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NENA SCHINK

ICH BIN NICHT GRÜN

Ein Plädoyer für Freiheit

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Originalausgabe, 4. Auflage 2021

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Redaktion: Anne Horsten

Korrektorat: Bärbel Knill

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch

Umschlagabbildung: shutterstock/liskus; shuterstock/Viky Ky.

Fotos Buchumschlag: Nils Schwarz

Satz: Zerosoft, Timisoara

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-519-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-988-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-989-5

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Für Martha,
die für die Freiheit von Deutschland nach Deutschland floh.
Sechs Jahre ist dein Tod nun her.

Ich werde dich für immer vermissen.

Hinweis der Autorin

Ich ziere das Cover dieses Buches. Mir ist es aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Gedanken in diesem Text nicht das Werk eines einzelnen Menschen sind. Dieses Buch ist, wie so vieles im Leben, eine Gemeinschaftsleistung. Besonders möchte ich in diesem Fall Caspar Brockhaus erwähnen. Mit seiner Erfahrung als Unternehmer am Standort Deutschland und seinem großen volks- und betriebswirtschaftlichen Wissen, das er unter anderem an den besten Universitäten der Welt erwarb, war er mir eine große Hilfe bei den Kapiteln, die sich mit Wirtschaft und Umweltpolitik beschäftigen.

INHALT

Vorwort

KAPITEL 1
Der Wurf aufs Kanzleramt

KAPITEL 2
Journalismus in Grün?

KAPITEL 3
Herausragende Ämter benötigen herausragende Persönlichkeiten

KAPITEL 4
Arme Umwelt – alle böse, außer die Grünen

KAPITEL 5
Das wird man ja wohl noch verbieten dürfen!

KAPITEL 6
Moralpopulismus

KAPITEL 7
Freiheit ist Verantwortung

KAPITEL 8
Grüne Planwirtschaft – der Fahrradweg in die Armut

KAPITEL 9
Seifenblasenpolitik

KAPITEL 10
Weniger ist weniger – Degrowth ist nicht sozial, sondern asozial

KAPITEL 11
»Grün muss man sich leisten können« – ein Gespräch mit Jan Fleischhauer

KAPITEL 12
Konservativ als Schreckgespenst

KAPITEL 13
Warum wir die soziale Schere brauchen

Und jetzt? Das Nachwort

Danksagung

Anmerkungen

VORWORT

Wenn ich an Freiheit denke, denke ich an meine Uroma Martha. Sie floh aus der DDR in die Bundesrepublik. Auf dem Arm trug sie ihre kleine Tochter, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Banane aß. Ein Lastwagenfahrer schenkte sie ihr. Martha ließ ihre Heimat zurück. Sie verließ Familie, Freunde, Haus und folgte ihrem Mann in den Westen, wo sie in einer zerbombten Zweizimmerwohnung lebten. Sie waren arm, aber frei.

Von klein auf faszinierte mich ihr Leben. Etliche Male erzählte sie mir am Küchentisch von der damaligen Zeit. Zu Uromas 90. Geburtstag flogen wir gemeinsam in ihre alte Heimat nach Hohenthurm. Während des Fluges erzählte sie mir eine Anekdote, die ich nie wieder vergessen sollte: »Dein Uropa wurde kurz inhaftiert, weil er aus dem Westen noch mal zurückkehrte, um mich und deine Oma Ilona zu sehen. Bei der erneuten Flucht wurde er geschnappt. In seine Gefängniswand hatte ein Häftling geritzt: ›Ich wurde als Deutscher von Deutschen gefangen, weil ich von Deutschland nach Deutschland gegangen.‹«

Spätestens in diesem Moment begriff ich, dass meine so selbstverständlich wirkende Freiheit nicht selbstverständlich ist, niemals selbstverständlich sein wird. Freiheit bedeutet Verantwortung, wie Medienmanager Mathias Döpfner einst identifizierte und schrieb: »Demokratien sind Neinsager-Gesellschaften. Diktaturen sind Jasager-Gesellschaften.«1

Er erklärt: »Die echte Freiheit zum Nein aber ist immer ein Risiko. Sie kann Verlust bedeuten: Harmonie, den Besitz, das Leben. Wer den Mut zum Nein hat, ist ein Freund der Freiheit, der nickende Befehlsempfänger und der unterwürfige Jasager sind ihre Feinde. Freiheit ist nicht bequem. Freiheit ohne Verantwortung ist keine Freiheit].«2

In diesen Tagen fehlt es mir an Neinsagern, besonders in den Reihen meiner Generation. Alle sind so furchtbar angepasst. Es beschleicht mich dann und wann das Gefühl, dass die größte Angst in unserer Gesellschaft das Anecken ist. Man kann es auch als Harmoniesucht bezeichnen. Mir ist das fremd, mir macht das Angst. Ähnlich unheimlich sind mir die hohen Zustimmungswerte der Partei Bündnis 90/Die Grünen.

Die Grünen erleben seit Wochen und Monaten neue Höhenflüge. Vor wenigen Wochen hätten sogar die meisten Menschen in Deutschland grün gewählt. Das stimmt mich nachdenklich, haben sich doch die Grünen bis heute ihren sozialistischen Kern, ihre Lust am Verbieten, bewahrt.

Am 28. April 2021 warnte ich in der TV-Sendung Maischberger. die Woche vor dem roten Wolf im grünen Schafspelz und der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten, so platzte es aus mir heraus, als um mich herum wieder die Grünen in den Himmel gelobt wurden und ihre Spitzenkandidatin quasi heiliggesprochen wurde: »Das klingt für mich immer bei Frau Baerbock wie die gute Schülerin, die lernt. Ich will als Kanzlerin aber niemanden haben, der noch ein Lehrling ist. Ich will jemanden haben, der Erfahrung hat. Sie hat weder Wirtschaftsexpertise noch Regierungserfahrung.«

Meine Worte wählte ich aus tiefster Überzeugung: »Für das höchste politische Amt brauchen wir herausragende Persönlichkeiten mit Erfahrung. Doch was ich am allerschlimmsten an Frau Baerbock finde: Sie spricht nicht Klartext. Ich bin mir bewusst, wir sind noch in einer ganz frühen Phase, aber sie muss doch öffentlich sagen, ob Grün-Rot-Rot, ob sie das eingehen würde? Weil, solange sie das noch nicht geklärt hat, ist eine Stimme für die Grünen immer eine Stimme für die Linke«, erklärte ich in der Sendung von Frau Maischberger und verlieh meiner Sorge Ausdruck: »Das wäre ein Totalreinfall für Deutschland, wenn Deutschland als Industrienation eine grün-rot-rote Regierung hätte. Dann können wir uns ja direkt einsargen.«3

Meine Angst vor dem sozialistischen Wolf traf einen Nerv. Meine Statements gingen viral. Millionenfach wurde das Video in den sozialen Medien angesehen, geteilt und verschickt. Und es gab, wie so häufig bei einer rasanten Verbreitung in den sozialen Medien, großen Applaus und Ermunterung von der einen und harsche Kritik und das Verlangen nach weiteren Argumenten von der anderen Hälfte der Nutzer. Für die konservativen und liberalen Unterstützer habe ich dieses Buch genauso geschrieben wie für die linken und grünen Kritiker.

Ich bin nicht grün ist die Fortführung meines Auftrittes bei Frau Maischberger, und dieses Buch entspricht der journalistischen Gattung Kommentar in XXL-Form. Auf den folgenden Seiten nehme ich dich mit auf eine Reise durch Moralpopulismus, grüne Planwirtschaft und die hochgelobte grüne Welt, die jedoch nicht viel mehr als eine Scheinwelt sein kann, gefüllt mit Verboten und ideologischen Seifenblasen.

Neben dem grünen Zeitgeist und dem Parteiprogramm behandeln wir die Fragen, woher die Euphorie für die Partei Bündnis 90/Die Grünen kommt, und welche Rolle dabei die Journalisten spielen. Eines steht fest: Grün zu sein, scheint en vogue zu sein. Es ist die sympathische Wahl für jedermann. Logisch: Was soll man auch gegen jemanden haben, der für die Umwelt kämpft? Und wie kann eine 28-Jährige eigentlich gegen Fortschritt, Nachhaltigkeit und Erneuerung sein? Bin ich nicht, aber ich lade dich ein, mich bei meiner Besichtigung des grünen Luftschlosses zu begleiten.

Bei aller Analyse enthält Ich bin nicht grün in hoher Dosierung Meinung. Ich freue mich schon auf anregende Zuschriften, vor allem auf die Gegenargumente zu meinen Thesen bis hin zu maximaler Ablehnung. Es ist ein ausgesprochenes Privileg, in einer freiheitlichen, meinungspluralistischen Gesellschaft leben zu dürfen.

Bewahren wir uns dieses Privileg. Durch Schweigen und Nichtstun gelingt das nicht. Demokratie lebt vom leidenschaftlichen Streit, von der mitunter robusten Auseinandersetzung mit Argumenten. Die Devise unserer Tage muss lauten: mehr produktiven Streit wagen.

21. Juni 2021, Nena Schink

KAPITEL 1

DER WURF AUFS KANZLERAMT

Wie in jeder guten Gründungsgeschichte gibt es auch in den Anfangsjahren der Grünen eine Ikone: Petra Kelly. »Bei einem Treffen am 17. und 18. März 1979 in Frankfurt Sindlingen wird die Sonstige politische Vereinigung die Grünen ins Leben gerufen […] Die Versammlung beschließt ein Programm und stellt eine Liste auf. Sie kürt Petra Kelly zur Spitzenkandidatin, die wie geschaffen ist für die Rolle im Rampenlicht.« Kelly besitzt das gewisse Etwas, um eine Parteigründung voranzutreiben. Sie ist sich der Regel »Menschen lieben Menschen« bewusst, weiß um die Macht der Bilder und wie wichtig die richtige Symbolik ist: »Wenn Kelly in Mutlangen für den Frieden demonstriert, trägt sie einen Stahlhelm, den sie mit Blumen geschmückt hat.«1

Abgesehen von ihren Vermarktungskünsten ist Kelly auf Linie mit der grünen »›Anti-Parteien-Partei‹ voller Idealisten, Weltverbesserer und Gutmenschen, denen der Kompromiss [und Realpolitik] als Verrat an der grünen Idee galt. […] Mitgründerin Kelly ging gar so weit, dass sie aus grünem Idealismus fürchtete, dass ihre Partei eines Tages anfangen könnte, ›Minister nach Bonn zu schicken‹.«2

Diese Einstellung hat sich bis heute fundamental geändert, apropos fundamental: Die sogenannten Fundis gibt es heute noch, wenn auch in veränderter Form. Früher war der Fundi-Flügel der Partei ökosozialistisch und lehnte eine Regierungsbeteiligung strikt ab. Heute verschwimmen die Grenzen zwischen den Fundis und dem Rest der Fraktion, und die Grünen streben nach Macht. Das ökosozialistische Gedankengut haben sie jedoch beibehalten. Besonders in der Grünen Jugend, dem Jugendverband der Partei, sind radikal ökologische und sozialistische Ideen weiterhin verbreitet. Wie sie auf ihrer Homepage schreiben, kämpfen sie »als Aktivist*innen« und sind »Teil linker Bewegungen«.3

Die Grünen setzen sich ein für »ein grundlegend anderes Wirtschaftssystem«, sie wenden sich also ab von unserer bewährten sozialen Marktwirtschaft, hin zu einer sozialistischen Planwirtschaft. Ebenso bewerten sie Wachstum und wirtschaftlichen Gewinn als nachteilig für die Welt und möchten beides reduzieren.

Sogenannte »Degrowth«-Forderungen, sprich wirtschaftliches Wachstum abzulehnen, sind bei den Grünen dementsprechend weitverbreitet. Solchen Fantasien habe ich sogar ein eigenes Kapitel gewidmet, weil ich es als ungemein gefährlich und asozial erachte. Aber dazu kommen wir noch.

Die Parteispitze der Grünen verfolgt mutmaßlich die eine oder andere entsprechende Idee, hat sich aber strategisch auf Macht gepolt. Es geht schließlich auch um die eigenen Jobs, wie attraktive Ministerposten und viele weitere Regierungsämter.

Daher findet sich dieses Jahr kaum noch eine Fundi-Position im Wahlprogramm dieser Partei, denn sie befürchtet, dass sie damit zu viele Wähler abschrecken könnte, so wie bei den vergangenen Wahlen. Die tausenden Änderungsanträge mit teilweise ökosozialistischen Ansätzen haben es auch von der Vorabveröffentlichung bis zur finalen Festlegung nicht ins Wahlprogramm geschafft.

Die Botschaft der Grünen im Jahr 2021 ist klar: Wir wollen ins Kanzleramt. Die Fundis und die Sünden der Vergangenheit sollen ihnen nicht weiter im Weg stehen. Die Affinität zum linken Terror der 1970er-Jahre (Stichwort: Rote Armee Fraktion) oder auch der Kindersexskandal, bei dem parteiintern in Nordrhein-Westfalen Anträge, die die Legalisierung von Sex mit Minderjährigen verlangten, verabschiedet wurden, sind Vergangenheit.4 Diese ungeheuerlichen Auswüchse liegen tatsächlich inzwischen so weit zurück, dass sie nicht mehr als Argumente gegen die grüne Partei im Jahr 2021 gelten sollten.

Die Überschrift dieses Kapitels spielt dennoch mit der militanten Vergangenheit der Partei. Denn die Grünen-Ikone Joschka Fischer war früher in der Hausbesetzerszene aktiv.5 Der ehemalige Steinewerfer verlagerte später seinen Wirkungskreis von der Straßenschlacht ins Außenministerium.

Frau Baerbock hat aller Kenntnis nach keine militante Vergangenheit, aber ein höheres Ziel als Herr Fischer, nämlich das Kanzleramt. Es ist für sie und eine klassische Oppositionspartei wie die Grünen auch im übertragenen Sinne ein großer Wurf, einen Kanzlerkandidaten zu stellen. Um die Bundestagswahl zu gewinnen, müssten die Grünen im Vergleich zur letzten Wahl ihre Wählerschaft ungefähr verdreifachen, von circa vier Millionen auf rund zwölf Millionen Stimmen.

Noch vor vier Jahren schien eine solche Steigerung für sie unerreichbar. Erst mit Greta Thunberg und der Fridays-for-Future-Protestbewegung ging es mit den Umfragewerten für die Grünen steil bergauf. Erhielten sie bei der Bundestagswahl im Jahr 2017 nur 9 Prozent, so konnten sie seit dem Klima-Hype, der im Jahr 2018 begann, konstant um die 20 Prozent erzielen. Nur zu Beginn der Corona-Krise verloren sie zeitweise an Zustimmung. Zuletzt wurden in Umfragen aber wieder Werte deutlich über 20 Prozent, fast bis zu 30 Prozent, für die Grünen ermittelt.6

Grün ist en vogue, grün ist gut, nicht nur, was die Parteienlandschaft betrifft. Wir können immer mehr Bioprodukte kaufen, weil Unternehmen begriffen haben, dass wir Konsumenten dies begrüßen und nachfragen. Magazine, Tageszeitungen, Netflix und Instagram: Die Medien sind voll von Aufrufen zu mehr Klimaschutz und einem grünen Lifestyle.

Nur selten handelt es sich dabei um einen Appell, grün zu wählen. Für die grünen Wahlkämpfer ist es aber natürlich eine wunderbare Assoziation, mit der sie ihre Fraktion emotional positiv aufladen. Ohnehin hat diese Partei ihre Farbe großartig gewählt, schließlich steht Grün für die Hoffnung.

Selbstverständlich ist es nicht nur der durchaus sinnvollen Farbwahl geschuldet, dass die Grünen von einer »merkwürdigen« Randgruppe, mit der die bürgerliche Mitte Deutschlands über Jahrzehnte fremdelte, zu einer Mainstream-Partei geworden sind.

Diese Gruppierung hat es geschafft, sich zur Wohlfühlpartei zu entwickeln, nicht nur für Fundis, Gutmenschen und Antiautoritäre. Anscheinend ist es ihr gelungen, immer mehr bürgerliche Wähler aus eigentlich konservativen Haushalten für sich zu sympathisieren, darunter ein großer Anteil weiblicher Wähler.

Um diesen Trend fortzusetzen, haben die Grünen sich im diesjährigen Wahlkampf vorgenommen, möglichst wenig radikale und dafür umso mehr Wohlfühlrhetorik anzuwenden. Doch der neue bürgerliche Anstrich, den die Parteispitze im Wahlkampf sorgfältig pflegt, würde bei einer Kanzlerschaft SOFORT zu bröckeln beginnen. Denn hinter der Fassade ist diese Partei immer noch sozialistischer, als sie von außen vermuten lässt, und eine gehörige Portion Petra Kelly steckt nach wie vor in ihr.

KAPITEL 2

JOURNALISMUS IN GRÜN?

Wenn es um das Thema links eingefärbter Journalismus geht, erinnere ich mich gern an eine längst zurückliegende Begebenheit. Ich war Anfang 20, absolvierte meine Praktika bei verschiedenen journalistischen Medien, und ein älterer Journalist riet mir BEHERZT zur politischen Zurückhaltung: »Frau Schink, Sie sind sehr ehrgeizig, aber wenn Sie im Journalismus Karriere machen wollen, tun Sie sich mit Ihren konservativen, liberalen Überzeugungen keinen Gefallen. Die Medienbranche ist links. Gewöhnen Sie sich dran.«

Ich war verdutzt, denn ich hatte damals keine Ahnung, dass zahlreiche Journalisten dem linken Lager angehören. Zudem gibt es nicht viele Studien zu den politischen Vorlieben von Medienmenschen. Eine der bedeutendsten hat das Hamburger Institut für Journalistik 2005 veröffentlicht.1 Danach verteilte sich die politische Sympathie wie folgt: Grüne 35,5 Prozent, SPD 26 Prozent, CDU 8,7 Prozent, FDP 6,3 Prozent, Sonstige 4 Prozent, keine Partei 19,6 Prozent.

Seit dem Jahr 2005 ist politisch viel passiert, und es folgten weitere kleinere Erhebungen. Kürzlich erst, im Jahr 2020, haben drei Volontäre der ARD eine Umfrage unter ihren Ausbildungskollegen durchgeführt. Sie wollten wissen, wie politisch divers die nächste Generation von Journalisten ist, und befragten dazu alle 150 Volontäre, die sich bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gerade in Ausbildung befanden. 86 der 150 Jungjournalisten haben geantwortet.

Das Ergebnis: 92,2 Prozentstimmen für Rot-Rot-Grün, lediglich 8 Prozent für andere, liberale, konservative, rechte Parteien.2 Zwar ist die Erhebung zu klein, um repräsentativ zu sein, doch für eine Tendenz genügt sie.

In beiden Umfragen tritt klar zutage: Es gibt deutlich weniger liberale und konservative als grüne und linke Journalisten. Diesen Fakt beschrieb der heutige Focus-Kolumnist Jan Fleischhauer bereits vor zehn Jahren: »In der Meinungswirtschaft, in der ich mein Geld verdiene, gibt es praktisch nur Linke. Und wer es nicht ist, behält das lieber für sich. Ein Grund für die kulturelle Dominanz der Linken mag sein, dass die anderen nichts zu sagen haben oder die eigenen linken Ideen so überzeugend sind, dass neben ihnen alles verblasst. Ich vermute eher, viele sind links, weil es die anderen auch sind.«3

In seinem Buch How dare you! Vom Vorteil, eine eigene Meinung zu haben, wenn alle dasselbe denken ging Fleischhauer weiter auf Spurensuche: »Mein Freund Roger Köppel, heute Chefredakteur der Weltwoche, hat das einmal so beschrieben: Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Bill Gates zur Schule gegangen. Jetzt sitzen Sie vor dem Fernseher, während eine Dokumentation über Ihren ehemaligen Klassenkameraden läuft. Der Kopf Ihrer Frau dreht sich, Sie spüren schon den unausgesprochenen Vorwurf: Bill Gates hat 50 Milliarden, du hast es nur zum Redakteur einer mittelgroßen Zeitung gebracht, was ist schiefgelaufen? Da haben Sie nur eine Chance, wie Sie sich herauswinden können. Sie sagen: Das stimmt schon, Bill Gates ist viel reicher als ich. Aber ich habe mich nicht korrumpieren lassen. Ich bin nicht zum Kapitalistenschwein geworden.«4

Doch sind es die vermeintlichen Minderwertigkeitskomplexe, es nicht zu mehr Wohlstand und Reichtum gebracht zu haben, die die meisten Journalisten links denken lassen? Zumindest die große Zahl der links-grün eingestellten Volontäre belegt dies nicht, im Gegenteil. Denn hätte Köppel recht, müssten Journalisten erst im Laufe der Zeit, mit zunehmendem Alter und ausbleibendem Erfolg, nach links rücken, um ihren finanziellen Misserfolg zu relativieren. Doch dem ist nicht so. Ich bin überzeugt: Köppel hat hier zu kurz gedacht.

Weitaus zielführender kam in meinen Augen der Wirtschaftsjournalist Thomas Tuma in einem preisgekrönten Beitrag für den Spiegel den wahren Beweggründen vieler Journalisten auf die Schliche: »Denn seien wir ehrlich: Sobald hierzulande von Reichtum die Rede ist, fühlen sich viele Journalisten bemüßigt, ihn misstrauisch bis höhnisch einzubetten. Weil sie denken, sie seien das ihren Lesern schuldig. Weil es ja tatsächlich Abzocker, Neureichenkarikaturen und Unsympathen gibt. Und weil es ziemlich leicht ist, auf Wohlhabenden herumzukloppen, sie wehren sich ja kaum noch.«

Viele Journalisten schreiben demnach also einfach das, was die Mehrheit der Menschen denkt. Kein Wunder, nichts bringt mehr Sympathien, als zu äußern, was die Leute hören wollen. Es nennt sich: nah am Leser sein.

Seine Ausführungen erklärt Tuma an einem Paradebeispiel: »Es hatte schon etwas rührend Scheinheiliges, als kurz vor Weihnachten ein ›Zeit‹-Reporter – als obdachsuchender Josef verkleidet – mit einer SchauspielerinnenMaria durch Kronberg im Taunus schlurchte. Ihr Ziel: im Feierabendrefugium der Frankfurter Hochfinanz knallhart zu dokumentieren, dass man ihnen dort nicht gleich den Glasflügel frei räumt, wenn sie an den videoüberwachten Eingangstoren klingeln. Der Erkenntniswert des Reports war begrenzt. Denn wie würden die Bewohner von sogenannten sozialen Brennpunkten wie Berlin-Marzahn oder München-Hasenbergl auf einen zerlumpten ›Zeit‹-Redakteur reagieren?«

Tumas Erklärungen enden in einem, wie ich finde, treffenden Fazit: »Die Aktion zeigt auch, wie schlicht und reibungslos Eliten-Bashing mittlerweile selbst für eine großbürgerliche Leserschaft funktioniert.«5 Es ist also nicht, wie von Roger Köppel behauptet, ein linkes journalistisches Problem, sondern die Ursache liegt in großen Teilen der Gesellschaft. Für dieses Phänomen der Antipathie gegenüber Reichen gibt es einen schönen Begriff: Sozialneid.

Der Grünen-Hype in den deutschen Medien

Abgesehen vom Reichen-Bashing gibt es noch einen Punkt, in dem sich meinem Geschmack nach ZU VIELE Medien im April 2021 einig waren: Annalena Baerbock ist eine großartige Kanzlerkandidatin. Während der Stern am 22.04.2021 sein Cover mit den Worten: »Endlich anders – Annalena Baerbock will neue Spielregeln für die Politik. Wie weit wird sie kommen?« betitelte, widmete der Spiegel ihr am 24.04.2021 den Titel mit der Überschrift: »Die Frau für alle Fälle. Annalena Baerbock. Wer sie ist – und warum keiner mehr an ihr vorbeikommt.«

Nicht nur die politischen Nachrichtenmagazine haben die Kanzleranwärterin zu Beginn ihrer Kandidatur in einer Art und Weise beschrieben, die mehr als PR denn als Journalismus daherkommt. Auch die Frauenmagazine mischten kräftig mit. In Bunte Quarterly