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was ist und was danach geschehen wird.

Offenbarung 1:19

Exklusives Vorwort zur deutschen Ausgabe

Die Geldapokalypse beschreibt das Zusammenspiel von Geopolitik und weltweiten Kapitalmärkten. Zwischen diesen beiden Bereichen hat es schon immer Berührungspunkte gegeben. Nie aber war die Verflechtung zwischen Geopolitik und globalem Kapital so eng wie heute und noch nie war es so wichtig, sie genau zu untersuchen.

Dafür gibt es viele Gründe. In der heutigen Geopolitik kommt ein Arsenal unterschiedlicher Werkzeuge zum Einsatz, darunter Krieg, Diplomatie, Geheimdienstarbeit, Wirtschaftssanktionen und sogenannte »weiche Einflussnahme« über Entwicklungs-, Bildungs- und Kulturinitiativen. Die globalen Kapitalmärkte wiederum sind in den vergangenen nur 30 Jahren in völlig neue Dimensionen gewachsen. Lokale Börsen, nationale Größen und individuelle Marktpflege sind fast vollständig verschwunden – an ihre Stelle traten Weltbörsen, Megabanken und High-Frequency-Handel.

Weniger offensichtlich, aber noch wichtiger ist die Interaktion zwischen den beiden Welten. Das Konzept der asymmetrischen Kriegsführung hat das strategische Denken geradezu auf den Kopf gestellt: Überlegener Feuerkraft wird inzwischen mit gänzlich anderen Mitteln begegnet, etwa mit chemischen, biologischen oder radioaktiven Waffen sowie Terroranschlägen, Cyber-Attacken und neuerdings auch Finanzangriffen. Die globalen Kapitalmärkte sind nicht mehr Bankern, Anwälten und Händlern vorbehalten, sondern werden von Regierungen regelmäßig dafür genutzt, die Kosten für strategische Rivalen zu erhöhen.

Das Problem dabei ist, dass die Entwicklung des Wissens mit dieser Revolution in geostrategischen Fragen nicht mitgehalten hat. In den Außen- und Verteidigungsministerien gibt es reichlich brillante Spezialisten für Kriegsführung und Diplomatie – doch die komplexen Derivate und statistischen Methoden, die heute die Kapitalmärkte ausmachen, verstehen die Beamten, wenn überhaupt, nur in Ansätzen. Auf ähnliche Weise sind die Handelsräume und Vorstandsetagen der großen Banken voll mit hochintelligenten Köpfen. Doch ihr Denken ist eng und sie sind immer wieder überrascht, wie scheinbar »effiziente« Märkte schnell verschwinden, nur weil es wieder einmal zum Bürgerkrieg, einer Invasion oder einem grausamen Anschlag kommt.

Die Ereignisse auf der Krim, in der Ostukraine und im Nahen Osten, die es seit der englischen Erstausgabe von Die Geldapokalypse gegeben hat, bestätigen die These des Buches, dass Geopolitik und Kapitalmärkte heute untrennbar miteinander verflochten sind. Und auch das Gipfeltreffen der BRICS-Staaten im Juli 2014 in Brasilien lief fast exakt so ab, wie im Kapitel über die BRICS und andere Schwellenländer beschrieben.

Nicht nur mit seiner Darstellung von Finanzkriegen und Geopolitik hat sich das Werk als vorausschauend erwiesen: Es enthält auch eine eingehende Beschäftigung mit Defiziten und Schulden sowie dem Verhältnis zwischen beidem. Wenn laufende Defizite die Schulden der USA untragbar machen, kann das Vertrauen in den Dollar verloren gehen – möglicherweise bis zu dem Punkt, an dem er seinen Status als globale Reservewährung verliert. Das Buch nennt einige einfache Formeln, mit denen sich feststellen lässt, ob Schulden noch dauerhaft tragbar sind oder nicht. Eine der wichtigsten Variablen dabei ist das BIP-Wachstum.

Bei der ursprünglichen Veröffentlichung des Buchs im April 2014 zeigten die neuesten Daten für die USA zwei Quartale mit starkem BIP-Wachstum in Folge – besser als seit Jahren. Trotzdem war für den Autor klar, dass sich die US-Wirtschaft nicht etwa in einem zyklischen Aufschwung befindet: Stattdessen steckt sie in einer strukturellen Depression und das Wachstum dürfte noch lange so hartnäckig schwach bleiben wie seit 2009.

Ungeachtet der vor der Erstveröffentlichung gemeldeten guten Wirtschaftsdaten wagte Die Geldapokalypse eine provokante Schlussfolgerung: »Das reale Wachstum in den USA dürfte in naher Zukunft in den negativen Bereich geraten.« Ende Juni dann wurden die endgültigen BIP-Zahlen für das erste Quartal 2014 veröffentlicht. Tatsächlich zeigten sie, dass die US-Wirtschaft in diesem Zeitraum geschrumpft war. Die meisten Analysten waren darüber geschockt, doch das Buch hatte es schon vorausgesagt.

Auch in vielerlei anderer Hinsicht haben spätere Ereignisse Analysen und Prognosen dieses Buches bestätigt. Die Geldapokalypse enthält unter anderem eine eingehende Beschäftigung mit den Versuchen der BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, neue Institutionen aufzubauen, die nicht mehr von den USA und den anderen westlichen Industrienationen sowie Japan dominiert werden. Im Juli 2014 fand im brasilianischen Fortaleza das sechste BRICS-Gipfeltreffen statt. Zum Abschluss verkündeten die Teilnehmer die Gründung neuer Institutionen, die bisherige Aufgaben der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) übernehmen sollen. Finanziert werden sie mit 100 Milliarden Dollar an Beiträgen aus den BRICS-Staaten selbst. Sobald die neuen Organe arbeitsfähig sind, sollen sie an die Mitglieder Kredite für Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte vergeben und bei Währungskrisen mit Notfallfinanzierungen einspringen. Diese Kredite werden in Währungen und zu Bedingungen nach Wahl der BRICS-Staaten vergeben – also ohne besondere Beachtung der amerikanischen Präferenz für den US-Dollar.

China setzt seine Absetzbewegung vom US-Dollar nicht nur über das Engagement bei den BRICS-Staaten fort. Das Land kauft weiterhin in großem Umfang Gold und treibt so die Umstellung von kreditbasierten Werten auf physische weiter voran. Außerdem verkündete die Regierung Währungsswaps sowie Settlement- und Clearing-Vereinbarungen in Yuan unter anderem mit Argentinien, der Schweiz und Großbritannien.

Der Sinn dieser Vereinbarungen ist, zunächst die Nutzung von Yuan im internationalen Handel zu erleichtern. Später soll ein globales Zahlungssystem entstehen, das einen funktionierenden Markt für Yuan-Anleihen unterstützt – auf diese Weise könnte die chinesische Währung selbst zur Reservewährung werden. Besonders erwähnenswert ist der Währungsswap Schweizer Franken/Yuan zusammen mit den BRICS-Notkreditvereinbarungen: Durch die Kombination von beidem kann China Yuan gegen Franken tauschen und diese dann weiter in Lokalwährungen der BRICS-Staaten. Über diesen Weg können sich BRICS-Mitglieder in Krisenzeiten harte Devisen beschaffen, bei denen es sich nicht um Dollars handelt.

Derartige Distanzierung vom Dollar ist derzeit überall zu beobachten. Russland wurde von den Wirtschaftssanktionen der USA und Europas nach der Invasion auf der Krim und dem Abschuss von Flug 17 von Malaysia Airlines schwer getroffen. Diese Isolation hat das Land nur noch entschlossener gemacht, sich vom Zahlungssystem in US-Dollar zu befreien.

Am 21. Mai 2014 verkündeten Russland und China eine 400 Milliarden Dollar umfassende, über mehrere Jahrzehnte laufende Vereinbarung zur Lieferung von russischem Erdgas nach China. Die Volksrepublik will nicht nur das Gas kaufen, sie investiert auch 45 Milliarden Dollar in russische und chinesische Pipeline-Infrastruktur, um die Lieferungen zu erleichtern. Mit den fest vereinbarten Zahlungen kann Russland die Entwicklung gigantischer Erdgasfelder in Ostsibirien finanzieren. Durch das Geschäft haben sich Russland und China wirtschaftlich eng aneinander gebunden. Dies erleichtert die Ablösung des Dollar als Zahlungsmittel für die beiden Länder, wenn sie die Zeit für gekommen halten.

Auch Saudi-Arabien distanziert sich immer weiter von den USA und damit auch von ihrem Dollar, denn dort ist man nicht einverstanden mit der milderen Haltung gegenüber dem Iran und mit der möglichen Zustimmung zu den iranischen Nuklearambitionen. Bemühungen von hochrangigen US-Beamten, Saudi-Arabien in Bezug auf das Thema Iran zu beruhigen, stießen auf taube Ohren.

Die Nukleargespräche zwischen Iran und USA endeten am 20. Juli 2014 ohne Einigung – was den Verdacht der Saudis, die USA wollten den Iran gar nicht ernsthaft stoppen, nur weiter erhärtete. Zwei Tage später verkündete das Land, seine Börse zum ersten Mal auch für ausländische Anleger zu öffnen. Dadurch verschafft sich Saudi-Arabien breiteren Zugang zu den Kapitalmärkten und ist somit nicht mehr ausschließlich auf das in Dollar gehandelte Öl angewiesen; gleichzeitig wird es für China einfacher, in Saudi-Arabien zu investieren. Beide Faktoren zusammen sind ein klares Anzeichen dafür, dass Saudi-Arabien das seit den 1970er-Jahren geltende Petrodollar-System beenden will – ein weiterer Pfeil im Köcher der globalen Versuche, den Dollar als wichtigstes monetäres Mittel der Wertaufbewahrung zu kippen.

All das hat sich in der kurzen Zeit seit der Veröffentlichung der englischen Originalausgabe von Die Geldapokalypse ereignet – und es bedeutet, dass die deutsche Übersetzung genau zur richtigen Zeit kommt. Kriegsführung mit finanziellen Mitteln wird immer verbreiteter und häufiger. Die US-Wirtschaft schlittert weiter auf eine Staatsschuldenkrise zu. Handelspartner der USA, vor allem Russland, China und Saudi-Arabien, suchen weiter nach Alternativen zum US-Dollar und bereiten sich auf den Tag vor, an dem er als Weltreservewährung entthront wird.

Unterdessen warten auch der Euro, angeführt von Deutschland, und als eine Art Weltgeld die Sonderziehungsrechte (SZR) des IWF an der Seitenlinie darauf, den Dollar ersetzen zu können. Im Fall des Euro könnte die Ablösung Schritt für Schritt erfolgen, bei den Sonderziehungsrechten schlagartig als Reaktion auf die nächste globale Liquiditätskrise.

Was bleibt, ist letztlich Gold – die eigentliche, wenn auch verkannte Grundlage des internationalen Währungssystems und der einzige Reservewert, der stets Vertrauen genießt, wenn Fiat-Währungen scheitern. Einen Teil des für Anlagen zur Verfügung stehenden Geldes in physisches Gold zu investieren hilft dabei, Vermögen auch bei Finanzkriegen oder unerwarteten Katastrophenergebnissen zu bewahren. Gold ist nicht digital, kann nicht von Hackern gelöscht werden und ist immun gegen einbrechende Börsen und zahlungsunfähige Banken. Es ist immer gutes Geld.

Am gefährlichen Zustand der Welt können Anleger offensichtlich wenig ändern. Doch zumindest bei der Wahrung ihres Vermögens sind ihnen nicht die Hände gebunden. Die Geldapokalypse erklärt den kommenden Zusammenbruch des Dollar im Detail und nennt Strategien, mit denen Anleger mit diesen Turbulenzen zurechtkommen können. Das Buch war schon bei seiner Erstveröffentlichung wichtig. Heute aber wird es dringender gebraucht denn je.

James Rickards im August 2014

Einführung

Dieses Buch handelt vom Niedergang des Dollar. Im weiteren Sinne geht es auch um den möglichen Zusammenbruch des internationalen Währungssystems, denn wenn der Dollar ausfällt, gibt es keine andere Währung, die seine Rolle als globale Reservewährung einnehmen könnte. Der Dollar ist der Stützpfeiler. Wenn er scheitert, dann scheitert mit ihm das gesamte System, denn der Dollar und das System sind ein und dasselbe. So furchterregend die Aussichten auf einen solchen doppelten Kollaps auch sein mögen, sehen sie doch immer unvermeidlicher aus – aus all den Gründen, die in diesem Buch aufgeführt werden.

Zunächst erscheint eine Reise in die Vergangenheit angemessen.

Heute erinnern sich nur noch wenige Amerikaner, dass der Dollar 1978 als globale Reservewährung fast nicht mehr funktioniert hätte. In diesem Jahr fiel der Dollarindex der Federal Reserve auf ein beängstigend niedriges Niveau und das Schatzamt war gezwungen, auf Schweizer Franken lautende Staatsanleihen zu emittieren. Investoren aus dem Ausland hatten das Vertrauen in den US-Dollar als sicheren Hafen verloren. Der Dollar verlor an Kaufkraft und fiel von 1977 bis 1981 um die Hälfte; die Inflation in den USA lag in diesen fünf Jahren insgesamt bei mehr als 50 Prozent. Ab 1979 hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) kaum eine andere Wahl, als seine Ressourcen zu mobilisieren und spezielle Bezugsrechte (SDRs) zu emittieren. Er flutete den Markt mit 12,1 Milliarden SDRs, um für Liquidität zu sorgen, weil das weltweite Vertrauen in den Dollar sank.

Wir würden gut daran tun, uns an diese finsteren Tage zu erinnern. Der Goldpreis stieg von 1977 bis 1980 um 500 Prozent. Was 1971 als kontrollierte Dollarabwertung begonnen hatte, als Präsident Richard Nixon die Konvertibilität des Goldes abschaffte, wurde bis zum Ende des Jahrzehnts zu einer wilden Fluchtbewegung. Das Dollardebakel wirkte sich sogar auf das öffentliche kulturelle Leben aus. Im Film Rollover (1981) mit Jane Fonda ging es um einen geheimen Plan der ölproduzierenden Nationen, Dollars auf den Markt zu werfen und Gold zu kaufen. Dies führte zu einem Zusammenbruch der Banken, einer Panik an den Finanzmärkten und zu Unruhen auf der ganzen Welt. Das war nur Fiktion, aber sie war wirklich kraftvoll und vielleicht auch prophetisch.

Während die Dollarpanik in den späten 1970er-Jahren massiv wuchs, war ein Vertrauensverlust schon im August 1971 festzustellen, gleich nachdem Präsident Nixon die Golddeckung des Dollar abgeschafft hatte. Die Autorin Janet Tavakoli beschreibt, wie es Amerikanern im Ausland erging, als der Todeskampf des Dollar überdeutlich wurde:

Amerikaner auf Auslandsreisen bemerkten, dass Restaurants, Hotels und Händler das Wechselkursrisiko des Dollar nicht mehr auf sich nehmen wollten. An Ferragosto (ein Feiertag Mitte August) waren die Banken in Rom geschlossen und Amerikaner ohne Bargeld steckten in der Klemme.

Der Hotelmanager fragte abreisende Gäste: »Haben Sie Gold? Sehen Sie nur, was Ihr amerikanischer Präsident angerichtet hat.« Das mit dem Gold meinte er ernst. Er hätte es als Zahlungsmittel akzeptiert …

Sofort bot ich ihm an, meine Hotelrechnung im Voraus in Lire zu bezahlen. … Der Manager klatschte hocherfreut in die Hände. Er und das ganze Personal behandelten mich, als sei ich Mitglied einer Königsfamilie. Ich war nicht so wie diese anderen Amerikaner mit ihren dämlichen Dollars. Während des Rests meines Aufenthalts bekam ich in keinem Laden und in keinem Restaurant etwas, bis ich bewies, dass ich in Lire zahlen konnte.1

Später retteten die Bemühungen des Fed-Chefs Paul Volcker und des neu gewählten Präsidenten Ronald Reagan den Dollar. 1981 hob Volcker die Zinsen auf 19 Prozent an, um die Inflation auszulöschen und den Dollar für ausländisches Kapital wieder attraktiv zu machen. Ab 1981 senkte Reagan die Steuern und fuhr Regulierungsvorschriften zurück. Das stellte das Vertrauen der Wirtschaft wieder her und machte die USA zu einem Magneten für ausländische Investitionen. Im März 1985 stand der Dollarindex über seinem Tief vom Oktober 1982, der Goldpreis war ab dem 1980 erreichten Hoch um 60 Prozent gefallen. Die Inflationsrate in den USA sank von 13,5 Prozent 1980 auf 1,9 Prozent 1986. Die Nachrichten waren so gut, dass in Hollywood kein Rollover 2 gedreht wurde. Mitte der 1980er-Jahre war das Feuer gelöscht und das Zeitalter von König Dollar hatte begonnen. Der Dollar war nach 1978 nicht als globale Reservewährung verschwunden, aber es war eine knappe Entscheidung.

Jetzt ist die Welt zurück in der Zukunft.

In der heutigen Weltwirtschaft sieht man eine ähnliche Konstellation von Symp­tomen wie 1978. Im Juli 2011 erreichte der Dollarindex der Federal Reserve den tiefsten Stand aller Zeiten, mehr als 4 Prozent unter dem Panikniveau von 1978. Im August 2009 reagierte der IWF erneut als Erster und kam mit einer SDR-Neuemission im Volumen von 310 Milliarden Dollar zu Hilfe. Der Gegenwert der umlaufenden SDRs wurde dadurch um 850 Prozent erhöht. Anfang September erreichte der Goldpreis ein neues Allzeithoch von etwa 1900 Dollar je Feinunze. Er lag damit um über 200 Prozent höher als der Durchschnittspreis 2006, kurz vor Beginn der neuen Depression. Die populäre Kultur des 21. Jahrhunderts genoss ihre eigene Version von Rollover, nämlich eine im Fernsehen übertragene Erzählung vom finanziellen Zusammenbruch mit der Bezeichnung: Zu groß, um pleitezugehen.

Die Parallelen zwischen 1978 und den Ereignissen der jüngeren Vergangenheit sind erstaunlich, aber unvollständig. Damals verwüstete ein Element die Welt, das heute nicht vorhanden ist. Es ist der Hund, der nicht bellte: die Inflation. Aber dass wir den Hund nicht hören, bedeutet nicht, dass er keine Gefahr darstellt. Stark beachtete Indikatoren der Inflation in den USA haben sich seit 2008 kaum verändert. In manchen Monaten war sogar eine leichte Deflation zu beobachten. Inflation ist in China aufgetreten, wo die Regierung den Wechselkursanstieg der Währung bekämpft hat, und in Brasilien, wo Preiserhöhungen für grundlegende Dienstleistungen wie Busfahrten Unruhen ausgelöst haben. Im Frühstadium des arabischen Frühlings spielten auch steigende Lebensmittelpreise eine Rolle. Aber die Inflation des US-Dollar blieb sehr niedrig.

Bei genauerer Beobachtung sehen wir eine ganze Branche, die US-Preisindizes mit den Methoden von vor 1990 berechnet, und auf der anderen Seite alternative Waren- und Dienstleistungskörbe, von denen es heißt, sie seien repräsentativer für die Inflation, mit der die Amerikaner tatsächlich konfrontiert sind. Sie liefern Warnsignale, denn die alternativen Methoden kommen zum Ergebnis, dass die Inflation in den USA näher an 9 Prozent als an den 2 Prozent der offiziellen Regierungsstatistiken liegt. Jeder, der Milch, Brot oder Benzin einkauft, würde dieser höheren Inflationsrate sicherlich zustimmen. So vielsagend diese Schattenstatistiken auch sein mögen, haben sie doch nur geringen Einfluss auf die internationalen Währungsmärkte oder die Politik der Federal Reserve. Um die Bedrohungen für den Dollar und mögliche Reaktionen der Federal Reserve zu verstehen, muss man den Dollar mit den Augen der Fed sehen. Aus dieser Perspektive ist die Inflation keine Bedrohung; in der Tat ist höhere Inflation sowohl die Reaktion der Fed auf die Schuldenkrise als auch ein Ziel ihrer Politik.

Mit dieser inflationsfördernden Politik öffnet man dem Desaster Tür und Tor, auch wenn verblüffte Kritiker der Fed sich am Kopf kratzen angesichts der offensichtlichen Abwesenheit der Inflation, obwohl die Fed und andere Zentralbanken Geld drucken wie noch nie. Viele versuchen sich zu erklären, wie es sein kann, dass es praktisch keine Inflation gibt, obwohl die Fed die Geldmenge seit 2008 um 400 Prozent erhöht hat. Aber zwei Erklärungen sind naheliegend – und sie prognostizieren die Möglichkeit eines Zusammenbruchs. Die erste lautet, dass die amerikanische Wirtschaft strukturell geschädigt ist und das billige Geld nicht sinnvoll eingesetzt werden kann. Die zweite besagt, dass die Inflation kommen wird. Beide Erklärungen sind zutreffend – die Wirtschaft ist beschädigt und die Inflation ist auf dem Weg.

Dieses Buch untersucht diese Ereignisse auf unterschiedliche Weise. Die folgenden Kapitel bieten einen kritischen Blick auf ökonomische Standardwerkzeuge wie Gleichgewichtsmodelle, die sogenannten Value-at-Risk-Maße und die vermuteten Korrelationen. Sie werden sehen, dass die oft angewendeten allgemeinen Gleichgewichtsmodelle in einem Zustand des gestörten Gleichgewichts oder dualer Gleichgewichte bedeutungslos sind. Die Weltwirtschaft befindet sich noch nicht in einer »neuen Normalität«. Stattdessen befindet sich die Welt auf einer Reise vom Alten zum Neuen, ohne Kompass oder Wegbeschreibung. Turbulenzen sind heute die Norm.

Die Gefahr kommt von innen und von außen. Wir haben ein ungerechtfertigtes Vertrauen in die Zentralbanken; in Wirklichkeit ruinieren sie unsere Märkte. Die an der Wall Street und von den für Regularien Verantwortlichen verwendeten Value-at-Risk-Modelle zur Messung der Gefahren von Derivaten sind lächerlich. Sie verbergen zu hohe Hebelrisiken, die dann zu grotesk hohen Boni für die Banker führen. Das bringt unsere Gesellschaft aus dem Gleichgewicht. Wenn die verborgenen Kosten ans Tageslicht kommen und die Steuerzahler wieder einmal die Rechnung begleichen müssen, sitzen die Banker bequem in ihren Villen und auf ihren Yachten. Diese Titanen erklären dann leichtgläubigen Reportern und gekauften Politikern, dass sie den neuerlichen Zusammenbruch nicht vorhersehen konnten.

Während wir uns weigern, die Wahrheit über Schulden oder Defizite zur Kenntnis zu nehmen, üben Dutzende Länder rund um den Globus Druck auf den Dollar aus. Wir halten den Goldstandard für ein historisches Relikt, aber heute drängt die ganze Welt nach Gold, und das mag eine Rückkehr zum Goldstandard anzeigen. Die Gefahren einer Cyber-Attacke auf die Finanzmärkte und eines finanziellen Weltkriegs unterschätzen wir extrem.

Die von quantitativen Analysten und Ökonomen so geliebte Regressionsanalyse und Korrelationen sind untauglich für die Abschätzung der zukünftigen Risiken. Diese Analysen nehmen an, dass die Zukunft bis zu einem gewissen Grad der Vergangenheit ähnelt. Die Geschichte ist ein großartiger Lehrer, aber die Annahmen der quantitativen Analysten enthalten fatale Fehler. Der erste ist, dass ihr Blick zurück nicht weit genug reicht. Die meisten der an der Wall Street verwendeten Daten reichen 10, 20 oder 30 Jahre in die Vergangenheit. Sorgfältigere Analysten verwenden Datenreihen über 100 Jahre und finden dabei angemessenen Ersatz für Instrumente, die vor so langer Zeit noch nicht existiert haben. Aber zwischen den zwei größten Zusammenbrüchen von Zivilisationen in der Menschheitsgeschichte, dem Zerfall der Bronzezeit und dem Untergang des Römischen Reichs, liegen 1600 Jahre und das letztgenannte Ereignis liegt jetzt 1600 Jahre zurück. Das soll nicht heißen, dass unsere Zivilisation unmittelbar vor dem Kollaps steht, aber ich möchte damit auf die äußerst beschränkte Perspektive der meisten historischen Betrachtungen hinweisen. Der andere Fehler hat mit der Unfähigkeit der technischen Analysten zu tun, dynamische Faktoren zu skalieren, die gewisse, nicht mit der Geschichte verbundene Risikomaße setzen. Da das potenzielle Risiko eine Exponentialfunktion der Systemskala ist und da es das anhand von Derivaten gemessene Ausmaß der Finanzsysteme nie zuvor gab, folgt logisch, dass es auch dieses Risiko noch nie gab.

Es klingt zwar apokalyptisch, wenn man das Wort Zusammenbruch auf den Dollar anwendet, aber es hat eine vollständig pragmatische Bedeutung. Der Zusammenbruch ist einfach der Vertrauensverlust der Bürger und der Zentralbanken in die zukünftige Kaufkraft des Dollar. Folglich werfen Anleger Dollars auf den Markt, entweder durch schnelleren Konsum oder durch den Kauf greifbarer Vermögensgegenstände. Diese abrupte Verhaltensänderung führt zunächst zu höheren Zinsen, höherer Inflation und zur Zerstörung der Kapitalformierung. Das Ergebnis kann Deflation sein (wie in den 1930er-Jahren), Inflation (wie in den 1970er-Jahren) oder beides.

Der bevorstehende Zusammenbruch des Dollar und des internationalen Währungssystems ist völlig vorhersehbar. Das ist keine provokative Schlussfolgerung. Im vergangenen Jahrhundert ist das internationale Währungssystem dreimal kollabiert – 1914, 1939 und 1971. Auf jeden Zusammenbruch folgte ein von Tumulten geprägter Zeitraum. Der Kollaps 1914 wurde vom Ersten Weltkrieg ausgelöst. Später gab es einander abwechselnde Phasen der Hyper­inflation und der Depression von 1919 bis 1922, ehe Mitte der 1920er-Jahre wieder Stabilität erreicht wurde, allerdings mit einem stark geschwächten Goldstandard, was in den 1930er-Jahren zu einem erneuten Zusammenbruch führte. Der Zweite Weltkrieg löste den Kollaps von 1939 aus. Stabilität brachte erst das System von Bretton Woods, das 1944 geschaffen wurde. Der Zusammenbruch 1971 wurde ausgelöst, als Nixon die Konvertibilität des Dollar gegen Gold abschaffte, obwohl sich diese Entwicklung schon seit Jahren abgezeichnet hatte. Es folgte Konfusion, die ihren Höhepunkt mit dem Beinahe-Zusammenbruch des Dollar 1978 erreichte.

Der bevorstehende Zusammenbruch könnte, ebenso wie die früheren, Krieg, Gold oder Chaos bedeuten – vielleicht alle drei. Dieses Buch beschreibt die dringlichsten Gefahren für den Dollar, die sich wahrscheinlich in den kommenden Jahren auswirken werden: finanzielle Kriegsführung, Deflation, Hyper­inflation und der Zusammenbruch der Märkte. Nur Nationen und Individuen, die heute Vorsorge treffen, werden den bevorstehenden Mahlstrom überleben.

Statt trügerischer, wenn auch populärer Methoden gilt in diesem Buch die Komplexitätstheorie als bestes Werkzeug zur Betrachtung aktueller Risiken und möglicher Ergebnisse. Die Kapitalmärkte sind komplexe Systeme ohnegleichen. Die Komplexitätstheorie ist in der Geschichte der Wissenschaft relativ neu, aber in den 60 Jahren seit ihrer Konzipierung wurde sie intensiv auf Wetter, Erdbeben, soziale Netzwerke und andere dicht verknüpfte Systeme angewendet. Die Anwendung der Komplexitätstheorie auf die Finanzmärkte steckt noch in den Kinderschuhen, hat aber schon Erkenntnisse über Risikomaße und Preisdynamik geliefert, die mehr prognostische Kraft haben als konventionelle Methoden.

Wie Sie auf den kommenden Seiten sehen werden, wird der finanzielle Zusammenbruch nichts ähneln, was es in der Geschichte schon einmal gab. Aber ein klarsichtigerer Blick auf die undurchsichtigen finanziellen Geschehnisse in unserer Welt kann Investoren dabei helfen, über die besten Strategien nachzudenken. In der Zusammenfassung dieses Buchs finden Sie einige Empfehlungen, aber die Entscheidung für die beste Vorgehensweise erfordert, ein Minenfeld von Risiken zu verstehen, während man am Scheideweg steht und über den Tod des Dollar nachdenkt.

Abgesehen von Marktereignissen müssen Sie dabei auch einen Finanzkrieg in Ihre Überlegungen einbeziehen.

Der Finanzkrieg

Sind wir auf einen Finanzkrieg vorbereitet? Die Führung eines Finanzkriegs unterscheidet sich vom normalen ökonomischen Wettbewerb, weil er nicht nur Wettbewerbsmaßnahmen beinhaltet, sondern auch absichtlich böswillige Aktionen. Ein Finanzkrieg umfasst die Anwendung von Derivaten und die Durchdringung von Wertpapiermärkten, um Verwüstungen zu verursachen, Panik auszulösen und letztlich die Wirtschaft des Feindes lahmzulegen. Ein Finanzkrieg geht weit über Industriespionage hinaus, die es mindestens seit dem frühen 19. Jahrhundert gibt, als sich ein Amerikaner, Francis Cabot Lowell, den Aufbau der englischen elektrischen Webmaschine einprägte und anschließend in den USA eine Kopie davon baute.

Das Waffenarsenal des modernen Finanzkriegs beinhaltet geheime Hedgefonds und Cyber-Attacken, die Systeme zur Ordererteilung manipulieren und eine Flut von Verkaufsaufträgen bei Aktien wie Apple, Google und IBM auslösen können. Theoretiker, die an effiziente Märkte glauben und solchen Taktiken skeptisch gegenüberstehen, können sich die Irrationalität eines Markts nicht vorstellen, der sich gerade in voller Fahrt befindet. In einem Finanzkrieg geht es nicht um Maximierung von Wohlstand, sondern um den Sieg.

Die Risiken eines Finanzkriegs im Zeitalter der Hegemonie des Dollar sind neuartig, denn die USA mussten nie in einer Welt leben, in der die Marktteilnehmer hinsichtlich ihrer nationalen Sicherheit nicht von ihnen abhängig waren. Sogar auf dem Höhepunkt der Dollarkrise 1978 erwartete man von Deutschland, Japan und den Ölexporteuren, dass sie den Dollar stützen würden, weil sie gegen Bedrohungen durch die UdSSR extrem abhängig vom Schutz der USA waren. Heute verlassen sich mächtige Staaten wie Russland, China und Iran beim Schutz ihrer nationalen Sicherheit nicht auf die USA. Vielleicht versprechen sie sich von einem wirtschaftlich angeschlagenen Amerika auch einige Vorteile. Die Finanzmärkte haben sich deutlich in das Reich der strategischen Angelegenheiten begeben und die Politiker in Washington, die die Tragweite dieser Tatsachen am dringendsten verstehen sollten, sind sich dieser neuen Welt nur wenig bewusst.

Inflation

Kritiker von Richard Cantillon im frühen 18. Jahrhundert bis zu Wladimir Iljitsch Lenin und John Maynard Keynes im 20. Jahrhundert waren sich einig, dass die Inflation der heimliche Zerstörer von Ersparnissen, Kapital und Wirtschaftswachstum ist.

Inflation beginnt oft unmerklich und setzt sich fest, bevor sie erkannt wird. Diese Verzögerung beim Verstehen der Lage, die für die Zentralbanken so wichtig ist, nennt man Geldillusion. Man hat den Eindruck, dass tatsächlicher Wohlstand entsteht, und es werden »animalische Instinkte« geweckt, wie Keynes dieses Phänomen genannt hat. Erst später wird klar, dass Banker und schlaue Investoren sich diesen Wohlstand gesichert haben; die normalen Bürger bleiben mit entwerteten Ersparnissen, Pensionen und Lebensversicherungen zurück.

Was Geldillusion betrifft, sind die 1960er- und 1970er-Jahre eine gute Fallstudie. Von 1961 bis Ende 1965 lag die Inflationsrate in den USA im Durchschnitt bei 1,24 Prozent. 1965 startete Präsident Lyndon Johnson eine massive Ausgabenerhöhung. Die Ausweitung des Kriegs in Vietnam und soziale Wohltaten sorgten für hohe Haushaltsdefizite. Die Federal Reserve billigte diese Ausgaben, und das bis zur Wiederwahl Präsident Nixons 1972. Zunächst stieg die Inflationsrate nur langsam auf 2,9 Prozent 1966 und 3,1 Prozent 1967. Dann geriet sie außer Kontrolle, erreichte 1970 5,7 Prozent und 1980 mit 13,5 Prozent ihren Höhepunkt. Erst 1986 sank die Inflation wieder auf das für die frühen 1960er-Jahre typische Niveau von 1,9 Prozent.

Zwei für heute höchst wichtige Lehren kann man aus den 1960er- und 1970er-Jahren ziehen. Die erste besagt, dass die Inflation eine erhebliche Dynamik erreichen kann, bevor die breite Öffentlichkeit sie bemerkt. Erst 1974, neun Jahre nach dem Beginn des Inflationszyklus, wurde die Inflation zu einem wichtigen politischen Thema und zu einem viel diskutierten Problem. Diese Zeitlücke zwischen Beginn der Entwicklung und Wahrnehmung ist der wesentliche Punkt der Geldillusion.

Zweitens: Sobald sich die Wahrnehmungen der Inflation verschieben, sind sie nur extrem schwer wieder zum Ausgangspunkt zurückzuführen. Während des Vietnamkriegs brauchten die amerikanischen Durchschnittbürger neun Jahre, um sich auf die Inflation zu konzentrieren, und dann noch weitere elf Jahre, um die Erwartungen wieder zum Ausgangspunkt zurückzuführen. Es geht eben viel schneller, einen Felsbrocken von einem Hügel herunterrollen zu lassen, als ihn wieder nach oben zu schieben.

In der jüngeren Vergangenheit, seit 2008, hat die Federal Reserve 3 Billionen Dollar neues Geld gedruckt, ohne die Inflation in den USA damit groß anzuheizen. Noch immer hat die Fed ein Inflationsziel von mindestens 2,5 Prozent, vielleicht auch mehr, und sie wird weiter Geld drucken, bis dieses Ziel erreicht ist. Die Fed sieht die Inflation als einen Weg, den realen Wert der US-Staatsverschuldung zu senken und die Gefahr einer Deflation zu bannen.

Dahinter verbirgt sich ein großes Risiko. Sowohl die Geschichte als auch die Verhaltenspsychologie liefern hier Anhaltspunkte. Sobald das Inflationsziel erreicht ist und die Erwartungen sich ändern, entwickelt sich ein Feedback-Zyklus. Höhere Inflation führt zu höheren Inflationserwartungen, zu noch höherer Inflation und so weiter. Die Fed wird diese Entwicklung nicht aufhalten können, denn deren Dynamik ist keine Funktion der Geldpolitik, sondern der menschlichen Natur.

Wenn dieser Zyklus an Energie gewinnt, kann man eine Wiederholung der späten 1970er-Jahre erwarten. Schnell wird es zu einem massiven Goldpreisanstieg und zu einem Absturz des Dollar kommen, denn beide sind die zwei Seiten derselben Medaille. Der Unterschied zwischen der nächsten und der letzten Phase ausufernder Inflation ist, dass Russland, China und der IWF nicht mit Dollars, sondern mit Gold und SDRs bereitstehen werden, um neue Reserven zu bilden. Wenn der Dollar vom Hochseil stürzt, wird es kein Netz geben.

Deflation

Seit den Jahren zwischen 1927 und 1933 gab es in den USA keine Phase dauerhafter Deflation. Folglich haben die Amerikaner auch keine persönlichen Erinnerungen an die Deflation. Ohne das massive Gelddrucken der Federal Reserve hätten die USA von 2009 bis 2013 eine schwere Deflation erlebt. Der vorherrschende Trend der US-Wirtschaft hin zur Deflation ist nicht verschwunden. Er wurde nur überdeckt.

Deflation ist aus vielerlei Gründen der schlimmste Albtraum der Federal Reserve. Reale Gewinne durch Deflation sind schwer zu besteuern. Wenn eine Schuldirektorin bei konstanten Preisen 100 000 Dollar im Jahr verdient und eine Gehaltserhöhung von 5 Prozent erhält, erhöht sich ihr realer Lebensstandard vor Steuern um 5000 Dollar. Aber die Regierung besteuert den Gehaltsanstieg und für die Direktorin bleibt weniger übrig. Wenn ihr Gehalt gleich bleibt und die Preise um 5 Prozent sinken, hat sie denselben Anstieg ihres Lebensstandards um 5000 Dollar. Diesen Zuwachs kann die Regierung aber nicht besteuern, weil er nicht durch eine Gehaltserhöhung, sondern durch niedrigere Preise zustande gekommen ist.

Deflation erhöht den realen Wert der Staatsverschuldung, was die Tilgung erschwert. Wird die Deflation nicht gebremst und in ihr Gegenteil verkehrt, kommt es zu einem regelrechten Staatsbankrott statt zu einer weniger traumatischen Pleite durch Inflation. Deflation verlangsamt das nominale BIP-Wachstum, während die Staatsverschuldung wegen der Haushaltsdefizite jedes Jahr wächst. Das erhöht tendenziell die Relation zwischen Staatsschulden und BIP, schickt die USA auf den gleichen Weg wie Griechenland und steigert die Wahrscheinlichkeit einer Schuldenkrise.

Deflation erhöht auch den realen Wert privater Schulden und löst eine Welle von Pleiten und Insolvenzen aus. Diese Verluste fallen dann auf die Banken zurück und verursachen eine Bankenkrise. Da die Stützung des Bankensystems die Hauptaufgabe der Fed ist, muss Deflation vermieden werden, denn sie führt zu faulen Schulden, die die Zahlungsfähigkeit der Banken bedrohen.

Und schließlich nährt Deflation sich selbst; für die Fed ist es fast unmöglich, eine solche Entwicklung umzudrehen. Die Federal Reserve vertraut auf ihre Fähigkeit, die Inflation zu kontrollieren, obwohl die Erfahrungen aus den 1970er-Jahren zeigen, dass dafür extreme Maßnahmen erforderlich sein können. Die Fed macht sich keine Illusionen über die Schwierigkeit, eine Deflation zu beenden. Wenn Bargeld Tag für Tag wertvoller wird, was das kennzeichnende Merkmal einer Deflation ist, wird es von Privatleuten und Firmen gehortet, nicht aber ausgegeben oder investiert. Dieses Horten von Geld zerstört die Gesamtnachfrage und führt zu einem Absturz des BIP. Daher hat die Fed seit 2008 mehr als 3 Billionen Dollar neues Geld gedruckt – um eine deflationäre Entwicklung schon im Keim zu ersticken. Wahrscheinlich wird die Fed auch in den nächsten Jahren massiv Geld drucken, um eine Deflation abzuwenden. Bei der Fed nimmt man an, auf diese Weise mögliche inflationäre Konsequenzen in den Griff zu bekommen.

Wenn die Fed zur Abwehr von Deflation weiterhin Geld druckt, wird sie vielleicht an die politischen Grenzen des Gelddruckens gelangen, weil ihre Bilanz auf über 5 Billionen Dollar steigt oder wenn ihre Gewinn-Verlust-Rechnung zur Insolvenz führt. An diesem Punkt könnten die Gouverneure der Fed entscheiden, es doch mit einer Deflation zu versuchen. Bei diesem Tanz mit dem Teufel würde die Fed auf die Fiskalpolitik bauen, um die Gesamtnachfrage zu stützen. Die Deflation könnte auch trotz des Gelddruckens die Oberhand gewinnen. Das kann geschehen, wenn die Fed Geld aus Hubschraubern abwirft, die Bürger es aber auf dem Boden liegen lassen, weil sie sich verschulden, wenn sie es aufheben. In beiden Szenarien würden die USA plötzlich in die Situation von 1930 zurückgeworfen und wären mit einer echten Deflation konfrontiert.

Unter diesen Umständen hätten die USA nur eine einzige Möglichkeit, die Deflation zu brechen, indem sie den Goldpreis auf beispielsweise 7000 Dollar je Unze festlegen, vielleicht noch höher. Die Federal Reserve könnte diesen Preis sichern, indem sie am Goldmarkt mit den Reserven in Fort Knox operiert. Zu 6900 Dollar je Unze würde sie kaufen und zu 7100 Dollar verkaufen, um den Preis bei 7000 Dollar zu halten. Das Ziel dabei wäre nicht die Bereicherung von Goldbesitzern, sondern eine neue Bestimmung des allgemeinen Preisniveaus.

Solche Maßnahmen mögen unwahrscheinlich wirken, aber sie wären wirksam. Da sich nichts im luftleeren Raum bewegt, würde eine solche Abwertung des Dollar gegenüber dem Gold schnell zu höheren Dollarpreisen für alles andere führen. Wenn Gold 7000 Dollar kostet, dann kosten auch ein Barrel Rohöl 400 Dollar und eine Unze Silber 100 Dollar. Man kann der Deflation den Hals brechen, wenn der Dollar gegenüber dem Gold abgewertet wird, wie 1933, als die USA den Preis je Unze von 20,67 Dollar auf 35,00 Dollar heraufsetzten, was einer Dollarabwertung von 41 Prozent entsprach. Sollten die USA wieder einmal mit einer schweren Deflation konfrontiert sein, ist die Abwertung des Dollar gegenüber dem Gold noch immer das Gegengift, denn eine andere Lösung gibt es nicht, wenn das Gelddrucken versagt.

Der Zusammenbruch des Marktes

Die Aussicht auf einen Zusammenbruch des Marktes ist eine Funktion systemischer Risiken, unabhängig von den Fundamentaldaten der Wirtschaftspolitik. Das Risiko eines Zusammenbruchs wird durch die Inkompetenz der Regulierungsbehörden und die Gier der Banker erhöht. Die Komplexitätstheorie ist der angemessene Rahmen für die Analyse dieses Risikos.

Der Ausgangspunkt dieser Analyse ist die Erkenntnis, dass die Kapitalmärkte alle vier kennzeichnenden Eigenschaften komplexer Systeme aufweisen: Unterschiedlichkeit der Teilnehmer, wechselseitige Abhängigkeit, Verbundenheit, Interdependenz und adaptives Verhalten. Die Erkenntnis, dass Kapitalmärkte komplexe Systeme sind, hat weitreichende Auswirkungen auf das Regelwerk und auf das Risikomanagement. Daraus folgt zunächst, dass das angemessene Risikomaß der gesamte theoretische Wert der Derivate ist, nicht etwa die Nettosumme. Der Gesamtwert aller Bankderivate liegt heute bei über 650 Billionen Dollar. Das ist mehr als das Neunfache des globalen BIP.

Zweitens: Die größte Katastrophe, die in einem komplexen System geschehen kann, ist eine exponentielle, nichtlineare Funktion einer systemischen Skala. Das bedeutet: Wenn sich das System verdoppelt oder verdreifacht, steigt das Risiko einer Katastrophe um den Faktor 10 oder 100. Das ist auch der Grund, warum Stresstests wertlos sind, die auf historischen Episoden wie dem 11. September 2001 oder auf 2008 basieren, denn eine noch nie dagewesene systemische Skala bedeutet ein noch nie dagewesenes systemisches Risiko.

Die Lösungen für diesen Überhang systemischer Risiken sind überraschend simpel. Zuallererst müsste man die Großbanken aufbrechen und die meisten Derivate verbieten. Das globale Finanzwesen braucht keine Großbanken. Wenn eine Finanzierung in großem Ausmaß fällig ist, kann eine Bank ein Konsortium organisieren, wie es in der Vergangenheit regelmäßig geschah, wenn es galt, teure Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Beispiele sind die Pipeline durch Alaska, die erste Flotte von Supertankern und die ersten 747-Jumbos von Boeing. Der Vorteil einer Zerlegung der Banken wäre nicht die Verhinderung von Bankpleiten, sondern die Tatsache, dass solche Pleiten keine Bedrohung mehr wären. Die Folgen einer Pleite wären kontrollierbar, sie würden sich nicht mehr auf das gesamte Bankensystem auswirken und dieses gefährden. Das Argument, die meisten Derivate zu verbieten, ist sogar noch logischer. Derivate erfüllen praktisch keinen anderen Zweck als den, Banker reich zu machen. Das geschieht durch undurchsichtige Preisfestlegung und Täuschung der Anleger durch Buchführung außerhalb der Bankbilanz.

Diese Strategien mögen noch so wirksam sein, es besteht keinerlei Aussicht auf eine Zerschlagung der Großbanken oder ein Verbot von Derivaten. Die Regulierungsbehörden verwenden nämlich völlig veraltete Modelle oder vertrauen auf die Modelle der Banker, was sie unfähig macht, systemische Risiken zu erkennen. Auch der Kongress wird keine Maßnahmen in die Wege leiten, denn seine Mitglieder sind mehr oder weniger durch die Parteispenden der Banken beeinflusst.

Die Risiken durch Banken und Derivate werden weiter wachsen, und der nächste Kollaps wird ein nie zuvor gesehenes Ausmaß erreichen, weil es noch nie eine solche Systemskala gab. Da die Ressourcen der Fed 2008 kaum ausreichten, einen völligen Zusammenbruch zu verhindern, kann man damit rechnen, dass ein noch größerer Kollaps die Bilanz der Fed überfordern wird. Da die Fed in einer relativ ruhigen Phase über 3 Billionen Dollar gedruckt hat, wäre es politisch nicht darstellbar, in Zukunft weitere 3 Billionen Dollar zu drucken. Die Aufgabe, die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wird dem IWF zufallen, weil er von allen offiziellen Institutionen die einzige mit einer sauberen Bilanz ist. Der IWF wird die Gelegenheit nutzen, eine enorme Menge von SDRs zu emittieren, und diese monetäre Maßnahme wird die Rolle des Dollar als führende Reservewährung effektiv beenden.

Eine Flut von Gefahren

Diese Bedrohungen des Dollar sind allgegenwärtig. Die endogenen Bedrohungen sind das Gelddrucken der Fed und das Schreckgespenst einer galoppierenden Inflation. Zu den exogenen Bedrohungen gehören die Goldkäufe Russlands und Chinas (mehr dazu in Kapitel 9), die eine Verschiebung hin zu einer neuen Reservewährung ahnen lassen.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche untergeordnete Bedrohungen. Wenn sich keine Inflation entwickelt, wird die Ursache dafür eine unaufhaltsame Deflation sein und die Fed wird darauf mit einer radikalen Reflation des Goldes reagieren. Russland und China sind nicht allein mit ihrem Wunsch, sich vom Dollarstandard zu befreien. Der Iran und Indien könnten eine Bewegung hin zu einer asiatischen Reservewährung anführen und die Mitglieder des Gulf Cooperation Council könnten beschließen, Ölexporte in einer neuen regionalen Währung zu berechnen, die von einer Zentralbank mit Sitz am Golf von Persien herausgegeben wird. Die geopolitischen Bedrohungen des Dollar werden sich vielleicht nicht auf wirtschaftlichen Wettbewerb beschränken, sondern böswillig werden und die Form eines Finanzkriegs annehmen. Und schließlich könnte das globale Finanzsystem auch von selbst kollabieren, ganz ohne einen Frontalangriff, einfach wegen seiner internen Komplexität und wegen Übertragungseffekten.

Derzeit sind der Dollar und das internationale Währungssystem quasi identisch. Wenn der Dollar kollabiert, wird auch das internationale Währungssystem zusammenbrechen, denn anders kann es gar nicht sein. Normale Bürger, Sparer und Rentner werden die wichtigsten Opfer des Chaos sein, das auf einen Kollaps folgt, obwohl ein solcher Zusammenbruch nicht das Ende des Handels, des Finanz- oder des Bankwesens bedeutet. Die wichtigsten Akteure an den Finanzmärkten, seien es Nationen, Banker oder multilaterale Institutionen, werden sich durchwursteln und es wird ständig Konferenzen von Finanzministern, Zentralbankern und Staatsoberhäuptern geben, um neue Spielregeln aufzustellen. Sollte es zu sozialen Unruhen kommen, ehe die Finanzeliten neue Spielregeln erlassen, sind die Nationen mit militärisch aufgerüsteter Polizei, Armeen, Drohnen, Überwachung und Befehlen darauf vorbereitet, Unzufriedenheit zu unterdrücken.

Das internationale monetäre System der Zukunft wird nicht auf Dollars basieren, denn China, Russland, die Öl produzierenden Länder und andere aufstrebende Nationen werden alle gemeinsam auf dem Ende der monetären Hegemonie der USA und auf der Schaffung eines neuen monetären Standards bestehen. Ob dieser neue Standard auf Gold, SDRs oder einem Netzwerk regionaler Reservewährungen basieren wird, bleibt abzuwarten. Es gibt aber nur wenige Möglichkeiten, und wenn Investoren die wichtigsten von ihnen untersuchen, können sie sich einen Vorteil und vernünftige Aussichten darauf erarbeiten, ihren Wohlstand in dieser neuen Welt zu bewahren.

Das System ist außer Kontrolle geraten. Der veränderte Zustand der Weltwirtschaft mit neuen Mitspielern, veränderten Loyalitäten, politischer Unfähigkeit und technologischen Veränderungen hat die Investoren ratlos zurückgelassen. Dieses Buch wird Ihnen einen Blick auf die letzten Tage des Dollar und den daraus resultierenden Zusammenbruch des internationalen monetären Systems vermitteln. Zudem erhalten Sie einen Ausblick auf das neue System, das aus der Asche des alten Systems entstehen wird.