Das Buch

Matthias Böse leidet unter Angststörungen. Diese nehmen dramatisch zu, als ihm seine Frau ein Taschenbuch mit dem Titel böses Ende schenkt.

Zunächst ist Matthias nur verärgert, wegen des Titels und weil der Protagonist seinen Namen trägt. Als das Buch auf unheimliche, nicht nachvollziehbare Weise seine Inhalte ändert, gerät er in Panik. Zusätzlich geschürt durch beunruhigende Szenen, die sich rund um das Buch abspielen.

Im bizarren Finale, das einem Albtraum gleicht, stellt sich nur eine Frage: Hält der Tod sein Wort, wie es böses Ende in seinem Titel prophezeit?


Der Autor

Der in Braunschweig geborene Autor Jürgen Warmbold hat viele Jahre als Werbe- und Marketingleiter verantwortliche Positionen in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Werbung und Verkaufsförderung bekleidet. Seit 1992 ist Warmbold als freiberuflicher Fachjournalist tätig.


Link zur Homepage des Autors:

Mit »Kalte Schreie«, »Erfrorene Seelen«, »Falsche Schatten«, »Dumpfe Angst« und »Der verschenkte Albtraum« hat der Autor, der heute im Bremer Umland lebt, fünf Kriminalromane und darüber hinaus Kurzgeschichten in Anthologien und als E-Books veröffentlicht. 

FÜNF

Am nächsten Tag, als die Sonne wieder scheint, sieht Matthias die Zeit gekommen, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Er beschließt, das Buch komplett zu lesen. Warum nur in Passagen blättern, in denen der Autor den Protagonisten beschreibt? Ängstigt er sich vor dem, was ihn auf den anderen Seiten erwartet?

Er gibt sich einen Ruck, holt das Buch aus dem Keller, schlägt es auf und liest. Eine simpel gestrickte Kriminalgeschichte. Dennoch quält er sich durch einige Seiten. Er rechnet damit, dass die Druckerei, die dieses Machwerk produziert hat, Grundversionen für jeden Geschmack anbietet, neben Krimis vermutlich Liebesromane und Familiengeschichten. Seichte Storys, mit der Möglichkeit, einer der Romanfiguren seinen Namen zu geben. Doch dadurch offenbart sich nicht, wieso BÖSES ENDE in der Lage ist, seine Inhalte zu ändern.

Noch unerklärlicher ist die Macht des Buchs, seine Gedanken zu lesen. Wie sonst wären die Absätze zu erklären, auf die er in diesem Moment stößt?

Die Gestalt mit dem Fernglas, die das Geschehen auf dem Hafenfest in der Bremer Überseestadt beobachtet, ängstigt Matthias Böse. Er lässt seinen Blick in kürzer werdenden Abständen zu dieser Figur schweifen, die ihn irritiert und einschüchtert, obwohl sie nicht real, sondern auf die Fassade eines Bunkers gemalt ist.

Matthias, lässig gekleidet und als Highlight einen locker gebundenen Schal um den Hals tragend, sitzt auf der Terrasse von Golden City, der Hafenbar, in die seine Ehefrau Annika nie einen Fuß setzen würde. Ein optimaler Ort direkt am Wasser des Bremer Europahafens, um seine Heldenreise zu beginnen, sagt er sich. Er lauscht dem Shanty-Chor, der beliebte Seemannslieder singt, reißt seine Augen von der Gestalt mit dem Fernglas los und betrachtet das Treiben zwischen den Marktbuden. Wie in jedem Jahr erlebt das Hafenfest einen Besucheransturm, trotz der steifen Brise, die hier unablässig weht. Er schreckt auf, als das Signalhorn eines Schiffes ertönt, das zu einer Hafenrundfahrt vom Kai ablegt.

Das sind annähernd meine Worte, erinnert sich Matthias. Sie spiegeln meine Empfindungen auf dem Hafenfest wider, die ich in meinem Tagebuch skizziert habe. Wie ist es BÖSES ENDE gelungen, meine geheimsten Gedanken zu schildern? Annika gegenüber habe ich meine Aufzeichnungen nie erwähnt. Aber wo hat sie das Wort Heldenreise aufgeschnappt, einen Begriff aus der Schriftstellerei? Hat sie mein Tagebuch gefunden, wäre das beängstigend, weil ich es unauffindbar verwahrt habe. Noch beunruhigender wäre es, wenn eine fremde Person davon wüsste.

Er liest den nachfolgenden Text quer, bis er wieder auf Aussagen stößt, von denen nur er und sein Tagebuch wissen können.

Matthias blättert in Liebesromanen, die seine Mutter in seiner Kindheit schrieb. Er bewahrt die Groschenromane auf, obwohl er weder seiner Mutter noch ihren schriftstellerischen Ergüssen zugeneigt war. Sie drangsalierte ihn täglich und sperrte ihn schon bei mittelmäßigen Schulnoten in sein Zimmer. Zugleich war sie es, die ihm den Samen des Schreibens eingepflanzt hatte. Sein Vater, ein Orchestermusiker, der oft durch das Land tourte, schlug Matthias bereits aufgrund von Kleinigkeiten, woraufhin dieser sein inneres Misstrauen entwickelte und permanent in einem Angstzustand schwebte, wenn der Alte zuhause war. Mit seinen Mitschülern hatte Matthias ebenfalls Probleme. Sie hänselten ihn wegen seiner hageren Figur und verprügelten ihn, weil er nicht in der Lage war, sich zu wehren. Die Angst war sein ständiger Begleiter, der ihm noch heute Gesellschaft leistet.