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VORWORT

Foto: Erich Marek Tierbild

Im deutschsprachigen Raum werden jährlich bei den verschiedenen Jagdarten Ansitzjagd, Bewegungsjagd und Pirsch weit über drei Millionen Schüsse auf Schalenwild abgegeben. Dabei ist der Jäger, allein schon der Witterung, des Geländes und der Jahreszeit wegen, immer wieder mit neuen Situationen bei der Schussabgabe konfrontiert. Daher ist es auch nicht ungewöhnlich, wenn nicht jeder Treffer dort sitzt, wo es der Schütze beabsichtigt hatte.

In vielen Fällen verschwindet das beschossene Wild nach dem Schuss aus dem Sichtbereich des Jägers. In diesen Fällen ist es außerordentlich wichtig, dass sich der Schütze entsprechend der Trefferlage richtig verhält. Um aber den Sitz der Kugel zu bestimmen, ist nicht selten eine detaillierte Spurenauswertung notwendig. Dazu gehört ein hohes Maß an Erfahrung, Übung und Verantwortung.

Durch unsere langjährige Tätigkeit als Schweißhundeführer haben wir schon Tausende von Anschüssen gesehen, die beteiligten Jägern auf die Indizien, also Pirschzeichen am Anschuss, hingewiesen und ihnen deren Auswertung erklärt. Begeistert von unserem nahezu kriminalistischen Vorgehen animierten uns etliche Jäger, unser Wissen preiszugeben. So entstanden unsere Anschussseminare. Jährlich nutzen eine Vielzahl interessierter Jagdscheininhaber und Jungjäger dieses Fortbildungsangebot. Immer wieder wurde dabei auch der Wunsch nach einem weiterführenden Seminar laut. Da aber ein Großteil der Fortbildung zu diesem Thema jeder Jäger im Selbststudium machen sollte, ist das vorliegende Buch für uns der richtige weitere Schritt.

Mit ihm wollen wir den Jägern Hilfestellungen an die Hand geben, anhand derer sie sich rund um Schuss und Anschuss – naturgemäß wird es in diesem Buch nur um den Kugelschuss auf Schalenwild gehen – möglichst optimal verhalten können. Ziel ist es, einen Anschuss richtig zu deuten, um einmal dem beschossenen Stück unnötige Leiden zu ersparen und/oder andererseits hochwertiges Wildbret vor dem Verderb zu bewahren.

Im Sinne einer handwerklich sauber ausgeübten, tierschutzgerechten Jagd wünschen wir Ihnen viel Freude mit diesem Büchlein. Leserinnen und Jägerinnen mögen es uns nachsehen, wenn wir der Einfachheit halber in diesem Buch nur die männliche Form, also „Jäger“ oder auch „Schütze“, verwenden.

Zur Blattzeit 

Stefan Mayer & Hubert Kapp

PIRSCHZEICHEN

BODENVERLETZUNGEN

Als Pirschzeichen werden alle möglichen Indizien verstanden, die entweder vom getroffenen Stück Wild oder vom Projektil im Anschussbereich geliefert werden. Besser als Schweiß geben fast alle anderen Pirschzeichen – sofern gefunden und richtig gedeutet – Aufschluss über den Sitz der Kugel. Zu ihnen zählen zunächst einmal die Male, die Kugel und Schalen des Wildes am Boden hinterlassen.

KUGELRISS

Da immer mit ausreichend Kugelfang geschossen werden muss, kann in der Regel als erster Anhaltspunkt der Kugelriss oder -einschlag gefunden werden. Bei einem flachen Auftreffwinkel ist der Kugelriss als langer, gerader Strich an der Bodenoberfläche zu erkennen. Daneben liegen frisch ausgeworfene Teile des Bodens und/oder ausgerissene Vegetationsteile. Trifft das Geschoss in steilerem Winkel auf den Boden auf, gleicht der Kugeleinschlag einem kleinen Bombentrichter, wiederum finden sich ausgeworfene Teile des Einschlaglochs. Die Stelle des Einschlags sollte zum späteren, leichteren Auffinden auf alle Fälle gleich markiert werden.

Vor allem im Wald durchschlägt der Projektilrest häufig noch Gegenstände, die sich in seiner Flugbahn befinden. Das können unter anderem vermorschte oder auch gesunde Holzstücke sein. Deshalb muss sich das Auge auch auf Gegenstände wie frische Holzsplitter einstellen, die den Kugeleinschlag verraten können.

Hier hat das Geschoss seine Bahn gezogen. Die Stelle wird markiert.
Foto: Stefan Mayer

Im Wald findet man zudem in Spinnweben in Anschussnähe vom Projektil aufgeworfenes Material wie beispielsweise Nadeln, Erde, Blätter oder Holzteilchen.

An Orten mit viel und hoher Vegetation ist es meist schwieriger, einen Kugelriss zu finden, da der Projektilrest in „den Dschungel“ fliegt. Dort kann man dann aber abgeschossene Pflanzenteile finden, die als Kugelriss gewertet und verwendet werden können.

Im Offenland, und hier gerade auf gepflügten oder noch mit Feldfrüchten bestandenen Feldern und in Wiesen mit hohem Gras, ist die Suche nach dem Kugelriss meist erfolglos.

PIRSCHZEICHEN AM ANSCHUSS

– Kugelriss, -einschlag

– Geschoss oder Geschossteile

– Anwechsel

– Eingriffe, Ausrisse

– Knochensplitter

– Knochenmark

– Sehnen

– Wildbret

– Fett

– Magen-, Darminhalt, Netz

– Schnitthaare, -borsten

– Zähne

– Organteile (Milz, Leber, Lunge)

– Schweiß

Kugelriss in einem Baumstumpf. Eine tiefe Furche hat das Geschoss in dem morschen Holz hinterlassen.
Foto: Stefan Mayer

KUGELRISS = FEHLSCHUSS – EIN MÄRCHEN

An dieser Stelle soll noch eine altüberlieferte Meinung korrigiert werden, die glücklicherweise nur noch wenig in Jägerköpfen herumspukt: „Kugelriss gefunden = Fehlschuss!“ Da unsere Jagdgeschosse einen Ausschuss liefern sollen, sind sie in der Regel so konstruiert, dass sie das auch tun. Bei den Teilzerlegungsgeschossen tritt der Restkörper des Projektils aus dem Wildkörper aus, Deformationsgeschosse tun dies meist mit noch 99% ihrer eben deformierten Masse.

Hier hat sich das Projektil einen Weg durch Buchenverjüngung gebahnt.
Foto: Stefan Mayer

FEHLENDER KUGELRISS