Die drei ???® Kids

Band 9

SOS über den Wolken

Erzählt von Ulf Blanck

Mit Illustrationen von Stefanie Wegner

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KOSMOS

Umschlagillustration von Stefanie Wegner, Hamburg

Innenillustrationen von Stefanie Wegner

Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar

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© 2016, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-15335-2

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Tiefflieger

Justus Jonas schlief noch tief und fest, als die ersten Sonnenstrahlen sein Zimmer hellrot erleuchteten. Er träumte gerade von einem riesigen Hotdog und hörte nicht, wie draußen die Vögel fröhlich den neuen Tag begrüßten. Erst als sich unter das Zwitschern das dumpfe Dröhnen eines Motors mischte, zog er genervt sein Kissen über den Kopf. Die Geräusche wurden immer lauter und lauter, bis sich der Hotdog langsam in Luft auflöste. Plötzlich riss Justus das Kissen von seinem Gesicht und öffnete die Augen. Es schien, als würde das Motorengeräusch direkt auf ihn zukommen. Neugierig sprang er aus dem Bett, schob die Gardine beiseite und blinzelte in die aufgehende Sonne.

Was er dann sah, konnte er kaum glauben. Ein Propellerflugzeug kam direkt auf ihn zugeschossen. Die Maschine flog so flach, dass Justus sie ohne Weiteres mit einem Stein hätte treffen können. Vor Schreck riss er die Gardine wieder zu und ging hinter der Fensterbank in Deckung. Erst im letzten Moment zog das Flugzeug hoch und donnerte über das Haus hinweg.

Jetzt war er endgültig wach. »Was ist denn das für ein Spinner«, dachte Justus laut und rannte aus seinem Zimmer. »Tante Mathilda, Onkel Titus! Habt ihr das eben auch gehört?«, rief er die Treppe hinunter. Die beiden saßen gerade in der Küche beim Frühstück, als er aufgeregt zur Tür hereinplatzte.

»Was sollen wir gehört haben?«, fragte sein Onkel verwundert.

»Na, das Flugzeug. Ich hab gedacht, das Ding kracht direkt in mein Schlafzimmer.«

Onkel Titus legte seine Zeitung beiseite und schüttelte den Kopf. »Wir haben hier unten gar nichts gehört. Erstens dudelt das Radio so laut, und zweitens redet deine Tante den ganzen Morgen schon ununterbrochen auf mich ein.«

Wie immer überhörte das seine Frau. Sie gab Justus ein großes Glas Milch und legte ihre Hand auf seine Schulter. »Deinen Wecker, der vor einer halben Stunde geklingelt hat, hast du wohl nicht gehört. Peter und Bob müssten gleich hier sein.«

Justus sah auf die Küchenuhr. Er hatte total verschlafen. Eilig rannte er zum Badezimmer, als plötzlich die Haustür aufging. Es waren seine beiden Freunde.

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»Ach nee, erst sollen wir am Wochenende um Punkt sechs hier auf der Fußmatte stehn, und jetzt hüpft Just noch im Pyjama durch die Gegend«, schimpfte Bob Andrews.

»Nun mal keine Panik!«, rief Onkel Titus aus der Küche. »Auf eine Minute mehr oder weniger kommt es nun wirklich nicht an. Justus putzt sich schnell die Zähne, und ihr bekommt in der Zwischenzeit noch ein Marmeladenbrot. Wir haben gleich jede Menge anzupacken und brauchen viel Kraft.«

Etwas später standen alle auf der Veranda und verabschiedeten sich von Tante Mathilda.

»Hier, ich hab euch noch Proviant eingepackt. Passt auf euch auf und schleppt nicht wieder lauter Schrott an!«, rief sie den vieren hinterher.

»Das ist kein Schrott, sondern Wertstoff!«, rief Onkel Titus ärgerlich zurück, während er seinen alten Pick-up aufschloss und sich hinters Lenkrad setzte. Dann drängten sich Justus, Peter und Bob neben ihn auf die vordere Sitzbank.

Sie fuhren vom Gelände des Schrottplatzes und bogen in die Hauptstraße ein.

»Wobei sollen wir denn diesmal helfen, Mister Jonas?«, wollte Peter Shaw wissen und beugte sich nach vorn.

»Das will ich euch sagen«, begann Onkel Titus. »Ich habe euch so früh bestellt, weil ich einen recht großen Auftrag übernommen habe. Am Rande von Rocky Beach gibt es doch den kleinen Sportflughafen. Dort sollen wir einige Räume entrümpeln. Ich hab aber keine Ahnung, was wir da vorfinden werden. Ihr bekommt, wie versprochen, jeder zehn Dollar für den Vormittag.« Justus, Peter und Bob halfen Onkel Titus oft. Meistens war die Arbeit ziemlich anstrengend, aber dafür eine der wenigen Möglichkeiten, das Taschengeld aufzubessern.

Nach wenigen Kilometern gabelte sich die Straße, und der Pick-up holperte von nun an über einen staubigen Sandweg.

»Mir kommt gleich das Frühstück wieder hoch«, murmelte Bob und kurbelte das Fenster herunter.

»Sei froh, dass du überhaupt was im Magen hast«, grinste Justus. »Ich hatte heute Morgen nicht mal Zeit, um was zu essen.« Mit diesen Worten öffnete er Tante Mathildas Proviantdose und beförderte ein Wurstbrot zum Vorschein. Gerade wollte er genüsslich hineinbeißen, als er plötzlich erneut ein lautes Motorengeräusch vernahm.

»Da, da ist der Spinner wieder! Genau wie heute Morgen. Ich wette, gleich kommt ein Flugzeug flach über dem Boden angedonnert. Aufpassen!« Justus’ Befürchtung wurde wahr, und diesmal sahen es alle. Von hinten näherte sich eine kleine Maschine und jagte im Tiefflug über den Wagen. Doch kaum war der erste Schreck vorüber, rauschte abermals etwas über sie hinweg. Ein langer flatternder Stoffstreifen schoss durch die Luft und verfolgte das Propellerflugzeug.

»Ich weiß, was das ist!«, schrie Peter aufgeregt gegen den Lärm an. »Das ist ein Werbeflieger. Die Maschine zieht den Lappen wie ein großes Plakat hinter sich her.« Onkel Titus beugte seinen Kopf weit vor und blickte nach oben. »Peter hat recht. Jetzt kann ich auch lesen, was da steht: ›Coole Kids kauen Colagum‹. Was ist das denn?«

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»Colagum ist ein neues Kaugummi. Schmeckt aber ekelhaft süß und krümelt im Mund«, klärte Peter ihn auf. Plötzlich ließ Justus sein Wurstbrot fallen und zeigte entsetzt auf die Straße. »Achtung, Onkel Titus! Guck nach vorn! Da kommt ein Laster auf uns zu!«

Aufräumarbeiten

Onkel Titus hatte die ganze Zeit nach oben gesehen und nicht bemerkt, wie er langsam auf die andere Straßenseite gewechselt war. In letzter Sekunde riss er das Lenkrad herum und schleuderte nur knapp an dem Lastwagen vorbei. Es vergingen einige Sekunden, bis er die Worte wiederfand. »Dass mir keiner Tante Mathilda davon erzählt«, brummte er.

Den Rest der Strecke fuhren sie schweigend weiter. Justus hatte fast alle Brote aufgegessen, als sie den kleinen Flughafen erreichten. Auf einem großen freien Gelände standen einige Gebäude aus Wellblech. Direkt daneben führte die schnurgerade Landebahn aus kurz geschnittenem Rasen entlang. Onkel Titus hielt vor einer riesigen Halle.

»Das sieht aus wie ein Flugzeughangar«, meinte Peter. »Da, die schieben gerade einen Flieger rein!« Er zeigte auf eine Propellermaschine, die langsam in der Flugzeughalle verschwand. Zwei Männer in ölverschmierten Arbeitsanzügen stemmten sich mit aller Kraft gegen die Tragflächen. Ein dritter Mann rollte zwei große Fässer beiseite, um dem Flugzeug Platz zu machen. Dieser trug eine Lederkappe und einen weißen Schal um den Hals. Justus schluckte den Rest seines Wurstbrotes hinunter. »Ich werde verrückt, genau der Vogel hat uns vorhin fast von der Straße gefegt. Da bin ich mir ganz sicher.« Entschlossen stieg er mit Peter und Bob aus dem Pick-up. Onkel Titus zog einen Zettel aus seiner Westentasche und rief den dreien hinterher. »Nun mal nicht so schnell! Zuerst müssen wir einen gewissen Dave Spencer finden. Er hat mich gestern angerufen und mir den Auftrag erteilt.«

Doch Justus, Peter und Bob waren schon längst in der Halle und guckten sich neugierig um.

»Dahinten, der Typ mit der Fliegermütze auf dem Kopf muss der Pilot sein«, vermutete Justus und ging direkt auf ihn zu.

Der Mann schob gerade einen großen Bremsklotz unter einen der Flugzeugreifen. Seine beiden Helfer kümmerten sich unterdessen um eine andere Maschine in der Halle. Als der Mann die drei ??? bemerkte, zog er sich die Lederkappe vom Kopf und sah sie fragend an.

»Wissen Sie, dass Sie uns vorhin fast die Antenne vom Auto umgeknickt haben?«, begann Justus wütend. »Und heute Morgen sind Sie mit Ihrer Maschine beinahe durch mein Zimmer gedonnert. Gibt es nicht irgendwelche Mindesthöhen, die man als Pilot einhalten muss?«

Der Mann sah etwas verlegen auf den Boden. »Nun ja, wie soll ich sagen … du hast natürlich recht. Tut mir leid, wenn ich jemanden erschreckt habe. Aber seid versichert, ich habe jahrelang als Luftakrobat gearbeitet und behalte immer alles unter Kontrolle. Manchmal kommt diese Zeit bei mir wieder hoch.«

In diesem Moment rief Onkel Titus: »Justus! Wo seid ihr? Ich muss zum Leiter des Flugplatzes.«

Der Pilot blickte zu Onkel Titus und hob den Arm. »Wenn Sie mich suchen, sind Sie hier richtig.«

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Onkel Titus kam zu ihm und begrüßte ihn. »Guten Tag, mein Name ist Titus Jonas, Wertstoffhandel. Wir haben gestern am Telefon gesprochen.« Justus war es etwas peinlich, dass er soeben den Auftraggeber seines Onkels beschimpft hatte. Dennoch fühlte er sich im Recht und ließ sich nichts anmerken.