Ich war glücklich





Ich war glücklich.


Und zufrieden.


Und dann kamen die Gurus in mein Leben.


Ohne das ich sie eingeladen habe.


Einach so.


Ungefragt.


Oder hatte ich die etwa bestellt?



Ich war wirklich glücklich. Aufgewachsen in einem liebevollen Elternhaus. Nicht allzu viel Geld, dafür reichlich Herz und Humor. Alle Onkels und Tanten, und davon gab es eine ganze Menge, kümmerten sich um alle Kinder, die irgendwie zur Familie gehörten. Oder zur Nachbarschaft, oder zum Freundeskreis, oder zum Bekanntenkreis. Da wurde nicht viel gefragt,wer da war, wurde versorgt. So einfach war das damals.


Unsere Straße im Köln-Ehrenfeld der 70er Jahre bestand aus einer bunten Mischung von urkölschen Frohnaturen und gastfreundlichen Gastarbeitern aus aller Herren Länder. Was gab´s Besseres als mit 10 Nationen kopfüber am Klettergerüst zu hängen und sich tausend Fragen über zu hause zu stellen. Man lernte nirgendwo auf der Welt mehr für´s Leben als hier. Die Erwachsenen saßen abends zusammen, alle Mann in einem kleinen Wohnzimmer, die hatten so ein "heute hier- morgen nebenan"-System, das prima funktionierte. Wir Kinder holten Bier in braunen Glaskrügen aus der Kneipe gegenüber, Zigarettenbestellung auf einem Schnipsel Zeitungspapier. Prima Leben!


Meine Schulzeit war wie überall. Nervige Lehrer, anstrengende Pausen, weil immer so viel zu klären in der kurzen Zeit! Und trotz vieler Flausen im Kopf schaffte ich doch noch einen ganz passablen Abschluss. Im Anschluss ´ne Bürolehre, anständige Mädchen machten das eben so. Und danach einen nicht so wirklich anstrengenden Job, mit netten Kollegen, lockerem Chef, und einem Durchschnittsgehalt, mit dem ich eigentlich ganz gut über die Runden kam.


Meine erste eigene Wohnung war ein kleines Appartement, einen Hauseingang weiter, was den großen Umzug ziemlich unkompliziert machte. Immerhin 30 qm, Einbauküche, Wandschrank, Mini-Badezimmer ohne Fenster, in Meerblau gekachelt. War jetzt beim Styling etwas  suboptimal, nach jedem Handgriff raus zum Küchenfenster, den Handspiegel immer griffbereit auf der Fensterbank, kurz checken,  alles im grünen Bereich, ok- weiter machen. Aber man hatte ja Zeit. Und keine hohen Ansprüche.


Und das erste eigene Auto! Ein VW-Käfer, quietschgelb, weil im Vorleben mal ein Postauto. Und kein Radio integrierbar, wegen der 6-Volt-Batterie. Aber immerhin MEINER, und meine allererste wirklich große Liebe! So mitten in der Großstadt, mit  Straßenbahn-Haltestelle in 50 Metern Fußweg, und damals klappte das mit dem Fahrplan ja tatsächlich noch im pünktlichen 10-Minuten-Takt,  da war ein Auto das absolute Muss! Jeder hatte schließlich sein Status-Symbol vor der Türe stehen. Oder etwas weiter weg.  Je nachdem wo die nächste Parklücke frei war. Aber das war ja das Gute am Großstadtleben. Hatte man das Auto dann wirklich irgendwann im erlaubten Gebiet abgestellt, konnte man von überall aus mit der Straßenbahn wieder nach hause fahren. Ja, wir hatten es echt einfach.














Die rote Invasion 


Und dann waren sie plötzlich da. Die ersten Gurus in meinem Leben. Rotgewandet, mit langen Holzperlenketten um den Hals. Ein Foto unten dran, darauf ein älterer Mann mit grauen Haaren und Vollbart. Diese Menschen traf man überall. An jedem Ort, zu jeder Zeit. Immer lächelnd, immer verständnisvoll, immer gut drauf. Alle hatten phantasievolle, herrlich exotisch klingende Namen. Und alles war für sie "Okay!"


Du konntest die mieseste Laune ever haben und deine Umwelt grundlos beschimpfen. Das war "Okay!". Du konntest deine Aggressionen an irgendwelchen unschuldigen Opfern auslassen. Völlig "Okay!". Du hattest keine Lust zu arbeiten und wolltest mal einfach einen Tag

blau machen? Absolut "Okay!". Für diese Leute war einfach alles und jedes in Ordnung.

Und ich fand das klasse!


In jedem Hauseingang, in offenen Fenstern, an Straßenecken und auf jedem Fleckchen Wiese saßen diese Leute da und m-e-d-i-t-i-e-r-t-e-n.

Der Hammer! Die saßen einfach nur rum, taten gar nichts, und fanden das toll!!! War sowas zu fassen? Hatten die denn überhaupt keinen

Respekt vor der Öffentlichkeit??? Kannten die denn überhaupt keine Regeln??? Hatten die denn wirklich so gar keinen Plan vom Leben???