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Rainer Hohberg

Der Junge aus Eisenach

Begegnung mit Johann Sebastian Bach

ISBN 978-3-86394-290-8 (E-Book)

 

Die Druckausgabe erschien 1975 bei
Gebr. Knabe Verlag, Weimar.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
 

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I. Teil

Es war freitags in der letzten Unterrichtsstunde. Die Zeit tröpfelte langsam dahin. K-Wagen-Schleßinger, unser Musiklehrer, hatte bisher ununterbrochen geredet, hatte die Tafel mit Noten und anderen Zeichen vollgeschrieben, um uns den Unterschied zwischen Dur und Moll beizubringen.

Herr Schleßinger war eigentlich Lehrer für den Unterrichtstag in der Produktion. Als K-Wagen-Konstrukteur und Leiter der erfolgreichen K-Wagen-Mannschaft unserer Schule hatte er unserem Ort Tannenstein und sich selbst einen Namen gemacht, den man im ganzen Bezirk kannte.

Aber auch für den Musikunterricht kamen ihm seine technischen Fähigkeiten zustatten. An dem alten, schwarzen Konzertflügel, der in der linken Ecke des Musikkabinetts stand, war von ihm ein großes Vorhängeschloss angebracht worden, da man das eingebaute Schloss demoliert hatte. So konnten die Schüler in den Pausen nicht mehr darauf herumklimpern und das Instrument verstimmen.

Aber leider war K-Wagen-Schleßinger etwas vergesslich. In jeder Musikstunde musste er uns die traurige Mitteilung machen, dass er den Schlüssel für den Flügel wieder vergessen habe und uns deshalb leider, leider nichts vorspielen könne. Die Sommersonne schien durch die geöffneten Fenster auf neunundzwanzig müde Schülergesichter. Sie lachte geradezu, und es war mir, als ob sie uns auslachte.

Ich starrte in den blauen Himmel und kaute an einem schwierigen Gedanken herum. Ich versuchte mir vorzustellen, was passieren würde, wenn man mit einer Rakete in dieses Blau hineinfliegen könnte und immer geradeaus weiter. An ein Ende kommt man nicht. Das wusste ich von meinem Bruder. Aber...

"Rödinger, komm vor!", donnerte Herr Schleßinger unerwartet los. Ich schreckte hoch, denn Rödinger, das war ich.

Schleßinger sah man die Genugtuung an, mich aus meinen Gedanken geschreckt zu haben. "Erläutere mal bitte", forderte er in einem gefährlich freundlichen Ton, "worin der Unterschied zwischen Dur und Moll besteht."

Um die Zeit zum Überlegen zu gewinnen, ging ich langsam um die hintere Bank herum nach vorn zur Tafel. Das fasste Herr Schleßinger anscheinend als Provokation auf. Mir war trotz des Umweges nichts eingefallen. Ich stand da und schwieg. Er kam mit großen Schritten auf mich zu, postierte sich so nahe vor mir, dass ich den Zigarettenqualm aus seinem Anzug riechen konnte, und presste wütend zwischen seinen Zähnen hervor: "Rödinger, du alte Nachtmütze, dir werde ich..."

Es mag Menschen geben, denen es nichts ausmacht, wenn ihnen so etwas gesagt wird. Ich werde diese Beschimpfung wohl in meinem ganzen Leben nicht wieder vergessen.

In der Klasse murrten einige. Stühle knarrten. Die Unruhe wurde stärker. Ich ging langsam zu meinem Platz zurück. Den Rest der Stunde saß ich da wie gelähmt und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Schleßinger nahm Katja dran. Unsere Katja war beim Kreisausscheid Junger Talente als beste Klavierspielerin ausgezeichnet worden. Sie wusste alles: "Dur und Moll sind unsere wichtigsten Tongeschlechter. Je nachdem, was für Intervalle die einzelnen Töne einer Tonleiter im Vergleich zum Grundton bilden, sprechen wir von Dur- oder Moll-Tonleitern. Große Terz in Dur - kleine Terz in Moll. Große Sext in Dur - kleine Sext in Moll..."

Ich verstand nur Bahnhof. Rote und schwarze Ringe tanzten vor meinen Augen. Mir wurde schwindlig.

Während Katja sprach, schaute sie nicht Schleßinger, sondern mich an. Mit ihren großen, dunkelbraunen Augen, mitleidig. Soweit war es mit mir also schon gekommen.

An der Last dieser Musikstunde schleppte ich noch lange. In der Unterstufe hatte ich im SchuIchor mitgesungen. Wenn ich jetzt etwas von Musik hörte, sah ich nur die Visage dieses Menschen mit ihren hässlichen gelben Raucherzähnen, und der Gedanke an die erduldete Beleidigung schnürte mir die Kehle zusammen. Ich hasste.

Der Weg zu den Schätzen der Musik schien für den Jungbürger Erwin Rödinger eine Sackgasse zu sein.

 

Mit dem neuen Schuljahr kam zu uns ein neuer Musiklehrer. Der hieß Herr Ruloff und hatte eine Igelfrisur. Er begann seine erste Unterrichtsstunde nicht mit einer langen Vorrede, sondern setzte sich ganz einfach an den Flügel und trug uns ein flottes FDJ-Singeklub-Lied vor. Dieses Lied übten wir dann ein. Wir waren zwar noch keine FDJler, Spaß machte es trotzdem.

Mein Misstrauen gegenüber Musiklehrern blieb aber hellwach. Erwin Rödinger, sagte ich mir, der Mann ist verdächtig! Als wir dann über den Text des Liedes diskutierten, kamen wir auf den Beat zu sprechen, der damals noch ein heißes Thema war. Herr Ruloff erläuterte uns - wie mir schien, nicht ohne Begeisterung -, wie der Beat unter den Jugendlichen der Armenviertel der englischen Stadt Liverpool entstanden war.

Ich sagte mir, Musiklehrer, Igelschnitt und über Beat diskutieren, die Sache hat bestimmt irgendeinen Haken. Deshalb hielt ich mich aus der Diskussion heraus. Meine Klassenkameraden allerdings ließen sich beeindrucken.

Als ich nach dieser Stunde ihre begeisterten Lobeshymnen hörte, kam mir die ernsthafte Befürchtung, dass jetzt auch noch in unserer Pioniergruppe ein Chor oder so etwas gegründet würde. Nun ja, die beiden achten Klassen unserer Schule hatten einen Singeklub gegründet, in der 6a gab es eine Laienspielgruppe, die 7a gab mächtig mit ihrem Klassenchor an, und die fünften Klassen spielten für die Jungpioniere Puppentheater. Aber war das denn ein Grund, die Schüler unserer Klasse als "kulturelle Tiefflieger" abzustempeln, wie das unser Freundschaftsratsvorsitzender getan hatte? Waren wir etwa eine schlechte Pioniergruppe? Bei allen Altstoffsammlungen gehörten wir zu den Besten, und für unsere Verschönerungsarbeiten im Dorf hatten wir sogar vom Bürgermeister eine Urkunde bekommen.

Dennoch wanderte der rote Wanderwimpel für die beste Pioniergruppe immer an uns vorbei.

Für alle Fälle nahm ich mir vor, gegen die Gründung eines Chors zu stimmen. Denn da ich immer noch keine Funktion hatte, befürchtete ich, dass man mich zum Dirigierer wählen würde.

Doch vorerst blieb alles beim Alten. Jedenfalls bis zum Oktober.

 

Montags in der ersten Stunde hatten wir im Musikkabinett Mathematikunterricht, weil es der Stundenplan so wollte. Als ich den Schulhof betrat, glaubte ich nicht richtig zu hören. Aus den Fenstern des Musikraumes tönte mir ein tolles Jubelgeschrei entgegen.

Hatte der Direktor "hitzefrei" verkündet oder einen Wandertag? Unsinn. Es war ja überhaupt nicht heiß, und der nächste Wandertag stand erst im Dezember auf dem Plan. Ich flitzte die Treppe hinauf und stürmte in die Klasse. War das ein Hallo.

Zwei Jungen hatten Katja auf die Schultern genommen. Die anderen umringten sie. Andreas, unser Gruppenratsvorsitzender, rief: "Unsere Katja, sie lebe hoch, hoch, hoch." Die Klasse stimmte lautstark ein. Katja sonnte sich in der Freude ihrer Kameraden.

Lediglich das Dreigespann Hans-Jürgen, Frank und Michael saß abseits von dem Trubel in den Bänken. Hans-Jürgen, der Sternengucker von der Arbeitsgemeinschaft Junger Astronomen, tippte sich an die Stirn und schüttelte voll Unverständnis den Kopf. "Jetzt hat es ganz ausgehakt. Das habe ich befürchtet." Seine letzten beiden Freunde Frank und Michael nickten ihm beifällig zu.

Der Jubel fand ein jähes Ende, als Wolfgang auf den schwarzen Klavierdrehstuhl sprang und mit beiden Fäusten rhythmisch auf den Deckel des verschrammten Konzertflügels trommelte, dass die Bilder von Mozart und Beethoven an den Wänden zu wackeln begannen.

Andreas, Katja und die anderen stürmten zum Flügel. "Wolfgang, mach dich da runter!" Der Ton, in dem Andreas das sagte, Katjas böser Blick und die entschlossene Haltung der Klasse ließen Wolfgang schnell zur Besinnung kommen. Er versuchte zu lachen und schüttelte seine schwarzen Locken verlegen. "Leute, was habt ihr denn. Ich denke, wir wollen mal richtig Stimmung machen?"

"Runter!", kommandierte Andreas noch einmal und Wolfgang fügte sich murrend.

Katja hatte währenddessen aus ihrer Schultasche eine Urkunde ausgepackt und hielt sie voller Stolz mit beiden Händen hoch. Da war der Grund des Jubels zu lesen: Bezirksausscheid Junger Talente, 1. Platz, Fach Klavier.

Die Urkunde ging vorsichtig wie ein rohes Ei von Hand zu Hand.

Ich wäre Katja am liebsten um den Hals gefallen, begnügte mich aber dann damit, ihr die Hand zu schütteln.

"Mir war das von vornherein klar", sagte Andreas und klopfte Katja auf die Schultern, "hast ja auch verdammt hart trainieren müssen." Andreas war unser bester Sportler. Deshalb drückte er sich auch immer so sportmäßig aus.

"U-und die Sie-sieben a mit ihrem m-mickrigen Kl-Kla-Klassenchor, die k-kann sich je-jetzt ve-verstecken", stotterte Sylvias Banknachbar Olaf. "Ei-einen Be-Bezirkssieger ha-haben d-die n-nicht a-au-aufzuweisen." Olaf streckte seinen kleinen Finger hoch. "S-so klein s-sind die je-jetzt. M-mit H-Hut."

Die Klasse lachte. Auch Hans-Jürgen, der sich hinter seinem Mathematikbuch versteckt hatte, um zu zeigen, wie wenig ihn die ganze Angelegenheit interessierte.

Da ertönte das Vorklingeln.

Die dicke Eva, die so etwas wie die Klassenmutter unserer 7b war, schlug den Deckel des Flügels auf und bat Katja: "Komm, spiel uns dein Lieblingsstück. Frau Schrater wird uns die paar Minuten bestimmt schenken."

Ohne lange zu zögern, setzte sich die junge Künstlerin an den Flügel. Wir machten es uns auf unseren Stühlen bequem.

"Johann Sebastian Bach, Capriccio auf die Abreise des geliebten Bruders", kündigte Katja an und begann zu spielen. Solch eine musikalische Ehrenrunde erlebten wir nun schon zum dritten Mal. Erst nach dem Schulausscheid, dann, als sie im Kreis einen ersten Platz belegt hatte, und heute. Dieses Klavierstück hatte sie uns schon einmal vorgespielt und auch erläutert.

Der heute in aller Welt berühmte Komponist Johann Sebastian Bach hatte es als junger Mann in Arnstadt geschrieben, in unserer Kreisstadt. Einer seiner Brüder wollte damals in ein fernes Land gehen, und Johann Sebastian spielte es ihm zum Abschied vor.

Katja sah man an, wie glücklich sie war. Wenn ich ihr Gesicht genau betrachtete, schien es mir, als sei sie mit ihren Gedanken irgendwo ganz weit weg.

Sie hatte heute ja auch allen Grund, glücklich zu sein. Sie hatte es verdient. Sechs Jahre ging sie nun schon zum Klavierunterricht, zweimal wöchentlich mit dem Bus in die Kreisstadt, fast täglich die Übungen zu Hause, vorher noch die Hausaufgaben und dazu die Arbeit als Vorsitzende des Klubs Junger Künstler im Freundschaftsrat unserer Schule. Das war nicht ohne Tränen gegangen. Ich wusste das, denn Katja wohnte mir gegenüber.

Es klingelte zur Stunde, ohne dass Katja davon Notiz nahm. Was sie da spielte, gefiel mir gut, denn man konnte richtig die Trauer beim Abschied heraushören und auch das Signal des Postillions, mit dessen Kutsche Bachs Bruder in die Ferne gefahren war. Pünktlich wie immer betrat unsere Klassen- und Mathematiklehrerin Frau Schrater den Raum. Sie schien schon Bescheid zu wissen, denn sie nickte der Klavierspielerin zu und setzte sich ganz leise auf deren Platz.

Als Hans-Jürgen sah, dass auch Frau Schrater der Vorstellung kein Ende bereitete, konnte er es nicht unterlassen, Katjas Klavierspiel mit einem plötzlichen Hustenanfall zu stören. Frank und Michael sahen sich genötigt, ihn dabei zu unterstützen. Katja spürte die Provokation sehr wohl, aber sie bemerkte auch, wie Hans-Jürgen von seinem Hintermann einen unsanften Rippenstoß bekam.

Hans-Jürgen war anscheinend die Astronomie in den Kopf gestiegen, als er Katja im vergangenen Jahr einmal "alte Klimperzicke" geschimpft hatte. Ihre Antwort war eine saftige Ohrfeige gewesen, im Beisein der ganzen Klasse. Trotz der Tränen, die danach wie eine Entschuldigung gewirkt hatten, gehörten die Sympathien des Großteils der Klasse von da an Katja.

Das Capriccio klang mit dem Signal des Postillions aus. Katja erntete unseren donnernden Beifall. Dann gratulierte ihr Frau Schrater zu dem großen Erfolg, den sie, wie die Lehrerin sagte, für die Klasse errungen habe. In der 7b herrschte statt der üblichen Montagsmüdigkeit eine freudig erregte Stimmung. Nach Mathematik war uns nicht zumute.

Nachdem uns die Lehrerin begrüßt hatte, schaute sie sorgenvoll zur Uhr und sagte: "Liebe Pioniere, ich befürchte, dass wir das Ziel unserer Mathematikstunde nicht mehr schaffen werden. Aber mir ist eben, als Katja spielte, eine Geschichte eingefallen. Eine Geschichte aus der Zeit, in der Katjas Lieblingskomponist Johann Sebastian Bach noch ein Junge war. Ihr habt bestimmt nichts dagegen, wenn ich sie euch erzähle."

Aus der Klasse ertönte zustimmendes Gemurmel. Ja, Frau Schrater war eben in Ordnung.

Mathe machte ich zwar ganz gerne. Doch ehrlich gesagt, war mir eine interessante Geschichte noch lieber. Frau Schrater rückte ihren Stuhl neben den Lehrertisch und begann zu erzählen.

Vom Feuereifer eines jungen Musikanten

Ein kalter, klarer Februarmorgen dämmerte von Osten her über dem thüringischen Städtchen Eisenach herauf. Häuser und Türme drängten sich schutzsuchend am Fuß eines Berges zusammen, dessen Gipfel die stattliche Wartburg krönte. Durch die verschneiten Gassen der Stadt stapfte ein etwa zehnjähriger Junge zum Nikolaitor. Nachdem er den Türklopfer an der Seitenpforte betätigt hatte, kam der Torwächter gähnend aus seiner Behausung und stellte die üblichen Fragen nach Namen und Reiseziel.

"Johann Sebastian Bach aus Eisenach auf dem Weg nach Ohrdruf", antwortete der Junge gehorsam.

Einen Gruß brummend, öffnete der Wächter das Tor. Während er unter dem Datum vom 28. Februar 1695 in das Wachbuch seine Eintragung machte, erinnerte er sich des Unglücks der Familie Bach: Im vergangenen Mai war die Mutter des Jungen gestorben, und nun lag auch schon sein Vater, der Eisenacher Hof- und Stadtmusikus Ambrosius Bach, unter der Friedhofserde. Mitleidig schaute der Wächter dem elternlosen Jungen nach.

Johann Sebastian Bach hatte sein dürftiges Reisebündel, in dem die wenigen Habseligkeiten zusammengeschnürt waren, auf den Rücken geschnallt und sich bangen Herzens auf den Weg gemacht. Ab und zu blieb er stehen und schaute zur Stadt zurück, deren verschneite Turmspitzen und Dächer im Licht der ersten Sonnenstrahlen glitzerten.

Seine Freunde waren jetzt auf dem Schulweg, und sicher war das Bodenfenster des Hauses von Bäckermeister Siebenpfund wieder das Ziel eines lustigen Schneeballwerfens. Das Zielwerfen machte viel Spaß. Am besten wurde es aber dann, wenn die dicke Bäckersfrau mit dem Besen aus dem Haus gerannt kam, um die Jungen, die sich vor Lachen den Bauch hielten, zu verjagen.

Der Schnee knirschte unter Sebastians Schuhen. Obwohl die Sonne schon ein wenig schien, fror der Junge erbärmlich. Der Frost ging an die Finger, zwickte in die Nase, kroch langsam über den ganzen Körper und biss sich fest. Da half kein Reiben und Springen und Stampfen. Da hieß es: Zähne zusammenbeißen!

Sebastian dachte die Jahre zurück, deren er sich erinnern konnte, dachte an seine liebe Mutter, an den Vater, die Geschwister und an das eben verlassene Haus.

Mit dem Essen war es zwar manchmal knapp zugegangen, doch Langeweile oder Einsamkeit hatte er nie kennengelernt. Hof- und Stadtmusikus Ambrosius Bach musizierte ja nicht nur zu allen festlichen Anlässen des Eisenacher Fürstenhofes und der Stadt, trompetete nicht nur zweimal täglich vom Rathaus, sondern hatte außerdem noch eine ganze Schar junger Musikanten auszubilden. Und da das letztere im Hause des Meisters geschah, ertönten dort von früh bis spät die Geigen und Bratschen, die Pfeifen und Trompeten, Trommeln und Flöten und all die anderen Instrumente, die ein ordentlicher Musikus, der nicht nur "Bierfiedler" sein wollte, erlernen musste.

Kein Wunder also, dass Sebastian und seine Geschwister da fast von allein zu Musikern wurden. Und bei wem es nicht so recht vorwärts ging mit dem Musizieren - ob eigenes Kind oder Lehrling -, bei dem half Meister Ambrosius auch ab und zu einmal kräftig mit dem Geigenbogen nach.

Seinen Sebastian hatte der Vater allerdings nie mit Schlägen zur Musik treiben müssen. Im Gegenteil. Darauf, dass sein Jüngster die Geige und die Bratsche schon besser spielte als mancher Erwachsene, war er immer sehr stolz gewesen.

Doch nun war der Vater tot, und Sebastian marschierte nach Ohrdruf, um bei der Familie seines ältesten Bruders Christoph ein neues Zuhause zu suchen.

"Was wird mich in Ohrdruf erwarten", murmelte Sebastian vor sich hin, während er auf der Landstraße dahintrottete. "Christoph muss mich unbedingt das Klavierspielen lehren." Er bekräftigte es mit einem Kopfnicken. Er sah sich schon am Klavier sitzen und hoffte, dass ihn sein großer Bruder auch einmal an die Orgel der Ohrdrufer Kirche lassen würde. Denn die Orgel, die Königin aller Instrumente, das war sein großer Traum.