Impressum

Heinz Kruschel

Fine, das Teckelmädchen

ISBN 978-3-95655-130-7 (E-Book)

 

Das Buch erschien erstmals 2001 im Geest-Verlag, Vechta-Langförden.

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

1. Kapitel

Am Sonnabend vor Ostern geschah es.

Vater Klaus holte die Familie in die Küche, also seine Frau Johanna und die beiden Kinder Robert und Petra. Er hatte eine Überraschung mitgebracht.

Sie glaubten alle zu träumen.

Petra schloss eine Weile die Augen vor Freude. Die Mutter schüttelte den Kopf, und Robert sagte, auf seine große Schwester zeigend: „Fass sie, die petzt immer!“

Was da auf dem Tisch saß, das konnte noch gar nicht fassen. Da hatte doch Vater Klaus einen Hund gekauft, ohne Ankündigung, ohne vorher seine Frau gefragt zu haben, wie er es sonst immer getan hatte.

Eine Handvoll Hund saß vor ihnen auf dem Tisch. Wuschelig und saufarben, wie bei solchen jungen Hunden üblich, und so langhaarig, dass man kaum die Augen sehen konnte.

„Hübsch ist das ja“, sagte die Mutter. „Hübsch? Total süß“, sagte Petra und streichelte den Hund, „Klaus, wir danken dir.“ Sie war ein paar Jahre älter als Robert und durfte deshalb den Vater beim Vornamen nennen.

„Der ist viel zu mickrig“, sagte Robert.

Mutter fragte nach der Rasse und betrachtete den kleinen Hund von allen Seiten. Robert tippte auf Zwergpinscher und Petra auf Schäferhund, aber Mutter Johanna auf irischen Setter.

Er war nämlich so lang wie breit, ein lebendiger Ball, der mit seiner kleinen, dunklen, feuchtglänzenden Nase zu schnüffeln begann.

Es war kein Traum, da saß ein richtiger Hund. Ein Ostergeschenk.

Auf dem Tisch wurde es langsam feucht.

„Vielleicht hat der zuviel Cola getrunken“, sagte Robert, „und vielleicht veräppelt der uns auch und wird noch ein richtiger Neufundländer.“ Robert war der Kleinste in seiner Klasse.

Nun nahm Vater Klaus das Wort. „Wenn unser Hund die Sprache der Menschen verstehen könnte, dann wäre er jetzt beleidigt. Und wenn er sprechen könnte, dann würde er sagen: Ich bin ein echter Rauhaarteckel und heiße Filine von der Fuzzikuhle, und meine Familie kennt man von Funk und Film, weil alle gute Schnüffler waren. Mein Vater ist erster Schnüffler im Land, und mein Onkel hat sogar in der Schweiz den Europatitel gewonnen. Wir haben einen langen Stammbaum.“

„So sieht also eine richtige Gräfin aus“, sagte Mutter.

„So mickrig?“, fragte Robert.

„Uralter Adel“, bestätigte Vater Klaus, „sieht man ihr das nicht an? Sogar Könige sollen mit Filines Großeltern auf die Jagd gegangen sein.“

„Dann kann sie vielleicht gar nicht mehr richtig laufen.“

Den uralten Adel trauten sie Filine schon zu, aber den Europameister, den nicht.

Ob sie sich noch irren sollten?

„Filine, das ist doch weiblich“, stellte Petra fest.

„Stimmt auffallend“, sagte Vater Klaus, „es ist ein kleines Mädchen. Herzlich willkommen, Filine von der Fuzzikuhle.“

„Gab es denn keine größeren?“, fragte Robert.

Petra gefiel er so, wie er war.

Einen Lappen hatte Mutter schon in der Hand, denn die Pfütze auf der Wachstuchdecke wurde größer.

„Der musste aus lauter Angst“, meinte Robert.

Sie setzten sich um den Tisch und erfuhren, dass Filine aus einem sechsköpfigen Wurf stammte und die schwächste Welpe gewesen war. Manchmal war sie von den Geschwistern zurückgeschubst worden.

„Angeblich ist sie aus der Art geschlagen“, sagte der Vater.

„Also so 'ne Art Ausschuss“, sagte Robert.

„Aus der Art geschlagen“, erregte sich Petra, „wenn ich so was schon höre, das klingt nach schlecht, nach ungezogen, also dieser kleine Welpe, ich weiß ja nicht. Mir gefällt sie so, wie sie ist. Unsere Fine!“

Und nun erfuhren sie von Vater Klaus den genauen Grund. Er hatte das Hündchen bekommen, weil Filines Abstand zwischen Bauch und Boden nicht stimmte und weil ihr Haar zu lang war.

Die Kinder riefen „Wer sagt denn so was!“ und „Was für ein Quatsch!“, und auch Johanna, die eine sanfte Lehrerin war und einer Sache immer auf den Grund ging, wollte wissen, wer das gesagt hatte.

„Die Züchter und jene Menschen, die solche Hunde brauchen, also die Jäger und die Förster. Es gibt nämlich Normen, alles wird berechnet, in Kilo und nach Zentimetern. Und eine Kommission fand Filine eben nicht normgerecht, also aus der Art geschlagen, punktum.“

Ein vergnügtes Wollknäue! saß vor ihnen. Aus der Art geschlagen, also so was.

Filine von der Fuzzikuhle. Ziemlich tollpatschig wirkte sie.

„So sieht also eine aus, die aus der Art geschlagen ist“, sagte die Mutter und Robert meinte: „Da hat sie aber Schwein gehabt.“

„Warum?“

„Sonst wäre sie nicht bei uns, sondern müsste immer Kommandos befolgen und gehorchen.“

Robert schien sich schon zu freuen.

Der Zweitklässler kannte den Ernst des Lebens noch nicht.

Das stimmte doch. Oder etwa nicht? Denn Vater Klaus entschied, dass Filine ein tüchtiger Hofhund werden sollte, der Haus, Hof und Garten zu bewachen hatte.

„Daran sollen wir alle glauben“, sagte Mutter Johanna, die das bezweifelte, „aber wir müssen erst hören, was unsere Wally dazu sagt.“

Stimmt, Wally war die Urgroßmutter, die mit im Hause lebte und immer um Rat gefragt werden wollte. Sie war das fünfte Mitglied der Familie und manchmal das wichtigste.

Und Wally besaß einen großen Kater, der Barmer hieß. Er war zu faul, um Mäuse zu fangen. Ja, wenn man sie ihm brachte, dann nahm er sie auch gnädig an.

Barmer herrschte über Hof und Garten und hatte vor einigen Jahren nicht einmal Petras Meerschweinchen geduldet. Ihr stolzer Barmer, so meinte Wally, als sie ihr Filine vorführten, ihr Barmer würde sich nie mit einem Hund abfinden.