Barbara Kramer / Frauke Ion
Konflikte klären
ist Chefsache
Die vier Konfliktklärungskompetenzen
erfolgreicher Führungskräfte
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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-95623-792-8
Lektorat: Anja Hilgarth, Herzogenaurach
Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de
Titelfoto: ESB Professional/Shutterstock
Illustrationen: Timo Würz
Autorenfoto Barbara Kramer: Ralf Bauer, Köln
Autorenfoto Frauke Ion: Nils Fasel, Köln
Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de
© 2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
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Inhalt
Vorwort
Einleitung
Warum Konflikte klären Chefsache ist
Wissenswertes zu Konflikten
Arten von Konflikten
Beziehungskonflikte
Sachkonflikte
Konfliktursachen in Unternehmen
Die vier Phasen der Teamentwicklung
Forming (Test- oder Orientierungsphase)
Storming (Konflikt-, Frustrations-oder Nahkampfphase)
Norming (Normierungs-, Akzeptanz- oder Organisationsphase)
Performing (Arbeits-, Routine- oder Verschmelzungsphase)
Konflikte stoßen Veränderungen an
Die 1. Kompetenz
„Selbstreflexion“ – sich bei sich selbst gut auskennen
Persönlichkeitsanalysen – moderne Reflexionshilfen
Das Riemann-Thomann-Kreuz: Psychologie der Konfliktentstehung
Die Nähe-Strebung
Die Distanz-Strebung
Die Dauer-Strebung
Die Wechsel-Strebung
Fragebogen zur Selbsteinschätzung
Die Verhaltenspräferenzanalyse
Verhaltenspräferenzen erkennen und in Konflikten nutzen
Die Selbst- und Fremdeinschätzung von Verhaltenspräferenzen
Das Reiss Motivation Profile® (Lebensmotivanalyse)
Die 16 Lebensmotive
Mitarbeitermotive erkennen – Konflikten vorbeugen
Das Bedürfnis, Konflikte auszutragen
Die 2. Kompetenz
„Empathie“ – die Gefühle der anderen verstehen
Menschen und ihre Emotionen
Basise motionen erkennen
Die einfachen und die schwierigen Gefühle
Wie entstehen die schwierigen Gefühle?
Der Umgang mit Gefühlen
Die Grundregel im Umgang mit schwierigen Gefühlen
Zuhören, um zu verstehen
Fazit
Die 3. Kompetenz
„Impulssteuerung“ – den Autopiloten stoppen
Der Soziale Spiegel als „Entschuldigung“
Proaktivität: Der erste Schritt zur Konfliktlösung
Fazit
Übungen zur Kontrolle und Steuerung von Gefühlen
Die 4. Kompetenz
Metakommunikation – über Konflikte reden können
Konfliktgespräche führen – menschen-, sach- und situationsgerecht
Die Phasen des Konfliktgesprächs
Konflikte moderieren – die Königsdisziplin der Gesprächsführung
Zwischen den Stühlen – der Chef als Konfliktmoderator
Moderation eines Konfliktgesprächs zwischen Mitarbeitern
Moderation durch einen externen Berater
Maßnahmen zur Konfliktprophylaxe
Regelmäßige Reflexion des eigenen Führungsstils
Teamgespräche als Konfliktprophylaxe
Kollegiale Coaching-Gruppen – Stärkung der emotionalen Führungskompetenz
Schlusswort
Über die Autorinnen
Barbara Kramer
Frauke Ion
Literaturverzeichnis
Vorwort
Wer kennt es nicht: Im Büro herrscht mal wieder dicke Luft. Man redet aneinander vorbei, macht sich gegenseitig das Leben schwer. Und obwohl sie keiner haben will, gehören Konflikte zum Arbeitsalltag, lassen sich nicht vermeiden und entstehen oftmals ganz von selbst, denn: Ungleiche Charaktere, Arbeitsweisen und Interessen treffen aufeinander und kommen sich in die Quere. Dies hat zur Folge, dass Konflikte am Arbeitsplatz, sowohl privat als auch beruflich, zu großem Stress führen können, denn sie sind meistens mit schwierigen Gefühlen verbunden. Und wer innerlich aufgewühlt ist vor Ärger, Wut, Neid oder Gekränktsein, kann sich kaum noch auf die eigentliche Arbeit konzentrieren.
Konflikte am Arbeitsplatz sind somit keine Lappalie. Die Tatsache, dass sie in Unternehmen und Wirtschaft zur Tagesordnung gehören, geben Führungskräfte oftmals nicht gerne zu. Die vorherrschende Angst, mit Sätzen wie „Sie haben wohl Ihr Team nicht im Griff“ als Führungsversager abgestempelt zu werden, hemmt viele Chefs, offen mit Konflikten umzugehen. Zu Unrecht. Wir glauben: Wenn eine Führungskraft in der Lage und gewillt ist, Konflikte in ihrem Team zu erkennen und sich dieser anzunehmen, beweist sie echte emotionale Führungsqualitäten. Meist sind nicht die Interessenunterschiede und Meinungsverschiedenheiten die eigentlichen Probleme, sondern die Art und Weise, wie mit diesen umgegangen wird. Und das kennt jeder aus seinem Leben. Wir alle haben vermutlich schon einmal erfahren, welche Dynamik ein Konflikt entwickeln und wie zerstörerisch er werden kann, wenn er nicht gesehen, geschweige denn an- oder ausgesprochen wird.
Wir wollen deshalb mit diesem Buch einen Beitrag dazu leisten,
Unserer Erfahrung nach sollten Chefs Konfliktpotenziale möglichst schnell erkennen und bereits entstandene Konflikte gezielt angehen. Kompetent geführte Auseinandersetzungen schaffen eine Streitkultur, in der Veränderungsprozesse in Gang gesetzt werden, die letztlich zu einem verbesserten Klima und zu motivierten Mitarbeitern beitragen können. Dafür ist es hilfreich, dass Führungskräfte verstehen, was den Konflikt verursacht hat, und dass er zunächst geklärt werden muss, bevor der Fokus auf die Lösung gerichtet wird.
Teams, die produktiv sein und nicht durch schwelende Konflikte gebremst werden wollen, brauchen somit einen Konflikt-klärer – und das kann auch der eigene Chef sein. Aus einer „Adlerposition“ heraus schaut er auf das Team, erkennt, wo sich Konflikte anbahnen, und sorgt dafür, dass sie direkt geklärt werden können. Sollte es dennoch zu einer größeren Auseinandersetzung kommen, verfügt er über das nötige Handwerkszeug, um den Konflikt – gemeinsam mit den Konfliktparteien – effizient und effektiv zu klären. So weit die Theorie. In der Praxis braucht es viel Know-how und soziale Kompetenz, wenn es darum geht, Zwischenmenschliches zu erfassen, für alle Parteien annehmbar zu machen und den Konflikt nachhaltig aus der Welt zu schaffen. In Anlehnung an Daniel Golemans Faktoren emotionaler Intelligenz sind es aus unserer Sicht die folgenden vier Konfliktklärungskompetenzen, die Führungskräfte dafür brauchen:
Selbstreflexion und Empathie sind zwei Seiten einer Medaille. Denn: Man erkennt nur, was man kennt. Je besser man sich bei sich selbst auskennt, um die eigenen Gefühle, Überzeugungen und Handlungsmuster weiß, umso einfacher fällt es, sich in andere hineinzuversetzen.
Zu jeder der vier Konfliktklärungskompetenzen bietet dieses Buch eine kurze theoretische Einordnung und viel Praxis in Form von Denkanstößen, Reflexionsübungen, Checklisten und Selbsteinschätzungen sowie Beispiele aus dem Konfliktklärungsalltag unserer Workshop-Teilnehmer und Coachees. All das wird Ihnen dabei helfen, Ihren Werkzeugkoffer um das Tool „Konfliktklärungskompetenz“ zu erweitern. Das Buch gibt somit Hilfe zur Selbsthilfe. Sie erkennen, wie gut Sie für die Konfliktklärung schon aufgestellt sind, welche Ihrer „Werkzeuge“ Sie bereits anwenden und welche vielleicht – obwohl vorhanden – in Vergessenheit geraten sind. Am Ende werden Sie ein Gespür dafür entwickelt haben, wann Sie als Chef einschreiten sollten und wann nur noch ein externer Berater mit entsprechender Expertise helfen kann.
Konflikte sind wichtig. Sie bringen Dinge in Bewegung und im besten Falle Menschen miteinander ins Gespräch. Nutzen Sie diese Chance. Denn:
„Ziel eines Konflikts oder einer Auseinandersetzung sollte nicht der Sieg, sondern der Fortschritt sein.“
(Joseph Joubert, französischer Moralist und Essayist)
Wir haben dieses Buch geschrieben wohl wissend, dass Konflikte klären eine sehr komplexe Angelegenheit ist und es kein allgemeingültiges Rezept dafür gibt. Dennoch sind es die genannten Kompetenzen, Methoden und Vorgehensweisen, die sich in der Praxis bewährt haben und unserer Erfahrung nach hilfreich sind.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen, Reflektieren und vor allem bei der erfolgreichen Umsetzung.
Barbara Kramer und Frauke Ion
Einleitung
Warum Konflikte klären Chefsache ist
Konfliktklärung ist Chefsache! Diese Aussage mag provokant klingen, aber wir sind der Meinung, dass Führungskräfte für alle Formen von Störungen in der Zusammenarbeit zuständig sind – schließlich tragen sie die Verantwortung für die Zielerreichung und ein gutes betriebswirtschaftliches Unternehmensergebnis.
Immer dann, wenn Mitarbeiter ein Verhalten zeigen, das die Zusammenarbeit erschwert, ein gutes Betriebsklima stört, die gesetzten Ziele gefährdet und dadurch dem Unternehmen betriebswirtschaftlich schadet, sollten Führungskräfte also handeln. Denn: Laut einer Konfliktkostenstudie der KPMG (zum Download unter https://www.kpmg.de/Publikationen/30558.asp) senken Konflikte die Produktivität in Unternehmen um 25 Prozent. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: mangelnde Kommunikation, angespanntes Klima, Verlust an Lebensqualität, Machtspiele – Informationen werden nicht weitergegeben, Entscheidungen können nicht bestmöglich getroffen werden, Lösungen werden unzulänglich umgesetzt. Und da Konflikte eine Menge Aufmerksamkeit absorbieren, sind die Kreativität und das Innovationsstreben erheblich eingeschränkt. Menschen werden krank oder verlassen das Unternehmen ganz, weil sie in einem angespannten Klima nicht länger arbeiten möchten. Gerade junge Menschen der Generation Y sind dazu immer weniger bereit. Dass also ein Viertel des Umsatzes von der Kommunikationsqualität abhängt, verdeutlicht die unmittelbare betriebswirtschaftliche Relevanz, sich um Konflikte zu kümmern und einen hilfreichen Umgang mit ihnen zu finden.
Konfliktdefinition
Was ist eigentlich ein Konflikt und wie reagieren wir darauf? In Anlehnung an die Definition von Fritz Glasl ist für uns ein Konflikt eine soziale Interaktion (zwischen Menschen), in der es Unvereinbarkeiten gibt (Bedürfnisse, Werte, Ziele etc.), die mit einer emotionalen Beeinträchtigung (schwierige Gefühle) einhergehen.
Anhand der folgenden Grafik zeigen wir, welche automatischen Reaktionsmechanismen in Konflikten wirksam sind und welche Kompetenzen helfen, eine faire Konflikt- und effektive Kommunikationskultur zu schaffen.
Reaktionsweisen im Konflikt
Vereinfacht dargestellt spielt sich in uns folgendes Geschehen ab: Wenn wir ein Bedürfnis haben, das erfüllt wird – sagen wir, wir fühlen uns respektiert und verstanden –, löst das Freude, Glück und Zufriedenheit aus. Wird unser Bedürfnis nicht erfüllt, reagieren wir innerlich eher mit Frust, Ärger und Beleidigtsein. Dies geschieht in Millisekunden im Basissystem unseres Gehirns – der „neurobiologischen Heimat von Affekten und Impulsen“, wie der Neurobiologe Joachim Bauer es nennt. Unser Körper reagiert dann – individuell unterschiedlich – mit alten Handlungsmustern: Angriff, Sichtotstellen oder Flucht. Diese Erstreaktionen sind unwillkürlich und unterliegen zunächst nicht unserem willentlichen Einfluss.
Bleiben wir in diesen Handlungsmustern gefangen, hat es zur Folge, dass wir:
Diese Automatismen sind nicht hilfreich – für keine Form von Beziehung und schon gar nicht für den Arbeitsalltag von Führungskräften. Nach der unwillkürlichen Erstreaktion braucht es somit eine willkürlich gesteuerte Entscheidung, um einen anderen, zielführenden Umgang mit der konfliktgeladenen Situation zu finden. Diese Entscheidung wird im präfrontalen Kortex unseres Gehirns getroffen. Laut Joachim Bauer ist das die neurobiologische Adresse des freien Willens, der Menschen in die Lage versetzt, ihre Aufmerksamkeit zu steuern und absichtsvoll zu fokussieren – weg von unwillkürlichen Handlungsmustern hin zur willkürlichen Entscheidung.
Im Klartext heißt das: Führungskräfte müssen bewusst die vier Konfliktkompetenzen
einsetzen, wenn sie langfristig erfolgreich mit Konflikten umgehen und so Geld, Zeit und Nerven sparen wollen.
Jede dieser vier Kernkompetenzen beleuchten wir in einem eigenen Kapitel.
Es gibt aber noch eine weitere Herausforderung für Führungskräfte: Ihr Werkzeugkasten ist häufig voll mit Tools, die ihnen dabei helfen, das operative Geschäft zu meistern. Davon werden nur wenige und meistens dieselben benutzt. Dies ist dem Erwartungsdruck geschuldet, dem die Führungskräfte von heute ausgesetzt sind. Sie haben häufig mehr Aufgaben auf der Agenda, als sie bewerkstelligen können: die Produktivität steigern, die Kosten kontrollieren und reduzieren, die Umsatzerwartungen erfüllen, den Markt beobachten, Kunden akquirieren und pflegen, Beschwerden managen, Strategien entwickeln und umsetzen, Innovationen anstoßen und unterstützen und „ganz nebenbei“ auch noch die Mitarbeiter führen. Und jetzt sollen diese geplagten „Alleskönner“ sich auch noch mit Konflikten bzw. der Konfliktklärung und -prävention beschäftigen? Wie passt das in einen Arbeitsalltag? Sicher gibt es schwierige Situationen, die ohne einen externen Experten nicht zu lösen sind. Aber vermutlich gibt es noch öfter Konflikte, in denen Sie als Führungskraft Ihre Führungskompetenz beweisen können: indem Sie Spannungen wahrnehmen und ansprechen, was „schiefläuft“, bevor ein Konflikt eskaliert oder sich manifestiert. Es ist deshalb ratsam, Ihre vielen Aufgaben einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und eine Inventur zu machen, um zu entscheiden, welche Aufgaben letztendlich Führungsaufgaben sind. Eine Führungskraft muss eben nicht die beste Fachkraft sein. Eine Führungskraft hat als oberste Priorität, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Teammitglieder ihre Aufgaben bestmöglich erledigen können. Das bedeutet auch, in Situationen, in denen sich die Mitarbeiter in Konflikten, Disharmonien und /oder Unstimmigkeiten verlieren, für Klarheit und Weitsicht zu sorgen. Dazu gehört, sich für Aussprachen starkzumachen, damit das Umfeld wieder in Balance gerät, offen miteinander und nicht übereinander spricht, Vertrauen wiederaufgebaut wird und gemeinsame Ziele verfolgt werden können.
Bevor wir die vier Kernkompetenzen beschreiben, skizzieren wir im folgenden Kapitel kurz die verschiedenen Arten von Konflikten und deren Ursachen. Außerdem zeigen wir anhand des Teamentwicklungsmodells von Tuckman, dass Konflikte im Arbeitsalltag tatsächlich unvermeidbar sind.