Pappnase

Lutz Schebesta

Originalausgabe
©2015 by Lutz Schebesta, Lindenallee 17b, 50968 Köln
vertreten von Verlagsagentur Lianne Kolf, München

Lektorat: Simone Grelka
Covergestaltung: Dorothé Straßburger, Krefeld
(www.dorothestrassburger.de)
Abbildungsnachweis: ©Dorothé Straßburger, Tryfonov/fotolia.com

INHALTSVERZEICHNIS

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Danke

Kurzvita

1

„Ich bekomme einen Daiquiri!“, bestellt die sehr hübsche junge Frau bei mir.

Gekonnt greife ich zu den Flaschen der einzelnen Zutaten und schütte sie in den Cocktail-Shaker. Es ist jetzt das dritte Mal, dass ich beim Deutschen Fernsehpreis als Barkeeper aushelfe. Zum einen ist die Bezahlung ganz okay und zum anderen bin ich mit meinem momentanen „Hauptjob“, als Clown für Kindergeburtstage und Firmenevents, zwar sehr gut ausgelastet, aber reich werde ich damit einfach nicht. Irgendwie habe ich es verpasst, den richtigen Job zu lernen. Meine Freunde sind Anwälte, Ärzte oder Handwerker. Sie alle verdienen ein Vielfaches von meinem Einkommen. Ich konnte mich nie entscheiden und habe einfach immer einen Job nach dem nächsten gemacht. Taxifahrer, Koch, Hochzeitsplaner oder auch Security gehören zu meinen Berufserfahrungen. Aber so richtig Spaß hat keine dieser Tätigkeiten gemacht. Erst als ich bei einer Hochzeit als Clown eingesprungen bin, weil der eigentlich gebuchte Mann vor seinem Auftritt zu tief ins Glas geschaut hat, um lustig zu werden, habe ich meine Berufung gefunden. Ich setze mir eine Pappnase auf und bringe andere Menschen zum Lachen.

„So fertig!“, sage ich und füge hinzu, „magst du deinen Cocktail selber schütteln?“

Ich halte der eleganten und dabei echt sexy aussehenden Frau in ihrem perfekten Designerkleid den Shaker hin. Das Flirten mit den Gästen gehört hier einfach dazu. Außerdem bin ich Single. Vielleicht ist sie es auch? Da ich weder die Bunte lese, noch ein Stammzuschauer von RTL Exklusiv bin, kann ich nicht sagen, ob es sich bei dieser Person um einen TV-Star, eine Schauspielerin oder doch nur um eine „normale“ Person handelt.

„Max, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du hier der Barkeeper bist und nicht die Gäste!“, flachst mich Marc mein Chef.

„Das soll sich auch nicht ändern. Aber wer weiß, vielleicht ist dieser Gast hier ja Schauspielerin und braucht das Wissen eines Barkeepers demnächst für eine Rolle …“, versuche ich mich zu erklären und herauszufinden, wer mein Gegenüber ist.

„Bin ich zwar nicht, aber trotzdem. Ich wollte das schon immer einmal ausprobieren.“

Sie nimmt den Shaker und schüttelt ihn.

„Das machen Sie aber toll. Sie scheinen geübt im Schütteln zu sein. Und wie sieht das aus, wenn Sie es bis zum Schluss machen?“, mischt sich ein alter TV-Star ein.

Die Frau schaut ihn irritiert an. Er wiederum wirft ihr lüsterne Blicke zu. Sie gibt mir den Shaker zurück und ich befördere den Inhalt in ein Glas.

„Mann, Mann, Mann. Und Sie waren mal der Held meiner Kindheit! Ich gehe da jetzt besser nicht weiter darauf ein. Obwohl, kommt da nicht Ihre Frau?“, blafft sie ihn an.

Er dreht sich abrupt um, und verschüttet dabei sein Glas über seine Hose.

„Schnurzel, was machst du denn da wieder?“, eilt die Frau dem Macho zur Hilfe. Der wiederum ist sauer über die Abfuhr und peinlich von seinem Fauxpas berührt. Sie verlassen grummelnd meine Bar. Leider geht auch die Daiquiri Frau. Sie lächelt noch kurz und bedankt sich für den Cocktail und schon ist sie in der Menschenmasse verschwunden. Ich habe aber auch keine Zeit ihr hinterher zu träumen, denn rund 1500 Leute aus der Film- und Fernsehbranche nutzen die Gelegenheit kostenlos betrunken zu werden, sehr gerne aus.

„So geht’s jetzt hier mal weiter? Sechs Mochitos. Wenn möglich, flott!“, bestellt ein ehemaliger Moderator bei mir. Nett, wie auf der Mattscheibe, ist der hier nicht.

***

Um 7 Uhr früh ist der ganze Spuk vorbei. Mittlerweile komme ich mir selber wie ein Cocktail vor. Meine Hände, meine Klamotten und sogar meine Haare riechen nach einem Mix aus Alkohol und exotischen Früchten. Einen Vorteil hat es, dass unsere Theke nur extra für diese Veranstaltung aufgebaut wird: Sie wird in ihre Einzelteile zerlegt und draußen auf dem Hof einfach mit einem Hochdruckreiniger gesäubert.

Marc winkt mich zu sich.

„Max, warst wie immer eine Bereicherung für unser Team. Kommst du noch mit auf einen Absacker ins Savoy?“

„Du weißt, eigentlich immer gerne, aber für heute bin ich echt durch!“, gestehe ich meinem Chef.

„Schade. Aber ich kann es auch verstehen. Hier ist deine Kohle. Sag mal, was ich dich noch fragen wollte, wie sieht es denn mit dem 11.11. aus? Wir bräuchten dringend noch Verstärkung für unsere Bar im Henkelmännchen in der Kölnarena!“

Ich nehme den Umschlag mit dem Geld. Es werden um die 200 € sein. Marc zahlt gut und belohnt ehrliche Arbeit. Aber ich mache mir nichts vor. Er verdient an mir sicherlich auch noch genug.

„Puh, das ist Karneval, oder?“

„Ja, klar. Am 11.11. jeht et widder loss!“, sagt er auf Halb Kölsch, strahlt mich dabei an und fängt wie auf Kommando an zu singen: „Oh, oh, oh, oheo oh, oh, oh, oheo, oh … ich bin ´ne Kölsche Jung …!“ Der ultimative Hit der Brings.

Marc ist Ende 40. Und von Weitem sieht er aus, als wäre er aus dem Film Cocktail mit Tom Cruise entsprungen. Auch von Nahem ist er eher eine stylische, moderne Person. Nichts würde mich vermuten lassen, dass er so einen Spaß am Karneval hat.

„Es ehrt mich, dass du mich fragst. Aber da bin ich natürlich selber unterwegs!“, lüge ich. Denn ich kann unmöglich einem Kölner Karnevals Fan erklären, dass ich diese Jeckenveranstaltungen auf den Tod hasse. Dieses Verkleiden ist von mir aus noch in Ordnung. Aber der Rest ist unterirdisch. Saufen, kotzen, anbaggern, stinken, schlechte Luft, viel zu eng, schlechte Witze und schlechte Musik fallen mir als erstes zu diesem Event ein. Aber ich bin sicherlich einer der wenigen, die so darüber denken. Wenn es die gute alte Spielshow „Pyramide“ mit diesem Begriff noch geben würde, wäre meine Ausbeute sicherlich Null Punkte.

Es soll mir keiner der Karnevalisten erklären, dass sie das alles machen, weil sie so gläubig sind. Die wenigsten hören doch am Aschermittwoch auf zu trinken und zu feiern. Wie die Tiere fallen die Jecken übereinander her. Hier ein Kuss, da ein Kuss, ach nee es heißt ja „Bützchen“. Ist das Gleiche, aber klingt nicht so sehr nach Swingerclub. Denn nichts anderes entsteht auf einer Karnevalsparty. Vom 11.11. bis Aschermittwoch ist das Ziel jeder Party, so schnell wie möglich besoffen zu werden und ganz gleich ob weiblich oder männlich, Hauptsache es wird gegrabbelt, geschunkelt und im besten Falle noch auf der Party rumgefickt. Nicht, dass ich etwas gegen Sex hätte, aber die meisten Karnevalisten wissen doch am nächsten Tag nicht mehr den Namen des Gegenübers. Und das ist im Swingerclub genauso. Nein, nicht mit mir. Ich habe mich einmal mitnehmen lassen. Auf der Zülpicherstraße, dem Studentenviertel von Köln, bin ich als Matrose verkleidet in die „Flotte“ von meiner Clique geschleppt worden. Ich war keine fünf Minuten in dem überfüllten Laden, da merkte ich, wie eine verkleidete Piratin an meiner Hose herumspielte. Sie war tatsächlich schon dabei meinen Gürtel zu öffnen. Im letzten Moment konnte ich ihre Hände wegschieben. Ich fragte sie: „Ehm, hallo, das ist meine Hose! Was soll das?“

Darauf gab sie mir ein Bützchen und flüsterte mir ins Ohr: „Bereit zum Entern?“

Jetzt mal ganz im Ernst: Was soll das? Durch die Verkleidung weiß man nicht, wer oder was einen angräbt. Und ich finde, kennenlernen fängt nicht damit an, dass irgendeine Frau meinem Schwanz guten Tag sagt. Nein, ich kann Karneval nicht leiden und noch weniger kann ich Karneval auf einer Party arbeiten. Auch nicht, wenn Marc mir das doppelte zahlen würde.

„Ja, ich weiß. Schade. Aber bei der nächsten Veranstaltung bin ich gerne wieder dabei! So, ich wünsche euch dann noch viel Spaß und trinkt einen für mich mit!“, verabschiede ich mich von Marc und meinen Kollegen. Ich verlasse die schönen TV-Studios und begebe mich zu meinem Fahrrad. Es ist ein kühler aber sonniger Oktobertag. Ich merke, wie mich die Müdigkeit überkommt. Aber es nutzt nichts. Ich muss noch bis in die City radeln. Wenn ich mir jetzt ein Taxi nehmen würde, wäre ein großer Teil meiner verdienten Kohle wieder weg.

2

Ich fahre über die Ringe in Köln. Jetzt ist es nicht mehr weit bis nach Hause. Und obwohl noch kein einziges Geschäft geöffnet hat, herrscht vor einem Ticket-Shop reges Treiben. Klappstühle, Schlafsäcke, eine große Anzahl von Thermoskannen und jede Menge Menschen, die anstehen. Ich überlege kurz, welcher Popstar oder welches Fußballspiel demnächst in Köln ist und halte an. Dabei achte ich nicht genau darauf, wo mein Rad zum Stehen kommt.

„Hürens, su jeiht dat ävver nit. Du musst dich genauso anstellen, wie alle anderen!“, weist mich eine ältere Kölnerin zurecht.

„Entschuldigung. Ich würde mich nie vordrängeln …“, versuche ich mich zu verteidigen.

„Dat sagen se all!“, unterbricht sie mich.

„Nein, wirklich nicht. Wofür stehen Sie denn hier alle an?“

„Du bist kein Kölner, wa? Du kommst sicherlich aussem Norden. Bist ja auch blond!“, beurteilt mich ein Typ Anfang 30, aber mit einer Plautze eines 60-jährigen.

„Das tut zwar nicht wirklich zur Sache, aber ich lebe hier, in unserer schönen Stadt, seit über einem Jahrzehnt. Nur bin ich um diese Uhrzeit selten auf den Ringen. Dazu noch an einem Samstag. Jetzt sagt mal, was gibt es hier denn gleich?“, frage ich freundlich nach.

„Hück jitt et he nix!“, antwortet mir die Frau.

„Auch wenn ich mich wiederhole, aber warum stehen dann hier so viele an?“

„Na jot, du scheinst wirklich ein wenig hinterm Mond zu leben. Ab Montag startet der Vorverkauf für die Zoch Karten!“

Der Rosenmontagszug in Köln. Unmengen von Schokolade, Bonbons, Blumensträuße und Gummibärchen werden auf die Zuschauer geworfen. An dem Tag, an dem ich in der Flotte war, bin ich vorher auch einer dieser Zuschauer gewesen. Und ohne dass ich gerufen, oder sonst irgendwelche Anstalten gemacht habe, prasselte die Kamelle auf mich nieder. Der damalige Oberbürgermeister der Stadt Köln, Fritz Schramma, hatte es wohl besonders gut mit mir gemeint und warf mir, allerdings ohne dass ich davon wusste, eine Packung Toffifee von seinem Wagen hinunter. Seit diesem Tag esse ich keine Toffifee mehr, denn sie hinterließen eine riesige Beule auf meinem Kopf. Klar, das war ein dummer Zufall, aber ich habe mir geschworen, dass wenn ich noch einmal mit zum Zug gehen würde, dann mache ich es wie die anderen Jecken und suche mir ein Kostüm mit einer großen Kopfbedeckung aus. Der Zug geht über mehrere Stunden. Die Karnevalisten bücken sich für die kleinen Dickmacher, als wäre es pures Gold. Da wird gedrängelt und geschubst. Und wenn ich mir die Menschen hier in der Schlange anschaue, bekommen diese wohl jedes Jahr besonders viel Kamelle ab und essen diese wohl auch selber. Aber bitte, wer es mag. Hauptsache ich werde damit nicht belästigt. Nur wie krank ist es, mindestens zwei Tage vorher hier zu kampieren um irgendwelche Karten für die Tribünen, die rund um die Rosenmontagszugstrecke aufgebaut werden, zu kaufen?

„Ach so! Ja, dann viel Erfolg!“, beende ich das Gespräch und steige wieder auf mein Rad. Und als hätten alle auf meine Abfahrt gewartet, erklingt aus kleinen Musikboxen, die irgendeiner in der Schlange mitgebracht hat, auf einmal Karnevalsmusik.

„Hey Kölle Du bes e Jeföhl… Hey Kölle Du ming Stadt am Rhing.“ Und natürlich grölen sofort alle mit. Ich verstehe nicht alles auf Kölsch, aber das müsste heißen: „Hey Köln Du bist ein Gefühl, hey Köln Du meine Stadt am Rhein“. Grandioser Text. Also zwischen Aschermittwoch und dem 11.11. ist Köln wirklich eine tolle Stadt. Aber dazwischen ist es schon sehr bedenklich.

***

In meiner WG bin ich der Älteste und der Hauptmieter. Da es manchmal auch vorkommt, dass ich keinem Job nachgehe oder nicht gebucht werde, ist es für mich die beste Möglichkeit über die Runden zu kommen. Meine Mitbewohner wechseln im Schnitt alle zwei bis drei Jahre. Sobald einer sein Studium abgeschlossen oder eine feste Partnerin oder Partner gefunden hat, beginnt der Umzug. Ursprünglich wollte ich, wenn überhaupt, auch immer eine reine Männer WG. Doch im Moment lebt Emma neben Konrad und mir in der Wohnung. Das Zimmer stand schon zwei Monate leer und ich hatte wieder einmal ziemliche Ebbe in der Kasse, als Emma sich auf das Zimmer bewarb. Ich hatte keine Wahl. Wobei mir es vor diesen ganzen blöden Situationen graute: Wie benimmt sie sich, wenn sie ihre Tage hat? Wird sie jeden Tag meckern, weil wir Jungs nicht genug aufräumen? Wie soll ich schlafen, wenn sie lauten Sex hat? Oder noch viel schlimmer, wie soll ich am nächsten Tag am Frühstückstisch sitzen, wenn ich guten Sex hatte und ihr begegne? Aber diese ganzen Probleme lösten sich in Luft auf: Emma räumt leidenschaftlich gerne auf. Zumindest tut sie so. Sex hatte sie bisher, in den neun Monaten in denen sie hier wohnt, entweder gar nicht, total leise oder halt einfach nicht in ihrem Bett. Konrad ist eher der Nerd Typ und hat wohl eher Sex mit sich selber und das ist ohne Geräusche. Als Letztes komme dann ich, der leider schon über zehn Monate keinen Sex mehr hatte. Okay, einmal habe ich rumgeknutscht, aber es kam nicht zum Sex. Wir schliefen zwar gemeinsam ein, aber bei Tageslicht betrachtet wollte keiner von uns beiden mehr Sex haben.

Ich öffne die Tür zu meinem Zimmer. Es ist rund 20 qm2groß und das reicht mir völlig. Neben meinem Bett habe ich dort noch einen Schreibtisch, ein großes Regal und einen Kleiderschrank untergebracht. Wobei das kein richtiger Schrank ist, sondern eher eine Kleiderstange und ein Ikea Plastikregal mit Reissverschluss. Die Wohnung befindet sich in der 3. Etage in einem Altbau. In unserer Gemeinschaftsküche steht auch der Fernseher und eine Couch. Aber es gibt nur sehr selten gemeinsame Abende. Den einzigen Luxus den ich besitze ist ein iPad. Und auf dem kann ich auch in meinem Zimmer fernsehen. Ich ziehe meine Sachen aus und beschließe noch schnell unter die Dusche zu springen. Mein Barduft ist auch während der Fahrradtour nicht verflogen. Es ist kurz vor neun als ich endlich ins Bett kann und einschlafe.

3

Ding, Dong. Ding, Dong. Ich werde wahnsinnig. Was ist das für ein Lärm. Ich brauche einen Moment, um festzustellen, dass ich nicht mehr schlafe und das nervige Klingeln real ist. Scheinbar ist keiner meiner Mitbewohner willens und in der Lage zur Tür zu gehen. Ding, Dong. Oh man, es bleibt mir nichts anderes übrig. Ich muss aufstehen. Missmutig schnappe ich mir irgendwelche Klamotten und mache mich auf den Weg zur Tür. Aber dort steht keiner. Dann wird es wohl der Postbote gewesen sein. Ich rufe noch in den Hausflur, aber der scheint schon weg zu sein. Egal! Ich erwarte nichts. Es sind garantiert wieder irgendwelche Klamotten, die Emma bestellt hat. Ich schaue auf meine Uhr und muss feststellen, dass ich nur knapp zwei Stunden geschlafen habe.

„Guten Morgen, was ist denn hier schon für ein Lärm?“, begrüßt mich Konrad. Anhand seiner Kleidung kann ich nicht erkennen, ob er gerade aufgestanden ist, die Nacht durch gemacht hat oder aber schon fertig für den Tag ist. Er trägt fast immer ein bedrucktes T-Shirt mit einem eventuell witzigen Spruch. Heute ist es: Lass mich Dein Prinz sein! Ich weiß zwar nicht, welche Frau so einen Prinzen will, aber es gibt bekanntlich für jeden Topf einen Deckel. Allerdings ist die Oberkörperform von Konrad auch kontraproduktiv für den Wunsch, ein Prinz zu sein: Sein Bauch ist eher im Bereich Waschbär, als Waschbrett zu finden. Der Rest von ihm ist allerdings sehr schlank, wenn nicht sogar dürr.

„Schön, dass du auch schon reagierst! Der Postbote hat doch mindestens zehnmal geklingelt!“, antworte ich etwas schroff.

„Ich erwarte aber nichts und war vertieft im neuen Roman von Sebastian Fitzek. Der ist so spannend und …“

„Konrad, das mag alles sein, aber du hättest dir wirklich keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn du kurz mal zur Tür gegangen wärst. Ich habe nur zwei Stunden geschlafen!“, unterbreche ich ihn.

„Herr Max, dafür kann ich doch nichts, wenn Sie zu spät ins Bett gehen!“, mault er mich an und verschwindet wieder in sein Zimmer. Dieses „Herr Max“ hat er aus den Asterix-Comics abgeschaut. Ich hoffe, er ist so realistisch zu wissen, dass er eher wie Obelix, also im Bauchbereich, ausschaut und nicht ich.

„Hey, sind meine neuen Stiefel gekommen?“, fragt mich Emma, die scheinbar auch zu Hause ist, aber es ebenfalls nicht für nötig gehalten hat zur Tür zu gehen.

„Keine Ahnung. Ich war zu spät! Und Konrad zu beschäftigt!“

Emma ist 25, nicht zu dick und nicht zu dünn, und hat ein süßes Gesicht. Einzig ihre Frisur ist nicht mein Fall. Die Nackenhaare sind anrasiert und sie trägt einen Pony. Aber das ist auch egal. Es ist ein „No-Go“ innerhalb einer WG miteinander in die Kiste zu springen. Das bringt nur Stress!

„Mano. Ich gehe doch auch für euch zur Tür. Warum seid ihr so egoistisch? Jetzt muss ich mich Montag bei der Post anstellen!“

„Emma, ich bin zur Tür, habe aber geschlafen, weil ich bis heute Morgen gearbeitet habe. Wenn überhaupt kannst du mit Konrad schimpfen!“, versuche ich sie zu beruhigen und füge hinzu, „ich wollte jetzt eh Brötchen holen, dann schaue ich direkt in den Kasten. Vielleicht waren es ja gar nicht deine Stiefel!“

„Hey, super. Danke Max. Ich hätte gerne zwei Croissants!“

Von der einen Sekunde auf die nächste ist wieder alles im Lot. So sind Frauen. Unglaublich.

Ich ziehe mir Schuhe an, und mache mich auf den Weg zum Bäcker. Konrad werde ich aber keine Brötchen mitbringen. Obwohl dann motzt er noch mehr rum. Ich ergebe mich einfach meinen tollen Mitbewohnern.

***

„Ich hätte auch gerne ein Croissant gehabt!“, nörgelt Konrad schon wieder rum. Aber sowohl Emma, als auch ich kennen das und wissen, dass es am besten ist, wenn man diese Launen ignoriert.

„Und da war kein Zettel für mich drin?“, fragt Emma nach.

„Nein, hier steht ganz deutlich Einschreibebrief für Max Ritter!“, erkläre ich.

„Hast du die Miete nicht gezahlt?“, fragt Emma.

„Wieso kommst du bei einem Einschreibebrief direkt auf die Miete?“

„Na, wer schreibt dir denn sonst einen Brief und will sicher sein, dass du ihn auch bekommst. Das kann doch nur der Vermieter sein …“

„Ich kann dich beruhigen. Die Miete ist bezahlt. Und es gibt noch mehr Menschen, die Einschreibebriefe verschicken!“

„Ja, aber ist meistens keine gute Post!“, bringt sich Konrad mit vollem Mund in das Gespräch ein.

„Danke für euer Vertrauen! Jetzt muss ich mir bis Montag Gedanken machen, wer was von mir will!“

Um ehrlich zu sein, ich weiß auch nicht, wer mir geschrieben hat. Mit meinem Vermieter habe ich zwar wirklich die ein oder andere Auseinandersetzung, aber nichts was zu einer Kündigung berechtigen würde. Trotzdem hasse ich sowas ganz gewaltig. Warum müssen solche Briefe auch auf einen Samstag zugestellt werden? Das wäre alles nicht passiert, wenn meine super netten Mitbewohner einfach mal zur Tür gegangen wären.

„Wo wir hier gerade zusammen sitzen …“, reißt mich Emma aus meinen Gedanken, „können wir nicht mal wieder eine WG-Party machen?“

„Konrad kann gerne seinen einen Freund einladen! Da muss er mich nicht fragen“, flachse ich.

„Mensch Max, du bist so witzig. Sind deine Scherze als Clown auch so gut? Ich lach mich sowas von schlapp!“, antwortet er ironisch.

„Max, jetzt mal im Ernst. Es ist doch bald Karneval und da könnte man es doch super miteinander verbinden. Am 11.11. zum Beispiel. Dann wird es auch hier nicht so lang und nicht so laut“, sagt Emma.

„Wieso wird es dann nicht laut und lang? Aber das ist mir auch egal. Ihr könnt gerne eine Party machen, aber am 11.11. kann ich nicht. Ich muss arbeiten!“, lüge ich.

„Nee, das ist doch doof. Wenn dann sollte es eine Gemeinschaftsparty sein“, interveniert Emma.

„Dann müssen wir einen anderen Termin finden. Konrad, dein Kumpel hat doch quasi immer Zeit, oder?“, ärgere ich ihn und lache dabei laut los.

Konrad sagt nichts, sondern öffnet nur seinen Mund und steckt sich bildlich einen Finger in den Hals. Er will mir damit wohl sagen, dass er mich und meine Scherze zum Kotzen findet.

„Wir könnten doch am 6.12. eine Nikolausparty machen!“, schlage ich vor.

„Mit Tee und Printen? Max, dein Ernst? Ich dachte eher an Waldmeister Flimm und Mettbrötchen!“, erklärt mir Emma. Konrad schweigt immer noch.

„Dann halt Glühwein und Reibekuchen!“

„Manchmal könnte man denken, du bist ein Karnevalsmuffel …“

„Emma, ich arbeite am 11.11. auf einer Karnevalsparty. Das wäre wohl eine ganz schlechte Kombi!“

„Wow, auf einer Karnevalsparty? Wo denn?“

„In der Arena, also im Henkelmännchen!“

„Echt, wie cool. Kannst du uns Karten besorgen?“

„Wieso das denn? Kauf dir doch welche im Ticket Shop!“

„Die sind schon seit Monaten ausverkauft. Es treten die Brings, Cat Ballou und Björn Heuser auf!“

Also Brings und Cat Ballou kenne ich ja noch, aber wer ist Björn Heuser? Und wie denkt Emma sich das denn, nur weil ich dort arbeite, bekomme ich Karten und das am besten noch umsonst? Zumal ich an dem Abend gar nicht dort arbeite. Ich habe keine Lust auf eine Karnevalsparty bei mir zu Hause. Das wäre ja noch schöner.

„Ich kann zwar gerne mal fragen, aber verlasse dich nicht drauf. Also Nikolausparty?“, versuche ich weiter die Karnevalsparty zu verhindern.

„Dann bleibt wohl nichts anderes übrig. Schade!“, beendet nun auch Emma den Versuch eine Karnevalsparty zu planen. In diesem Moment klingelt es wieder. Ob der Postbote es doch noch mal versucht? Ich springe zur Tür. Aber diesmal ist es der DHL Mann, der das Paket für Emma hat. Zumindest für sie beginnt das Wochenende optimal.

***

„Ich habe echt keine Kohle für ein Kostüm!“