Die drei ???® Kids
Band 10
Spuk in Rocky Beach
Mit Illustrationen von Stefanie Wegner
KOSMOS
Umschlagillustration von Stefanie Wegner, Hamburg
Innenillustrationen von Stefanie Wegner
Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar
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© 2016, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-15336-9
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Es war schon weit nach Mitternacht, als Justus Jonas sich unruhig im Bett hin und her wälzte. Durch das offene Fenster leuchtete der Vollmond direkt in sein Zimmer, und von draußen hörte man das leise Zirpen der Grillen. Justus schob die Bettdecke zur Seite, trottete zum Fenster und blickte über den Schrottplatz. Überall türmten sich Berge von alten Autoreifen und rostigen Eisenteilen. So lange er denken konnte, war ihm dieser Anblick vertraut, doch diesmal lag eine eigenartige Stimmung über dem Gelände. Ein kühler Windhauch strömte ihm vom nahen Pazifik entgegen, und Justus schauderte eine Gänsehaut über den Rücken. Plötzlich vernahm er ein merkwürdiges Geräusch. Zunächst dachte er an eine Katze, doch dann verwandelte sich das leise Klappern in ein unheimliches Knistern und rhythmisches Knacken. Minutenlang lauschte er den Lauten und wagte kaum zu atmen. Schließlich besiegte seine Neugier die Angst, und er zog sich Turnschuhe an. Um Tante Mathilda nicht im Treppenhaus zu begegnen, kletterte er aus dem Fenster und glitt vorsichtig auf das Schuppendach hinab. Der Schuppen lag direkt unter seinem Zimmer im ersten Stock des Hauses. Hier lagerte Onkel Titus seinen Lieblingsschrott. Schritt für Schritt schlich Justus auf Zehenspitzen in Richtung der unheimlichen Töne. Der Himmel war sternklar, und im hellen Mondlicht konnte er mühelos den Weg finden. Behutsam zwängte er sich durch die schmalen Gänge, vorbei an aufgestapelten Computergehäusen, kaputten Klimaanlagen und Fernsehern. Der Ursprung der merkwürdigen Geräusche lag jetzt genau vor ihm. Vorsichtig schob er eine große Blechplatte zur Seite. Dahinter befand sich ein rostiger Kühlschrank, und oben drauf stand ein historisches Grammofon mit einem großen Trichterlautsprecher. So ein alter Plattenspieler war nichts Ungewöhnliches auf Onkel Titus’ Schrottplatz, doch bei diesem drehte sich auf wundersame Weise eine Schallplatte auf dem Plattenteller. Unaufhörlich kratzte der Tonarm über die verstaubten Rillen. Es war sehr eigenartig, denn solche alten Grammofone mussten zuvor mit einer Kurbel aufgezogen werden. War noch jemand auf dem Schrottplatz?
Plötzlich verstummten die Geräusche, und der Plattenteller stand schlagartig still. Stattdessen mischte sich ein leises Brummen in die Ruhe der Nacht. Es war der Kühlschrank. Unmöglich, dachte Justus. Ein Kühlschrank kann nicht ohne Strom funktionieren. Ungläubig blickte er auf das abgeschnittene Kabel an der Seite. Der Kühlschrank war so alt, dass durch winzige Rostlöcher kleine helle Lichtstrahlen nach außen drangen. Justus wich einen Schritt zurück. Dann veränderte sich die Farbe des Lichtes in ein unwirkliches Grün. Die Strahlen wurden heller und dann wieder dunkler, schließlich pulsierten sie im Takt seines Herzschlages.
Justus stand wie gelähmt vor dem Kühlschrank und blickte gebannt auf das Licht. Es schien, als würden ihn die Strahlen magisch anziehen. Ganz langsam streckte er seine Hand aus und ertastete den Griff. Er war eiskalt. Mit einem Ruck öffnete er die Tür. Kühle Nebelschwaden fielen zu Boden und strichen um seine Beine. Das grelle Licht verwandelte sich jetzt in ein kaltes Blau und blendete ihn. Vorsichtig blinzelte er ins Innere.
Er konnte es kaum glauben: Mittendrin lag ein Ei. Es war etwas größer als ein Hühnerei und hatte eine metallisch glänzende Oberfläche. Justus war viel zu neugierig, um zu widerstehen. Behutsam steckte er seine Hand in den Kühlschrank und sank dabei auf die Knie. Das Ei war in dichten Nebel gehüllt. Nur wenige Millimeter trennten seine Finger von dem Metall. In diesem Moment schoss etwas wie eine Tentakel aus der Tiefe des Kühlschranks und packte seinen Arm. Ein gellender Schrei blieb in seiner Kehle stecken. Er riss die Augen auf und sah in das vertraute Gesicht von Tante Mathilda. »Justus, ist schon gut. Du hast nur geträumt.«
Es dauerte eine Weile, bis Justus sich wieder beruhigt hatte. Seine Tante hielt noch immer seinen Arm fest. »Du musst ja einen fürchterlichen Albtraum gehabt haben. Gut, dass ich hochgekommen bin, um dich zu wecken.«
Justus rieb sich die schweißnasse Stirn mit dem Kopfkissen trocken. »Wie spät ist es denn?«, fragte er verwirrt.
»Gleich acht Uhr. Deine beiden Freunde warten schon unten auf der Veranda. Komm runter, ich hab für euch Frühstück gemacht.« »Hoffentlich gibt es keine Eier«, stammelte Justus.
Peter und Bob saßen gut gelaunt am runden Holztisch und hielten riesige Käsesandwiches in den Händen.
»Hallo, Just, wir dachten schon, du willst eine Diät machen«, grinste Bob Andrews und biss hungrig in sein Brot. Justus war noch viel zu müde und tat so, als ob er nichts gehört hätte. »Tut mir leid, ich hab total verschlafen. Eins kann ich euch aber sagen…«
»Was denn?«, fragte Peter Shaw mit vollem Mund. »Geht niemals nachts über den Schrottplatz.«
Dann erzählte er seinen beiden Freunden, was er geträumt hatte. Bob spülte den Toast mit einem kräftigen Schluck Tee herunter. »Mist, warum ist nur Tante Mathilda gekommen und hat dich geweckt? So werden wir nie erfahren, was das für ein Ei war.«
Peter mischte sich ein: »Ich wäre froh gewesen, wenn mich einer in dem Moment geweckt hätte. Ist doch klar, das Ding kam aus dem Weltraum. Nach kurzer Zeit wäre aus dem Metallei garantiert irgendwas Ekliges herausgeschlüpft. Und eins ist sicher: Ich bin glücklich, dass es jetzt nicht mit uns am Frühstückstisch sitzt.« Bob zog sich mit beiden Zeigefingern den Mund auseinander und schnitt eine hässliche Grimasse. »Bist du dir da sicher, Erdenwurm?«
Mitten in ihr lautes Lachen platzte aufgeregt Tante Mathilda. »Justus, kannst du mal kommen? In der Küche hab ich so merkwürdige Geräusche gehört.« Das Lachen blieb den drei ??? im Halse stecken.
»Was guckt ihr denn so?«, fragte Tante Mathilda erstaunt. »Onkel Titus ist leider in der Stadt, sonst hätte ich den gefragt.«
Unsicher betrat Justus die Küche. Peter und Bob folgten dicht hinter ihm.
»Wo haben Sie denn die Geräusche gehört?«, fragte Peter nervös.
»Hier, direkt aus dem Waschbecken. Vielleicht hat sich etwas im Abwasserrohr verfangen und klappert herum?« Eine Weile lauschten die drei Detektive angestrengt, dann hörten sie es auch. Erleichtert holte Justus tief Luft. »Du hast recht, Tante Mathilda. Ich wette, dir ist etwas in den Ausguss gerutscht und hat sich tief unten verklemmt. Wir werden in den Keller gehen und dort nachsehen.«
Seine beiden Freunde waren erstaunt. »Denk mal an deinen Traum! Hast du keine Angst?«, fragte Peter ihn leise, als sie die Kellertreppe hinabstiegen.
»Dann würde ich ja meinen Träumen mehr glauben, als meinem Verstand«, antwortete Justus entschlossen.
In einem der Kellerräume liefen sämtliche Rohrleitungen zusammen. Justus kannte sich hier recht gut aus, da er mit Onkel Titus schon mehrere Male an dieser Stelle etwas repariert hatte.
»Wenn ihr was gefunden habt, könnt ihr mich ja rufen. Ich muss wieder nach oben!«, rief Tante Mathilda von der Treppe und verschwand.
Justus zeigte auf ein dickes Rohr an der Wand. »Durch das Ding fließt das ganze Abwasser nach draußen in die Kanalisation. Mal hören, ob die Geräusche von dort kommen.«
Bob presste sein Ohr direkt an das Rohr. »Treffer. Man hört es sogar noch viel lauter als oben. Als ob ein Metallteil gegen die Röhre schlägt.«
Peter horchte auch und vermutete: »Vielleicht hat Tante Mathilda einen kleinen Löffel mit weggespült.«
Von oben schoss in diesem Moment ein Wasserschwall durch das Rohr. Justus knetete seine Unterlippe. »Jetzt hat sie gerade das Wasser aus dem Waschbecken abgelassen. Also, wenn tatsächlich ein Löffel in der Rohrleitung steckt, dann haben wir in kurzer Zeit eine schöne Verstopfung. Letztes Jahr hatten wir schon mal so etwas.«
»Und was habt ihr da gemacht?«, fragte Bob.
»Es gibt hier am Ende des Rohres so eine kleine Klappe zum Aufschrauben. Dort kann man dann ein langes biegsames Drahtseil reinstecken. Die Klempner nennen das Ding Spirale. Ich denke, wir sollten das vorsichtshalber machen. Wenn sich erst mal lauter Zeug am Löffel festgesetzt hat, ist es zu spät.«
Bob war mit dem Vorschlag überhaupt nicht einverstanden. »Ich finde, wir warten lieber, bis dein Onkel zurück ist. Das stinkt bestimmt wie die Pest.« Peter sah das genauso. »Außerdem wissen wir überhaupt nicht, ob es tatsächlich ein Löffel ist.«
»Was sollte es denn sonst sein?«, lachte Justus. »Meint ihr, da hat sich eine Maus drin versteckt? Unsinn. Und ich wette, Onkel Titus lässt was springen, wenn wir die Sache beseitigen.«
Das Letzte konnte seine beiden Freunde überzeugen, denn ihr Taschengeld war mal wieder längst aufgebraucht. Justus holte einen Schraubenzieher und öffnete die kleine Klappe am Rohr. Ein unangenehmer Geruch strömte in den Kellerraum. Dann nahm er das aufgewickelte dicke Drahtseil und steckte den Anfang hinein. »So, ich schieb jetzt den Draht Stück für Stück weiter, und ihr wickelt ihn langsam ab!«
Immer tiefer schob sich der Draht in die Rohrleitung.
»Und? Kannst du schon was spüren, Just?«
»Ne, bisher hab ich noch keinen Widerstand gemerkt.« Meter um Meter verschwand das Drahtseil im Rohr.
»Gleich kommen wir am Pazifik raus«, lachte Bob unsicher.