Mord in der Burg Dankwarderode
Published by BEKKERpublishing, 2019.
Regionale Morde – aus dem Braunschweiger Land:
Mord in der Burg Dankwarderode
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Tomos Forrest
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Ein Kriminalfall am Hofe König Otto IV. mit dem Waffenmeister Dietrich von der Okeraue
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IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author
© Cover: unsplash mit Kathrin Peschel, 2019
Lektorat/Korrektorat: Kerstin Peschel
© dieser Ausgabe 2019 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
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ENDE | Nachbemerkung
Folgende Krimis aus der Reihe „Regionale Morde“ sind bereits erschienen, oder befinden sich in Vorbereitung:
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Also By Tomos Forrest
About the Publisher
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Otto IV., Sohn Heinrich des Löwen, wird der erste deutsche Kaiser aus dem Geschlecht der Welfen. In der Residenz seines Vaters werden jedoch andere Fäden gezogen – Intrigen und Verrat sollen verhindern, dass Otto diese hohe Würde annehmen kann, und man schreckt auch nicht vor Mord zurück ...
Auf Dietrich von der Okeraue, den alten Waffenmeister Heinrichs, wird ein Anschlag verübt, als er gerade dabei ist, ein fürchterliches Komplott aufzudecken. Er intensiviert seine Anstrengungen, um Beweise gegen den Verantwortlichen weiterer Verbrechen zu finden, den er kennt und der mitten unter ihnen lebt und doch passiert das Unsägliche: Ein Attentat auf den jungen Kaiser ...
***
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Wir schreiben das 12. Jahrhundert.
Der Graubärtige hatte am Rand der Lichtung seinen Zelter gezügelt. Pferd und Reiter standen unbeweglich, wie aus Stein gemeißelt. Plötzlich kam Bewegung in Mensch und Tier. In einer einzigen, fließenden Bewegung beugte sich der Mann dicht an den Hals des Pferdes. Gleichzeitig ergriff seine Hand einen Pfeil, legte ihn auf, zog die Sehne straff und ließ sie wieder los.
Zeitgleich mit einem leisen Plopp hinter ihm war das Sirren seiner Sehne zu hören, unmittelbar von einem menschlichen Schrei gefolgt.
Der eben noch vollkommen stille Wald, in dem selbst die Vögel in Erwartung der nächsten Ereignisse verstummt waren und somit den Graubärtigen gewarnt hatten, verwandelte sich in eine wilde Szenerie, angefüllt vom Gebrüll der Kämpfenden. Rechts und links von dem Graubärtigen brachen zwei Reiter ungestüm hervor und preschten über die Lichtung, dabei Pfeil auf Pfeil in die Büsche vor ihnen schießend.
Auch der Graubart trieb erneut sein Tier an und folgte den beiden Gefährten. Im Gegensatz zu ihnen brüllte er nicht unartikuliert, sondern schwieg mit finsterer Miene. Ein durcheinanderwirbelnder Haufen teilte die Büsche am Rand der Lichtung, Rufe hallten, kurze Befehle wurden laut, die Pferde wieherten und schnaubten. Gleich darauf waren Männer um sein Pferd. Metall blitzte in der Sonne auf, Schilde prallten gegeneinander, als sie sich während des Laufens behinderten, um als Erste den Reiter zu erreichen.
Der Graubärtige ließ den Zelter steigen und zwang ihn auf der Hinterhand zu einer Drehung um sich selbst. Unbarmherzig fuhr sein Schwert auf die Männer herab, ein blitzender, prasselnder, unablässiger Regen tödlicher Gewalt. Schreie wandelten sich in ersticktes Gurgeln, Blut spritzte über Pferd und Reiter, schließlich war es vorbei.
Der Graubärtige trieb den Zelter auf den Waldrand zu, von dem weitere Kampfgeräusche zu hören waren. So schnell, wie der Überfall geschah, so schnell war er beendet. Als er in die Dunkelheit der Bäume ritt, kamen ihm seine beiden Gefährten entgegen. Ronald, der Rothaarige, wischte die Klinge an seinem Mantel ab, ehe er sie wieder in die Scheide zurückschob. Gernot sah sich einen Moment auf der Lichtung um, schließlich sprang er vom Pferd, das Schwert noch immer kampfbereit.
Es war eine überflüssige Sorge – keiner der Männer bewegte sich mehr. Gernot drehte den ersten Toten, der auf dem Gesicht lag, um und ließ ihn zurücksinken.
„Bischhöfliche?“, fragte er den Graubärtigen, als sie gemeinsam nebeneinander standen und auf die Toten starrten.
„Wer weiß. Noch sind wir zwei Tagesreisen von Hildesheim entfernt. Aber dem sauberen Herrn Bischof würde ich es schon zutrauen.“
Graubart sah jeden der toten Angreifer in das Gesicht, anschließend schwang er sich wieder in den Sattel.
„Es sind Waffenknechte ohne besondere Kennzeichen. Der Bischof würde kaum das Risiko eingehen, seine eigenen Männer zu schicken. Lasst uns aufbrechen, wir haben noch einige Zeit bis zum nächsten Gasthof.“
Der Rothaarige zögerte einen Moment.
„Es sind zwar keine wertvollen Waffen, aber zumindest einige Schwerter, Äxte und eine Armbrust. Ich würde sie gern mitnehmen, Herr.“
Der Graubart schüttelte den Kopf.
„Kommt nicht infrage, Ronald. Du bist bei jeder Gelegenheit dabei und möchtest Kapital aus deinen Kämpfen schlagen. Warte ab, bis du Ritter bist, dann kannst du in den Turnieren so viele Rüstungen, wie du möchtest, erbeuten und anschließend von den Rittern auslösen lassen. Aber dieser Plunder belastet nur unseren Weiterritt unnötig. Und bevor wir nicht in Braunschweig sind, kannst du es wohl schwerlich verkaufen!“
Ronald warf noch einen sehnsüchtigen Blick auf die Kampfstatt zurück, schließlich sprang er in den Sattel, und die drei Reiter fielen in einen raschen Trab, um ihr nächstes Ziel zu erreichen.
Eine Weile ritten die drei Männer schweigend nebeneinander her. Gernot hatte schon einige Male nach einer Gelegenheit gesucht, das Gespräch über die letzten Ereignisse zu beginnen, aber ein Blick in das finstere, verschlossene Gesicht des Graubärtigen ließ ihn jedes Mal wieder verstummen. Endlich aber hielt er es nicht mehr aus, und versuchte, mit seinem Gefährten Ronald über den Kopf des Grauen ein Gespräch anzuknüpfen.
„Wie der Herr die Gefahr erkannt hat, war schon ein Wunder. Und er schoss im selben Augenblick dem Kerl durch den Hals, als der die Armbrust abgeschossen hatte. Ich habe den Bolzen schon in seiner Brust gesehen, als er plötzlich am Hals des Pferdes hing und den Bogen gespannt hatte.“
„Die Vögel haben es ihm verraten und das Schweigen des Waldes!“, antwortete Ronald.
„Ich habe übrigens den Bolzen aus dem Baumstamm gezogen, in den er schlug – vielleicht erzählt er uns doch noch eine Geschichte!“
Der Graubart ritt weiter schweigend zwischen ihnen, und Ronald sah sich ermuntert, in seinen Überlegungen fortzufahren.
„Ich bin sicher, dass der Bolzen etwas über den Schützen aussagt. So kunstvoll, wie er gefertigt ist, dazu die Federn – ich bin sicher, in Hildesheim finden wir den Fertiger des Bolzens!“
„Erspart Euch das Geschwätz!“, knurrte der Graubart zwischen den Zähnen. „Dafür ist keine Zeit. Wenn wir wissen, woher der Bolzen kommt, wissen wir noch lange nicht, wer den Auftrag gab.“
„Aber meint Ihr nicht, Dietrich, dass der Bischof genau weiß, welche Mission uns nach Köln geführt hat?“
Der Graubart wandte den Kopf zu Ronald und musterte ihn abschätzend.
„Wie lange stehst du schon in meinem Dienst, Ronald?“
„Drei Jahre, Herr“, antwortete der Rothaarige verwirrt.
„Man sollte meinen, du hättest in dieser Zeit nicht nur kämpfen gelernt, sondern auch das Denken. Aber damit ist es leider nicht weit her.“
Der so Zurechtgewiesene senkte leicht den Kopf und konzentrierte sich wieder auf den Weg. Auch Gernot spürte, dass der Waffenmeister nicht zu einem Gespräch bereit war, und schwieg, bis der Gasthof in Sicht kam.
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Im Gasthof herrschte reges Treiben, als die drei Männer ihre Pferde vor der Tür anhielten. Gleich darauf sprang ein Knecht herbei und hielt die Tiere, damit die neuen Gäste bequem absteigen konnten.
„Gut abreiben und für jeden nur eine Handvoll Hafer!“, gab der Graubart seine kurze Anweisung und drückte dem Knecht eine Münze in die Hand. „Und dass du ihnen eine ordentliche Strohlage für die Nacht gibst – sie haben einen weiten Weg hinter sich!“
„Selbstverständlich, edler Herr – ich kümmere mich um Eure Pferde als wären es meine eigenen!“, versicherte der Pferdeknecht und führte die Tiere fort.
„Du und eigene Pferde!“, knurrte der Graubart halblaut und betrat den Schankraum. Einen Moment blieb er auf der Schwelle stehen, bis sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Dann erkannte er an den langen Tischen zahlreiche Kaufleute, die bei seinem Eintreten aufgeblickt hatten und ihr Gespräch unterbrachen.
„Braunschweiger“, raunte einer der Kaufleute in die Runde, und die anderen nickten bestätigend.
Der Waffenmeister grüßte kurz mit einem Kopfnicken die Anwesenden und ging mit seinen Begleitern auf eine Ecke zu, in der noch eine Bank frei war. Er setzte sich so, dass er den Eingang im Blick hatte und rief mit kräftiger Stimme zum Wirt hinüber, der ihn bislang nur gemustert hatte und sich mit seinen Bierkrügen beschäftigte:
„He da, Wirt – bringt uns Bier und einen vernünftigen Braten – wir sind durstig und hungrig!“
Als hätte der Mann den Eintritt der drei Bewaffneten gar nicht bemerkt, sah er erstaunt zur Bank hinüber, wischte sich seine Finger am Wams ab und kam anschließend behäbigen Schrittes mit drei Bechern in den Händen herüber geschlurft.
Schwungvoll und krachend landeten die Tonbecher auf dem Tisch, Bier schwappte über und vermischte sich mit dem übrigen auf dem Tisch.
„Bitte sehr, die Herren – schon bereit, sehr zum Wohl!“
Die drei Männer nahmen die Becher und leerten sie in einem Zug. Der Graubärtige wischte sich den Schaum aus dem Bart und warf dem Wirt einen abschätzenden Blick zu.
„Kann man in diesem Schweinestall auch einen sauberen Krug, einen gewischten Tisch und einen kalten Braten erhalten?“
Der Wirt zuckte zusammen, aber als er sah, wie der Graubärtige aus einem kleinen Lederbeutel ein Stück Silber holte und mit einer gleichgültigen Bewegung auf den Tisch in die Bierlache warf, erhellte ein Strahlen sein bis dahin mürrisches Gesicht.
„Selbstverständlich, die Herren, es soll sofort alles besorgt werden, einen Moment Geduld!“
Er verschwand wieder hinter seinen Bierfässern, und man hörte ihn mit einer Frau schimpfen, die gleich darauf an den Tisch trat und mit einem sauberen Lappen das Bier aufwischte. Die Magd machte einen ordentlichen Eindruck und schien so gar nicht zu dem Wirt zu passen. Im Gegensatz zu seinem schmierigen Wams, das sich über einem gewaltigen Bauch spannte, und den vor Schmutz starrenden Beinkleidern, trug sie eine saubere, weiße Haube, ein einfaches, graues Gewand und arbeitete mit flinken Bewegungen.
Der Rothaarige musterte mit einem Lächeln die Magd, die sich eben eine blonde Haarsträhne unter die Haube schob und sich mit einer leichten Verbeugung schweigend von den Männern verabschiedete. Gleich darauf watschelte der unförmige Wirt wieder herbei und stellte eine Holzplatte mit appetitlich aussehenden Bratenstücken ab. Hinter ihm stand die Magd mit frischen Bierkrügen, und als alles auf dem Tisch bereit stand, grinste der Wirt vergnügt und rieb sich die kleinen, dicken Hände.
„Wünsche wohl zu speisen, edle Herren, und möchte nur fragen, ob Ihr wohl die Nacht in meinem bescheidenen Hause verbringen möchtet? Ich habe noch eine Kammer frei und würde Euch auch einen besonders guten Preis machen.“
Der Graubärtige hatte sein kurzes Essmesser in der Hand und spießte damit ein Bratenstück auf. Genüsslich biss er davon ab und kaute eine Weile schweigend.
„Wenn du die Kammer sauber hast und wir frisches Stroh in den Betten finden, hast du drei weitere Gäste für die Nacht.“
„Selbstverständlich, für die hohen Herren nur das Beste!“, versicherte der Wirt und zog sich rückwärts mit einigen Verbeugungen zurück. Bei seinem unförmigen Körper sah das lächerlich aus, aber die drei beachteten ihn nicht weiter. Ronald warf einen Blick im Gastraum umher, während er wie seine Gefährten dem Braten zusprach. Er war enttäuscht, dass er die Magd nicht mehr sehen konnte, und Gernot stieß ihn lachend an.
„Ronald kann einen Weiberrock nicht sehen, ohne ihn auch anfassen zu wollen – genieße den Braten in Ruhe, die Nacht ist lang genug!“
Ehe der Rothaarige antworten konnte, erhielt er einen warnenden Blick des Waffenmeisters.
„Untersteht euch, hier irgendeinen Unsinn zu machen. Noch sind wir nicht in Sicherheit, und wir werden abwechselnd wachen. Auch wenn der Gasthof mit harmlosen Kaufleuten gefüllt ist – wir haben eine Mission zu erfüllen und dürfen unser Ziel nicht aus den Augen lassen – oder habt ihr schon vergessen, was wir vorhin am Rand der Lichtung erlebt haben?“
Die beiden Knappen sahen verlegen auf die Tischplatte und kauten schweigend an ihren Bratenstücken. Eine weitere Unterhaltung kam nicht auf, und es gab auch keinen dritten Bierbecher, auch wenn Ronald sehnsüchtige Blicke in Richtung der Holzfässer warf.
Gleich nach dem Essen ließ sich Graubart die Kammer zeigen. Mit einer Kerzenleuchte stieg ihnen der Wirt schnaufend eine steile Treppe voran. Das Gasthaus war groß, denn auf der wichtigen Fernstraße waren während des ganzen Jahres Handelsreisende unterwegs, und im Laufe der Zeit fügte sich ein Anbau an den anderen, um der Nachfrage gerecht zu werden. Sie mussten an mehreren Kammern vorbei, ein paar Stufen wieder hinunter auf einen anderen Flur, schließlich öffnete der Wirt ihnen eine Tür und wies einladend in den Raum. Es roch muffig und nach ungewaschenen Gästen, die hier genächtigt hatten. Aber der Wirt hatte tatsächlich frisches Stroh in die Bettstatt schütten lassen und überließ ihnen jetzt auch die Kerze.
Der Waffenmeister warf einen prüfenden Blick in die Ecken, danach gab er seine Anweisungen für die Nacht, und wenig später hatte er sich auf einem Strohsack ausgestreckt.
Gernot hatte Mühe, seine Augen offen zu halten und ertappte sich gerade dabei, wie er leicht nach vorn gekippt war. Er erhob sich leise, um die Gefährten nicht zu wecken, und warf einen Blick aus dem kleinen Fenster, das der Waffenmeister gleich beim Betreten der Kammer aufgeschoben hatte.
Es musste weit nach Mitternacht sein, der Mond stand als blasse Sichel über dem nahen Wald. Gernot wollte sich gerade abwenden, als er eine Bewegung auf dem dunklen Hof des Gasthofes bemerkte.
Eine Tür knarrte, gleich darauf huschte eine Gestalt über den Hof und verschwand im Pferdestall.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder davor erschien. Der Unbekannte schloss leise die Stalltür und löschte eine kleine Laterne, deren Schein nicht ausreichte, um Gernot mehr erkennen zu lassen. Im nächsten Moment lag der Hof wieder still und verlassen in der Dunkelheit.
Gernot öffnete geräuschlos die Tür ihrer Kammer und lauschte hinaus. Niemand schien den Gasthof zu betreten. Keine knarrende Tür ließ sich vernehmen, keine Geräusche drangen aus dem Hausinneren, wenn man einmal von den lauten Schnarchgeräuschen aus der benachbarten Kammer absah.
Der Knappe schloss die Tür und nahm wieder seinen Posten ein. Als er seinen Gefährten Ronald weckte, berichtete er ihm nichts von seiner Beobachtung, wohl aber im Morgengrauen seinem Herrn, dem Waffenmeister.
Die drei Männer in den blaugelben Waffenröcken Braunschweigs waren die ersten im Schankraum. Im Herd brannte trotz der frühen Stunde bereits ein Feuer, und die Magd rührte eifrig im Topf mit Gerstenbrei, damit der nicht anbrannte.
„Ob es einer der Knechte oder ein Fremder war, konnte ich in dem ungewissen Licht nicht ausmachen“, endete Gernot seine leise gesprochenen Mitteilungen.