Die letzte Zigarette

Rein zufällig erwischte ich Melly mit einer Zigarette in der Hand. Seelenruhig stand sie am Küchenfenster und schien zu paffen. Einen Zug nach dem anderen.


»Woher hast du die?«, schrie ich meine zehnjährige Tochter an. »Hast du mir die Fluppe aus meiner Schachtel geklaut?«


Wütend holte ich mit der rechten Hand aus – und hielt zum Glück noch rechtzeitig inne. »Los, her damit und ab ins Bett!«, fauchte ich böse.


Melly sah mich trotzig an, schmiss die Zigarette ins Spülbecken und drehte sich wortlos um. Erhobenen Hauptes verließ sie die Küche und spazierte in ihr Zimmer, schmiss hinter sich die Tür mit einem solchen Knall zu, dass das Geschirr im Schrank zu zittern begann.


Ich wäre ihr am liebsten hinterher gerannt und hätte ihr meine Meinung gegeigt, ihr Handyverbot, Fernsehverbot, ja, am besten noch Hausarrest erteilt  - denn nichts fürchtete ich mehr, als dass meine Tochter mit dem Rauchen anfing. Erst ´ne Zigarette, dann Shisha, Cannabis, womöglich noch schlimmere Drogen…


Ich fischte die Zigarette aus dem Spülbecken und musste mich auf den Küchenstuhl setzen und tief Luft holen. Vielleicht sah ich zu schwarz, vielleicht wollte mich Melly schlichtweg provozieren? Mich, ihre Mutter, mit der sie seit ein paar Monaten sowieso dauernd im Clinch lag?


Oder steckte doch mehr dahinter, als bloß eine der normalen  Pubertätsfrechheiten?