Die Schatzsuchmaschine

Hans K. Stöckl


Die Schatzsuchmaschine

oder

Ciano rettet die Welt

Mit Bildern von Hans K. Stöckl







Für Luciano und alle, die ihn lieben




Inhalt

Einführung

... und das ist die Geschichte

Die Konferenz der Tiere

Die Konferenz der Menschen

Ausklang

Impressum

Einführung

Manche Leute lächeln heimlich über mich. Ich weiß das, und es stört mich schon lange nicht mehr. Es sind ja nur ein paar, und die lächeln auch nur, weil sie vieles nicht verstehen können. Zum Beispiel, dass ich mit Tieren reden kann. Ich kann auch mit den Pflanzen reden, aber das glauben noch weniger Menschen. Also spreche ich eben nicht darüber.

Vor ein paar Tagen — ich saß vor dem offenen Fenster meiner Dachstube — war plötzlich Flirr auf dem Fensterbrett. Flirr ist ein „Dacelo novaeguinea gigas“. Das wird dir nicht viel sagen. Na ja, er ist, äh... er stammt aus der Familie der Eisvögel und wird in unserer Sprache auch „Lachender Hans“ genannt, weil er eine Stimme hat, die an menschliches Kichern erinnert.

Kurz und gut, Flirr ist ganz einfach ein Vogel!

Ja, und er ist einer meiner besten Freunde.

Ich war ein bisschen erschrocken, weil ich gerade in tiefem Nachdenken versunken gewesen war über eine Möglichkeit, meinem Freund Renzo Floriani eine Nachricht zukommen zu lassen. Du musst wissen, Renzo Floriani ist ein uralter Studienkollege, der sich vor vielen Jahrzehnten auf einer winzigen Insel südlich von Madagaskar im Indischen Ozean niedergelassen hatte. Er ist ein ganz großartiger Wissenschaftler und weiß einfach alles über die Natur unserer Erde. Sämtliche bekannten Sprachen von Tieren und Pflanzen spricht er fließend, und vor ein paar Jahren hat er begonnen, mit den Steinen Kontakt aufzunehmen. Aber das sei äußerst schwierig, berichtete er mir. Sie sprächen so ungeheuer langsam! Sie bringen an einem Tag bloß ein einziges Wort heraus. Wenn so ein kleiner Kalksteinfelsen zum Beispiel heute in der Früh „Guten Morgen“ sagen will, so braucht er dazu bis morgen Abend. Jetzt kannst du dir vorstellen, dass sich außer Renzo Floriani noch kein Mensch die Mühe gemacht hat, mit den Steinen zu sprechen.

Dabei könnten sie uns so viel über unsere Erde erzählen! Nun, Renzo ist, wie gesagt, auf dem besten Weg, von den Steinen zu lernen. Und Flirr, der wackere Vogel, kommt dann und wann auf mein Fensterbrett, um mir die neuesten Berichte Renzos zu überbringen.

Obwohl er nur ein Kurzstreckenvogel und auch nicht mehr der Jüngste ist, nimmt er die gewaltige Mühe auf sich, die vielen Tausenden von Kilometern von der winzigen Insel Floripace zu mir nach Mitteleuropa zu fliegen.

Ich selbst habe oft versucht, Tauben, Schwalben und sogar Störche für die Nachrichtenübermittlung zu gewinnen, aber, unter uns gesagt, Flirr ist der einzige Vogel, der sich komplizierte wissenschaftliche Texte über mehrere Tage merken und dann auch fehlerfrei wiedergeben kann.

Meine große Schwierigkeit besteht nun darin, dass Flirr eben auf Floripace wohnt und ich somit immer warten muss, bis Renzo ihn zu mir schickt. Wenn ich meinerseits eine dringende Nachricht an Renzo habe, bin ich natürlich aufgeschmissen. Da saß er also, wie gesagt, wieder auf dem heißen Blech meines Fensterbretts und atmete schwer von der Anstrengung. Ich stellte ihm wortlos ein Schälchen mit Wasser hin und wartete geduldig, bis er sich ein wenig erfangen hatte. Er trank in kleinen Schlucken, und nach einer Weile begann er mit seinem kichernden Stimmchen zu erzählen, obwohl seine Geschichte keineswegs zum Lachen war. Es dauerte bis zum späten Abend, und ich brachte vor Staunen meinen gelehrten Professorenmund nicht mehr zu. Flirr ruhte sich anschließend bis zum nächsten Morgen aus, und als er wieder davonflog, setzte ich mich augenblicklich an die Schreibmaschine.

Dann habe ich alles aus der Sprache des „Dacelo novaeguinea gigas“ übersetzt und aufgeschrieben. Ich wette, du kriegst den Mund auch nicht zu bis zur letzten Seite!

... und das ist die Geschichte