Die drei ???® Kids
Band 7
Gruft der Piraten
Mit Illustrationen von Stefanie Wegner
KOSMOS
Umschlagillustration von Stefanie Wegner, Hamburg
Innenillustrationen von Stefanie Wegner
Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar
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© 2016, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-15334-5
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
In Rocky Beach herrschte hektisches Treiben. Die Straßen waren voller Menschen, die noch schnell ihre Wochenendeinkäufe tätigen wollten. Laut hupend verschaffte sich ein Reisebus Platz durch eine enge Gasse. Mitten in der Menge bummelte gelangweilt Justus Jonas an den Geschäften vorbei. Bob Andrews schlenderte neben ihm her und wischte seine Brille am T-Shirt sauber. »Just, wollen wir nicht auf Peter warten?«
»Der wird schon gleich nachkommen. Er hat ja sowieso kein Geld, um was zu kaufen.«
Und so war es auch. Sehnsüchtig drückte Peter Shaw seine Nase am Schaufenster eines Computershops breit. Doch dann beeilte er sich, um seine beiden Freunde einzuholen. »Man müsste im Lotto gewinnen, um sich das alles kaufen zu können«, seufzte er und kickte eine leere Coladose über den Bürgersteig.
»Entweder im Lotto gewinnen oder einen Goldschatz finden«, grinste Bob. »Mehr Möglichkeiten gibt es nicht, um reich zu werden.« Alle lachten vergnügt. Zu diesem Zeitpunkt konnten sie nicht wissen, was alles in der nächsten Zeit passieren würde.
Die Sonne stand inzwischen senkrecht über der Stadt. Die einzige Abkühlung, die nichts kostete, war der Springbrunnen im Zentrum von Rocky Beach. Peter war der Erste, der sich über die Umrandung beugte und seinen Kopf ins Wasser tauchte. Justus und Bob taten es ihm nach. Alle drei waren für eine Weile verschwunden. Eine ältere Dame mit Dackel schüttelte verständnislos den Kopf. Nach wenigen Sekunden kam Justus wieder zum Vorschein. Prustend schnappte er nach Luft. Dann zog auch Bob atemlos seinen Kopf wieder aus dem Wasser. Nur Peter blieb weiterhin untergetaucht.
»Eigentlich hätte er ein Fisch werden müssen, so lange wie der die Luft anhalten kann«, bemerkte Justus. Bob setzte sich wieder seine Brille auf. »Vielleicht hat er ja Kiemen hinter den Ohren.«
Es verging noch eine weitere Minute, bis auch Peter auftauchte.
»Nichts zu sehen«, grinste Justus, als er hinter Peters Ohren blickte.
»Wenn er keine Kiemen hat, dann atmet er vielleicht die Luft aus seinem Kopf!«, brüllte jetzt Bob vor Lachen. Peter fand das gar nicht lustig und spritzte seine beiden Freunde nass. Kurz darauf begann zwischen den dreien eine heftige Wasserschlacht, und die ältere Dame nahm schnell ihren Dackel auf den Arm.
Dann setzten sie sich völlig erschöpft und durchnässt auf den Brunnenrand und blinzelten fröhlich in die kalifornische Sonne.
Mittlerweile hatte der hupende Reisebus geparkt, und aus den geöffneten Türen strömten unaufhörlich Menschen auf den Platz. Die meisten hatten einen Fotoapparat und knipsten wie wild um sich. Justus betrachtete verwundert die Touristen. »Was die hier wohl wollen? Aber in letzter Zeit werden es immer mehr.«
»Rocky Beach wird noch mal berühmter als Hollywood«, lachte Peter und tat, als würde er eine Filmkamera vor sein Gesicht halten.
Plötzlich hörte man aus der Ferne eine krächzende Stimme. Langsam wurde sie deutlicher, und die drei sahen einen mit bunten Plakaten behängten Lastwagen näher kommen.
»Achtung, Achtung! Verpassen Sie nicht die neue Touristenattraktion in Rocky Beach: Kapitän Nemos Nautilus. Kommen Sie in den Fischereihafen, nur ein paar Kilometer vor der Stadt, und genießen Sie die fantastische Unterwasserwelt des Pazifiks.« Auf der Ladefläche des Wagens stand ein dicker Mann mit Bart und Uniform und brüllte heiser in ein Megafon.
»Scheint Kapitän Nemo persönlich zu sein«, vermutete Bob. Der Lastwagen fuhr direkt auf die Touristenmenge zu und hielt neben dem Reisebus.
»Achtung, Achtung! Holen Sie sich jetzt die Tickets für die unglaubliche Reise auf den Grund des Meeres. Die ersten fünf bekommen Freikarten.«
Justus, Peter und Bob sahen sich für den Bruchteil einer Sekunde an und rannten wie auf Kommando los. Einige der Touristen hatten die gleiche Idee und jagten in dieselbe Richtung. Peter war natürlich der Erste am Wagen. Kurz danach traf auch Bob ein. Justus wurde noch von einem jungen Pärchen überholt, ergatterte aber schnaufend den fünften Platz.
»So ist es richtig, meine Herrschaften. Kommen Sie schnell, sonst sind die Karten weg. Eine Handvoll Freikarten hab ich versprochen. Der Rest bekommt die Tickets für schlappe zehn Dollar das Stück. Kinder und Rentner kosten das Gleiche.«
Glücklich hielten Justus, Peter und Bob ihre Freikarten in der Hand.
»Klasse. Und was genau haben wir jetzt eigentlich gewonnen?«, freute sich Bob.
»Keine Ahnung«, keuchte Justus. »Aber ich liebe solche Fragen.«
Die drei ??? betrachteten neugierig die Freikarten.
»Das scheint mir so eine Art U-Boot zu sein«, vermutete Peter. »Aber lassen wir uns überraschen.«
Mittlerweile hatte fast jeder der Touristen ein Ticket gekauft, und der Busfahrer und Kapitän Nemo zwinkerten sich unauffällig zu. Sie schienen sich gut zu kennen.
Plötzlich stand ein weißhaariger alter Mann vor dem Lastwagen. »Baby Boy will auch. Will auch, will auch. Teufel und Klabautermann. Baby Boy will auch!« Kapitän Nemo sah den Mann erstaunt an. »Was ist denn mit dir los, Opa?«
Jetzt kam der Busfahrer auf die beiden zu. »Lass mal, Nemo. Opa ist in Ordnung. Der ist völlig ungefährlich. Nur hier oben im Kopf, da hat er leider nur Pudding. Stimmt doch, Old Baby Boy? Da oben hast du nur Pudding, oder?« Der alte Mann nickte. »Pudding … ja … Baby Boy mag Pudding … alles klar zum Gefecht. Baby Boy will auch … will auch.« Er begann, wie ein kleines Kind auf der Stelle zu hüpfen, und der Busfahrer legte ihm die Hand auf die Schulter. »Nemo, gib dem Opa doch auch eine Freikarte. Dann kann er noch was erleben auf seine alten Tage. Baby Boy wohnt schon seit Ewigkeiten in Rocky Beach. Kein Mensch weiß, wie alt er ist. Nur im Kopf ist er wie ein Dreijähriger. Armer Kerl.« Widerwillig zog Kapitän Nemo eine Karte aus der Jackentasche und überreichte sie dem alten Mann. Dieser sprang vor Freude in die Luft, sodass sein langer Bart auf und ab hüpfte.
»Hauptsache, dem Opa wird nicht schlecht, und er spuckt mir nicht das Boot voll. Na, egal. So, die Herrschaften. In einer halben Stunde legen wir ab. Wir sehen uns im Fischereihafen.«
Die Touristen und der alte Mann stiegen in den Bus und fuhren zusammen mit dem Lastwagen los. Justus, Peter und Bob hatten ihre Fahrräder vor dem Polizeirevier angeschlossen.
»Schnell, eine halbe Stunde ist knapp. Nicht, dass die ohne uns losfahren!«, rief Peter und rannte voraus.
Schon bald hatten sie die Stadt hinter sich gelassen und blickten über den unendlich weiten Ozean. Die Sonne glitzerte auf dem tiefblauen Wasser, und die Möwen kreischten in der Ferne. Wenig später sahen sie den Reisebus auf dem Hafengelände stehen.
»Die Leute sind schon alle weg. Schneller!«, trieb Peter seine Freunde an.
Sie brauchten nicht lange nach dem Schiff von Kapitän Nemo zu suchen. An der Kaimauer war ein moderner Ausflugsdampfer festgemacht. Über das ganze Schiff hingen kleine bunte Fähnchen, und an der Seite stand riesengroß: Nautilus. Die Touristen standen an der Reling oder hatten es sich auf den zahlreichen Liegestühlen gemütlich gemacht.
Justus, Peter und Bob waren die Letzten, die das Schiff betraten. Kaum waren sie an Deck, hörten sie schon die laute Stimme vom Kapitän. »Leinen los! Herrschaften, willkommen auf dem schönsten Boot zwischen den Horizonten. Willkommen im Reich der Tiefe.«
Dann dröhnten die lauten Dieselmotoren, und der Dampfer nahm Kurs auf das offene Meer.
Die Touristen fotografierten die alte Hafeneinfahrt und jede Seemöwe, die auf einer der vielen Bojen stand.
»Nach einem U-Boot sieht das nicht aus«, bemerkte Justus trocken.
An diesem Tag wehte ein schwacher Wind, und so durchzogen nur lange und sanfte Wellen den Ozean. Kapitän Nemo nahm Kurs in südliche Richtung. Auf der linken Seite sah man die raue Steilküste, nach der Rocky Beach benannt worden war. Meterhoch ragten die mächtigen Felswände aus dem Wasser. Der Kapitän machte eine Lautsprecherdurchsage. »Wir nähern uns gleich dem Teufelsriff. Schon einige Schiffe sind hier auf Grund gelaufen und versunken. Das Riff liegt direkt vor uns. Es erstreckt sich weit ins Meer hinaus, bis zu der kleinen Felseninsel, die Sie auf der rechten Seite sehen können. Auf dieser Insel steht ein Leuchtturm und warnt vorbeifahrende Schiffe vor den Untiefen. Früher hat man dort richtige Feuer in der Nacht angezündet. Wer sich in diesen Gewässern nicht genau auskennt, der kann den Fischen Guten Tag sagen.« Alle lachten, und Old Baby Boy spuckte vor Vergnügen gegen den Fahrtwind. »Hagel und Granaten … der Sturm ruft … alle Mann an die Ruder …«
»Der hat als Kind zu viele Piratenfilme gesehen«, grinste Bob.