Für PiJu
Fünf Autos sind mehr als drei Autos, acht Hasen sind weniger als zehn Hasen, drei Pilze sind weniger als sechs Pilze … Ich muss immer das richtige »Krokodil-Zeichen« setzen, 5 > 3 und 8 < 10 und 3 < 6. Pffff, dauert das lange, und es ist auch ein bisschen langweilig. Doch gerade, als ich das denke, passiert es: Es kichert unter meinem Schultisch. Das kann ja wohl gar nicht sein! Aber dann höre ich das Kichern wieder. Und plötzlich weiß ich, wer das ist.
Julius guckt mich schon komisch von der Seite an. Er sitzt neben mir, leider. Unsere Lehrerin Frau Puster hat nach den Weihnachtsferien eine neue Sitzordnung gemacht, immer Junge neben Mädchen. Na toll, dabei wollte ich doch neben meiner allerbesten Schulfreundin Lara sitzen, Lara mit den roten Locken und den irre vielen Sommersprossen. Meine Schulfreundin habe ich extra gesagt, denn meine allerbeste Freundin ist natürlich Toni. Sie ist kurz vor dem Schulanfang in eine andere Stadt gezogen, obwohl wir seit dem Kindergarten jeden Tag zusammen waren: Toni mit den schokoladenbraunen Haaren und Rosa mit den honigblonden. Oft hatten wir sogar die gleichen Erdbeer-Haargummis drin. Aber das ist alles ganz schön lange her. Jetzt bin ich schon eine Weile in der ersten Klasse, und in ein paar Wochen werde ich sieben!
Auf einmal ist da wieder dieses Kichern, und dann ruckelt es ziemlich doll in meinem Schulranzen.
Julius stößt mich an. »Dein Ranzen redet!«
»Quatsch mit Soße. Ranzen können nicht reden«, sage ich und klicke die Schnallen sicherheitshalber fester zu. Dabei klopfe ich ein bisschen auf den Ranzendeckel, damit Biber kapiert, dass er leise sein soll. Keiner in der Klasse darf von Biber wissen, nicht mal Lara, denn Biber ist ein Teil vom Rosa-Toni-Geheimnis.
Endlich habe ich die drei kleinen Hunde mit den drei großen Hunden verglichen: Es sind gleich viele Hunde, also schreibe ich 3 = 3, ist doch klar wie Kloßbrühe.
Nun klingelt die Schulglocke. Ding-dang-dong. Und weil das zum Glück die letzte Stunde war, rufe ich Lara und den anderen nur schnell »Tschüs, ich muss heute schnell nach Hause!« zu. Dann renne ich mit meinem Ranzen auf dem Rücken zum Schultor.
Ich höre ein Quieken.
»Manno, nicht so ruckeln. Sonst verschlucke ich mich noch an meiner Karotte!«
»Psst, Biber, bitte erst zu Hause …«, sage ich leise. Auf meinem Schulweg sind nämlich immer tausend andere Kinder. Und ich kann ja schlecht zu denen sagen: »Entschuldigung, aber ich muss kurz meinem sprechenden Kuschelbiber was erklären!«
»Hihi, das ruckelt und schuckelt!« Biber hört einfach nicht auf mit seinem Gequassel und seinem typischen Biberkichern.
Ich grinse und klopfe beim Laufen von hinten an den Ranzen. »Ruhe jetzt, du Frechdachs!«
Kurz darauf bin ich zum Glück schon bei unserer Haustür angekommen.
»Na, da hat es aber einer eilig«, sagt Mama. Sie nimmt mich in den Arm.
»Hallo, hallo! Ich habe heute superviel auf, muss gleich hoch in mein Zimmer«, sage ich zu ihr.
»Also, einen Teller Suppe wirst du wohl vorher noch schaffen«, antwortet Mama.
Beim Essen möchte Mama dann wissen, wie der Sportunterricht war, wie ich die neue Sitzordnung finde und ob ich mich diese Woche mit Lara verabreden will.
Ich sage immer nur Ja und Nein, weil ich für solche Sachen gerade wirklich keine Zeit habe.
Mama guckt mich ein bisschen grummelig an. »Alles klar, ich verstehe schon, ab nach oben mit dir!«
»Tut mir leid, ich habe einfach so schrecklich viel zu tun«, sage ich. Mit dem Ranzen auf dem Rücken renne ich hastig die Treppe rauf, sodass ich stolpere und fast hinfliege. Ich winke Mama beruhigend zu – nix passiert.
Jetzt muss Mama lachen.
»Biber, was fällt dir denn ein? Du kannst doch nicht heimlich in meinen Ranzen klettern!« Ich lasse die Schnallen des Ranzens aufschnappen, drücke Biber an mich und schnuppere an seinem weichen Bauch. Ein kleines bisschen riecht er nach Anspitzer und nach etwas anderem, es ist dieser besondere Schulgeruch.
»Ich mag nicht immer nur im Bett sein, das ist langweilig«, sagt Biber leise. Er zupft an seinem bunten Schal herum und guckt mich mit seinen Knopfaugen traurig an. »Außerdem habe ich Ted ewig nicht gesehen.«
Ted ist Tonis Teddybär, aber der ist natürlich mit ihr zusammen weggezogen. Es war wirklich seltsam: Kurz vor Tonis Umzug haben unsere Kuscheltiere plötzlich angefangen zu reden. Natürlich hatten wir vorher schon immer gespielt, dass sie reden können. Aber dann war es auf einmal echt. Das ist richtig witzig. Und richtig schön, weil es unser großes Geheimnis ist.
»Ich weiß …«, sage ich. »Ich will Toni doch auch so gern wiedersehen.«
In der Adventszeit war Toni mit ihrer Familie bei uns zu Besuch, zwei ganze Tage lang! Toni und ich haben mit Biber und Ted eine richtige Wiedersehensparty gefeiert, mit steinhartem Karottenkuchen und Matratzenlager.
Neulich hat zum ersten Mal meine beste Schulfreundin Lara hier übernachtet, und sie hatte ihren Kuschelpanda dabei. Am nächsten Morgen war Biber sauer, weil Kuschelpanda nämlich gar nicht reden konnte und die ganze Zeit nur langweilig vor sich hin geguckt hat, wie ein stinknormales Stofftier.
»Armes Biberlein«, sage ich nun und streichle ihm über den Kopf. Biber hat braunes Fell und lange, schlabberige Arme und Beine. Um den Hals trägt er einen bunten Schal, und an den Pfoten hat er hübschen Blümchenstoff. Natürlich hat er auch einen platten Biberschwanz, obwohl er im Kinderzimmer damit gar nicht herumschwimmen kann.
»Vielleicht kommt Toni ja zu meinem Geburtstag!«, fällt mir plötzlich ein. »Guck mal, Biber, jetzt ist schon Anfang März, und mein Geburtstag ist im April. Das ist überhaupt nicht mehr so lange hin.«
Biber nickt. »Liest du mir bitte noch mal Tonis letzten Brief vor?«
Ich krame in meiner Schreibtischschublade und hole Tonis Brief heraus. Den wollte ich doch sowieso über mein Bett hängen! Ich nehme grünes Klebeband und hefte den Brief damit an die Wand .
Biber schnurrt leise, als ich den Brief vorlese. Toni schreibt, dass sie mich vermisst und wie traurig Ted ist.
»Danke«, sagt Biber, als ich fertig mit Vorlesen bin. »Und jetzt würde ich gerne meine Haferflocken bekommen. Ich bin hungrig wie ein Bär … ähm, Biber!«
»Was machst du da?«, höre ich die Stimme von meinem Bruder Emil.
»Warum?« Ich fange an zu husten. Puh, ganz schön staubig hier. »Ich habe mich nur noch kurz ausgeruht.« Mit Biber im Arm robbe ich unter dem Bett hervor. Ich kann Emil ja schlecht sagen, dass wir zwei schon morgens um sieben Biberhöhle gespielt haben. Aber ich muss schließlich was dagegen unternehmen, dass Biber sich langweilt, sonst kommt er am Ende wieder auf dumme Ideen.
»Verstehe, ungewöhnlich … aber wahrscheinlich mal wieder so eine Rosa-Idee.« Emil lacht. »Wie ist es in der Schule?«
»Geht so. Ich sitze jetzt neben Julius, das ist doof.«
»Ha! Jungs neben Mädchen! So war es bei mir auch in der Ersten. Da musste ich neben Marie sitzen.«
»Neben Marie? Aber die ist doch immer noch deine Verknallte!«, sage ich erstaunt. Und weil Emil ganz rote Ohren kriegt, weiß ich, dass es stimmt. Das muss ich unbedingt Toni erzählen!
»Ach, Quatsch«, sagt Emil schnell. »Also, was ist jetzt, sollen wir los?«
»Jaaa!«, rufe ich.
Einen großen Bruder wie Emil zu haben, ist toll! Wenn Emil nicht gerade Mathe lernen muss oder seine Freunde trifft, ist es richtig witzig mit ihm. Als ich letzten Sommer doch nicht mit Toni zur Schule gehen konnte, hat Emil mich morgens hingebracht. So war ich gar nicht allein. Emil ist schon auf dem Gymnasium, aber praktischerweise liegt meine Schule auf seinem Weg. An manchen Tagen laufen wir immer noch zusammen, obwohl ich jetzt natürlich genug Freundinnen habe, mit denen ich gehen könnte. Auf dem Weg treffe ich jedes Mal jemanden.
»Ich muss nur noch eine kleine Sache erledigen«, sage ich zu Emil.
Dann renne ich schnell in die Küche runter, um Biber ein paar Karotten und Gurken zu holen. Sonst knabbert er wieder mein Holzbett an, während ich weg bin. Das hat er schon mal gemacht. Genau wie Tonis Ted kann Biber nämlich nicht nur reden, sondern auch richtig essen. Ein Glück, dass ich so eine Gemüse-Mama habe und unser Kühlschrank immer voll Grünzeugs ist. Tonis Mama Sabine ist ganz anders, bei ihr gibt es viel Süßes. Darum nenne ich sie »die Schokokeks-Mama«.
Kurz darauf hüpfe ich neben Emil zur Schule. Hüpfen ist viel besser als normales Gehen, weil man dann dieses tolle Geräusch hört, wenn das Federmäppchen zusammen mit den Heften im Ranzen tanzt. Bei Emil hüpft nichts, sein Rucksack ist jeden Tag so vollgepackt und schwer, dass ich ihn fast gar nicht hochheben kann. In diesem Rucksack würde sich Biber ganz sicher nicht verstecken, das wäre ihm viel zu eng. Außerdem riecht es nicht so gut da drin.
Auf dem Schulhof sind schon meine Freundinnen: Emilia, Sophie, Luna und Lilien – und natürlich Lara. Klar, dass ich sie alle zu meinem Geburtstag einladen werde!
Meine Freundinnen spielen Stangenticken, und ich mache mit. Ich werfe meinen Ranzen auf den Haufen zu den anderen. Zum Glück ist Biber jetzt nicht im Ranzen! Als ich vorhin aus dem Zimmer gegangen bin, saß er ganz brav mit seiner Gurke in der Pfote auf dem Bett.
Wir haben nur noch kurz Zeit zum Spielen, denn wenig später klingelt es schon. Alle schnappen sich ihre Ranzen und rennen los. Zuspätkommen mag unsere Klassenlehrerin Frau Puster nämlich nicht.