C. W. Leadbeater

Die Chakras

Charles W. Leadbeater

Die Chakras

Eine Studie über die Kraftzentren
im menschlichen Ätherkörper

Mit einem Vorwort von Dr. Anodea Judith

Anmerkungen und Ergänzungen von Kurt Leland

Originalausgabe: The Chakras

© 2013 Theosophical Publishing House

Wheaton, Illinois

© Aquamarin Verlag GmbH

Voglherd 1 • D-85567 Grafing

ISBN 978-3-96861-036-8

INHALT


Anmerkung des Herausgebers

Abkürzungen der englischen Angaben

Vorwort

Vorwort zur 1. Ausgabe

I.    Die Kraft-Zentren

Die Bedeutung des Wortes »Chakra« • Einleitende Erklärungen • Der Ätherkörper • Die Zentren • Die Form der Wirbel • Die Abbildungen • Das Wurzel-Chakra • Das Milz-Chakra • Das Nabel-Chakra • Das Herz-Chakra • Das Hals-Chakra • Das Stirn-Chakra • Das Scheitel-Chakra • Sonstige Angaben über die Chakras

II.   Die Kräfte

Die primäre oder Lebenskraft • Das Schlangenfeuer • Die drei Kanäle des Rückgrates • Die Vermählung der Kräfte • Das sympathische Nervensystem • Die Zentren im Rückgrat • Die Vitalität • Das Vitalitätskügelchen • Der Zustrom der Vitalitätskügelchen • Psychische Kräfte

III.  Die Absorption der Vitalität

Das Kügelchen • Der violettblaue Strahl • Der gelbe Strahl • Der grüne Strahl • Der rosarote Strahl • Der orangerote Strahl • Die fünf Prâna-Vâyus • Vitalität und Gesundheit • Das Schicksal der entladenen Atome • Vitalität und Magnetismus

IV. Die Entfaltung der Chakras

Die Funktionen der erweckten Zentren • Die astralen Zentren • Die astralen Sinne • Das Erwachen der Kundalini • Die Erweckung der ätherischen Chakras • Gelegentliches Hellsehen • Die Gefahr der vorzeitigen Erweckung • Die spontane Erweckung der Kundalini • Persönliche Erfahrungen • Das ätherische Gewebe • Die Wirkung von Alkohol und narkotischen Giften • Die Wirkungen des Nikotins • Das Öffnen der Pforten

V.  Laya-Yoga

Die Werke der Hindus • Die indische Liste der Chakras • Die Abbildungen der Chakras • Das Herz-Chakra • Blütenblätter und Buchstaben • Die Mandalas • Die Yantras • Die Tiere • Die Gottheiten • Die Körper-Meditation • Die Knoten • Die sekundäre Herz-Lotosblüte • Die Wirkungen der Herz-Meditation • Kundalini • Die Erweckung der Kundalini • Der Aufstieg der Kundalini • Das Ziel der Kundalini • Schlussbetrachtung

Nachwort

Anhang

Anmerkungen

Bibliographie

Verzeichnis der Abbildungen

ANMERKUNG DES HERAUSGEBERS


Der vorliegenden Ausgabe habe ich erklärende Anmerkungen und einen Anhang hinzugefügt, der weitere Informationen von C.W. Leadbeater über die Chakras sowie eine Bibliographie enthält. Im Anschluss an das Inhaltsverzeichnis findet sich eine Zusammenstellung von Abkürzungen häufig zitierter Werke zu den im Text besprochenen und angeführten Hindu Schriften. Im Nachwort wird dargelegt, warum Leadbeaters hellseherische Untersuchungen der Chakras zu einer etwas anderen Darstellung als die heute gängige Beschreibung des Chakra-Systems führte.

Im Text selbst habe ich einige wenige, in früheren Ausgaben ausgelassene Sätze, die laut »Anmerkung eines Herausgebers nur zum Zeitpunkt der Originalausgabe relevant waren«, nicht wieder eingefügt. Abgesehen von geringfügigen redaktionellen Korrekturen und Klarstellungen, wie einer modernisierten Schreibweise sowie der Identifizierung und Verifikation des zitierten Materials, wurde die Textgestaltung in der Form der ursprünglichen englischen Ausgabe von 1927 beibehalten.

Zitate im Originaltext stehen in Parenthesen, einschließlich der Seitenangabe modernerer Ausgaben, die Leadbeater seinerzeit nicht zugänglich waren. Zitate, die ich Leadbeaters Text hinzugefügt habe, erscheinen in Klammern. In meinem Nachwort und in den Anmerkungen erscheinen Zitate in Parenthesen.

Kurt Leland, 2012

ABKÜRZUNGEN DER ENGLISCHEN ANGABEN


Bücher (deutsche Ausgaben in der Bibliographie)

ADW

Awakening to Divine Wisdom (Gichtel)

CW

Collected Writings (Blavatsky)

EP

The Esoteric Papers of Madame Blavatsky (Blavatsky)

EYT

The Encyclopedia of Yoga and Tantra (Feuerstein)

HLF

The Hidden Life in Freemasonry (Leadbeater)

HST

The Hidden Side of Things (Leadbeater)

IGT

The Inner Group Teachings of H.P. Blavatsky (Spierenburg)

IL

The Inner Life (Leadbeater)

LP

Light on the Path (Collins)

OC

Occult Chemistry (Besant und Leadbeater, 1919 ed.)

SD

The Secret Doctrine (Blavatsky)

SP

The Serpent Power (Avalon/Woodroffe)

SC

A Study in Consciousness (Besant)

VS

The Voice of the Silence (Blavatsky)

Indische Schriften1

BG – Die Bhagavad Gītā (Verweise auf Kapitel und Verse). »Des Herrn Lied.« Teil des Mahābhārata, des indischen Nationalepos, das ebenso wie die Upanishaden als Offenbarung göttlicher Weisheit betrachtet wird. Unterschiedlich datiert, stammt die Gita wahrscheinlich aus dem vierten bis dritten Jahrhundert v.Chr.

GP – Garuda Purāna (Kapitel und Vers). Schriften des Vishnuismus (Verehrung des Hindu-Gottes Vishnu), etwa um 900 n.Chr., Garuda, dem Adler, der Vishnu auf seinem Rücken trägt, gewidmet. Ein purāna ist eine umfassende Sammlung überlieferter Informationen zu verschiedenen Themen. Drei Kapitel dieses umfangreichen Werkes befassen sich mit Yoga und werden oft zusammen unter diesem Namen übersetzt.2

GS – Gheranda Samhitā (Kapitel und Verse). »Schriftensammlung des Gheranda [eines Weisen].« Wichtiger Yoga-Text aus dem späten 17. Jahrhundert. HYP – Hatha-Yoga-Pradipikā (Kapitel und Verse). »Licht auf Hatha (energischen) Yoga« von Yogī Svātmārāna (Mitte des 14. Jahrhunderts n.Chr.). Berühmtes Yoga-Handbuch.

PU – Prashna Upanishad (Kapitel und Verse). Ein früher, wahrscheinlich zwischen 600 v.Chr. und 100 n.Chr.3 entstandener Text in Form von sechs Fragen an einen Weisen und dessen Antworten.

SCN – Shatchakra Nirūpana (auch Sat-Chakra-Nirūpana; Seitenangabe der Übersetzung in The Serpent Power.) »Beschreibung und Untersuchung der sechs Körperzentren«, ein tantrischer Text von Swami Pūrnānanda (16. Jahrhundert n.Chr.)4 Der Tantrismus war eine Ausdrucksform des Shivaismus (Verehrung des Hindu-Gottes Shiva) und bot, im Gegensatz zu anderen Yogaformen, die sich ausschließlich auf das Bewusstsein konzentrierten, einen körperfokussierten Zugang zur Erleuchtung.

SS – Shiva Samhitā (Kapitel und Verse): »Shiva-Sammlung.« Wichtiger Yoga-Text aus dem späten 17. bis frühen 18. Jahrhundert n.Chr.

TMU – Dreißig geringere Upanishaden (Seitenangaben). Bezieht sich unter anderem auf folgende Aspekte: Dhyānabindu [Meditationspunkt] Upanishad, Shāndilya [Name eines Weisen] Upanishad, Tejobindo [Ausstrahlungspunkt] Upanishad, Yoga Kundalī [auch Yoga Kundalinī genannt] Upanishad, Yogatattva [Prinzipien des Yoga] Upanishad. Man bezeichnet sie als Yoga-Upanishaden, die irgendwann nach den Yoga-Sūtras entstanden sind.

YS – Die Yoga Sūtras (Kapitel und Verse): Wichtige Textquelle von Yoga-Aphorismen, die Pantanjali zugeschrieben werden und angeblich aus den ersten Jahrhunderten n.Chr. stammen.

Personen

CWL – Charles Webster Leadbeater (1854-1934).5

HPB – Helena Petrovna Blavatsky (1831-91), Begründerin der Theosophischen Gesellschaft (1875).

VORWORT


Den Chakra-Pfad entflammen

Vor vierzig Jahren entdeckte ich zum ersten Mal das Wort Chakra. Ich erinnere mich, dass ich es mehrmals laut aussprach und auf der Zunge zergehen ließ. Es durchfuhr mich, denn ich begriff, dass ich einen wichtigen Schlüssel zu einem ungeheuren Schatz gefunden hatte. Damals war es mir kaum bewusst, dass es mein Lebenswerk werden sollte, dieses uralte System als einen Entwurf für das neue Jahrtausend neu zu beleben.

Ich begann, ernsthaft nachzuforschen. Damals gab es sehr wenige Bücher über die Chakras. Die Schlangenkraft, Arthur Avalons Übersetzung der alten Texte, herausgegeben 1919, gehörte dazu, bedurfte aber absoluter Konzentration und eines Sanskrit-Lexikons, nur um gerade einmal ein paar Seiten zu lesen. Für den leidenschaftlich Interessierten war es ein wertvoller Text, nicht aber für die Allgemeinheit.

C.W. Leadbeaters Buch Die Chakras wurde zum Klassiker. Ich verschlang dieses Buch. Selbst heute noch ist meine Ausgabe mit Papierklammern und Gummibändern zusammengehalten, abgenutzt und gründlich durchgearbeitet. Mein Herz macht einen Sprung, wenn ich eine Ausgabe meiner eigenen Bücher entdecke, die so aussehen. Leadbeater hätte sicherlich seine Freude daran, könnte er meine abgewetzte Ausgabe seines Buches sehen.

Die Theosophie war mir nicht fremd. Obwohl ich mich von Jugend an mit metaphysischen Dingen befasst hatte, muteten mich vor vierzig Jahren Texte wie diese noch unverständlich an. Bei einer Dinner-Party gehörten sie nicht zu den allgemeinen Gesprächsthemen. Uns, die wir sie gelesen hatten, begegnete man mit hochgezogenen Augenbrauen, als wären wir noch nicht reif für die »reale« Welt, die gemessen und bewiesen werden konnte. 1927 war Leadbeater eindeutig seiner Zeit voraus, ein Pionier auf dem Gebiet subtiler Energien.

Die heutige Kulturlandschaft hat sich stark verändert. Wir erleben eine umfassende geistige Revolution und kulturelle Evolution, die uns die Tore zu jeder bekannten und untersuchten spirituellen Überlieferung öffnen. Bücher, die sich mit Metaphysik, Spiritualität und unserer Psyche befassen, beherrschen den Markt. Workshops zur Selbsthilfe und Selbsterforschung gibt es in Hülle und Fülle. Wie früher christliche Kirchen, sprießen heute die Yoga-Zentren aus dem Boden. Die Meditation ist nicht länger dem Mönch in seinem abgelegenen Kloster vorbehalten, sondern gehört für jeden, von der Hausfrau bis zum Firmenangestellten, zur täglichen Übung. In einigen Schulen wird das Konzept stiller »Einkehr« anstatt einer »Auszeit« angewendet, wenn die Kinder allzu ausgelassen sind.

Wir nähern uns einem neuen Zeitalter, in dem die Menschheit in einen höheren Seinszustand eingeweiht wird. Dabei handelt es sich nicht um eine Transformation, die in märchenhafter Weise durch einen Wink mit dem Zauberstab erfolgt, sondern um eine allmähliche Metamorphose. Es geht darum, die Lebensenergie zu verstehen, wie sie aufgebaut ist, wie sie uns durchströmt, was sie bedeutet und wie wir sie am besten nutzen.

Ein Aspekt dieser Initiation besteht darin, unseren Körper vollständig in Besitz zu nehmen und in unserer Mitte zu leben – unserem heiligen inneren Kern – der vertikalen Energiesäule, die von der Basis zur Krone empor läuft. Diese axis mundi, die Leadbeater die »Achse der Schöpfung« oder den »Meru-Stab« nennt, ist unsere persönliche Verbindung zwischen Himmel und Erde. In den antiken Mythen heißt es, dass der Jüngste Tag anbricht, wenn diese Verbindung durchtrennt wird. In einer Welt, in der der Jüngste Tag bedenklich nahe rückt, sind wir aufgerufen, diese innere Verbindung als Weg der Heilung zu stärken, nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere zerrissene Welt, in der die Spiritualität und der Alltag gefährlich weit voneinander getrennt liegen.

Der Kern ist in allen lebendigen Dingen gleich, in jedem Grashalm, jedem Baum, dem vertikalen Kanal jedes Menschen, einschließlich unserer Beine, Arme, Finger und Zehen. Von unserer Mitte aus haben wir den unmittelbaren Zugang zur Quelle, der inneren Quelle, die Himmel und Erde miteinander verbindet.

Wie eine Perlenkette verlaufen die Chakras als heilige Zentren unsere Wirbelsäule entlang. Liegen die Chakras auf einer Linie, werden wir diese Verbindung zwischen Himmel und Erde. Von dieser Ebene aus vermögen wir den Himmel auf Erden mitzugestalten, von einer Ebene des Bewusstseins, der Weisheit der Sensibilität und des Mitgefühls. Vielleicht gelingt es uns mit dieser intakten Verbindung, den Jüngsten Tag abzuwenden und das evolutionäre Experiment in seine potenzielle Herrlichkeit zu führen.

Nur wenige Menschen leben in ihrer Mitte. Durch die Biegungen und Windungen unseres Heranwachsens haben wir gelernt, die Quelle der göttlichen Lebensenergie um jeden Preis zu schützen. Wir entwickeln unumgängliche Abwehrreaktionen, die allerdings ihren Preis haben. In späteren Jahren befasst sich unsere Lebensenergie mehr mit diesen Verteidigungsmechanismen als mit dem kostbaren Kern, den wir zu schützen suchen. Wir spüren unsere Lebendigkeit nicht mehr, unsere Vitalität, unsere raison d΄etre. Das Chakra-System bringt uns zu unserem Kern zurück.

Die Seelenenergie ist zunehmend wichtig für die geistige Gesundheit, verbunden mit dem Wissen um die Chakras, Meridiane und andere subtile Energien, um zu heilen und zu transformieren. Ebenso wie wir vor der Erfindung des Mikroskops nicht wussten, das Bakterien Krankheitserreger sind (und selbst dann widersetzten sich Ärzte dem neugewonnenen Wissen, was zu unzähligen unnötigen Todesfällen führte), entdecken wir jetzt, dass subtile Energien zu Krankheiten oder Wohlbefinden in einer Weise beitragen, die wir gerade zu erkennen beginnen. Nach und nach werden Hilfsmittel wie die Kirlian-Photographie entwickelt, die uns helfen, diese Energien zu sehen und Daten zueinander in Beziehung zu setzen. Mit der Zeit wird der Einfluss subtiler Energien nachgewiesen und akzeptiert werden. Bis dahin sind wir auf hellsichtige Menschen angewiesen, die diese sehen und spüren und uns anleiten.

Leadbeater gehörte zu den ersten, die eine hellseherische Sicht der Chakras veröffentlichte. Für mich glich es einer Offenbarung, dass man solche Dinge aufgrund der Entwicklung unserer geistigen Fähigkeiten ohne Instrumente zu sehen vermag. Er inspirierte mich, mit den entsprechenden Techniken meine eigene Hellsichtigkeit zu entwickeln. Jahrelang leitete ich auf New Age-Veranstaltungen und in metaphysischen Zentren Readings und erlebte einen breiten Querschnitt von Menschen und ihrer Energieentfaltung durch ihre Chakras. Daraus schöpfte ich das Material für meine eigenen Bücher, besonders für Eastern Body, Western Mind, die unser Seelenleben in Bezug auf die Chakras erforschen.

Angesichts der steigenden Gesundheitskosten stellt sich die Frage: »Warum werden so viele Menschen krank?« Leadbeater erklärt die Verknüpfung zwischen Vitalität und Gesundheit, wie uns das Sonnenlicht von oben und die emporsteigende Schlangenkraft von der Erde nähren. Das Zusammenspiel dieser beiden Kräfte, von oben und von unten, gibt uns Energie und lässt die Chakras erwachen. In einer Welt, in der wir uns von der Erde entfernen, Wände und Dächer uns vor den Sonnenstrahlen abschirmen und wir uns meistens drinnen aufhalten, nimmt es nicht Wunder, dass wir kränkeln.

Der Begriff Chakra stammt aus der tantrischen Periode der Yoga Philosophie, etwa um 500 bis 1000 unserer Zeitrechnung. Die tantrische Spiritualität ist ein Gewebe der Dualität: Himmel und Erde, maskulin und feminin, innen und außen, Geist und Körper. Die Betonung liegt auf einer Integration aller Aspekte und nicht darauf, einen Wirklichkeitsaspekt zugunsten eines anderen zurückzuweisen. Auf diese Weise stellen die Chakras wesentliche Elemente unserer Existenz dar. Dies bedeutet nicht, das die unteren schlecht und die höheren gut sind, sondern dass jede Ebene Licht und Schatten widerspiegelt und ausgeglichen werden muss, damit wir gesunde und geistig wachsende Individuen sind.

Die Chakras liefern einen Grundriss für unsere Heilung, eine tiefgreifende Formel für Ganzheit und eine Transformationsvorlage. Sie beschreiben die Seelenarchitektur. Ebenso wie wir die Knochen, Muskeln und Organe des physischen Körperbaus erforschen, ermöglichen es uns die Chakras, die subtilen Seelenenergien zu studieren. Wie das menschliche Antlitz, so variiert auch diese Architektur von Mensch zu Mensch und weist dennoch gemeinsame Elemente auf.

Die Elemente der Chakras – von unten nach oben: Erde, Wasser, Feuer, Luft, Klang, Licht und Gedanke – beschreiben ein Schöpfungsspektrum von der physischen Ebene bis zum reinen Bewusstsein. Die Seelenenergien verlaufen in beide Richtungen, im Aufwärtsstrom der Befreiung, die eintritt, sobald die Materie in die subtilen Bewusstseinsenergien transformiert wird, und in dem absteigenden Strom der Manifestation, der mit Gedanken oder Ideen beginnt und zunehmend dichter wird, während er auf die manifeste Ebene hinabfließt. Die Chakras bilden die Meilensteine auf diesem Weg.

Der Mensch benötigt den aufwärts und den abwärts führenden Kanal. Wir müssen uns von einengenden oder destruktiven Mustern befreien können. Dabei handelt es sich um eine Funktion des Bewusstseins, die wir Erkenntnis nennen. Zu erkennen heißt, mit den »wahren Augen« zu sehen, die Wirklichkeit zu sehen, die Energie hinter der materiellen Darstellung zu erfassen.

Wir müssen auch in der Lage sein, unsere Visionen Wirklichkeit werden zu lassen, unseren Lebenszweck in die Tat umzusetzen und das höhere Bewusstsein zum Ausdruck zu bringen, damit sich unsere Umwelt entfaltet. Das Chakra-System bildet eine Vorlage für diesen Prozess, ein integratives System, das uns wieder zur Ganzheit verhelfen mag.

Mit seinem bahnbrechenden Buch Die Chakras machte uns Leadbeater die subtilen Energien dieser Zentren zugänglich. Dieses wichtige Werk gleicht einem Leuchtturm, der uns darauf hinweist, wie viel mehr es in der höheren Welt zu sehen und zu lernen gibt. Vielleicht ist dies die »reale« Welt, die wir letztlich verstehen müssen.

Dr. Anodea Judith

Autorin von Wheels of Life und Eastern Body, Western Mind

www.SacredCenters.com

VORWORT ZUR 1. AUSGABE


Wenn ein Mensch damit beginnt, seine Sinne weiter zu entwickeln, so dass er mehr wahrzunehmen vermag als die Allgemeinheit, dann eröffnet sich ihm eine ganz neue, überaus faszinierende Welt, in der wohl als Erstes die Chakras seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Seine Mitmenschen bieten ihm einen ganz neuen Anblick. Vieles, das seinen Augen vorher verborgen geblieben war, vermag er nun an ihnen wahrzunehmen, und so ist er in einem viel höheren Grade imstande, sie zu begreifen, sie anzuerkennen und ihnen – wenn nötig – zu helfen, als ihm dies vorher möglich gewesen wäre. Ihre Gedanken und Gefühle stehen ihm in Form und Farbe deutlich vor Augen; ihre Entwicklungsstufe, ihr Gesundheitszustand, auf die er bisher nur mittelbar schließen konnte, sind für ihn zu offensichtlichen, objektiv wahrnehmbaren Tatsachen geworden. Die in leuchtenden Farben erstrahlende Erscheinung der Chakras und ihre rasche, unausgesetzte Bewegung lenken sofort seine Aufmerksamkeit auf sich, und selbstverständlich will er wissen, was sie sind und was sie bedeuten. Das vorliegende Werk bezweckt nun, ihm eine Antwort auf diese Fragen zu geben und denjenigen, die es noch nicht versucht haben, die in ihnen schlummernden Fähigkeiten zu erwecken, wenigstens eine Vorstellung von diesem kleinen Abschnitt jenes weiten Feldes zu vermitteln, welches der Schau ihrer begünstigteren Brüder offen steht.

Eines muss jedoch von allem Anfang an ganz klar erfasst werden, um sonst unvermeidlichen falschen Vorstellungen zu begegnen: Das Vermögen, mehr wahrnehmen zu können als andere Menschen, hat durchaus nichts Phantastisches oder Unnatürliches an sich, sondern besteht einfach in einer Ausdehnung von Fähigkeiten, die uns allen schon vertraut sind. Sie zu erwerben, bedeutet, sich für Schwingungen empfänglich zu machen, die rascher sind als diejenigen, auf die zu reagieren unsere physischen Sinne normalerweise geschult sind. Jedermann wird im Laufe der Menschheitsentwicklung diese Fähigkeiten erwerben. Einige von uns aber haben sich der besonderen Mühe unterzogen, sie schon jetzt, früher als die anderen, zu erlangen, was eine harte, viele Jahre währende Arbeit bedeutet, die nur ganz wenige auf sich zu nehmen gewillt wären.

Ich weiß, dass noch sehr viele Menschen in der Welt so weit hinter ihrer Zeit zurückstehen, dass sie die Existenz derartiger Kräfte leugnen. Es fehlt mir an Zeit und Raum, um mich hier mit dieser Unwissenheit auseinander zu setzen, und ich kann nur auf mein Werk »Der sichtbare und der unsichtbare Mensch«1 und auf ganze Stöße von Werken anderer Autoren hinweisen, die denselben Gegenstand behandeln. Die Existenz der Chakras ist hunderte Male bewiesen worden, und niemand kann mehr an diesen Dingen zweifeln, der die gewichtige Bedeutung der Beweise zu würdigen vermag.

Die Chakras

Es besteht bereits eine ausgedehnte Literatur über die Chakras, allerdings fast ausschließlich in Sanskrit oder verschiedenen indischen Dialekten. Erst in den letzten Jahren ist auch in englischer Sprache einiges über sie erschienen. Ich selbst erwähnte sie in meinem Werk »Das innere Leben«2 um das Jahr 1910. Seitdem ist Sir John Woodroffes wundervolles Werk »Die Schlangenkraft« sowie englische Übersetzungen einiger anderer indischer Werke erschienen. Die symbolischen Darstellungen, die sie enthalten und die von den indischen Yogis benützt werden, sind in »Die Schlangenkraft«3 wiedergegeben. Soweit mir aber bekannt ist, stellen die Abbildungen, die ich in diesem Werk veröffentliche, den ersten Versuch dar, sie genau so wiederzugeben, wie sie denen, die sie wahrnehmen können, tatsächlich erscheinen. Der wichtigste Beweggrund, der mich veranlasste, dieses Werk zu verfassen, war denn auch, diese Reihe schöner Zeichnungen meines Freundes Rev. Edward Warner der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und es ist mir ein Bedürfnis, ihm an dieser Stelle meine tiefe Dankbarkeit auszudrücken für all die Zeit und Mühe, die er auf diese Zeichnungen verwendet hat. Ebenso danke ich auch meinem unermüdlichen Mitarbeiter Professor Ernest Wood für die Sammlung und Zusammenstellung der wertvollen Informationen über die indische Auffassung von unserem Thema, die im V. Kapitel enthalten sind.

Durch anderweitige Arbeit in Anspruch genommen, hatte ich ursprünglich bloß die Absicht, die verschiedenen Aufsätze, die ich schon vor längerer Zeit über diesen Gegenstand geschrieben hatte, zu sammeln und als Begleittext zu den Abbildungen neu herauszugeben. Als ich sie aber durchsah, stiegen verschiedene neue Fragen in mir auf, und eine kleine Untersuchung in dieser Richtung ergab weitere Tatsachen, die ich getreulich hinzufügte.4 Ich möchte übrigens hierbei erwähnen, dass sowohl das Vitalitätskügelchen als auch der Kundalini-Ring schon im Jahre 1895 von Annie Besant beobachtet und als Hypermetaproto-Elemente bestimmt wurden, wenn wir auch unsere Untersuchungen damals nicht weit genug ausdehnten, um die Beziehungen dieser beiden Erscheinungen zueinander und die wichtige Rolle zu entdecken, die sie im menschlichen Leben spielen.5

C. W. L.

I

DIE KRAFT-ZENTREN


Die Bedeutung des Wortes

Chakra ist ein Sanskritwort und bedeutet ein Rad. Es wird genauso wie das entsprechende Wort im Englischen und Deutschen in verschiedener abgeleiteter, symbolischer und Nebenbedeutung gebraucht. So wie wir den Ausdruck »Schicksalsrad« gebrauchen, so spricht der Buddhist vom »Rad des Lebens und des Todes«, und er benennt jene erste große Rede, in welcher der Buddha seine Lehre entwickelte, das »Dhammachakkappavattana Sutta« (»Chakka« entspricht im Pali dem Sanskritwort »Chakra«), das Prof. Rhys Davids in poetischer Weise übersetzt: »Das königliche Wagenrad eines allgemeinen Reiches der Rechtschaffenheit und Wahrheit ins Rollen bringen.«1 Dies entspricht genau dem inneren Sinne dessen, was dieser Ausdruck dem frommen Buddhisten vermittelt, obwohl die buchstäbliche Übersetzung der bloßen Worte »Das Drehen des Rades des Gesetzes« lautet. In dem besonderen Fall, mit dem wir es gegenwärtig zu tun haben, benennen wir mit dem Worte Chakra eine Reihe von radförmigen Wirbeln, die sich an der Oberfläche des Ätherkörpers des Menschen vorfinden.

Einleitende Erklärungen

Da dieses Buch wahrscheinlich auch in die Hände von Menschen geraten wird, die mit der theosophischen Terminologie nicht vertraut sind, mag es gut sein, einige erläuternde Worte an dieser Stelle vorauszuschicken. Im oberflächlichen Gespräch macht jemand manchmal Erwähnung von seiner Seele, mit der stillschweigenden Voraussetzung, dass der Körper, durch den er spricht, der wahre Mensch ist, und jenes »Seele« genannte Ding ein Besitz oder ein Anhängsel dieses Körpers darstellt, eine Art über ihm schwebender Fesselballon, der in irgendeiner unbestimmten Weise an ihn gebunden ist. Dies ist aber eine ganz nachlässige, ungenaue und irreführende Behauptung – das gerade Gegenteil davon ist wahr. Der Mensch ist eine Seele und hat einen Körper – in Wirklichkeit mehrere Körper; denn außer dem sichtbaren Körper, durch den er seine Arbeit in dieser niederen Welt verrichtet, besitzt er noch andere, die für das gewöhnliche Auge nicht wahrnehmbar sind und durch deren Vermittlung er in den Welten der Gefühle und Gedanken tätig ist. Mit diesen haben wir aber vorläufig nichts zu tun.

Im Verlauf des vorigen Jahrhunderts wurden ungeheure Fortschritte in der Erkenntnis der kleinsten Einzelheiten des physischen Körpers gemacht. Die Forscher auf dem Gebiet der Heilkunde sind inzwischen mit seiner außerordentlichen Mannigfaltigkeit vertraut und besitzen zumindest eine allgemeine Vorstellung von der Art und Weise, in der sein erstaunlich komplizierter Mechanismus arbeitet.

Der Ätherkörper

Naturgemäß mussten sie jedoch ihre Aufmerksamkeit auf jenen Teil des Körpers beschränken, der dicht genug ist, um für das Auge sichtbar zu sein, und die meisten von ihnen sind sich wohl dessen gar nicht bewusst, dass es jenen zwar unsichtbaren, aber trotzdem noch physischen Zustand der Materie gibt, der in der Theosophie ätherisch genannt wird.2 (Diese Bezeichnung darf uns aber nicht dazu verleiten, diese feinere physische Materie mit dem Äther des Raumes zu verwechseln, dessen Negation erst die Materie ist.) Dieser unsichtbare Teil des physischen Körpers ist für uns von größter Wichtigkeit, denn er ist es, durch den die Ströme der Vitalität fließen, die den Körper am Leben erhalten. Ohne ihn, der die Gedanken- und Gefühlsschwingungen vom astralen zum sichtbaren, dicht-physischen Körper leitet, könnte das Ego3 von den Zellen seines Gehirnes keinen Gebrauch machen. Er wird von Hellsehern ganz deutlich als eine schwach leuchtende, violettgraue Nebelmasse wahrgenommen, die den dichteren Teil des Körpers durchdringt und sich noch ein wenig über ihn hinaus erstreckt.

Das Leben des physischen Körpers ist einem ununterbrochenen Wechsel unterworfen; um zu leben, muss er so fortwährend aus drei gesonderten Quellen versorgt werden. Er benötigt Nahrung für seine Verdauung, Luft für die Atmung und Vitalität in drei Formen, die er absorbiert. Diese Vitalität ist ihrem Wesen nach eine Kraft; in Stoff gehüllt erscheint sie uns aber gleichsam wie ein höchst verdünntes chemisches Element. Sie existiert auf allen Ebenen, gegenwärtig haben wir uns jedoch nur mit ihrer Offenbarung in der physischen Welt zu beschäftigen.

Um all dies zu verstehen, müssen wir etwas von dem Aufbau und der Beschaffenheit des ätherischen Teiles unseres Körpers wissen. Ich habe dieses Thema schon vor Jahren in verschiedenen Werken behandelt, und Arthur E. Powell hat alle über diesen Gegenstand schon erschienenen Berichte in seinen Büchern »Der Ätherkörper, Der Astralkörper, Der Mentalkörper und Der Kausalkörper« zusammengefasst und in handlicher Form herausgegeben.4

Die Zentren

Die Chakras oder Kraftzentren sind die Verbindungspunkte, durch die Energie von einem »Vehikel« oder Körper des Menschen zum anderen fließt. Jeder, der auch nur in geringem Grade hellsehend ist, vermag sie unschwer im Ätherkörper wahrzunehmen, auf dessen Oberfläche sie als napfförmige Vertiefungen oder Wirbel erscheinen. Solange sie noch ganz unentwickelt sind, gleichen sie kleinen Kreisen von etwa 5 Zentimeter Durchmesser, die beim Durchschnittsmenschen dumpf erglühen. Erweckt und belebt, sind sie jedoch strahlende, funkelnde Strudel, die an Größe sehr zugenommen haben und winzigen Sonnen gleichen. Man spricht manchmal von ihnen, als ob sie ungefähr bestimmten physischen Organen entsprächen. In Wirklichkeit aber befinden sie sich auf der Oberfläche des Ätherkörpers, der sich ein wenig über den Umfang des physischen Körpers ausdehnt. Der Kelch einer Blüte der Convulvulus-Gattung, in den wir von oben hineinsehen, gibt eine ungefähre Vorstellung von dem allgemeinen Aussehen eines Chakra. Der »Blumenstängel« entspringt einem Punkt des Rückgrates, so dass wir uns auch das Rückgrat als einen zentralen Stamm vorstellen können, aus dem in bestimmten Abständen Blüten entspringen, deren Kelche sich auf der Oberfläche des Ätherkörpers öffnen. (Siehe Tafel IX).

Die sieben Zentren, mit denen wir uns hier beschäftigen, sind in Abb. 1 angedeutet. Tabelle I gibt ihre deutschen und Sanskrit-Benennungen wieder.

Dies stellt den Menschen, von den Chakras umgeben, dar:

Abb. 1

Tabelle 1

Alle diese Räder drehen sich unausgesetzt, und in die Nabe oder den offenen Mund eines jeden strömt unaufhörlich eine Kraft aus höheren Welten ein – eine Manifestation des Lebensstromes, der vom zweiten Aspekt des Sonnenlogos ausgeht, – die wir die »Primärkraft« nennen. Diese Kraft ist siebenfältiger Natur, und alle ihre sieben Formen wirken in jedem einzelnen Chakra, wenn auch in jedem stets eine von ihnen den anderen gegenüber vorherrscht. Ohne diesen Krafteinstrom könnte der physische Körper nicht bestehen; darum sind auch diese Zentren bei allen Menschen in Tätigkeit, obgleich sie sich in einem unentwickelten Individuum natürlich nur verhältnismäßig schwerfällig bewegen und gerade nur den für die Kraft notwendigen Wirbel erzeugen, aber auch nicht mehr. In einem entwickelten Menschen aber erstrahlen und pulsieren sie in lebendig erglühendem Licht, so dass eine weitaus größere Energiemenge sie durchflutet, was wieder zur Folge hat, dass sich diesem Menschen weitere Fähigkeiten und Möglichkeiten eröffnen.

Die Form der Wirbel

Diese göttliche Energie, die in jedes Chakra von außen einströmt, sendet rechtwinklig zu sich (d. h. also in der Oberfläche des Ätherkörpers) sekundäre Kräfte in wellenförmig kreisender Bewegung aus, geradeso wie ein Magnetstab, den man in eine Induktionsrolle steckt, einen elektrischen Strom erzeugt, der rechtwinklig zur Achse oder Richtung des Magnetstabes die Spule umfließt. Die in dem Wirbel aufgetretene primäre Kraft strahlt selbst auch wieder rechtwinklig von seiner Achse, jedoch in geraden Linien aus, als wenn das Zentrum des Wirbels die Nabe eines Rades und die Ausstrahlungen der primären Kraft seine Speichen wären. Durch diese Speichen scheint die Kraft den astralen mit dem Ätherkörper wie mit Klammern zu verbinden. Die Anzahl dieser Speichen variiert in den verschiedenen Kraftzentren und bestimmt die Zahl der Wellen oder »Blütenblätter«, die jedes von ihnen aufweist. Deshalb werden in orientalischen Werken diese Zentren oft in poetischer Weise mit Lotos-Blüten verglichen.