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Dirk Walbrecker

20.000 Meilen unter dem Meer

Reihe: Walbreckers Klassiker

Kuebler Verlag

Das Buch:

Jules Verne ist der vielleicht erste Science Fiction-Autor und Verfasser von vielen fantastischen Romanen, die in alle wichtigen Sprachen der Welt übersetzt wurden.

Abtauchen mit Kapitän Nemo und seiner Crew in der futuristischen „Nautilus“ (dem ersten U-Boot der Welt) in eine unterseeische exotische Welt, die von Ungeheuern und wundersamen Wesen belebt ist. Eine Welt, in der es unter größter Lebensgefahr schier unglaubliche Entdeckungen zu machen gilt.

Der Autor:

Dirk Walbrecker, geboren in Wuppertal, seit 1965 in München und jetzt in Landsberg am Lech lebend, Vater von 3 leiblichen Töchtern und inzwischen auch von zahlreichen literarischen Kindern.

Nach diversen Studien (u.a. Germanistik und Pädagogik) viele Jahre beim Film und einige Jahre in der Schule gearbeitet.

Seit 1986 freiberuflicher Autor: Drehbücher, Hörspiele, Hörbücher sowie Bilderbücher, Kinder- und Jugendromane. Zahlreiche Auszeichnungen und in 15 Sprachen übersetzt.

In den letzten Jahren häufig auf Lesereisen, um jungen Menschen live und lebendig Freude an Literatur und allem Musischen zu vermitteln.

Zudem Schreibwerkstätten verschiedenster Art und Thematik für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Nähere Informationen, Unterrichts-Materialien etc. unter: www. dirkwalbrecker.de

Walbreckers Klassiker

20.000 Meilen

unter dem Meer

Neu erzählt von Dirk Walbrecker

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Walbreckers „Klassiker für die ganze Familie“

im Internet: www.walbreckers-klassiker.de

Impressum

Neue vom Autor durchgesehene Ausgabe

© 2013 Kuebler Verlag GmbH, Lampertheim

Alle Rechte vorbehalten

Bildmaterial: © crop – fotalia.com,

ISBN Buchausgabe 978-3-942270-80-9

ISBN Digitalbuch: 978-3-86346-171-3

Auf den Spuren eines Ungeheuers

Es war im Jahre 1866, als die ersten Gerüchte auftauchten. Ein merkwürdiges Objekt, ein Körper von riesigen Ausmaßen, war kurz hintereinander von mehreren Schiffen gesichtet worden. Die Beschreibungen der Seeleute stimmten verblüffend genau überein: Das Monstrum sollte angeblich extrem lang sein, sich außerordentlich schnell und gewandt fortbewegen. Es konnte Wasserstrahlen mindestens einhundertfünfundfünfzig Fuß hoch in die Luft schleudern. Und was die Sache noch rätselhafter machte: Zuweilen ging von dem Objekt phosphoreszierendes Licht aus.

Im Nu verbreiteten sich die Sensationsmeldungen von Kontinent zu Kontinent. Kaufleute, Reeder, Kapitäne der Handelsflotten, Offiziere der Kriegsmarinen und sogar Staatsmänner waren beunruhigt. Und wo immer man auftauchte – ob in Kaffeehäusern, im Theater oder bei einer privaten Einladung –, überall gab es nur ein Thema: das Meeresmonster. Die Zeitungen waren voll von Spekulationen. Zeichnungen von gigantischen Untieren und unheimlichen Wesen wurden abgedruckt. Und selbst in gelehrten Gesellschaften und wissenschaftlichen Journalen diskutierte man sich die Köpfe heiß.

So ging das einige Monate. Alles war möglich, nichts war bewiesen. Das Thema war vorwärts und rückwärts durchgehechelt und es schien alles gesagt. Die Menschen brauchten neue Sensationen ...

Dann aber, man schrieb den 5. März 1867, wurde das Thema schlagartig wieder aktuell: Im Morgengrauen, fern von Festland oder Inseln, rammte die Moravian bei klarem Wetter ein unsichtbares Objekt! Ein fürchterlicher Stoß hatte das Passagierschiff durchgeschüttelt. Ein Teil des Kiels war zu Bruch gegangen. Der Ozean war auf drei Kabellängen gewaltig aufgewühlt ... ein Rätsel!

Nur drei Wochen später das nächste Unglück: Die Scotia, eines der modernsten Schiffe der berühmten englischen Cunard Line, wurde bei ruhiger See und günstigem Wind von einem Stoß unter Wasser erschüttert. Gleich darauf die Schreckensmeldung aus den Tiefen des Rumpfes: zwei Meter breites Leck am Kiel, das vier Zentimeter starke Eisenblech sauber durchschnitten! Zwar entging die Scotia dank ihrer modernen Mehrkammerkonstruktion einer Katastrophe und konnte die Fahrt mit halber Kraft fortsetzen. Aber ich sage es gleich: Nun war jeder, der etwas mit Schiffen oder dem Meer zu tun hatte, schlagartig hellwach. Und auch ich, meines Zeichens stellvertretender Professor am Naturhistorischen Museum in Paris, war plötzlich mit meinen Fachkenntnissen gefragt. Ich war soeben mit einem Schatz von mineralogischen, botanischen und zoologischen Funden von einer sechsmonatigen Expedition zurückgekehrt, an der ich im Auftrag der französischen Regierung teilgenommen hatte. Ich wartete in New York noch auf meine Einschiffung nach Frankreich, da erreichte mich ein hochoffizielles Schreiben vom amerikanischen Marineministerium an den „ehrenwerten Professor Pierre Aronnax, Verfasser des allseits gerühmten Buches ‚Die Geheimnisse der großen unterseeischen Tiefe‘“. Mit aller Dringlichkeit wurde ich bei meiner beruflichen Ehre gepackt. Alle Welt erwartete auch von mir einen Beitrag: Handelt es sich bei dem gefährlichen Unterwassermonstrum um ein Ungeheuer von kolossaler Kraft? Oder ist eine unbekannte politische Macht im Besitz eines unterseeischen Fahrzeugs mit gigantischem Triebwerk?

„Conseil“, sagte ich zu meinem Diener, der mir seit zehn Jahren treu zur Seite stand. „Pack sofort unsere Koffer!“

Warum diese Eile? Weshalb sollte ich mich umgehend auf der Abraham Lincoln einfinden?

Sehr einfach: In den letzten Tagen hatten sich die Schreckensbotschaften gehäuft. Das Ungeheuer hatte nicht nur einmal seine grausamen Waffen gezeigt. Nein, es waren gleich mehrere Schiffe angegriffen worden. Es wurden Listen von vermissten Schiffen aufgestellt und die ungeheuerlichsten Spekulationen angestellt:

Trieb dieses rasende, zerstörungswütige Monstrum nicht schon länger sein Unwesen? Gingen die unzähligen Toten auf den Weltmeeren hauptsächlich auf seine Rechnung? Handelte es sich bei dem Untier vielleicht um ein Monsterexemplar des Gemeinen Narwals? Tatsächlich ist dieses Tier eine Art See-Einhorn, ausgerüstet mit einem Zahn, einem Degen aus Elfenbein, der bei den bislang gefangenen Tieren am Schaft eine Stärke von bis zu 48 Zentimetern misst. Wer will behaupten, dass sich in unerforschten Tiefen der Ozeane nicht Wesen versteckt halten, die es an Größe und Gewalt mit den ausgestorbenen Dinosauriern aufnehmen ...

Kurz gesagt: Die amerikanische Regierung hatte größtes Interesse, den Urheber der Unglücke zu finden und zu vernichten. Und dementsprechend war auch die Abraham Lincoln ausgerüstet. Als ich an Bord von Kommandant Farragut herzlich begrüßt wurde, konnte ich mich sogleich von der Tauglichkeit des Schiffes überzeugen: Es handelte sich um eine segeltüchtige Fregatte, die dank einer speziellen Heizungsapparatur den Dampfdruck bis auf sieben Atmosphären treiben konnte. Damit ließ sich immerhin eine mittlere Geschwindigkeit von 18,3 Meilen in der Stunde erreichen, Ob dies allerdings für einen Wettstreit mit dem gigantischen Ungetüm ausreichen würde ... ich wagte dies zu bezweifeln. Den letzten Meldungen zufolge narrte das Teufelswesen seine Widersacher, indem es in bisher nicht vorstellbaren Geschwindigkeiten seine Jagdplätze wechselte.

Nun gut, man musste abwarten. Zuletzt war das Monster in den nördlichen Gewässern des Pazifiks gesichtet worden. Und genau dieses Gebiet war auch das Ziel der Abraham Lincoln, als sie am 4. Juli 1867 vom Kai von Brooklyn ablegte. Sage und schreibe eine halbe Million Schaulustige hatten sich zum Abschied am East River eingefunden. Hunderte von Fähren, Tendern und Booten gaben uns das Geleit. Von den Forts, die das Ufer des Hudson säumten, wurde Salut geschossen. Und die Abraham Lincoln erwiderte die Ehrung durch das dreimalige Niederholen und Hissen des amerikanischen Banners mit den neununddreißig glänzenden Sternen. Schlag drei Uhr ging der Lotse von Bord und Kommandant Farragut ließ die Feuer schüren. Heftig schlug die Schraube Wellen und wir ließen die Leuchtfeuer hinter uns. Wir passierten die niedrige gelbe Küste von Long Island und um acht Uhr abends stieß die Fregatte mit voller Kraft in die dunklen Wasser des Atlantiks hinaus.

Wer nun glaubt, die Abraham Lincoln hätte eine kurze Reise vor sich, der sei gleich hier eines anderen belehrt: Die Geduld der Mannschaft wurde aufs Ärgste strapaziert. Ja, es kam auf dem langen Weg zu unserem großen Ziel fast zu einer Meuterei. Zu Anfang schienen nur zwei Leute Zweifel an unserer Unternehmung zu haben – ausgerechnet die, bei denen ich es am wenigsten gern sah. Der eine war mein flämischer Diener Conseil. Sonst ein Vorbild an Freundlichkeit, muffelte er die meiste Zeit in seiner Kabine rum. Letztlich konnte ich ihn verstehen. Er war ein Mensch, der immer etwas zum Katalogisieren brauchte. Egal, ob es sich um Pflanzliches oder Tierisches handelte, alle meine Funde wusste er stets vorbildlich zu ordnen. Nur hier und jetzt gab es nichts zu sortieren. Viel schlimmer: Das einzige, was wir jagten, war möglicherweise ein Phantom, eine pure Einbildung. Genau das vermutete auch der Mann an Bord, von dem ich das meiste erhoffte: Ned Land, unser kanadischer Harpunier, ein Meister seines Fachs, der beste unter den Walfängern. Ich war ihm gleich zu Anfang nahe gekommen – vielleicht weil er die gleiche Sprache wie ich sprach. Darüber hinaus war er aber auch ein hochintelligenter und wacher Gesprächspartner leider allerdings mit gänzlich anderen Ansichten als ich:

„Was wir suchen, gibt es nicht“, erklärte er mir mehr als einmal. „Ich kenne mich aus bei den Walen. Was die Leute gesehen haben wollen, Herr Professor, ist reine Einbildung. Das sollten Sie als studierter Naturforscher eigentlich wissen.“

Ich musste mich zum wiederholten Male beherrschen. Da fuhren wir über den Äquator, ließen den ganzen amerikanischen Kontinent hinter uns und umschifften Kap Hoorn. Da wechselten wir in das größte aller Weltmeere, den Pazifik, erreichten ein zweites Mal den Wendekreis des Steinbocks und stießen in die Tiefen des Stillen Ozeans vor. Was aber hatten wir erreicht? Im Grunde nichts! Zwar waren wir nun genau in dem Gebiet, wo das Rätselwesen zum letzten Mal gesichtet worden war – aber vor unseren Augen breitete sich nichts als die schier endlose Weite des Ozeans aus. Kapitän Farragut hatte sein Bestes getan. Er hatte eine hohe Prämie für denjenigen ausgelobt, der als Erster das Monsterwesen entdecken werde. Bis auf Ned Land und Conseil waren auch alle mit höchster Wachsamkeit dabei. Viele hielten sich freiwillig auf Deck oder in den Masten auf, um Ausschau zu halten. Jeden Moment konnte schließlich das rätselhafte Ungetüm vor uns auftauchen. Warum sollten wir geschützter sein vor einem willkürlichen Angriff als diejenigen, die sich früher in diesem Gebiet aufgehalten hatten? Zwar war die Abraham Lincoln mit den modernsten Waffen ausgerüstet. Es gab Harpunen, die man mit der Hand schleuderte, Donnerbüchsen, die Pfeile mit Widerhaken abschossen und Entenflinten für explodierende Kugeln. Außerdem besaßen wir das neueste und bisher einmalige Exemplar einer Hinterlader-Kanone, die ein Projektil von vier Kilogramm Gewicht über eine Entfernung von 16 Kilometern schleudern konnte. Doch was nützen all diese Superlative, wenn man wochenlang in einem Meer kreuzt, das seine Geheimnisse nicht preisgeben will?

Ich mache kein Hehl daraus: Ich war frustriert und die Mannschaft ebenso. Irgendwann wurde man beim Kapitän vorstellig und verlangte den Abbruch der Expedition. Farragut versuchte die Gemüter zu beruhigen und bat mich um einige Tage Geduld. Äußerlich ganz ruhig, schien er mir von einer Zielstrebigkeit, ja Besessenheit, die mich stutzig machte. Hatte er eine Vorahnung? Es musste so sein. Ein letztes Mal, es war inzwischen Anfang November, bat er die Mannschaft um einen Aufschub. Noch einmal wurden Boote zu Wasser gelassen, wurde jeder Quadratmeter Ozean abgesucht. Und dann kam die Nacht, die ungeheuerlichste Nacht meines bisherigen Lebens: Ausgerechnet Ned Land war es, der alle, vom Kommandanten bis zum Heizer, vom Harpunier bis zum Schiffsjungen, durch einen markerschütternden Schrei aufs Deck lockte: „Oho! Das gesuchte Objekt quer vor uns unterm Wind!“

Unfasslich: Zwei Kabellängen von der Lincoln entfernt schien das Meer von unten beleuchtet zu sein!

Ich war erstarrt. Wir alle waren erstarrt. Das seit Monaten gesuchte Ungeheuer lag ruhig, einige Klafter unter dem Wasserspiegel verborgen, vor uns und rührte sich nicht.

„Dieser Glanz ... diese Helle“, stammelte ich, „es muss ... elektrisch sein!“

Im selben Moment gellte ein vielstimmiger Schreckens­schrei über Deck.

„Es bewegt sich! Es stürzt auf uns los!“, rief auch ich.

„Steuer rechts! Maschine volle Kraft rückwärts!“, befahl Kapitän Farragut, während die Besatzung an ihre Plätze stürmte.

Unser Schiff setzte sich träge und stampfend in Bewegung. Aber welche Geschwindigkeit des Lichts – denn mehr war immer noch nicht zu erkennen! Es hielt direkt auf uns zu. War unglaublich schnell kurz vor uns. Umkreiste uns. Entfernte sich ein paar Meilen, kam wieder näher und trieb seinen Schabernack mit uns.

„Was ist es? Was vermuten Sie?“

Bei all dem unheimlichen Zauber sollte ich Kapitän Farragut Rede und Antwort stehen.

„Ich denke ... ich glaube ... es handelt sich um einen Riesen-Narwal, aber um einen elektrischen“, versuchte ich meinem Ruf als Wissenschaftler gerecht zu werden.

„Kann er uns was anhaben, Professor?“

Welche Frage! Welche Verantwortung! Mir schossen Tausende von Daten, mathematische und physikalische Größen durch den Kopf. Ich ging im Geist meinen ganzen biologischen Wissensschatz durch – hier aber war ich überfordert! Staunend und auch furchtsam wie die anderen sah ich, wie wir und die mächtige Abraham Lincoln Spielball einer Erscheinung waren: Wieder hatte sich das Licht in Bewegung gesetzt – so, als hätte es den Befehl des Kapitäns vernommen: „Alle Waffen zum Einsatz bereit!“

Mit rasender Geschwindigkeit entfernte sich das Licht wieder von uns, umkreiste uns aus sicherer Entfernung ... kam dann unvermittelt erneut auf uns zu, tauchte aber ab, ehe ein Schuss fallen konnte. Tauchte dann auf der anderen Seite des Schiffes ebenso plötzlich und blendend hell wieder auf, verharrte und ließ uns in unbeschreiblicher Hilflosigkeit.

Ich fasse das grausame Spiel zusammen: Es dauerte mehrere Stunden, bis zum Morgengrauen. Irgendwann vernahmen wir ein ohrenbetäubendes Zischen, so als hätte ein Wal einen Wasserstrahl mit äußerster Kraft empor geschleudert. Einige Zeit später – wir hofften schon auf ein Ende des Spuks – hörte man trotz des Windgetöses eine Art Keuchen. Das Meer schien noch aufgewühlter als bisher. Die Abraham Lincoln war nur noch das hilflose Opfer einer Naturgewalt, die jeden Moment den letzten Schlag gegen uns ausführen konnte. Ja, bis zum Morgen ging dieses Spiel. Farragut wollte den Angriff erst bei hellem Tageslicht wagen. Das Ungeheuer schien die gleiche Absicht zu hegen ...

Und dann geschah es. Nur in Fetzen kann ich mich erinnern: Der Kapitän hatte „Angriff“ befohlen. Ned Land hielt seine Waffen bereit. Eine kurze Verfolgungsjagd und das Untier war des Spielens überdrüssig! Zwei riesige Wasserwirbel, ein fürchterlicher Schlag! Eine gewaltige Woge über Deck und ich hatte allen Halt verloren! Mehr noch: Ich versank, schluckte Wasser, rang verzweifelt nach Luft. Dann wurde ich gepackt, von einem Teil meiner Kleider gewaltsam befreit und dann fühlte ich Festes unter mir. Ich griff nach etwas und erkannte, wer bei mir war: Ned Land und der gute Conseil!

Kapitän Nemo

„Dieses Tier besteht aus Stahlblech, Herr Professor“, sind die ersten Worte, die ich bewusst vernehme, nachdem ich die Abraham Lincoln so unfreiwillig verlassen hatte. Ich weiß nicht, wie lange mein Diener, der Harpunier und ich schon an dem hingen, was ich unlängst als Narwal bezeichnet hatte. Unser Schiff sehe ich in meilenweiter Entfernung. Und ich habe noch die letzten Worte an Bord im Ohr: „Schraube und Steuer sind gebrochen!“

„Wir werden unser Schiff nie wieder betreten“, erklärte Conseil, als ob er meine Gedanken lesen könnte.

„Die anderen sind verloren“, fügte Ned Land hinzu und verzichtete darauf, sich über unser Schicksal auszulassen.

Tatsächlich trieb die Abraham Lincoln langsam, aber unaufhaltsam davon, während wir drei uns krampfhaft an etwas festhielten, das ich erst jetzt als einen Ring aus Stahl erkannte. Er war an etwas befestigt, das glatt poliert war und aus verschiedenen verbolzten Platten zu bestehen schien.

Es stand außer Frage: Wir befanden uns auf dem Rücken einer Art von unterseeischem Fahrzeug. Und dieses unheimliche Gefährt zeigte keine Öffnung und schien sich nicht zu bewegen.

Ich hatte auf meinen Expeditionen wahrhaftig schon viele extreme Situationen erlebt. Diese hier war allerdings so außerordentlich und unwirklich – da half mir auch mein sonst so scharfer Verstand nicht weiter. Keine Ahnung, wie lang wir auf diesem scheinbar leblosen Ding hingen. Unzählige Wellen gingen über uns hinweg. Meine Kehle war salzig. Die Augen brannten. Hände und Arme wurden immer kraftloser ...

Da passierte etwas, das mir das letzte Fünkchen Hoffnung nahm. Das Ding unter uns setzte sich in Bewegung. Schlimmer noch: Es sank und war im Begriff, uns in die Tiefe zu ziehen, wenn wir nicht sofort die Finger davon ließen!

„Tausend Teufel, he!“, schrie Ned Land gegen die Brandung und gegen ein anderes Geräusch direkt unter uns an. Dabei schlug er mit den Füßen auf die metallenen Platten.

Und o Wunder ... es tat seine Wirkung. Nach einigen Sekunden brach das Tosen unter uns abrupt ab. Gleichzeitig stieg das Ding wieder nach oben und wie von Geisterhand hob sich gleich neben mir eine der Platten. Ein Mann kam zum Vorschein. Er erblickte uns und stieß einen Schrei aus und ... verschwand gleich wieder. Es blieb keine Zeit zum Nachdenken, denn ein paar Augenblicke später erschienen acht kräftige Burschen mit verhüllten Gesichtern und zogen uns in die Tiefe! Die Platte über uns schloss sich wieder und es war mit einem Mal stockdunkel. Ich fühlte unter meinen Füßen so etwas wie Sprossen einer eisernen Leiter, die abwärts in ein unsichtbares Nichts führte. Hinter mir schien man auch Ned Land und Conseil gewaltsam nach unten zu schleppen.