auf sich hatte, aber sicherlich würde mir diese Geschichte irgendwann jemand erzählen.

Alles in allem schätzte ich Harper als eher klassischen Typ ein, die damit einen hervorragenden Kontrast zu Grace bildete.

Das letzte Zimmer gehörte Riley. Zugegeben, ich war ziemlich neugierig, denn bisher war er derjenige gewesen, bei dem ich nicht auf Anhieb sagen konnte, was sich hinter der freundlichen Fassade womöglich versteckte. Als ich aber die Comic- und Fußballposter, kleine Actionfiguren, eine Schallplattensammlung, eine ganze Menge ausgelatschter Chucks und ein Skateboard neben seinem Bett sah, wusste ich, in welche Kategorie er gehörte.

»Du bist also der gut aussehende Nerd«, stellte ich fest und sofort ließen Grace und Harper mich los, um sich die Ohren zuzuhalten.

»Sag doch so was nicht!«

»Was?«, fragte ich verwundert.

»Das ist, als würdest du meinen kleinen Bruder als heiß bezeichnen«, sagte Grace, ehe wir lachten. Ich musste mich wirklich langsam daran gewöhnen, dass nicht alles, was hier gesagt wurde, ernst gemeint war.

Riley rieb sich verlegen an der Schläfe. »Ich bin einfach nur Riley, mehr nicht.«

Ich schmunzelte und nickte. »Na dann, einfach-nur-Riley – nettes Zimmer hast du da. Vor allem aber deine Schallplattensammlung sieht gut aus.«

»Ach«, er winkte mit der Hand ab, ehe er die Tür zuzog und uns in Richtung des letzten verbliebenen Raumes lotste. Mein Zimmer. »Die ist nicht besonders gut, aber ich kann sie dir später mal zeigen, wenn du magst.«

»Unbedingt.«

Mein Reich befand sich gegenüber von Rileys und war eines der kleineren mit Blick zum ruhigen Innenhof. Die Wände waren weiß gestrichen, der Parkettboden dunkel und der Raum selbst stand leer, aber ich konnte mir schon gut vorstellen, wie ich hier die ersten Möbel reinstellte.

»Hast du dir ein Bett gekauft?«, fragte Harper, während ich in das Zimmer trat und mich einmal um die eigene Achse drehte.

»Auch, ja, und mit etwas Glück wird es heute Nachmittag noch geliefert.«

Grace trat ebenfalls ein, die Arme vor der Brust verschränkt und sich umsehend, als wäre dieser Raum aus dem Nichts aufgetaucht. »Wenn du willst, können wir dir beim Aufbau helfen.«

»Das ist nett, aber ich bin ein großes Mädchen und kriege das schon irgendwie hin«, sagte ich gedankenverloren und ließ meinen Rucksack von der Schulter auf den Boden gleiten. Das Zimmer war ausgekühlt und es roch ein wenig nach Farbe, aber es war mein eigenes. Keine hässliche Blümchenmustertapete, keine Lilah, die wieder irgendeinen Anfall bekam und mit Tellern nach mir warf.

»Gut, dann lassen wir dich mal alleine. Wir wollten heute Abend ins Louis gehen. Falls du mitkommen möchtest, können wir auf deinen Einzug anstoßen.«

Ich nickte als Zeichen, dass ich die Einladung wahrgenommen hatte, sagte aber weder zu noch ab. Den Tag würde ich sicherlich genug damit zu tun haben, mich einzurichten. Volllaufen lassen konnte ich mich ein anderes Mal noch.

Meine Mitbewohner ließen mich alleine zurück. Ich hörte sie leise auf dem Flur reden, was in der Regel kein gutes Zeichen war. Ich versuchte, es zu ignorieren. Der Mietvertrag war unterzeichnet, ich musste ihnen jetzt nicht mehr sympathisch sein. Solang ich nichts anstellte, würden sie mich vor dem Sommer nicht mehr loswerden.

Wenn ich nichts anstellte.

Das klang leichter, als es für mich war.

Am Nachmittag klingelte die Spedition mit der Möbelbestellung. Ich hatte dafür meine letzten Ersparnisse aufgebraucht und war jetzt stolze Besitzerin eines großen Bettes, einer Kommode, von Lampen und drei Regalbrettern. Nicht die Welt, aber ich war sowieso nur übergangsweise hier. Wenn alles gut ging, würde derjenige, der nach mir hier einzog, die Sachen gegen eine Ablöse übernehmen. Allein deswegen hatte ich mich für neutrales Birkenholz und ein schlichtes Design entschieden.

Bevor ich mich an den Aufbau machte, lieh ich mir von meinen Mitbewohnern einen Werkzeugkasten aus. Rileys erneutes Angebot, mir zu helfen, lehnte ich ab, immerhin war es nicht das erste Mal, dass ich irgendwo einzog oder Löcher in Wände bohrte.

Womit ich aber nicht gerechnet hatte, war die Zeit. Alles dauerte doppelt so lang wie mit Lilah, die zwar völlig durchgeknallt war, aber zumindest bei solchen Sachen mit mir gut hatte zusammenarbeiten können. Ich hatte gerade die Kommode aufgebaut und das Bett noch vor mir, als Grace und Harper an meine angelehnte Tür klopften.

»Wir gehen jetzt. Sicher, dass du nicht mitkommen willst?«, fragte Grace, die die Unterlippe vorschob und aussah wie ein kleines Kind, das unbedingt den Schokoriegel an der Kasse haben wollte. Demonstrativ hob ich den Akkubohrer hoch, der meine absolute Rettung in dem Möbelchaos war.

»Nächstes Mal.«

Sie winkten mir zu, wobei ich hörte, wie Grace zu Harper sagte: »Das ist ja wie damals, als ich dich dauernd dazu überreden musste, deine Höhle zu verlassen. Und da sagt ihr immer, ich sei die, die nicht normal sei. Ihr seid doch alle Einsiedlerkrebse.«

Ich wusste nicht, was sie damit meinte, schenkte der Aussage aber keine tiefere Bedeutung. Stattdessen schob ich mir genervt die kurzen blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich in meinen Wimpern verfangen hatten, und sah mir die bevorstehende Arbeit an. Vermutlich würde ich noch die ganze Nacht daran sitzen, all den Kram aufzubauen.

Es klopfte wieder an meine Tür und Rileys blonder Kopf schob sich durch den Spalt. »Kann man dich stören?«

»Immer reinspaziert in die Casa del Bloom«, sagte ich seufzend und griff nach einem der längeren Pakete, die zu meinem Bett gehörten. Mit dem Schlitzschraubenzieher riss ich unter Anwendung von roher Gewalt das Klebeband auf, das dafür sorgte, dass der Inhalt des Kartons nicht sofort auf den Boden fiel. »Wie kann ich dir helfen?«

»Das wollte ich dich gerade fragen«, gestand er und setzte sich im Schneidersitz zu mir auf den Boden. »Es ist bereits kurz nach neun und du hast … eine Kommode aufgebaut.«

»Ich bin klein und kann sicherlich in einer der Schubladen schlafen.«

Er lachte. »Du bist größer als Harper und Grace.«

»Aber nur minimal.« Ich konnte das Grinsen, das sich auf meine Lippen schlich, nur mit viel Mühe unterdrücken.

»Komm, lass dir helfen. Du musst das nicht alles alleine machen. Zu zweit kriegen wir das Bett schneller aufgebaut.«

Auch wenn ich es wirklich, wirklich ungern zugab – er hatte recht. »Von mir aus. Aber wenn jemand fragt, dann hast du so lang gebettelt, bis ich nachgegeben habe.«