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Klabund

Erotische Erzählungen

10 kleine Geschichten

Klabund

Erotische Erzählungen

10 kleine Geschichten

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-962810-02-3

null-papier.de/460

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Inhaltsverzeichnis

Au­tor

Lie­bes­lied

Aben­teu­er

Das Lä­cheln der Mar­ga­re­te An­doux

Der Jockey

Der Kam­mer­die­ner

Der klei­ne Lor­beer

Das Mä­del

Ma­ri­et­ta

Pro­fes­sor Run­kel

Der brau­ne Teu­fel von Adria­no­pel

Wei­ber­treu

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie die­ses E-Book aus mei­nem Ver­lag er­wor­ben ha­ben.

Soll­ten Sie Feh­ler fin­den oder An­re­gun­gen ha­ben, so mel­den Sie sich bit­te bei mir.

Ihr
Jür­gen Schul­ze, Ver­le­ger, js@­null-pa­pier.de

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Autor

Kla­bund (1890-1928), oder ei­gent­lich Al­fred Hensch­ke mit rich­ti­gem Na­men, war ein deut­scher Schrift­stel­ler, Dich­ter und Dra­ma­ti­ker, trei­bend zwi­schen Im­pres­sio­nis­mus und Ex­pres­sio­nis­mus. Sei­ne Wer­ke wa­ren oft­mals ero­tisch ge­prägt und da­her häu­fi­gen An­fein­dun­gen aus­ge­setzt.

Mit sech­zehn er­krankt er an Tu­ber­ku­lo­se, die ihn zu re­gel­mä­ßi­gen Kli­ni­k­auf­ent­hal­ten zwingt und sein wei­te­res Le­ben prägt.

Nach dem Abi­tur stu­diert er auf Wunsch des Va­ters zu­nächst Che­mie und Phar­ma­zie, spä­ter dann Phi­lo­so­phie, Phi­lo­lo­gie und Thea­ter­wis­sen­schaf­ten.

Nach vor­zei­ti­gem Ab­bruch sei­nes Stu­di­ums, lebt er in Ber­lin und Mün­chen, er ver­dingt sich als frei­er Schrift­stel­ler und sieht sich selbst als eine Va­ga­bund – da­her auch das Pseud­onym: Ent­stan­den aus »Kla­bau­ter­mann« und »Va­ga­bund«.

Sei­ne zu­erst ver­öf­fent­li­chen Ge­dich­te sol­len be­wusst scho­ckie­ren. Kla­bund wird da­für ge­richt­lich be­langt.

Wäh­rend ei­nes Sa­na­to­ri­um-Auf­ent­hal­tes in Da­vos wan­delt sich sei­ne zu­nächst große Kriegs­eu­pho­rie in eine er­nüch­ter­te und ra­di­ka­le Ab­leh­nung. – Eine Ent­wick­lung, die vie­le In­tel­lek­tu­el­le der da­ma­li­gen Zeit durch­mach­ten.

Kla­bund for­dert in ei­nem of­fe­nen Brief den Kai­ser zum Rück­tritt auf (1917), sei­ne ers­te Ehe, aus der ein Kind her­vor­geht ist nur von kur­z­er Dau­er, sei­ne Frau stirb be­reits nach ei­nem Jahr.

Der nun be­ken­nen­de Pa­zi­fist ist sehr flei­ßig, ne­ben wei­te­ren Ro­man, Er­zäh­lun­gen und Ly­rik­bän­den über­setzt er auch chi­ne­si­sche, ja­pa­ni­sche und per­si­sche Dich­tun­gen ins Deut­sche. Kla­bund ver­fasst 25 Dra­men und 14 Ro­ma­ne, die zum Teil erst po­stum ver­öf­fent­licht wer­den, vie­le Er­zäh­lun­gen, zahl­rei­che Nach­dich­tun­gen und li­te­ra­tur­ge­schicht­li­che Wer­ke.

Am 14. Au­gust 1928 stirbt er an Schwind­sucht.

Liebeslied


Dein Mund, der schön ge­schweif­te,
Dein Lä­cheln, das mich streif­te,
Dein Blick, der mich um­arm­te,
Dein Schoß, der mich er­warm­te,
Dein Arm, der mich um­schlun­gen,
Dein Wort, das mich um­sun­gen,
Dein Haar, dar­ein ich tauch­te,
Dein Atem, der mich hauch­te,
Dein Herz, das wil­de Foh­len,
Die See­le un­ver­hoh­len,
Die Füße, wel­che lie­fen,
Als mei­ne Lip­pen rie­fen –:
Ge­hört wohl mir, ist al­les meins,
Wüßt' nicht, was mir das Liebs­te wär',
Und gäb nicht Höll' noch Him­mel her:
Ei­nes und al­les, all und eins.

Abenteuer

Kon­rad war so be­trun­ken, dass er je­der weib­li­chen Ge­stalt, die sich in den nächt­li­chen Stra­ßen zeig­te, nach­schoss, sie über­hol­te, un­ter ei­ner La­ter­ne ste­hen­blieb, um sie zu be­trach­ten, und ent­setzt zu­rück­fuhr. Nun ver­folg­te er einen Back­fisch, der von ei­ner Ge­sell­schaft kam und vom Dienst­mäd­chen nach Hau­se be­glei­tet wur­de. Sie er­wi­der­te sei­ne Bli­cke kühl und neu­gie­rig. Aber plötz­lich fehl­te ihm der Mut, sie an­zu­spre­chen. Er konn­te sich nicht auf­raf­fen und bog me­cha­nisch in eine Ne­ben­stra­ße ein.

Er war ein paar Schrit­te ge­gan­gen, als er hin­ter ei­nem Par­ter­re­fens­ter einen ro­ten Vor­hang leuch­ten sah. Also muss­te Licht da­hin­ter sein.

Das ist et­was, dach­te er, er wuss­te selbst nicht, warum, und klopf­te mit dem Spa­zier­stock lei­se an das Fens­ter. Ein­mal, zwei­mal.

Mein Gott, dach­te Esther, soll­te es ein Freund von Kurt sein? Sie warf sich ein Tuch um die nack­ten Schul­tern und späh­te durch die Vor­hang­spal­te. Sie sah nur einen un­deut­li­chen Schat­ten. Sie öff­ne­te das Fens­ter ein we­nig.

»Wer ist da?«

»Ich will her­ein«, sag­te Kon­rad, »mach auf!«

Sie stieß das Fens­ter zu­rück und beug­te sich lei­se hin­aus. Da blick­te sie in sein hei­ßes, er­reg­tes Ge­sicht, sei­ne gie­rig ge­spann­ten Au­gen und hör­te sei­ne Stim­me vi­brie­ren. Er ließ den Stock fal­len und hob bei­de Arme wie ein Ado­rant: »Du …«

Es be­tör­te sie: Die däm­me­rig-lüs­ter­ne Stra­ße, der wil­de Lieb­ha­ber und die gan­ze pri­ckeln­de Si­tua­ti­on; je­den Au­gen­blick konn­te Kurt her­ein­tre­ten und sie er­tap­pen.

Er saß zwar drü­ben im Ar­beits­zim­mer und schrieb an ei­ner Ab­hand­lung, er konn­te noch stun­den­lang schrei­ben – er saß oft bis zum Mor­gen­grau­en über sei­nen Ma­nu­skrip­ten –, aber er konn­te eben­so gut je­den Au­gen­blick die Tür öff­nen.

Sie schlich zur Tür und horch­te in den Kor­ri­dor.

Dann ver­rie­gel­te sie vor­sich­tig, tapp­te über den Tep­pich zum Fens­ter und sag­te: »Du musst durchs Fens­ter stei­gen.«

Mit ei­nem Schwung war Kon­rad im Zim­mer.

Und als er die schö­ne Frau er­blick­te, die im Nacht­kit­tel, mit ei­ner spit­zen Haar­fri­sur, schwar­zen, schma­len Au­gen und ei­ner blass­gel­ben, wei­chen Stirn vor ihm stand wie ein Bild aus ei­nem ja­pa­ni­schen Holz­schnitt – da wur­de er nüch­tern von sei­ner Trun­ken­heit und ra­send vor Lie­be.

Äch­zend press­te er sei­nen Kopf an ihre Brust.

»Still, Liebs­ter«, sie küss­te sein Haar, mach­te sich zärt­lich von ihm los und trip­pel­te lau­schend zur Tür. Dann griff sie rechts an die Wand und knips­te das elek­tri­sche Licht aus.

Kon­rad ging den­sel­ben Weg durchs Fens­ter, den er ge­kom­men war, eine blaue Sei­den­schlei­fe vom Hals­be­satz ih­res Nacht­kit­tels in der Faust.

»Was ist denn das?«, sag­te Kurt, wäh­rend er sich das Ober­hemd aus­zog, »da fehlt ja an dei­nem Hals­kra­gen die blaue Schlei­fe?«

»Ja«, sag­te Esther gleich­gül­tig und tas­te­te an den Hals, dass ihre Fin­ger­spit­zen mit den Brüs­ten spiel­ten, »die Wä­sche­rin ist zu nach­läs­sig. Da hat sie wie­der die Schlei­fe ver­ges­sen …«

Das Lächeln der Margarete Andoux

Für Fie­te Wil­helm

Sie war die Uren­ke­lin fran­zö­si­scher Emi­gran­ten.

Mar­ga­re­te An­doux’ Lä­cheln hing wie ein ewi­ger Früh­lings­him­mel über der klei­nen Stadt. Was wäre die klei­ne Stadt ohne Mar­ga­re­te An­doux’ Lä­cheln? Wer wüss­te von ihr? Von ih­rem pol­nisch zi­schen­den Na­men, ih­ren schmut­zi­gen, gleich­gül­ti­gen Stra­ßen? Wie könn­te ich eine Ge­schich­te von ihr er­zäh­len, wenn Mar­ga­re­te An­doux nicht wäre? Ihr Lä­cheln flat­ter­te in die duns­ti­gen Kon­to­re, die schlecht be­lich­te­ten Lä­den, die en­gen und trü­ben mö­blier­ten Zim­mer. Durch die Fens­ter der Schul­häu­ser, wenn sie auch zur Hälf­te ge­weißt wa­ren, da­mit kein Unauf­merk­sa­mer sei­ne Bli­cke auf die Gas­se spa­zie­ren schi­cke, glitt die­ses Lä­cheln wie Mor­gen­son­ne in die kah­len Räu­me. Der Leh­rer rück­te un­ru­hig und ver­le­gen an sei­ner Doublé­bril­le und zwin­ker­te mit den Au­gen, als ob ihm ein In­sekt hin­ein­ge­flo­gen wäre. Die halb­wüch­si­gen Schü­ler aber, die­se Ben­gel, die eben erst an­fin­gen, se­hen, hö­ren und füh­len zu ler­nen, sa­ßen steif und ver­dutzt da und trie­ben in ih­ren dum­men See­len an­däch­ti­gen Un­fug mit Mar­ga­re­te An­doux’ Lä­cheln.

Schon der Name, wenn man ihn wie eine De­li­ka­tes­se in den Mund nahm: Mar­ga­re­te An­doux. Die Zun­ge strei­chel­te ihn und woll­te ihn nicht los­las­sen und hielt ihn zu­rück, bis er sich end­lich lös­te und in ei­nem Dur­moll – »doux« – hinstarb, das in ein fle­hen­des »du« hin­über­g­litt.

Alle lieb­ten sie Mar­ga­re­te An­doux. Der zwer­gi­ge, aber groß­spu­ri­ge Tuch­fa­bri­kant Kel­ler­mann, der das Ge­schäft von sei­nen Vä­tern ge­erbt hat­te, nie aus der Klein­stadt her­aus­ge­kom­men war, aber in der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung ein ge­wal­ti­ges Maul führ­te, er schrumpf­te samt sei­nem Maul in ein wahr­haf­tes Nichts zu­sam­men, wenn er Mar­ga­re­te An­doux be­geg­ne­te, und trug sei­nen Hut wie vor der Mut­ter­got­tes min­des­tens zehn Mi­nu­ten in den Hän­den, ehe er ihn wie­der auf­setz­te. Er lieb­te Mar­ga­re­te An­doux. Der geist­vol­le Ober­leh­rer Klin­ge­bi­el, der den Dok­tor, vie­le Rei­sen und in ei­ner acht­jäh­ri­gen Ehe sie­ben Kin­der ge­macht hat­te: Er lieb­te Mar­ga­re­te An­doux. Der Bäcker­jun­ge, der die Sem­meln zu Mar­ga­re­te An­doux’ Tan­te brach­te, bei der sie wohn­te: Er lieb­te sie. Der Ta­pe­zie­rer, der die Gar­di­nen fest­ste­cken kam, der Ofen­set­zer, der Bür­ger­meis­ter, der klei­ne, schüch­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­