image

Marina Engler

Schnelle Hilfe im
Pflegefall

 

image

Inhaltsverzeichnis

Was wollen Sie wissen?

Kurzratgeber: Was jetzt zu regeln ist

Zeit schaffen: Für einige Tage im Job aussetzen

Pflegegeld erhalten: Den Antrag stellen

Was zahlt die Pflegeversicherung?

Beratung nutzen

Die rechtliche Vorsorge prüfen

Zu Hause oder nicht? Das Leben neu organisieren

Finanzielle Hilfen

Den Pflegegrad ermitteln

Welche Leistungen bietet die soziale Pflegeversicherung?

Die Leistungen anderer Versicherungen

Hilfe vom Staat

Pflege und Beruf vereinbaren

Im Job kürzertreten, um zu pflegen

Zuschüsse zur Sozialversicherung für Pflegende

Beratung und Unterstützung

Der Familienrat: Alle helfen mit

Beratung vor Ort nutzen

Pflege praktisch lernen

Mit Überforderung umgehen

Interview: Psychologische Hilfe im Einzelfall

Technische Hilfsmittel

Ehrenamtliche Hilfsdienste

Essen auf Rädern

Hausnotruf

Zu Hause gut gepflegt

Der ambulante Pflegedienst

Die Tages- und Nachtpflege

Osteuropäische Haushaltsund Betreuungskräfte

Hilfsleistungen kombinieren – ein Praxisbeispiel

Rehabilitation

Interview: „Alle Behandler ziehen an einem Strang“

Wohnmodelle mit Pflege

Kurzfristige stationäre Pflege

Langfristige stationäre Pflege

Alternativen zum Pflegeheim

Hilfe

Adressen

Kleines Pflege-Glossar

Stichwortverzeichnis

Was wollen Sie wissen?

Ihr Mann oder Ihre Frau, die Eltern oder Schwiegereltern benötigen immer mehr Unterstützung im Alltag? Eine Krankheit, ein Unfall oder eine zunächst kaum wahrnehmbare Verschlechterung haben dazu geführt, dass Sie plötzlich die Pflege organisieren müssen? Dieser Ratgeber zeigt präzise und praxisnah, welche Schritte nötig sind und wer Ihnen dabei helfen kann.

Es gibt so viel zu tun. Womit fange ich an?

Zwei Dinge sind zunächst am wichtigsten: Zeit und gute Beratung. Wenn Sie die Pflege für eine andere Person organisieren, haben Angestellte einen gesetzlichen Anspruch auf zehn freie Arbeitstage. Der Fachbegriff dafür heißt „kurzzeitige Arbeitsverhinderung“. Weitere Informationen darüber finden Sie ab S. 57.

Außerdem haben Sie ein Recht auf eine kostenlose Beratung zu Pflege- und Hilfsangeboten in Ihrer Nähe. Dafür ist die Pflegekasse der richtige Ansprechpartner. Sie erreichen sie über Ihre Krankenversicherung. Je nach Region gibt es Pflegestützpunkte vor Ort. Auf der Webseite des Zentrums für Qualität in der Pflege unter bdb.zqp.de können Sie nach Beratungsangeboten in Ihrer Nähe suchen. Beim Bundesverband unabhängiger Pflegesachverständiger und Pflegeberater unter www.bvpp.org/anbieter finden Sie freie Berater. Über Hilfs- und Beratungsangebote informieren wir Sie ab S. 9 und ausführlicher ab S. 67.

Wie lange können meine Eltern noch zu Hause wohnen bleiben?

Wenn Sie Ihre Eltern in deren Zuhause pflegen wollen, müssen sie keinen Pflegegrad haben und sich auch nicht begutachten lassen. Allerdings gibt es dann auch kein Geld von der Pflegekasse.

Entscheidend für die Pflege zu Hause ist, dass möglichst alle Zimmer dafür geeignet sind. Schon kleine Veränderungen wie Haltegriffe oder ein aufgebockter Sessel erhöhen die Lebensqualität und senken die Sturzgefahr. Langfristig sind oft größere Umbauten nötig. Dafür gibt es finanzielle Unterstützung. Wie Sie diese bekommen, erfahren Sie ab S. 78.

Wer zu Hause wohnen bleiben möchte, sollte außerdem früher oder später Hilfe von außen zulassen: Vom Menü-Bringdienst über eine Putzkraft bis zur Unterstützung in der Pflege, etwa tageweise von einem Pflegedienst, ist vieles möglich. Mehr Informationen dazu finden Sie ab S. 67 und ab S. 97.

Ich möchte mich selbst um die Pflege kümmern. Was muss ich beachten?

Egal, ob es um Mutter oder Vater, Ehefrau oder Ehemann oder um die Schwiegereltern geht – viele Angehörige möchten sich erst einmal selbst kümmern. Doch damit die Pflege nicht zur Belastung wird, sollte sie nicht von einem einzelnen Angehörigen geleistet werden. Überlegen Sie am besten im Familienrat, wer wann was übernehmen kann und möchte. Auch die pflegebedürftige Person selbst sollte nach Möglichkeit mitentscheiden. Für die praktische Umsetzung kann ein Pflegekurs sinnvoll sein, den die Pflegekassen kostenlos anbieten. Weitere Informationen darüber finden Sie ab S. 79.

Wann gibt es Geld von der Pflegekasse?

Ein Pflegegrad ist die Voraussetzung dafür, dass es Geld von der Pflegekasse gibt. Der Pflegegrad 1 ist die niedrigste Stufe für Menschen mit nur geringem Unterstützungsbedarf, der Pflegegrad 5 die höchste Stufe für Personen, die rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen sind. Entscheidend ist, dass jemand für mindestens ein halbes Jahr regelmäßig menschliche Hilfe im Alltag braucht.

Um einen Pflegegrad bescheinigt zu bekommen, ist ein Antrag bei der Pflegekasse nötig. Daraufhin kommt ein Gutachter und schlägt nach Überprüfung verschiedener Kriterien einen Pflegegrad vor, den die Pflegekasse in der Regel bestätigt. Nun können Sie Leistungen erhalten, rückwirkend ab dem Monat der Antragstellung. Die einzelnen Schritte erklären wir Ihnen ab S. 33.

Wie viel Geld gibt es von der Pflegekasse?

Wie viel Geld die Pflegekasse nach Ihrer Antragstellung bewilligt, hängt vom Pflegegrad und der Art der Pflege ab. Für die Pflege zu Hause durch einen Angehörigen gibt es bis zu 901 Euro, für die Pflege zu Hause durch einen Pflegedienst bis zu 2 095 Euro und für die Pflege im Heim bis zu 2 005 Euro plus Zuschläge. Das Geld wird entweder an den Pflegebedürftigen ausgezahlt oder direkt mit dem Dienstleister abgerechnet. Zusätzlich lassen sich diverse weitere Leistungen beantragen, zum Beispiel für Hilfsmittel oder Unterstützung im Alltag. Außerdem gibt es Extrageld, wenn Sie krank werden oder in den Urlaub fahren und jemand anderes die Pflege übernehmen muss. Über die einzelnen Pflegearten und die möglichen Zusatzleistungen informieren wir Sie ab S. 17.

Ich fürchte, dass ich die Pflege nicht alleine schaffe. Wie kann ich mir Hilfe suchen?

Niemand sollte ganz allein für die Pflege eines Familienmitglieds zuständig sein. Warum regelmäßige Auszeiten und Hilfe von außen so wichtig sind, erklären wir Ihnen ab S. 80.

Mittlerweile gibt es viele Unterstützungsangebote für den Alltag. Sehr unkompliziert und günstig arbeiten ehrenamtliche Helfer von Wohlfahrtsverbänden. Sie kommen etwa, um vorzulesen, zu spielen oder spazieren zu gehen. Auf diese Weise sorgen sie für Abwechslung und bescheren Ihnen etwas Zeit für sich. Näheres dazu ab S. 87. Ein Menü-Bringdienst spart viel Zeit. Mehr dazu ab S. 90. Auch eine Haushaltshilfe, die stundenweise vorbeikommt oder mit im Haushalt lebt, kann eine große Erleichterung sein. Was Sie bei der Anstellung bedenken müssen, lesen Sie ab S. 111.

Müssen wir Unterstützung wie eine Haushaltshilfe komplett selbst bezahlen?

Nein, denn die Pflegekassen stellen nicht nur Geld für die reine Pflege zur Verfügung. Es gibt auch Beträge für verschiedene Unterstützungsleistungen, dazu zählen etwa Pflegehilfsmittel, Haushaltshilfen oder manche Angebote der Wohlfahrtsverbände, beispielsweise Demenzgruppen.

Es gibt mindestens 125 Euro pro Monat, sobald ein Pflegegrad bewilligt ist. Allerdings müssen Sie für zusätzliche Leistungen auch einen eigenen Antrag stellen. Unter bestimmten Umständen lassen sich mehrere Leistungen miteinander kombinieren oder umwidmen, sodass Sie teure Dienste aus einem anderen Topf mitfinanzieren können. Wie das funktioniert und wofür es wie viel Geld gibt, erklären wir Ihnen ab S. 17 und ausführlich ab S. 120.

image

Kurzratgeber: Was jetzt zu regeln ist

Wenn Pflege nötig wird, gibt es in kurzer Zeit viel zu organisieren. Wo soll die Pflege stattfinden? Wer kümmert sich? Und woher gibt es Geld? Hier finden Sie kurz zusammengefasst die ersten Schritte, die jetzt wichtig sind.

image Pflegebedürftigkeit tritt häufig akut auf. In manchen Fällen bringt ein Sturz, ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall einen Menschen von einem Tag auf den anderen ins Krankenhaus. Anschließend ist nichts mehr so wie vorher. In anderen Familien entwickelt sich die Pflegebedürftigkeit schleichend. Mutter oder Vater brauchen hier und da immer häufiger Hilfe, etwa beim Waschen und Bügeln, dann beim Einkaufen und Kochen, schließlich auch beim Anziehen und Essen. Auch in diesen Fällen wird den Angehörigen, die zuerst nur gelegentlich eingesprungen sind, meist von heute auf morgen klar: So kann es nicht mehr weitergehen. Wir brauchen professionelle Unterstützung.

In beiden Situationen tauchen plötzlich eine Menge Fragen auf. Denn die wenigsten Familien beschäftigen sich ohne Not mit Pflegegraden, Leistungen der Pflegekassen oder den Alternativen zum Pflegeheim. Auch von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten, staatlichen Zuschüssen für Umbauten oder Pflegekursen für Angehörige haben viele noch nie etwas gehört.

In dieser angespannten Lage ist es wichtig, zunächst die kurzfristige Pflege sicherzustellen. Dafür gibt es mehrere Optionen. Um sich einen Überblick über die Möglichkeiten vor Ort zu verschaffen, ist eine individuelle Beratung sinnvoll. Darauf hat jeder einen gesetzlichen Anspruch.

Anschließend muss die langfristige Pflege koordiniert werden. Entscheidend sind dafür Antworten auf die Fragen, wo die Pflege überhaupt stattfinden soll und wer sie übernehmen kann und möchte. Außerdem ist es wichtig zu wissen, woher es finanzielle Unterstützung gibt und welche Hilfe es für den Alltag sonst noch gibt.

Um für all das ausreichend Zeit zu haben, nehmen Sie sich am besten einige Tage frei. Alle Arbeitnehmer sowie die meisten Beamten, Soldaten und Richter haben sogar einen gesetzlichen Anspruch, sofort zehn Arbeitstage freizubekommen, um die akute Pflege für einen Angehörigen zu organisieren.

imagePflegebedürftigkeit

Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn ein Mensch voraussichtlich für mehr als sechs Monate Hilfe im Alltagsleben braucht. Wenn jemand nach einem Unfall oder einer Krankheit lediglich für kürzere Zeit auf Unterstützung angewiesen ist, besteht kein Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse. Dann ist entweder die Krankenkasse oder die Unfallkasse zuständig.

Checkliste

Was Sie zuerst erledigen sollten

Vier Fragen sind für die Organisation des Pflegealltags besonders wichtig. Wer übernimmt die Pflege? Wo kann der Pflegebedürftige wohnen? Woher gibt es Geld? Und welche Unterstützungsangebote gibt es für den Alltag? Um darauf gute Antworten zu finden, sind folgende Schritte sinnvoll.

imageFamilienrat einberufen. Um die Pflege gut zu organisieren, müssen alle an einem Strang ziehen und die Pflege auf mehrere Schultern verteilen. Laden Sie daher alle Angehörigen sowie Freunde und Nachbarn, die ebenfalls helfen könnten, zu einem baldigen Treffen ein.

imageArbeitszeit reduzieren. Sprechen Sie sich mit Geschwistern, Partnern und berufstätigen Kindern ab und reichen Sie bei Ihren Chefs einen Antrag auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung ein. Sie können – alleine oder als Gruppe – insgesamt zehn Arbeitstage freinehmen, um die Pflege zu organisieren.

imagePflegegrad beantragen. Stellen Sie gemeinsam mit dem Pflegebedürftigen einen Antrag bei dessen Pflegekasse. Es dauert einige Wochen, bis der Gutachter kommt und der Pflegegrad feststeht. Wenn es aber so weit ist, gibt es alle Leistungen rückwirkend ab der Antragstellung.

imageFamilienrat abhalten. Besprechen Sie gemeinsam, was zu tun ist, und versuchen Sie, eine gute und gerechte Lösung für alle Beteiligten zu finden. Bedenken Sie, dass nicht nur der Pflegebedürftige selbst Unterstützung braucht, sondern auch die Pflegenden Hilfe annehmen sollten. Sowohl kostenpflichtige als auch ehrenamtliche Hilfsangebote können die Pflege verbessern und erleichtern. Mehr dazu erklären wir Ihnen ab S. 80.

imageBeratung aufsuchen. Lassen Sie sich nach Möglichkeit gemeinsam mit der pflegebedürftigen Person und allen wichtigen Helfern beraten. Kostenlose Beratungen bieten die Pflegestützpunkte der Länder, freie Berater und Wohlfahrtsverbände an. Auch der Sozialdienst im Krankenhaus hilft. Welche Beratungsstelle für Sie geeignet ist und wie Sie Angebote in Ihrer Nähe finden, lesen Sie im Kapitel „Beratung und Unterstützung“ ab S. 67.

imageVollmachten überprüfen. Damit Sie als Angehörige Ihrem Partner, den Eltern oder Schwiegereltern Arbeit abnehmen und Entscheidungen für sie treffen dürfen, brauchen Sie eine entsprechende Vollmacht. Überprüfen Sie, ob und welche Vollmachten vorliegen, und setzen Sie nach Möglichkeit fehlende Unterlagen gemeinsam auf. Welche Varianten es gibt, erfahren Sie im Abschnitt „Die rechtliche Vorsorge prüfen“ ab S. 22.

Zeit schaffen: Für einige Tage im Job aussetzen

Um die Organisation der Pflege eines Angehörigen zu erleichtern, gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf eine Auszeit im Job. Geld bekommen Sie trotzdem.

image In Deutschland erhalten knapp 4 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegekasse und sind damit offiziell pflegebedürftig. Tendenz steigend. Mehr als 75 Prozent von ihnen werden zu Hause versorgt. Um Angehörigen die Pflege-Arbeit zu erleichtern, hat der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren einiges verbessert. So gibt es mittlerweile mehr und besser geschultes Beratungspersonal. Die Unterstützungsangebote wurden ausgebaut, sodass Pflegebedürftige und Angehörige mehr Hilfen im Alltag nutzen können. Und Pflege und Beruf können besser miteinander vereinbart werden. Letzteres soll auch dabei helfen, dass sich mehr Männer in der Pflege engagieren. Denn wie bei der Kinderversorgung sind es auch bei der Pflege bisher vor allem Frauen, die den Großteil der Arbeit erledigen.

Wer im Job etwas kürzertreten oder eine Zeit lang vollständig aussetzen möchte, um die Pflege für einen Angehörigen zu organisieren oder zu übernehmen, hat vier verschiedene Auszeit-Möglichkeiten. Einen gesetzlichen Anspruch darauf haben Arbeitnehmer ab einer bestimmten Betriebsgröße. Zwischen zehn Tagen und zwei Jahren ist vieles möglich. Während dieser Zeit besteht Kündigungsschutz und es gibt ein Rückkehrrecht auf einen vergleichbaren Arbeitsplatz. Außerdem gibt es je nach Auszeit-Variante entweder eine Lohnfortzahlung oder eine Ersatzleistung. Um die akute Versorgung eines pflegebedürftigen Angehörigen zu koordinieren, bietet sich zunächst die kürzeste Variante an: zehn freie Arbeitstage.

Bis zu zehn Arbeitstage Extrazeit

Die kürzeste Pflegezeit nennt sich „kurzzeitige Arbeitsverhinderung“. Arbeitnehmer können sie von heute auf morgen nutzen. Ein Anruf oder eine Mail an den Chef genügt, und Sie bekommen bis zu zehn Arbeitstage frei. Voraussetzung ist, dass Sie die Pflege für einen nahen Angehörigen in einer akuten Situation organisieren. Wenn Ihr Arbeitgeber es verlangt, müssen Sie außerdem eine ärztliche Bescheinigung einreichen, die die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit Ihres Angehörigen bestätigt.

Für Beamte, Soldaten und Richter gelten unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern. Im Wesentlichen sollen sie mit Arbeitnehmern gleichgestellt sein.

In manchen Betrieben erhalten Sie während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung Ihr normales Gehalt weiter. Das ist der Fall, wenn es eine entsprechende Klausel in der Betriebsvereinbarung gibt. Ansonsten haben Sie einen Anspruch auf eine Lohnersatzleistung, das Pflegeunterstützungsgeld. Dies beträgt in der Regel 90 Prozent des ausgefallenen Nettogehalts. Um das Geld zu erhalten, müssen Sie am ersten Tag der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung einen Antrag bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen stellen. Dafür ist ebenfalls eine ärztliche Bescheinigung nötig, die Sie aber meist nachreichen können.

Während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung besteht voller Kündigungsschutz. Kranken- und pflegeversichert sind Sie allerdings nur, falls die Familienversicherung Ihres Partners oder Ihrer Partnerin in dieser Zeit greift. Sonst müssen Sie sich zwischenzeitlich freiwillig versichern. Bezahlt der Betrieb weiterhin Ihr normales Gehalt, bleiben Sie zu den üblichen Konditionen versichert.

Die Auszeit optimal nutzen

Wenn Sie die Pflege mit Partner oder Partnerin, Geschwistern oder Kindern abstimmen wollen, können Sie die kurzzeitige Arbeitsverhinderung untereinander aufteilen. Die zehn Arbeitstage sind auf eine pflegebedürftige Person bezogen. Wird also etwa Ihr Vater pflegebedürftig und Sie wollen sich mit Ihrem Bruder abstimmen, kann beispielsweise jeder von Ihnen fünf Tage der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nutzen. Wenn später auch Ihre Mutter eigene Pflegeleistungen braucht, können Sie die zehn Tage Arbeitsverhinderung für sie erneut nutzen und beliebig aufteilen. Es gibt keine Grenze, auf wie viele Menschen Sie die zehn Tage aufteilen dürfen.

image Eine längere Auszeit müssen Sie zwei bis acht Wochen im Voraus beantragen.

image

Können Sie bereits abschätzen, dass die zehn freien Arbeitstage nicht reichen werden? Oder wollen Sie in Zukunft einen Teil der Pflege und Unterstützung selbst übernehmen? Dann haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, bis zu zwei Jahre im Job kürzerzutreten oder einen Teil davon ganz auszusetzen, ohne dass Ihr Arbeitgeber Ihnen kündigen darf. Diese Zeit von bis zu zwei Jahren ist für Sie persönlich gültig. Weitere Pfleger haben ein eigenes Kontingent. Eine längere Auszeit müssen Sie allerdings zwei bis acht Wochen im Voraus ankündigen. Wie viel Geld Sie dann noch bekommen und welche Voraussetzungen Sie außerdem erfüllen müssen, lesen Sie ausführlich im Abschnitt „Im Job kürzertreten, um zu pflegen“ ab S. 57.

Pflegegeld erhalten: Den Antrag stellen

Damit die Pflegekasse etwas zahlt, muss der Pflegebedürftige einen anerkannten Pflegegrad haben. Das Geld kann für verschiedene Angebote genutzt werden.

image Sobald sich abzeichnet, dass ein Mensch regelmäßig Hilfe im Alltag benötigt, ist es sinnvoll, einen Pflegegrad zu beantragen. Dieser ist nicht nur Voraussetzung für die Versorgung in einem Heim. Auch und bevorzugt für die Pflege zu Hause bietet die Pflegekasse verschiedene Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung an. Um den dafür benötigten Pflegegrad zu bekommen, muss ein neutraler Gutachter den Grad der Pflegebedürftigkeit einschätzen. In dem Verfahren werden sowohl körperliche als auch geistige Einschränkungen, wie etwa Demenz, berücksichtigt. Je höher der Pflegegrad, desto mehr Geld gibt es.

imageWo sitzt die Pflegekasse?

Der Kontakt zur Pflegekasse läuft über die Krankenkasse des Pflegebedürftigen. Denn die Pflegekasse ist der Krankenkasse angegliedert. Bei Fragen zum Thema Pflege wenden sich gesetzlich Versicherte am besten telefonisch an die Krankenkasse und lassen sich dann an den richtigen Mitarbeiter verweisen. Wer privat krankenversichert ist, hat auch eine private Pflegepflichtversicherung. Ein fester Ansprechpartner muss im Vertrag genannt sein.

Personen, die Leistungen erhalten wollen, müssen zunächst einen formlosen Antrag auf Pflegeleistungen bei der eigenen gesetzlichen Pflegekasse oder privaten Pflegepflichtversicherung stellen. Das kann auch ein Angehöriger übernehmen. Wichtig ist nur, dass der oder die Versicherte persönlich unterschreibt. Am schnellsten ist das Verschicken per Mail oder Fax. Fragen Sie am besten telefonisch bei der Pflegekasse nach, welche der Möglichkeiten besser ist. Sie können den Pflegegrad zwar auch mündlich beantragen. Bei Fax oder Mail haben Sie aber einen schriftlichen Nachweis über den Tag der Antragstellung. Das ist wichtig, weil die Kasse rückwirkend ab Antragstellung zahlt, sobald ein Pflegegrad bewilligt ist. Sie sollten den formlosen Antrag daher schriftlich und so früh wie möglich stellen.

Checkliste

Schritt für Schritt zum Pflegegrad

imageAntrag. Jede versicherte Person darf einen Pflegegrad beantragen. Ein formloser schriftlicher Antrag mit Name, Anschrift und Datum genügt. Das Datum ist wichtig, weil die Kasse ab dem Monat der Antragstellung zahlt. Der Antrag muss persönlich unterschrieben werden.

imageFormulare. Die Pflegekasse schickt daraufhin ein Formular, das die versicherte Person ausfüllen muss. Darin werden genauere Daten abgefragt (siehe Tabellen auf S. 18/19). Dabei liegt ein Antrag auf Rentenbeitragszahlungen für eine ehrenamtliche Pflegekraft. Wenn Sie sich absehbar mindestens zehn Stunden pro Woche um Ihre(n) Angehörige(n) kümmern werden, sollten Sie den Antrag ausfüllen und zurückschicken. So können Sie zusätzliche Rentenpunkte sammeln. Die Stunden für mehrere Pflegebedürftige können Sie zusammenrechnen.

imagePrüfung. Anschließend prüft die Pflegekasse, ob es einen Anspruch auf Leistungen gibt. Die Prüfung dauert in der Regel wenige Tage.

imageGutachter. Nun kommt ein Gutachter zur Person, die den Antrag gestellt hat. Er prüft die Selbstständigkeit in Alltagssituationen und schlägt einen Pflegegrad vor. Zwischen Antragstellung und Einstufung dürfen maximal 25 Arbeitstage vergehen. In akuten Fällen, etwa wenn jemand eine Reha-Maßnahme macht, im Krankenhaus liegt oder palliativ versorgt wird, verkürzt sich die Frist auf zwei Wochen.

imageBearbeitung. Die Pflegekasse orientiert sich am Gutachten und legt den Pflegegrad fest oder lehnt ihn ab. Das geschieht in der Regel wenige Tage nach der Einstufung. Bis zum endgültigen Bescheid sollten Sie alle Rechnungen für Kosten, die durch die Pflege entstehen, aufbewahren, denn Sie können sie rückwirkend bis zum Tag der Antragstellung geltend machen.

imageWiderspruch. Sollte die Pflegekasse keinen oder einen zu niedrigen Pflegegrad festlegen, können Sie binnen eines Monats Widerspruch einlegen. Mehr dazu ab S. 38.

Die Pflegekasse schickt anschließend ein offizielles Antragsformular per Post. Neben persönlichen Daten möchte die Versicherung wissen, welche Leistungen der oder die Pflegebedürftige in Zukunft erhalten will (siehe Tabellen auf S. 18/19). Ist das noch nicht klar, können diese Details auch nachgereicht werden. Wenn später mehr oder andere Unterstützung gewünscht ist, lassen sich die Leistungen formlos umändern oder aufstocken. Das ist auch mehrmals pro Jahr problemlos möglich. Beim Ausfüllen dürfen Angehörige helfen, doch unterschreiben muss die Person, die den Antrag stellt. Eine Ausnahme gilt, wenn Angehörige bevollmächtigt sind, die Kommunikation mit der Pflegeversicherung zu übernehmen (siehe Kasten „Nur mit Vollmacht“).

Ist der Antrag bei der Pflegekasse eingegangen, überprüft sie, ob ein Anspruch auf Leistungen besteht. Das ist der Fall, wenn jemand voraussichtlich für mindestens sechs Monate auf Hilfe im Alltag angewiesen sein wird und in den vergangenen zehn Jahren mindestens zwei Jahre in die Pflegekasse eingezahlt hat oder familienversichert war.

Sind die Voraussetzungen erfüllt, meldet sich bei gesetzlich Versicherten jemand vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und bei privat Versicherten jemand vom Dienst Medicproof. Der Dienst vereinbart einen Termin und schickt dann einen Arzt oder eine Pflegekraft mit Zusatzqualifikation als Gutachter zur versicherten Person, um ihre Fähigkeiten zu prüfen. Das kann zu Hause, im Krankenhaus oder im Heim sein. Mithilfe von bis zu 78 Fragen und Übungen prüft der Gutachter, wie selbstständig jemand noch seinen Alltag verrichten kann. Angehörige dürfen und sollen dabei sein. Aus dem Gesamtergebnis geht der Pflegegrad hervor. Wie genau der Grad ermittelt wird, lesen Sie ab S. 34.

Gut zu wissen

Nur mit Vollmacht: Kann oder möchte ein Pflegebedürftiger sich nicht selbst um die Anträge bei der Pflegekasse kümmern, dürfen Angehörige diese Aufgabe nur mit einer Vollmacht übernehmen. Darin muss der Pflegebedürftige genau festlegen, welche Vertrauensperson ihn in welchen Angelegenheiten vertreten darf. Einen Kurzüberblick über die verschiedenen Vollmachten finden Sie ab S. 22.

Was zahlt die Pflegeversicherung?

Um die Pflege im Alltag zu finanzieren, gibt es Zuschüsse von der Pflegekasse. Je nach Situation lassen sich Gelder aus 13 verschiedenen Töpfen nutzen.

image Damit die Pflegeversicherung etwas zahlt, muss zunächst ein Pflegegrad vorliegen. Anschließend kann der oder die Pflegebedürftige – oder ein Angehöriger mit Vollmacht – die individuell passenden Leistungen beantragen.

Insgesamt gibt es vier Haupttöpfe und neun Nebentöpfe, deren Gelder zum Teil miteinander kombiniert werden können. Wie viel es gibt, hängt von mehreren Faktoren ab. Professionelle Pfleger bekommen mehr Geld als Verwandte. Für einen hohen Pflegegrad zahlt die Kasse mehr als für einen niedrigen. Und je nach Wohnform lassen sich unterschiedliche Geldtöpfe nutzen.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen ambulanter und stationärer Pflege. Ambulante Pflege findet in einem privaten Zuhause statt, stationäre Pflege nicht. Als stationär gelten klassische Pflegeheime, aber auch beispielsweise stationäre Hausgemeinschaften, in denen bis zu zwölf Bewohner von Profipflegern versorgt werden. Für solche stationären Lebensformen zahlt die Kasse den sogenannten Leistungsbetrag von bis zu 2 005 Euro im Monat je nach Pflegegrad. Dieser wird in der Regel direkt mit dem jeweiligen Dienstleister verrechnet.

Bei der ambulanten Versorgung unterscheidet die Pflegekasse, ob jemand von Angehörigen oder einem Pflegedienst im privaten Umfeld versorgt wird. Kommt ein Pflegedienst, gibt es die sogenannte Sachleistung von monatlich bis zu 2 095 Euro. Der Begriff ist allerdings etwas irreführend. Denn es ist eine Geldleistung gemeint, die meist direkt mit dem Pflegedienst verrechnet wird. Betreuen hingegen ausschließlich Verwandte, Freunde und Nachbarn die pflegebedürftige Person, bekommt sie direkt das Pflegegeld von bis zu 901 Euro überwiesen. Wie viel sie welchem Helfer geben möchte, bleibt ihr überlassen.

Pflegegeld und Sachleistung lassen sich auch miteinander kombinieren, wenn zum Beispiel die Angehörigen einen Teil der Pflege übernehmen und zusätzlich ein Pflegedienst als Unterstützung kommt.

Alle Pflegebedürftigen, die ambulant versorgt werden, können zusätzlich einen Entlastungsbetrag von 125 Euro erhalten, wenn sie niedrigschwellige Betreuungsangebote nutzen. Das können zum Beispiel Aktionsnachmittage bei Wohlfahrtsverbänden oder Besuchsdienste von Ehrenamtlichen sein. Mit Pflegegrad 1 lässt sich ausschließlich der Entlastungsbetrag nutzen. Welche Angebote es für mehr Abwechslung im Alltag generell gibt, lesen Sie ab S. 87.

Zusätzlich zu den vier Haupttöpfen gibt es noch weitere Gelder von der Pflegekasse. Kaum genutzt, aber sehr nützlich ist der Betrag für den Verbrauch bestimmter Hilfsmittel. Davon lassen sich Dinge bezahlen, die man immer wieder braucht, etwa Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel oder Masken. Bei verschiedenen Anbietern lassen sich individuelle Pflegeboxen bestellen, die monatlich per Paket kommen und direkt mit der Kasse abgerechnet werden.

Besonders wichtig für rasche Unterstützung ist die Kurzzeitpflege. Sie kommt infrage, wenn jemand etwa nach einem Unfall, einer Erkrankung oder im Anschluss an eine Reha-Maßnahme nur vorübergehend eine stationäre Betreuung nutzen möchte. Auch als Urlaubsvertretung für Angehörige ist die Kurzzeitpflege eine Option. Für bis zu acht Wochen im Jahr zahlen die Pflegekassen dafür Extrageld.

Regelmäßige Leistungen der Pflegeversicherung

Die vier „Haupttöpfe“ der Pflegekassen. Viele Pflegebedürftige nehmen mindestens eine Leistung regelmäßig in Anspruch. Wie viel es gibt, hängt vom Pflegegrad ab.

image

* Anspruch nur über Entlastungsbetrag ** Nur mit Hilfe für behinderte Menschen kombinierbar

Zusätzliche Leistungen der Pflegeversicherung

Die „Nebentöpfe“ der Pflegekassen. Sie kommen nur in bestimmten Situationen infrage. Einige Beträge gelten pauschal für alle, andere sind vom Pflegegrad abhängig.

image

* Anspruch nur über Entlastungsbetrag

Ist die Hauptpflegeperson krank oder im Urlaub, können Pflegebedürftige auch zu Hause von Ersatzpflegern versorgt werden. Die sogenannte Verhinderungspflege wird für bis zu sechs Wochen im Jahr bezahlt.

Eine Option im Alltag sind die Tages- und Nachtpflege, auch teilstationäre Pflege genannt: Der Pflegebedürftige verbringt die Nacht oder einen Teil des Tages in einer Pflege-Einrichtung und lebt ansonsten zu Hause. Die Tagespflege kann eine willkommene Abwechslung für Pflegebedürftige und Entlastung für Angehörige bieten. In Nachtpflege-Einrichtungen können etwa Demenzkranke unter Aufsicht ruhen oder auch spazieren gehen, ohne dass sie sich in Gefahr oder Angehörige um den Schlaf bringen.

Wichtig: Alle Gelder aus den Extratöpfen lassen sich miteinander kombinieren und werden nicht auf die ambulanten Leistungen angerechnet, aber Sie müssen für jede Leistung einen eigenen Antrag stellen.

Beratung nutzen

Zu Beginn einer Pflegesituation wissen die wenigsten, welche Hilfsangebote es gibt. Eine gute Beratung verschafft einen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten.

image Um zu erfahren, welche Unterstützung zur Pflege es vor Ort gibt und ob diese von der Pflegekasse finanziert wird, sind die Pflegestützpunkte der Länder eine gute Anlaufstelle. Sie müssen kostenlos, unabhängig und individuell über Hilfsangebote in der Region und die Leistungen der Pflegekassen beraten. Allerdings sind die Pflegestützpunkte nicht flächendeckend vertreten. Eine gute Alternative können Beratungsstellen von Wohlfahrtsverbänden sein, also vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), den Maltesern, den AWO-Vereinen, dem Paritätischen sowie der Caritas und der Diakonie. In vielen Regionen arbeiten außerdem freie Pflegeberater, die auf Wunsch auch nach Hause kommen.

Welche Beratungsstellen es in Ihrer Nähe gibt, erfahren Sie bei Ihrer Pflegekasse. Auf der Webseite des Zentrums für Qualität in der Pflege unter bdb.zqp.de können Sie sortiert nach Postleitzahl nach Beratungsangeboten suchen. Freie Berater finden Sie beim Bundesverband unabhängiger Pflegesachverständiger und Pflegeberater unter www.bvpp.org/anbieter.

Beratung in der Klinik

Nach einer Behandlung im Krankenhaus sind sogenannte Case Manager oder Mitarbeiter des Sozialdienstes die richtigen Ansprechpartner. Diese sind gesetzlich verpflichtet, eine gute Entlassung zu organisieren. Dazu gehört auch eine adäquate Weiterversorgung nach dem Klinikaufenthalt. Neu ab 2022 ist ein Anspruch auf eine bis zu zehntägige Übergangspflege, falls die Pflege nach dem Klinikaufenthalt nicht direkt sichergestellt werden kann.

Fragen Sie nach einer Pflege-Beratung, wenn sich eine Pflegebedürftigkeit ankündigt. Auch die Krankenkasse ist hierfür ein guter Ansprechpartner. Informieren Sie sich zudem, ob eine Reha-Maßnahme finanziert wird. Das kann manchmal die Pflegebedürftigkeit abwenden oder zumindest hinauszögern. Details zur speziellen geriatrischen Reha für ältere Menschen finden Sie ab S. 122.

Anspruch auf Pflegeberatung